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Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 07.10.2003
Aktenzeichen: 13 S 887/03
Rechtsgebiete: StAG, BGB, ARB 1/80


Vorschriften:

StAG § 4 Abs. 3 Satz 1
StAG § 40b
BGB § 1629 Abs. 1 Satz 2
BGB § 1687 Abs. 1
ARB 1/80 Art. 6 Abs. 1
1. Der mitsorgeberechtigte Elternteil kann allein wirksam die Einbürgerung seines Kindes beantragen, wenn er hierzu von dem anderen Elternteil ermächtigt ist. Die Wirksamkeit des Antrags setzt nicht voraus, dass die Ermächtigung zum Zeitpunkt der Antragstellung oder bis zum Ablauf einer Antragsfrist belegt wird. Ein entsprechender Nachweis kann auch nachträglich erbracht werden.

2. Ein assoziationsrechtlich begründetes Aufenthaltsrecht des maßgeblichen Elternteils eines minderjährigen Kindes aus Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 ist bei der Anwendung des § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG zu beachten. Die verspätete Beantragung der Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis ist demgemäß für das Merkmal des achtjährigen rechtmäßigen Aufenthalts im Inland nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AuslG unerheblich, wenn dem maßgeblichen Elternteil trotz dieser Verspätung ein solches Aufenthaltsrecht zustand.

3. Für den Einbürgerungsanspruch nach § 40b StAG reicht es aus, dass die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG zum Zeitpunkt der nach § 40b Satz 2 StAG fristgerecht erfolgten Antragstellung vorgelegen haben; sie müssen nicht mehr zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Einbürgerung gegeben sein (Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Senats vom 18.3.2002 - 13 S 442/02 -).


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

13 S 887/03

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Einbürgerung nach § 40b StAG

hat der 13. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Stumpe, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Ridder und den Richter am Verwaltungsgericht Vogel ohne mündliche Verhandlung am 7. Oktober 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 7. August 2002 - 7 K 5084/01 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der am 29.6.1993 in Stuttgart geborene Kläger begehrt seine Einbürgerung nach § 40b des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG).

Die Mutter des Klägers ist polnische Staatsangehörige. Sie war zum Zeitpunkt der Geburt des Klägers mit dem polnischen Staatsangehörigen xxxxx xx-xxxxxx verheiratet. Mit Beschluss vom 2.12.1993 - 26 F 1013/93 - ordnete das Amtsgericht Stuttgart - Familiengericht - an, dass die elterliche Sorge für den Kläger der Mutter übertragen wird. Mit Urteil vom 14.10.1996 - 6 C 4830/95 -stellte das Amtsgericht Stuttgart fest, dass der Kläger nicht das Kind des xxxxxxx xxxxxxxx ist. Bereits am 8.6.1994 hatte der Vater des Klägers, xxxx-xx xxxxx xxxx, gegenüber dem Jugendamt der Beklagten seine Vaterschaft anerkannt. Am 16.9.1998 erklärten sowohl der Vater wie auch die Mutter des Klägers gegenüber dem Jugendamt der Beklagten, die elterliche Sorge für den Kläger gemeinsam mit dem anderen Elternteil zu übernehmen.

Die Mutter des Klägers, die sich mit wechselnden Namen jeweils über längere Zeiträume unerlaubt im Bundesgebiet aufgehalten hatte, wurde mit Verfügung der Beklagten vom 20.9.1999 aus dem Gebiet der Bundesrepublik ausgewiesen und mit Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 12.1.2001 - 28 Ds 110 Js 1504/01 - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten wegen zweier Vergehen der unerlaubten Einreise in Tateinheit mit unerlaubtem Aufenthalt im Bundesgebiet verurteilt. Sie wurde mehrmals, zuletzt am 17.9.2001, nach Polen abgeschoben.

Der Vater des Klägers, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste im Jahr 1967 zum Zweck der Arbeitsaufnahme in die Bundesrepublik ein und erhielt in der Folgezeit jeweils befristete Aufenthaltserlaubnisse. Am 20.12.1990 erteilte ihm die Beklagte eine Aufenthaltsberechtigung.

Am 23.3.1999 erteilte die Beklagte dem Kläger, der bei seinem Vater lebte, eine bis zum 29.6.2001 befristete Aufenthaltserlaubnis, die am 27.7.2001 bis zum 28.6.2009 verlängert wurde.

Am 23.11.2000 beantragte der Vater die Einbürgerung des Klägers nach § 40b StAG. In dem Antrag ist angegeben, dass der Wohnort der Mutter nicht bekannt sei. Es wurde ein Schreiben der Mutter vorgelegt, in dem diese dem Vater des Klägers "Vollmacht zur Prozessführung und Vertretung beim Amtsgericht sowie in außergerichtlichen Verhandlungen aller Art" erteilte. Mit Schreiben vom 5.7.2001 teilte der Vater des Klägers mit, dass er die erforderliche Zustimmung der Mutter des Klägers nicht vorlegen könne, da sich diese in der Justizvollzugsanstalt Schwäbisch Gmünd befinde. Er bitte darum, die Zustimmung der Mutter von Amts wegen einzuholen. Entsprechende Bemühungen der Beklagten blieben erfolglos; am 8.8.2001 teilte die Justizvollzugsanstalt Schwäbisch Gmünd mit, dass sich die Mutter des Klägers dort nicht in Haft befinde.

Mit Schreiben vom 14.9.2001 gab die Beklagte dem Vater des Klägers Gelegenheit, sich zu der beabsichtigten Ablehnung des Einbürgerungsantrages zu äußern, und führte aus, der Antrag sei nicht wirksam, da bis zum 2.1.2001 keine Unterschrift der mitsorgeberechtigten Mutter vorgelegen habe. Ferner bestünden Unterbrechungen im rechtmäßigen Aufenthalt des Vaters im prüfungsrelevanten Zeitraum. Der Kläger trug daraufhin vor, dass von einem wirksamen Antrag auszugehen sei, da sein Vater von seiner Mutter bevollmächtigt worden sei, den Antrag auch in ihrem Namen zu stellen. Sollten kurzzeitige Unterbrechungen der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts seines Vaters vorliegen, führten diese nicht zur Versagung seiner Einbürgerung. Auf § 97 AuslG werde verwiesen. Hierauf entgegnete die Beklagte mit Schreiben vom 26.10.2001, dass der Vater des Klägers bei der Abgabe des Antrags nachdrücklich darauf aufmerksam gemacht worden sei, dass beide sorgeberechtigten Elternteile den Antrag auf Einbürgerung unterschreiben müssten, weil dieser sonst nicht wirksam sei (Antragsende 31.12.2000). Die vorgelegte Vollmacht erstrecke sich auf die Prozessführung und Vertretung beim Amtsgericht. Eine Vollmacht der Mutter in ihrer Funktion als Sorgeberechtigte sei nicht vorgelegt worden. Unterbrechungen der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts, etwa durch verspäteten Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis, führten dazu, dass der davor gelegene rechtmäßige Aufenthalt nicht berücksichtigt werden könne. § 89 Abs. 3 AuslG finde im Staatsangehörigkeitsgesetz keine Anwendung. Beim Vater des Klägers lägen Unterbrechungen im rechtmäßigen Aufenthalt am 27.5.1984, 29.5.1986, vom 18.11.1986 bis zum 24.11.1986 und vom 25.11.1988 bis zum 1.12.1988 vor. Am 29.10.2001 legte der Kläger zwei Schreiben seiner Mutter vom 22.10.2001 vor, in denen sie sich mit einer Einbürgerung des Klägers in den deutschen Staatsverband einverstanden erklärte und bestätigte, dass der Vater des Klägers den Einbürgerungsantrag auch in ihrem Namen gestellt habe.

Am 27.12.2001 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart Untätigkeitsklage erhoben.

Mit Bescheid vom 19.02.2002 hat die Beklagte den Antrag des Klägers auf Einbürgerung abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Es liege kein wirksamer Einbürgerungsantrag vor, da während der Antragsfrist nur der nicht alleinsorgeberechtigte Vater den Einbürgerungsantrag unterschrieben habe. Aus den nachträglichen Einverständniserklärungen der Mutter ergebe sich nichts anderes, da sie nach Ablauf der Antragsfrist abgegeben worden seien. Zudem sei die Einverständniserklärung kein Einbürgerungsantrag. Weiterhin fehle es beim Vater des Klägers am rechtmäßigen ununterbrochenen Aufenthalt von acht Jahren zum Zeitpunkt der Geburt des Klägers, da er mehrfach den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis verspätet gestellt habe. Zuletzt habe sich der Kläger vom 24.11.1988 bis zum 2.12.1988 ohne rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet aufgehalten, so dass die anrechenbare Zeit des rechtmäßigen Aufenthalts erst am 2.12.1988 begonnen habe. Auch die Mutter des Klägers erfülle nicht die notwendigen Voraussetzungen. Sie sei am 17.9.2001 nach Polen abgeschoben worden.

Zur Begründung der Klage hat der Kläger ausgeführt: Die Einbürgerung könne nicht mit dem Hinweis auf einen unwirksamen Antrag versagt werden. Denn zwischenzeitlich sei eine entsprechende Vollmacht des Vaters zu den Akten gereicht worden. Im Übrigen hätte es der Beklagten oblegen, vor Fristablauf am 31.12.2000 hierauf hinzuweisen. Die Unterbrechungen des rechtmäßigen Aufenthalts seines Vaters stammten aus einer Zeit, zu der er noch nicht geboren sei und umfassten nur wenige Tage. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Stuttgart sei in diesen Fällen § 89 Abs. 3 AuslG anzuwenden.

Am 23.4.2002 ist der Vater des Klägers bei einem Verkehrsunfall verstorben.

Mit Urteil vom 7.8.2002 hat das Verwaltungsgericht Stuttgart antragsgemäß den Bescheid der Beklagten vom 19.2.2002 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Kläger in den deutschen Staatsverband einzubürgern. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Klage sei als Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO zulässig und begründet. Der Kläger könne beanspruchen, dass er entsprechend seinem Einbürgerungsantrag nach § 40b StAG eingebürgert werde. Die Voraussetzungen des § 40b Satz 1 StAG in Verbindung mit § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG seien erfüllt. Der am 29.6.1993 in Stuttgart geborene Kläger habe am 1.1.2000 seinen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gehabt. Sein Vater habe bei der Geburt des Klägers mehr als 25 Jahre rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet gehabt; am 20.12.1990 habe er eine Aufenthaltsberechtigung erworben. Durch die verspätete Stellung der Anträge des Vaters auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnisse sei die Rechtmäßigkeit seines Aufenthaltes nicht unterbrochen worden. Denn dem Vater habe bei der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnisse in den Jahren 1986 und 1988 das Aufenthaltsrecht unmittelbar auf Grund von Art. 6 Abs. 1 3. Spiegelstrich des Beschlusses des Assoziationsrates EWG-Türkei Nr. 1/80 (ARB 1/80) zugestanden. Die Aufenthaltserlaubnis habe für die Anerkennung des Aufenthaltsrechtes nur deklaratorische Bedeutung. Der Einbürgerungsanspruch nach § 40b Satz 1 StAG sei auch nicht mit dem Tod des Vaters untergegangen. § 40b StAG verlange zwar, dass die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG weiter vorlägen. Es sei aber unklar, ob die dort genannten Aufenthaltserfordernisse des maßgeblichen Elternteils nur bis zur Antragstellung oder auch darüber hinaus bis zur Einbürgerung erfüllt sein müssten. Nach Auffassung des Gerichts sei nach Sinn und Zweck der Regelung die Einbürgerung nur dann ausgeschlossen, wenn der maßgebliche Elternteil das Bundesgebiet bei Einbürgerung des Kindes auf Dauer verlassen habe, nicht mehr im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung oder zwischenzeitlich eingebürgert worden sei. Der Einbürgerungsanspruch des Klägers scheitere auch nicht daran, dass innerhalb der Antragsfrist des § 40b Satz 2 StAG nur der Vater des Klägers den Antrag unterschrieben habe. Zwar habe die gesetzliche Vertretung des Klägers nach § 1629 Abs. 1 Satz 2 BGB grundsätzlich gemeinsam zu erfolgen. Bei Gefahr im Verzug sei jedoch jeder Elternteil gemäß § 1629 Abs. 1 Satz 4 BGB dazu berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes notwendig seien. Die Voraussetzungen dieses Notvertretungsrechts seien erfüllt. Denn wäre die rechtzeitige Antragstellung des Vaters unterblieben, hätte dem Kläger ein erheblicher rechtlicher Nachteil, nämlich der Verlust des Einbürgerungsanspruchs nach § 40b StAG gedroht. Ausweislich der Angaben des Vaters des Klägers im Einbürgerungsantrag sei diesem bei Stellung des Antrages der Wohnort der Mutter nicht bekannt gewesen. Im Übrigen lägen hinsichtlich der von der Beklagten angenommenen Versäumung der Antragsfrist des § 40b Satz 2 StAG jedenfalls die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 32 LVwVfG vor.

Auf den Antrag der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 15.4.2003 - 13 S 2448/02 -, der Beklagten zugestellt am 5.5.2003, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen.

Mit am 21.5.2003 eingegangenem Schriftsatz beantragt die Beklagte,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 7.8.2002 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt sie aus: Zwar werde die Auffassung des Verwaltungsgerichts geteilt, dass dem Vater des Klägers ein Aufenthaltsrecht unmittelbar auf Grund des Beschlusses des Assoziationsrates EWG-Türkei zugestanden und die Aufenthaltserlaubnis für die Anerkennung des Aufenthaltsrechts nur deklaratorische Bedeutung gehabt habe, so dass es auf die Frage, ob der Vater des Klägers Verlängerungsanträge zu spät gestellt habe, nicht ankomme. Doch sei es nach dem Wortlaut des § 40b Satz 1 StAG erforderlich, dass die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG bei der Geburt des Ausländers vorgelegen hätten und weiter vorliegen würden. Während für das ausländische Kind bezüglich des Vorliegens des erforderlichen Alters und rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalts ausdrücklich auf den Stichtag 1.1.2000 abgestellt werde, sei der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit gesetzlich nicht auf einen bestimmten Zeitpunkt festgelegt. Die Vorschrift verlange hierfür vielmehr, dass die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG seit der Geburt des Kindes in Deutschland ununterbrochen bis zur Vornahme der Einbürgerung vorliegen würden. Diese Auslegung sei sachgerecht, angemessen sowie zumutbar und entspreche dem Sinn und Zweck des Gesetzes. § 40b StAG wolle erkennbar vermeiden, dass die Behörde zur Vornahme einer Einbürgerung verpflichtet sei, deren sachlich-rechtliche Voraussetzungen bereits entfallen seien. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts fehle es an der Voraussetzung einer erforderlichen Aufenthaltsgenehmigung nicht bloß dann, wenn der maßgebliche Elternteil das Bundesgebiet bei Einbürgerung des Kindes auf Dauer verlassen habe, nicht mehr im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis oder -berechtigung sei, sondern auch dann, wenn der Elternteil, auf dessen Aufenthalt abzustellen sei, vor der Einbürgerung des Kindes verstorben sei. Denn in diesem Fall liege ein Aufenthalt des maßgebenden Elternteils nicht mehr vor. Nach Sinn und Zweck des § 4 Abs. 3 StAG komme es auf dessen rechtmäßigen gewöhnlichen Inlandsaufenthalt entscheidend an, weil dieser als Voraussetzung der Integration in die deutschen Lebensverhältnisse anzusehen sei. Zudem entfalte in diesem Fall eine Aufenthaltsgenehmigung keine Wirkung mehr. Sie vermittle ein höchstpersönliches Recht und gehe mit dem Tod des Berechtigten unter. Von einem verstorbenen Elternteil könne damit ein Einbürgerungsanspruch nach § 40b StAG ebenso wenig hergeleitet werden wie von einem lebenden Elternteil, der seine Aufenthaltsgenehmigung vor der Einbürgerung des Kindes verloren habe.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung beruft er sich auf das angefochtene Urteil und macht weiter geltend: Der Antrag auf Einbürgerung sei nicht deswegen abzulehnen, weil sein Vater zwischen Antragstellung und dem Urteil des Verwaltungsgerichts verstorben sei. Maßgeblicher Zeitpunkt sei vielmehr das Datum der Stellung des Einbürgerungsantrages. Ansonsten könne durch eine verzögerte Bearbeitungsweise - wie im vorliegenden Fall - ein bereits entstandener Anspruch vereitelt werden. Dies widerspreche Sinn und Zweck der Einbürgerungsregelungen, die gerade durch den Einbürgerungstatbestand des § 40b StAG eine Privilegierung von Kindern langjährig im Bundesgebiet lebender Ausländer schaffen wollten. Seine Integration in die deutschen Lebensverhältnisse ende nicht mit dem Tod des Vaters. Es sei für ihn vielmehr schwieriger, sich bei Nichteinbürgerung in neue Lebensverhältnisse zu integrieren, da er lediglich die deutschen Lebensverhältnisse kennen gelernt habe. Er sei in Deutschland aufgewachsen und erzogen worden. Er besuche eine deutsche Schule.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Dem Senat liegen die Einbürgerungsakten der Beklagten sowie die Ausländerakten des Klägers und seiner Eltern vor. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf diese Unterlagen sowie auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 125 Abs. 1 Satz 1, 101 Abs. 2 VwGO).

Die Berufung der Beklagten ist nach ihrer Zulassung durch den Senat statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Beklagte hat die Berufung insbesondere innerhalb eines Monats nach der Zustellung des Beschlusses über ihre Zulassung ausreichend begründet und einen bestimmten Antrag gestellt (§ 124a Abs. 6, Abs. 3 Satz 4 VwGO).

Die Berufung ist aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht der auf Verpflichtung der Beklagten zur Einbürgerung des Klägers nach § 40b StAG gerichteten Klage stattgegeben und den entgegenstehenden Bescheid der Beklagten vom 19.2.2002 aufgehoben.

Die von dem Kläger erhobene Klage ist als Untätigkeitsklage gemäß § 75 VwGO zulässig. Dem Kläger konnte das durch § 75 VwGO eingeräumte Klagerecht auch nicht mehr dadurch genommen werden, dass die Beklagte am 19.2.2002 einen ablehnenden Bescheid erlassen hat, so dass es der Durchführung eines Vorverfahrens nach § 68 VwGO nicht bedurfte (BVerwG, Urteil vom 13.1.1983 - 5 C 114.81 -, BVerwGE 66, 342, 344; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 30.4.1984 - 5 S 2079/83 -, NJW 1986, 149).

Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 19.2.2002 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Ihm steht der geltend gemachte Anspruch auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband gemäß § 40b StAG bei vorläufiger Hinnahme von Mehrstaatigkeit nach § 29 StAG zu (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für diesen Anspruch ist § 40b StAG in Verbindung mit § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG. Nach § 40b Satz 1 StAG ist ein Ausländer, der am 1.1.2000 rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und das zehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, auf seinen Antrag einzubürgern, wenn bei seiner Geburt die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG vorgelegen haben und weiter vorliegen. Der Antrag konnte gemäß § 40b Satz 2 StAG bis zum 31.12.2000 gestellt werden. Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG erwirbt ein Kind ausländischer Eltern durch die Geburt im Inland die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und eine Aufenthaltsberechtigung oder seit drei Jahren eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis besitzt.

Diese Voraussetzungen sind gegeben. Für den Kläger ist innerhalb der Frist des § 40b StAG ein wirksamer Einbürgerungsantrag gestellt worden (1.). Der Kläger erfüllt die an seine Person anknüpfenden Voraussetzungen des § 40b Satz 1 StAG in Verbindung mit § 4 Abs. 3 Satz 1 1. Halbsatz StAG (2.). Schließlich sind die aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen des § 40b Satz 1 StAG in Verbindung mit § 4 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz StAG bei seinem Vater als maßgeblichem Elternteil erfüllt (3.).

1. Der Vater des Klägers hat am 23.11.2000 und damit innerhalb der Frist des § 40b Satz 2 StAG wirksam die Einbürgerung des Klägers beantragt. Zu diesem Zeitpunkt stand allerdings den Eltern des Klägers die elterliche Sorge für den Kläger auf Grund der am 16.9.1998 vor dem Jugendamt der Beklagten abgegebenen Sorgeerklärungen gemeinsam zu (§ 1626a BGB), so dass sie den Kläger nach § 1629 Abs. 1 Satz 2 BGB grundsätzlich nur gemeinschaftlich vertreten konnten. Da die Eltern des Klägers nicht bloß vorübergehend getrennt lebten und es sich bei der Frage, ob der Kläger nach § 40b StAG die deutsche Staatsangehörigkeit erwirbt, um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für den Kläger handelt, war zur Entscheidung, ob die Einbürgerung gemäß § 40b StAG beantragt wird, nach § 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB das gegenseitige Einvernehmen der Eltern erforderlich. Dieses Einvernehmen kann vorweg oder im Rahmen eines aktuell gewordenen Vorgangs hergestellt werden. Es kann in der Beibehaltung der gemeinschaftlichen Entscheidungsfindung bestehen oder in der Ermächtigung zur alleinigen Entscheidung und zum alleinigen Handeln eines Elternteils liegen (vgl. dazu: Palandt/ Diederichsen, BGB, 62. Auflage, § 1687 RdNr. 8). Hat ein Elternteil in diesen Fällen den anderen dazu autorisiert, allein für das Kind zu handeln, erweitert eine solche Ermächtigung die Gesamtvertretungsmacht des Ermächtigten zur Einzelvertretungsmacht mit der Folge, dass der ermächtigte Elternteil auch allein wirksam für sein Kind handeln kann (Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl., Band 3, § 1629 RdNr. 11; Palandt/Diederichsen, a.a.O.). Der ermächtigte Elternteil braucht dabei zur Herbeiführung von Außenwirkungen für das Kind nicht auf die erteilte Ermächtigung hinzuweisen (Münchener Kommentar, a.a.O., RdNr. 12 m.w.N.). Mithin ist für die Wirksamkeit eines von dem ermächtigten Elternteil gestellten Einbürgerungsantrags nicht Voraussetzung, dass die Ermächtigung zur Antragstellung zum Zeitpunkt der Antragstellung oder bis zum Ablauf der Antragsfrist belegt wird. Ein solcher Nachweis kann vielmehr auch noch nachträglich erbracht werden.

Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass die Mutter des Klägers den Vater des Klägers zur Stellung des Einbürgerungsantrags nach § 40b StAG ermächtigt hat. Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 12.10.2001 hat der Kläger erklärt, dass sein Vater von der Mutter bevollmächtigt gewesen sei, den Einbürgerungsantrag auch in ihrem Namen zu stellen; die Mutter des Klägers hat mit Schreiben vom 22.10.2001 ausdrücklich bestätigt, dass der Vater des Klägers den Einbürgerungsantrag vom 23.11.2000 auch in ihrem Namen gestellt habe. Aufgrund dieses (nachträglichen) Nachweises der Ermächtigung kann der Wirksamkeit des allein vom Vater des Klägers gestellten Einbürgerungsantrags weder entgegengehalten werden, dass die Mutter des Klägers den Antrag nicht unterschrieben hat noch dass bis zum Ablauf der Antragsfrist am 31.12.2000 eine förmliche Zustimmungserklärung der Mutter nicht vorgelegt wurde.

2. Die an die Person des Klägers anknüpfenden Voraussetzungen des § 40b StAG in Verbindung mit § 4 Abs. 3 Satz 1 1. Halbsatz StAG sind gegeben. Der Kläger ist am 29.6.1993 in Stuttgart geboren und hatte am 1.1.2000 rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet. Er ist seit seiner Geburt im Bundesgebiet wohnhaft und war am 1.1.2000 im Besitz einer bis zum 29.6.2001 befristeten Aufenthaltserlaubnis, die mittlerweile bis zum 28.6.2009 verlängert wurde.

3. Der Vater des Klägers erfüllte bei der Geburt des Klägers die Anforderungen an Aufenthaltsdauer und Aufenthaltstitel nach § 4 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz StAG (a.). Diese Voraussetzungen lagen auch noch "weiter", nämlich zum maßgeblichen Zeitpunkt der Stellung des Einbürgerungsantrags vor (b.).

a. Der Vater des Klägers hatte bei der Geburt seines Sohnes am 29.6.1993 seit mehr als acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet. Er reiste im Jahr 1967 zum Zweck der Arbeitsaufnahme in das Bundesgebiet ein und erhielt in der Folgezeit jeweils befristete Aufenthaltserlaubnisse, bevor ihm am 20.12.1990 eine Aufenthaltsberechtigung erteilt wurde. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass entgegen der von der Beklagten noch in ihrem Bescheid vom 19.2.2002 vertretenen Ansicht die verspätete Stellung der Anträge des Vaters des Klägers auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnisse in den Jahren 1986 und 1988 die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes nicht unterbrochen hat, weil sich der Vater des Klägers auf ein aus Art. 6 Abs. 1 3. Spiegelstrich ARB 1/80 folgendes Aufenthaltsrecht berufen konnte.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH), dass türkischen Arbeitnehmern und ihren Familienangehörigen die Rechte aus Art. 6 und 7 ARB 1/80 unmittelbar aus diesen Vorschriften und unabhängig davon zustehen, ob die zuständigen Behörden Verwaltungsdokumente (Arbeits- oder Aufenthaltsgenehmigung) ausstellen, durch die das Bestehen dieser Rechte nur deklaratorisch festgestellt werden kann (Urteil des Gerichtshofs vom 16.3.2000 in der Rechtssache C-329/97 [Ergat] RdNr. 62 f., InfAuslR 2000, 217 mit Nachweisen aus der früheren Rechtsprechung). Dem hat sich der Senat angeschlossen (Urteil vom 17.8.2000 - 13 S 950/00 -, InfAuslR 2000, 476; Beschluss vom 22.4.2002 - 13 S 1417/01 -, nicht veröffentlicht). Ein von der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis unabhängiges assoziationsrechtlich begründetes Aufenthaltsrecht des maßgeblichen Elternteils eines minderjährigen Kindes aus Art. 6 oder 7 ARB 1/80 ist mithin auch bei Anwendung des § 40 b StAG in Verbindung mit § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG zu beachten.

Der Senat geht mit dem Verwaltungsgericht davon aus, dass dem Vater des Klägers ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht aus Art. 6 Abs. 1 3. Spiegelstrich ARB 1/80 zum Zeitpunkt der verspäteten Beantragung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnisse in den Jahren 1986 und 1988 zustand; nach den vom EuGH im Urteil vom 16.3.2000 a.a.O. dargelegten Grundsätzen war es assoziationsrechtlich unerheblich, dass der Kläger die Verlängerung der befristeten Aufenthaltserlaubnis jeweils erst nach dem Ablauf von deren Geltungsdauer beantragt hat, da die zuständige Ausländerbehörde ihm jedesmal eine neue Aufenthaltserlaubnis erteilt und damit letztlich die Ordnungsmäßigkeit seines Aufenthalts nicht in Frage gestellt hat (vgl. hierzu auch EuGH, Urteil vom 30.9.1997 - C 98/96 - [Ertanir], InfAuslR 1997, 434, RdNr. 69). Dies ist zwischen den Beteiligten mittlerweile auch unstreitig. Die Beklagte hat sowohl im Verfahren auf Zulassung der Berufung wie auch im Berufungsverfahren in Übereinstimmung mit der vom Innenministerium Baden-Württemberg im Schreiben vom 24.10.2002 vertretenen Auffassung vorgetragen, dass die Ansicht des Verwaltungsgerichts, dem Vater des Klägers habe das Aufenthaltsrecht unmittelbar auf Grund des Beschlusses des Assoziationsrates EWG-Türkei Nr. 1/80 zugestanden, geteilt werde. Ein dem Kläger nach Art. 6 Abs. 1 3. Spiegelstrich ARB 1/80 zustehendes Aufenthaltsrecht wird zudem dadurch belegt, dass dem Vater des Klägers am 20.12.1990 eine Aufenthaltsberechtigung nach § 8 des Ausländergesetzes 1965 erteilt wurde. Die Erteilung der Aufenthaltsberechtigung nach dieser Vorschrift setzte nämlich voraus, dass sich der Ausländer im Zeitpunkt der Entscheidung mindestens fünf Jahre ununterbrochen rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16.12.1980 - 1 B 836/00 -, NJW 1981, 1918; Kanein, Ausländerrecht, 4. Aufl., § 8 AuslG Anm. 4).

b. Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG bezüglich des rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalts des Vaters des Klägers im Bundesgebiet und des Besitzes einer Aufenthaltsberechtigung lagen auch nach der Geburt des Klägers "weiter" im Sinne des § 40b Satz 1 StAG vor. Denn zum Zeitpunkt des Antrags auf Einbürgerung des Klägers nach § 40b StAG war der Vater des Klägers weiterhin im Besitz der Aufenthaltsberechtigung und hatte sich bis dahin rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten. Dass der Vater des Klägers nach Stellung des Einbürgerungsantrags und nach Erlass des ablehnenden Bescheides der Beklagten während des Klageverfahrens gestorben ist, führt nicht dazu, dass der Kläger den Anspruch auf Einbürgerung nach § 40 b StAG verloren hat. Denn die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG müssen nur bis zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Einbürgerung nach § 40b StAG vorgelegen haben. Der Senat hält an seiner im Rahmen eines Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes (Beschluss vom 18.3.2002 - 13 S 442/02 -, NVwZ-RR 2002, 779) nach summarischer Prüfung gewonnenen Ansicht, der Einbürgerungsanspruch nach § 40b StAG setze voraus, dass die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG noch im Zeitpunkt der Entscheidung über die Einbürgerung vorliegen müssten und es nicht ausreiche, dass sie zur Zeit der nach § 40b StAG fristgerecht erfolgten Antragstellung vorgelegen hätten, nicht weiter fest. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

Der Wortlaut des § 40b StAG verlangt nur, dass die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG über die Geburt des Kindes hinaus "weiter vorliegen" müssen. Er enthält keinen eindeutigen Anhaltspunkt dafür, wie lange diese Voraussetzungen noch vorliegen müssen, so dass als zeitliche Bezugspunkte sowohl die Stellung des Einbürgerungsantrags nach § 40b StAG wie auch die Einbürgerung selbst in Betracht kommen können (ebenso: Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 3. Auflage, § 40b StAG RdNr. 10; Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht [GK/StAR], § 40b StAG, RdNr. 12). Betrachtet man Normstruktur und -systematik, lassen sich für beide Zeitpunkte Anhaltspunkte finden. Einerseits spricht der Umstand, dass das Merkmal "weiter vorliegen" nicht an die Stellung des Einbürgerungsantrags, sondern an die Einbürgerungspflicht der Behörde anknüpft, dafür, auf den Zeitpunkt der Einbürgerung durch die Behörde abzustellen. Andererseits kann argumentiert werden, dass der für die Anwendung von § 40b StAG maßgebliche Gesichtspunkt die Geltendmachung des Anspruchs unter genau bezeichneten materiellen Voraussetzungen bezogen auf die Person des Kindes und des maßgeblichen Elternteils innerhalb der Frist des § 40b Satz 2 StAG ist, was eher Anzeichen dafür ist, hinsichtlich der materiellen Voraussetzungen den Zeitpunkt der Antragstellung zu Grunde zu legen (so: GK/StAR, a.a.O., RdNr. 13).

Auch die Auslegung nach Sinn und Zweck der Vorschrift des § 40b StAG führt zu keinem eindeutigen Ergebnis. § 40b StAG ist eine Übergangsvorschrift, mit der diejenigen Kinder, die bei Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 15.7.1999 (BGBl. I 1618) am 1.1.2000 noch keine zehn Jahre alt waren, weitgehend so gestellt werden sollen, als hätte der Tatbestand des § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG, der die Voraussetzungen für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Geburt im Inland normiert (Ius-soli-Erwerbstatbestand), schon bei ihrer Geburt gegolten, indem ihnen eine - befristet geltend zu machende - staatsangehörigkeitsrechtlich vergleichbare Position eingeräumt wird wie den durch § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG begünstigten Kindern (GK/StAR, a.a.O., RdNr. 4; Hailbronner/Renner, a.a.O., RdNr. 2, vgl. auch BT-Drs. 14/533, S. 17 [Allgemeinbegründung zu §§ 40a, 40b StAG]). Wenn man in erster Linie den Aspekt der Gleichstellung heranzieht, liegt der Schluss nahe, auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen. Denn haben sich die betroffenen Eltern und ihre Kinder innerhalb der nach § 40b Satz 2 StAG eingeräumten Frist entschieden, von dem Einbürgerungsanspruch nach § 40b StAG Gebrauch zu machen (zum Charakter der Frist des § 40b Satz 2 StAG als Überlegungsfrist vgl. Hailbronner/Renner, a.a.O., RdNr. 11) und einen entsprechenden Antrag zu stellen, besteht unter Gleichstellungsgesichtspunkten kein Grund dafür, auch nach Antragstellung das weitere Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG zu verlangen. Denn auch beim Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Geburt im Inland nach § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG geht die deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes nicht verloren, wenn bei dem maßgeblichen Elternteil nach der Geburt des Kindes die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 1 AuslG entfallen. Andererseits werden die Kinder, die unter den Tatbestand des § 40 b StAG fallen, nur im Ergebnis rechtlich ebenso behandelt wie die seit dem 1.1.2000 geborenen Kinder, die sich auf den Erwerbstatbestand des § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG berufen können. Die Voraussetzungen und vor allem auch das Verfahren nach § 4 Abs. 3 StAG und nach § 40b StAG unterscheiden sich in mehrfacher Hinsicht voneinander. So genügt nach § 40b StAG - was hier gerade problematisch ist - nicht schon die Erfüllung des Tatbestandes des § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG im Zeitpunkt der Geburt des Kindes, vielmehr muss dieser Tatbestand andauern. Außerdem tritt der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 40b StAG nicht von Gesetzes wegen (gleichsam automatisch) ein, sondern erfolgt durch einen behördlichen Einbürgerungsakt auf fristgebundenem Antrag hin. Nimmt man vornehmlich diese unterschiedliche Ausgestaltung in den Blick, spricht einiges dafür, für das weitere Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG auf den Zeitpunkt der Einbürgerung abzustellen mit der Begründung, dass die Behörde nicht zur Vornahme einer Einbürgerung verpflichtet werden soll, deren sachlich-rechtliche Voraussetzungen entfallen sind (so: Beschluss des Senats vom 18.3.2002, a.a.O.; Hailbronner/Renner, a.a.O., RdNr. 13).

Lassen sich damit aus dem Wortsinn, dem Bedeutungszusammenhang des § 40b StAG und der ihm zugrunde liegenden Systematik, sowie dem ermittelten Sinn und Zweck dieser Vorschrift keine eindeutigen Auslegungsergebnisse erzielen, ist maßgeblich auf die Normvorstellung des historischen Gesetzgebers abzustellen (vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl., Studienausgabe, S. 203), wobei als Erkenntnisquellen die verschiedenen Gesetzentwürfe, die Beratungsprotokolle und vor allem die den Entwürfen beigegebenen Begründungen in Betracht kommen (Larenz, a.a.O., S. 206). Hinsichtlich des § 40b StAG heißt es in der Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts (BT-Drs. 14/533, S 17 - Einzelbegründung zu § 40b StAG): "Kinder unter zehn Jahren, die vor Inkrafttreten des Gesetzes die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 StAG erfüllt und die deutsche Staatsangehörigkeit durch ius soli erworben hätten, erhalten einen innerhalb eines Jahres geltend zu machenden Einbürgerungsanspruch, wenn diese Voraussetzungen bei Antragstellung weiter vorliegen (§ 40b)." Damit lässt sich den Gesetzesmaterialen erkennbar der nach den vorstehenden Ausführungen für die Rechtsanwendung maßgebliche Wille des Gesetzgebers entnehmen, dass die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG nur bis zum Zeitpunkt der Stellung des Einbürgerungsantrags nach § 40b StAG und nicht mehr im Zeitpunkt der Einbürgerung selbst vorliegen müssen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Revision an das Bundesverwaltungsgericht ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt. Die Rechtssache hat insbesondere hinsichtlich der Frage, zu welchem Zeitpunkt die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG nach § 40b StAG noch weiter vorliegen müssen, keine grundsätzliche Bedeutung mehr, da sie auslaufendes Recht betrifft. Denn Anträge für Einbürgerungen nach § 40 b StAG konnten nur bis zum 31.12.2000 gestellt werden.

Beschluss

vom 7. Oktober 2003

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 4.000,-- EUR festgesetzt. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 25 Abs. 2 Satz 1 GKG und bemisst sich nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nach dem Auffangstreitwert.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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