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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 19.09.2002
Aktenzeichen: 14 S 1429/02
Rechtsgebiete: SchfG, VOSch


Vorschriften:

SchfG § 10
SchfG § 11 Abs. 2
VOSch § 4 Abs. 2
VOSch § 5 Abs. 2
1. Eine i.S. von § 11 Abs. 2 Nr. 2 SchfG beachtliche Verletzung der Berufspflichten muss nicht von solchem Gewicht sein, dass sie bereits für sich betrachtet einen Widerruf der Bestellung rechtfertigt. Es genügt ein Pflichtverstoß, der die Anordnung eines Warnungsgeldes nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 SchfG zulässt.

2. Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Nr. 2 SchfG vor, ist der Widerruf der Bestellung als Bezirksschornsteinfegermeister die zwingende Rechtsfolge. Dies gilt auch dann, wenn der Bezirksschornsteinfegermeister zugleich dauernd berufsunfähig i.S. von § 10 SchfG ist.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

14 S 1429/02

In der Verwaltungsrechtssache

wegen

Widerrufs der Bestellung zum Bezirksschornsteinfeger

hat der 14. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schnebelt und die Richter am Verwaltungsgerichtshof Noé und Brandt auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 19. September 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 21. September 2001 - 1 K 1776/01 - wird zurückgewiesen.

Die Klage auf Verpflichtung zur Versetzung in den Ruhestand wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf der Bestellung zum Bezirksschornsteinfegermeister; er begehrt die Versetzung in den Ruhestand.

Der 1944 geborene Kläger wurde erstmals mit Wirkung vom 01.01.1976 auf Probe und ab dem 01.01.1977 endgültig zum Bezirksschornsteinfegermeister bestellt. Ab dem 01.01.1985 verwaltete er den Kehrbezirk Rhein-Neckar-Kreis Nr. 32. In den Jahren 1981, 1996 und 1998 wurden von der zuständigen Aufsichtsbehörde gegen den Kläger jeweils im Anschluss an Kehrbezirksüberprüfungen, bei denen Mängel in der Aufgabenwahrnehmung festgestellt worden waren, Warnungsgelder in Höhe von 1.000,-- DM, 6.000,-- DM und zuletzt 2.500,-- DM verhängt. Diese Verfügungen sind bestandskräftig; die gegen den Bescheid des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis vom 04.11.1998 erhobene Klage blieb erfolglos (siehe VG Karlsruhe, Urteil vom 30.06.2000 - 1 K 1818/99 -).

Im Anschluss an einen Erlass des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg vom 17.11.2000, mit dem das durchschnittliche Volumen eines Kehrbezirks auf 135.451 Arbeitswerte festgesetzt worden war, wurde der Kehrbezirk des Klägers mit Verfügung des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis vom 27.12.2000 mit Wirkung vom 01.01.2001 neu eingeteilt. Der räumlichen Feinabgrenzung, die im Anschluss an eine Sitzung mit allen betroffenen Bezirksschornsteinfegern auf der Grundlage der Angaben des Klägers vorgenommen wurde, lag die dem Kläger bekannte Vorgabe zugrunde, wonach der Kläger, dessen Kehrbezirk zum Stichtag 30.09.2000 140.687 Arbeitswerte umfasste, 4.400 Arbeitswerte an den Kehrbezirk Rhein-Neckar-Kreis Nr. 33 und 750 Arbeitswerte an den Kehrbezirk Rhein-Neckar-Kreis Nr. 29 abzugeben hatte. Die auf die Neueinteilung bezogenen Unterlagen gab der Kläger zunächst nicht weiter. Nach Aufforderung durch das Landratsamt gab er schließlich Anfang Februar Unterlagen weiter; diese erstreckten sich beim Inhaber des Kehrbezirks Rhein-Neckar-Kreis Nr. 29 auf die geforderten 750 Arbeitwerte, während sie beim Inhaber des Kehrbezirks Rhein-Neckar-Kreis Nr. 33 entgegen den Vorgaben lediglich 1.470,19 Arbeitswerte abdeckten. Zugleich bestätigte der Kläger gegenüber dem Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis in einer auf den 31.01.2001 datierten Rückmeldung, dass sein Kehrbezirk nunmehr 135.537,89 Arbeitswerte umfasse. Einer Aufforderung des Landratsamts, die zum angestrebten Ausgleich der Arbeitswerte fehlenden Unterlagen bis spätestens 19.02.2001 weiterzugeben, kam der Kläger nicht nach. Bei einer Unterredung im Landratsamt gab der Kläger am 01.03.2001 an, dass er die Abgabe aller geforderten Arbeitswerte nicht für notwendig erachtet habe - so hatte er sich bereits mit Schreiben vom 23.01.2001 gegenüber dem Inhaber des Kehrbezirks Rhein-Neckar-Kreis Nr. 33 geäußert - und räumte ein, dass er die Rückmeldung vom 31.01.2001 wissentlich unrichtig ausgefüllt habe. Nachdem der Kläger die noch fehlenden Unterlagen nicht, wie vereinbart, bis zum 09.03.2001 weitergeleitet hatte, hörte ihn das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis mit Schreiben vom 15.03.2001 zum beabsichtigten Widerruf der Bestellung zum Bezirksschornsteinfegermeister an. Der Kläger erklärte daraufhin mit Schreiben vom 24.03.2001, dass er vor Abgabe der Unterlagen das Gespräch mit den Vertretern des Landratsamts habe abwarten wollen. Ein Widerruf bedeute den Ruin seiner Familie. Schließlich wolle er krankheitsbedingt in maximal drei Jahren in den Vorruhestand gehen, was er schon jetzt, falls möglich, beantragen wolle.

Die Kehrbezirksgrenze wurde mit Änderungsbescheid vom 29.03.2001 den auf die Anzahl der Arbeitswerte bezogenen Vorgaben angepasst.

Mit Verfügung vom 02.04.2001 widerrief das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis die Bestellung des Klägers zum Bezirksschornsteinfeger gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 2 SchfG und gab ihm auf, seinen Bezirksschornsteinfegerausweis zurückzugeben. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger entgegen den sich aus § 17 der Verordnung über das Schornsteinfegerwesen - VOSch - ergebenden Verpflichtungen nach der Neueinteilung der Kehrbezirke die Unterlagen nicht wie geboten fristgerecht weitergegeben, sondern 3.000 Arbeitswerte unterschlagen habe. Der Kläger habe seine Berufspflichten im Sinne von § 11 Abs. 2 Nr. 2 SchfG gröblich verletzt. Der Kläger besitze die für die Ausübung seines Berufs erforderliche Zuverlässigkeit nicht. Die 1996 angeordneten Kehrbezirksüberprüfungen und die nachfolgend verhängten Maßnahmen bewiesen, dass der Kläger seine Aufgaben schon längere Zeit nicht ordnungsgemäß und gewissenhaft ausgeübt habe. Dieses Gesamtbild werde durch Beschwerden aus der Bevölkerung vervollständigt. Auf eine nochmalige Kehrbezirksüberprüfung habe verzichtet werden können. Der Vorstand der Schornsteinfegerinnung sei angehört worden.

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Er machte des Weiteren unter Bezugnahme auf seine abschließenden Äußerungen im Schreiben vom 24.03.2001 unter Vorlage eines fachärztlichen Attestes geltend, dass er wegen eines körperlichen Gebrechens dauernd unfähig sei, die Arbeiten der Gesellen und Lehrlinge zu überwachen, und deswegen in den Ruhestand zu versetzen sei.

Mit Schreiben vom 10.05. und 15.05.2001 teilte das Landratsamt mit, dass ein Antrag auf Versetzung in den Ruhestand unzulässig sei, da der Kläger nach dem mit sofortiger Wirkung erfolgten Widerruf nunmehr kein Bezirksschonsteinfegermeister mehr sei; die Ausführungen im Schreiben vom 24.03.2001 hätten zu keinen weiteren Überlegungen Anlass gegeben.

Auch hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein; diese Mitteilungen seien als Zurückweisung des gestellten Antrags zu betrachten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28.06.2001 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch des Klägers gegen den Widerruf der Bestellung zum Bezirksschornsteinfegermeister als unbegründet zurück und verwarf den gegen die Schreiben des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis vom 10. und 15.05.2001 gerichteten Widerspruch als unzulässig. Zur Begründung führte es zum einen aus, dass der Widerruf zu Recht erfolgt sei. Die vom Landratsamt festgestellten Verstöße des Klägers gegen seine Berufspflichten rechtfertigten endgültig die Annahme, dass der Kläger die erforderliche persönliche und fachliche Zuverlässigkeit für die Ausübung seines Berufs im Sinne von § 11 Abs. 2 Nr. 1 SchfG nicht besitze. Die gegen ihn verhängte Maßnahme gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 2 SchfG sei demnach zwingend geboten gewesen. Der zweite Widerspruch sei unzulässig, da es sich bei den angefochtenen Schreiben des Landratsamts nicht um Verwaltungsakte handele. Im Übrigen wäre er auch unbegründet. Das Landratsamt habe auf Grund des Schreiben vom 24.03.2001 keine Veranlassung gehabt, tätig zu werden, da die sofortige Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand vom Kläger nicht gewünscht worden sei und eine Beurteilung des Gesundheitszustands in ca. drei Jahren ohnehin nicht möglich sei. Eine nachträgliche Umwandlung der Widerrufsentscheidung in eine Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand gemäß § 10 SchfG sei nicht möglich, da ansonsten die längst vor dem 24.03.2001 festgestellten Verfehlungen nicht entsprechend hätten geahndet werden können.

Am 13.07.2001 hat der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben, mit der er sich allein gegen die Widerrufsentscheidung gewandt hat. Er hat vorgetragen, dass er mit der Neueinteilung der Kehrbezirke nicht einverstanden gewesen sei; es sei insbesondere nicht berücksichtigt worden, dass sich der Bestand des Kehrbezirks Rhein-Neckar-Kreis Nr. 33 durch Neubauten beträchtlich erhöht habe. Deswegen sei er bis zu einer Klärung in einem Gespräch nicht bereit gewesen, wie gefordert, 4.400 Arbeitswerte an den Inhaber des Kehrbezirks abzugeben, und habe einen Teil der Arbeitswerte zurückgehalten. Seine Rückmeldung vom 31.01.2001 sei inhaltlich richtig gewesen, weil sie den Soll-Bestand wiedergegeben habe. Bei der Feineinteilung im Dezember 2001 habe er nicht erkennen können, dass die vorgeschlagene Änderung im Grenzverlauf der Bezirke das vorgegebene Volumen von 4.400 Arbeitswerten nicht erreicht habe. Die ihm vom Landratsamt am 01.03.2001 gesetzte Frist zur Abgabe der restlichen Arbeitswerte habe er wegen Krankheit nicht einhalten können.

Mit Urteil vom 21.09.2001 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Die Widerrufsverfügung sei rechtmäßig. Der Kläger sei unzuverlässig im Sinne von § 11 Abs. 2 Nr. 1 SchfG; er biete nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr für eine künftige ordnungsgemäße Erfüllung seiner beruflichen Pflichten. Bereits in der Vergangenheit hätten Verstöße gegen die Berufspflichten zur Verhängung von Warnungsgeldern geführt; das Gericht habe in seinem Urteil vom 30.06.2000 - 1 K 1818/99 - diese Sanktion als gerade noch taugliches Mittel angesehen, um die Öffentlichkeit auch in Zukunft vor weiteren Pflichtverstößen des Klägers zu schützen. Dessen ungeachtet habe der Kläger nun seine aus § 23 Abs. 2 SchfG folgende Pflicht, die Behörde bei der Neueinteilung der Kehrbezirke zu unterstützen, nicht erfüllt. Er habe keine korrekten Auskünfte erteilt, obwohl er gewusst habe, wie viel Arbeitswerte er habe abgeben müssen. Entgegen § 17 Satz 2 Nr. 1 VOSch habe er nach der Neueinteilung die für die Verwaltung des Kehrbezirks erforderlichen Unterlagen nicht rechtzeitig weitergegeben; diese Verpflichtung diene dem Zweck, die Brand- und Feuersicherheit eines Kehrbezirks nicht durch eine Neueinteilung zu gefährden. Sein Vorbringen, wonach seines Erachtens von ihm eine zu hohe Abgabe von Arbeitswerten verlangt worden sei, könne ihn nicht entlasten; denn dann sei er gehalten gewesen, Rechtsmittel gegen die Neueinteilung zu erheben. Er könne sich auch nicht darauf berufen, nicht gewusst zu haben, wie viele Häuser der geforderten Abgabe von 4.400 Arbeitswerten entsprächen; insoweit müssten dem Kläger Erfahrungswerte geläufig sein. Für die Unzuverlässigkeit des Klägers spreche auch, dass er die Vorwürfe, die die Ausstellung von Rechnungen beträfen, nicht habe ausräumen können.

Zur Begründung seiner vom erkennenden Senat mit Beschluss vom 14.06.2002 - 14 S 2487/01 - zugelassenen Berufung trägt der Kläger vor: Ungeachtet seiner Verfehlungen widerspreche der Widerruf der Bestellung zum Bezirksschornsteinfegermeister dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Bei ihm lägen nämlich, wie sich aus den bereits vorgelegten fachärztlichen Gutachten ergebe, auf Grund von seit Jahren bestehenden Gelenkerkrankungen eine Berufsunfähigkeit und somit die Voraussetzung für eine Versetzung in den Ruhestand nach § 10 SchfG vor; dem habe das Landratsamt, das bereits in den Jahren 1998/99 ärztliche Gutachten mit dem Ziel seiner vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand eingeholt habe, vor Erlass der Widerrufsentscheidung nachgehen müssen. In dieser Situation gebiete es das Prinzip des geringst möglichen Eingriffs, das von der Aufsichtsbehörde verfolgte Ziel, nämlich die Beendigung der Tätigkeit des Bezirksschornsteinfegermeisters, mit dem Mittel zu verwirklichen, das sich für den Kläger als - gerade angesichts der für ihn auf Grund seines Alters und seines Gesundheitszustandes existenzbedrohenden Auswirkungen eines Widerrufs - das mildere erweise. Gleiches folge aus der Fürsorgepflicht, die dem Landratsamt ihm gegenüber in analoger Anwendung beamtenrechtlicher Vorschriften obliege, und dem Grundsatz von Treu und Glauben. Der Vorrang eines Vorgehens nach § 10 SchfG werde durch die Vorschriften des § 4 VOSch nicht in Frage gestellt. Zwar könne nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b VOSch derjenige, dessen Bestellung nach § 11 Abs. 2 SchfG widerrufen worden sei, erst nach einer Wartezeit von drei Jahren wieder in die Bewerberliste eingetragen werden, während es im Falle einer Versetzung in den Ruhestand bei Wiedererlangung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Berufsausübung eine solche Wartezeit gem. § 4 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b VOSch nicht gebe. Die (Wieder-)Eintragung in die Bewerberliste setze jedoch immer die persönliche und fachliche Zuverlässigkeit des Bewerbers voraus (§ 1 Nr. 2 VOSch); bei deren Beurteilung könnten auch Sachverhalte aus einer früheren Tätigkeit herangezogen werden. Angesichts dieser Umstände habe er einen Anspruch darauf, in den Ruhestand versetzt zu werden, was er nunmehr auch im vorliegenden Gerichtsverfahren geltend mache.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 21. September 2001 - 1 K 1776/01 - zu ändern, den Bescheid des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis vom 02. April 2001 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 28. Juni 2001 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihn mit Wirkung vom 01. April 2001 in den Ruhestand zu versetzen.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die Klage auf Verpflichtung zur Versetzung in den Ruhestand abzuweisen.

Es trägt vor, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 10 SchfG zu keinem Zeitpunkt vor Erlass des Widerspruchsbescheids vorgelegen hätten; es habe jedenfalls keine hinreichende Veranlassung bestanden, an der Berufsfähigkeit des Klägers ernsthaft zu zweifeln. Zwar sei dem Kläger bereits im Jahre 1999 in einem amtsärztlichen Gutachten ein Gelenk- und Hüftleiden attestiert worden; der Kläger habe jedoch die ihm angebotenen Erleichterungen durch die Übertragung der Feuerstättenschau auf den Meistergesellen nicht in Anspruch genommen und somit zu erkennen gegeben, dass er die gesundheitlichen Probleme als nicht mehr so gravierend eingeschätzt habe. Dies werde bestätigt durch sein Schreiben vom 24.03.2001, in dem er die Absicht bekundet habe, in drei Jahren in den Ruhestand zu treten. Auch angesichts des vorgelegten orthopädischen Gutachtens hätte es zunächst nahegelegen, von den in Aussicht gestellten Entlastungen Gebrauch zu machen. Da dies nicht geschehen sei, habe für das Landratsamt kein Anlass bestanden, ein amtsärztliches Gutachten einzuholen. Schließlich zeigten die unterschiedlichen Regelungen in § 4 Abs. 2 VOSch über die Wiedereintragung in die Bewerberliste nach einer Versetzung in den Ruhestand und nach einem Widerruf der Bestellung zum Bezirksschornsteinfegermeister, dass den Interessen des Bezirksschornsteinfegermeisters nicht der Vorrang vor dem Interesse der Allgemeinheit an einer möglichst effektiven Gewährleistung von Feuer- und Brandsicherheit durch konsequente Überwachung der Tätigkeit des Bezirksschornsteinfegermeisters durch die Aufsichtsbehörden gebühre. Auch angesichts der existenzbedrohenden wirtschaftlichen Auswirkungen des Widerrufs gelte nichts anderes; denn der Widerruf sei vom Kläger durch die massive und uneinsichtige Verletzung seiner Berufspflichten selbst verschuldet. Schließlich seien auch bei Berücksichtigung der Grundsätze der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht die öffentlichen Belange gebührend zu berücksichtigen. In die Klageänderung, mit der der Kläger die Verpflichtung zur Versetzung in den Ruhestand begehre, werde nicht eingewilligt.

Ergänzend wird auf die gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Akten verwiesen. Dem Senat liegen die einschlägigen Akten des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis (2 Hefte) und des Regierungspräsidiums Stuttgart (1 Heft) sowie die Akten des Verwaltungsgerichts Karlsruhe - auch in den Verfahren 1 K 1818/99 und 1 K 1775/01 - vor.

Entscheidungsgründe:

Der Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 27.09.2002 und das Schreiben des Klägers vom 02.10.2002, mit dem jeweils derselbe ärztliche Befundbericht vom 24.04.2001 vorgelegt worden ist, geben dem Senat keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung gemäß § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO wieder zu eröffnen. Dies scheidet schon deshalb von vornherein aus, weil die Entscheidung des Senats im Zeitpunkt des Eingangs beider Schriftstücke am 04.10.2002 bereits wirksam und für den Senat bindend geworden ist (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 318 ZPO). Denn der nach der Beratung im Anschluss an die mündliche Verhandlung vom 19.09.2002 schriftlich niedergelegte und von den an der Entscheidung mitwirkenden Richtern unterschriebene Urteilstenor ist am 02.10.2002 der Geschäftsstelle des Senats übergeben worden; damit ist die Entscheidung gemäß §§ 116 Abs. 2, 117 Abs. 4 Satz 1 VwGO der Abänderung durch den Senat entzogen (vgl. hierzu Beschluss des erkennenden Senats vom 12.03.1999 - A 14 S 1361/97 -, VBlBW 1999, 262 <263>; Thür. OVG, Beschluss vom 26.01.2000 - 3 ZKO 25/00 -, NVwZ 2000, 1308, jeweils m.w.N.). Davon abgesehen ist das neue Vorbringen für die Entscheidung aber auch in der Sache unerheblich.

Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die Klage gegen den Widerrufsverfügung abgewiesen; dieser Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die im Wege der Klageänderung erstmals im Berufungsverfahren erhobene Klage auf Versetzung in den Ruhestand bleibt ebenfalls erfolglos; sie ist zwar zulässig, aber unbegründet.

Die Voraussetzungen für einen Widerruf der Bestellung als Bezirksschornsteinfegermeister liegen vor; dies gilt jedenfalls für den in § 11 Abs. 2 Nr. 2 SchfG normierten Widerrufsgrund, auf den das Landratsamt sich ausweislich des Verfügungssatzes der Entscheidung im angefochtenen Bescheid gestützt hat.

Nach dieser Bestimmung ist die endgültige Bestellung als Bezirksschornsteinfegermeister nach Anhörung des Vorstandes der Schornsteinfegerinnung zu widerrufen, wenn der Bezirksschornsteinfegermeister, gegen den innerhalb der letzten zehn Jahre zweimal wegen Verletzung seiner Berufspflichten Warnungsgeld angeordnet worden ist, abermals seine Berufspflichten gröblich verletzt hat.

Wie hiernach erforderlich, wurde gegen den Kläger zweimal, nämlich mit Verfügungen vom 16.07.1996 und vom 04.11.1998 gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 2 SchfG Warnungsgeld angeordnet, was einen Verstoß gegen die Berufspflichten voraussetzt. Aufgrund der Tatbestandswirkung dieser bestandskräftigen Bescheide ist dem pauschalen Einwand des Klägers, wonach diese Sanktionen zu Unrecht verhängt worden seien, nicht nachzugehen.

Der Kläger hat des weiteren seine Berufspflichten abermals schuldhaft gröblich verletzt. Die hierfür beachtliche Pflichtverletzung muss, wie sich aus der Gegenüberstellung der Widerrufstatbestände in § 11 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SchfG ergibt, nicht von solchem Gewicht sein, dass sie bereits für sich betrachtet einen Widerruf der Bestellung rechtfertigen würde. Es genügt vielmehr, dass es sich um eine für die ordnungsgemäße Verwaltung des Kehrbezirks bedeutsame Berufspflicht handelt, deren Verletzung jedenfalls die Anordnung eines Warnungsgeldes nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 SchfG nach sich zöge (vgl. Musielak/Schira/Manke, Schornsteinfegergesetz, Kommentar, 5. Aufl., 1998, § 11 Randnr. 11).

Das Verhalten des Klägers im Zuge der Neueinteilung der Kehrbezirke erfüllt diese Voraussetzungen. Allerdings trifft der Vorwurf des Landratsamts, dass der Kläger die für die Verwaltung des Kehrbezirks erforderlichen Unterlagen nicht rechtzeitig übergeben und damit gegen seine Pflichten aus § 17 Satz 2 Nr. 1 VOSch verstoßen habe, nur teilweise zu. Denn seinen Verpflichtungen, die sich aus dem ursprünglichen Bescheid vom 27.12.2000 über die Festlegung der Kehrbezirksgrenzen ergeben haben, ist der Kläger - wenn auch verspätet und insoweit pflichtwidrig - Anfang Februar 2001 durch die Übergabe der Unterlagen über 750 Arbeitswerte an den Inhaber des Kehrbezirks Rhein-Neckar-Kreis Nr. 29 und über ca. 1.470 Arbeitswerte an den Inhaber des benachbarten Kehrbezirks Rhein-Neckar-Kreis Nr. 33 nachgekommen; erst auf der Grundlage des Änderungsbescheids vom 29.03.2001 war er - in Übereinstimmung mit der vom Landratsamt von Anfang an verfolgten Zielvorgabe - zur Abgabe von insgesamt 4.400 Arbeitswerten verpflichtet. Der Kläger hat, wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, indessen schon bei der sogenannten Feinabstimmung, auf deren Grundlage die Kehrbezirksgrenzen im Einzelnen festgelegt werden, seinen Berufspflichten aus § 23 Abs. 2 SchfG nicht genügt. Das Landratsamt ist bei der Neueinteilung der Kehrbezirke nach den Vorgaben des Erlasses des Wirtschaftsministeriums über die neu festgelegten Arbeitswerte je Bezirk nämlich auf die gewissenhafte und verlässliche Mitwirkung der Bezirksschornsteinfegermeister angewiesen; denn sie allein verfügen über die hierfür erforderliche detaillierte Kenntnis ihres Kehrbezirks. Der Kläger hat das Landratsamt nicht mit zutreffenden Angaben unterstützt, sondern eine Abgrenzung angeregt, die das ihm bekannte anzustrebende Ergebnis deutlich verfehlt hat. Aufgrund der Ausführungen des Vertreters der Schornsteinfegerinnung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht, die vom Kläger nicht erschüttert worden sind, steht auch fest, dass dies zumindest fahrlässig geschehen ist; denn danach ist von einem Bezirksschornsteinfegermeister mit langjähriger Berufserfahrung ohne weiteres zu erwarten, dass er realitätsnah einzuschätzen weiß, welcher Bebauung ein vorgegebenes Maß an Arbeitswerten entspricht. Darüber hinaus lassen die Einlassungen des Klägers im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, wonach er mit einer Übertragung von Arbeitswerten in der geforderten Höhe aufgrund einer einschätzenden Abweichung des Bestands des benachbarten Kehrbezirks nicht einverstanden gewesen sei, die Schlussfolgerung zu, dass der Kläger mit Bedacht auf die für den Inhaber dieses Kehrbezirks nachteilige Grenzziehung im Bescheid vom 27.12.2000 hingewirkt hat.

Durch dieses Verhalten hat der Kläger seine Berufspflichten gröblich verletzt. Dies gilt nicht nur insoweit, als der Kläger der im Bescheid vom 27.12.2000 festgesetzten Änderung der Kehrbezirksgrenzen nicht umgehend durch die Weitergabe der betreffenden Unterlagen Rechnung getragen und somit eine für die Brand- und Feuersicherheit im Kehrbezirk erhebliche Berufspflicht verletzt hat (vgl. hierzu Musielak u.a., a.a.O., § 11 Randnr. 12). Denn nach § 22 Nr. 4 SchfG ist auch die Gewährleistung der Gleichwertigkeit der Kehrbezirke - und in deren Folge gleicher Verdienstmöglichkeiten der Bezirksschornsteinfegermeister - für den staatlich gebundenen Beruf des Bezirksschornsteinfegermeisters, der aufgrund des Gebietsschutzes keinen Wettbewerb kennt, von wesentlicher Bedeutung.

Ob daneben auch, wie sowohl von den Behörden als auch vom Verwaltungsgericht bejaht, von der Unzuverlässigkeit des Klägers i.S. von § 11 Abs. 2 Nr. 1 SchfG auszugehen ist, bedarf keiner Entscheidung. Zwar hat eine auf diesen Grund gestützte Widerrufsentscheidung nachteiligere Folgewirkungen, denn § 5 Abs. 2 der VOSch zählt nur den Widerruf wegen Unzuverlässigkeit unter den Erlöschensgründen auf, die eine Wiedereintragung in die Bewerberliste endgültig unzulässig machen können. Das Landratsamt hat sich aber im Verfügungssatz seiner Widerrufsentscheidung, der durch den Widerspruchsbescheid nicht abgeändert worden ist, auf den weniger einschneidend wirkenden Widerrufsgrund festgelegt. Diese für den Kläger günstige Entscheidung kann indessen auf dessen Klage durch das Gericht nicht zu seinem Nachteil geändert werden.

Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Nr. 2 SchfG vor, ist der Widerruf der Bestellung als Bezirksschornsteinfegermeister die zwingende Rechtsfolge. Dies gilt auch dann, wenn der Bezirksschornsteinfegermeister zugleich dauernd berufsunfähig ist, was nach § 10 SchfG die Versetzung in den Ruhestand nach sich zöge. Es bedarf folglich keiner weitern Sachaufklärung, ob der Kläger spätestens in dem für die Frage der Rechtmäßigkeit der Widerrufsverfügung - ungeachtet des gesetzlich angeordneten Sofortvollzugs (§ 11 Abs. 4 SchfG) - entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids wegen körperlicher Gebrechen nicht mehr in der Lage war, seine Mitarbeiter wirksam - gerade auch durch eine Nachschau auf den Dächern (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 12.06.1963 - I C 32.61 -, GewArch 1964, 15) - zu beaufsichtigen.

Die Vorschrift des § 11 Abs. 2 SchfG über den Widerruf der Bestellung als Bezirksschornsteinfegermeister wird durch die Regelung über die Versetzung in den Ruhestand weder verdrängt noch in der Weise modifiziert, dass der Widerruf nunmehr im Ermessen der Behörde stünde und so die Möglichkeit der Versetzung in den Ruhestand eröffnet würde. Offen bleiben kann hier allerdings die Frage, ob anderes dann zu gelten hat, wenn - im Unterschied zum vorliegenden Fall - die Verletzung der Berufspflichten, die einen Widerruf zu rechtfertigen geeignet sind, gerade auf gesundheitliche Probleme und die so begründete Berufsuntauglichkeit zurückzuführen sind (siehe hierzu VG Düsseldorf, Urteil vom 18.04.1978 - 3 K 563/78 -, GewArch 1978, 297 <298>).

Ein Rangverhältnis der Erlöschensgründe lässt sich allein aus der Reihenfolge der Aufzählung in § 8 SchfG nicht entnehmen; diese Vorschrift hat nur insoweit einen materiell-rechtlichen Gehalt, als die Erlöschensgründe darin erschöpfend aufgeführt werden. Vielmehr kann die Frage der Subsidiarität eines von mehreren gleichzeitig gegebenen Erlöschenstatbeständen nur unter Beachtung des gesamten Regelungsgefüges beantwortet werden.

Während im Fall der Aufhebung der probeweisen Bestellung wegen fehlender Eignung (§ 7 Abs. 1 Satz 4 SchfG) und gleichzeitig vorliegender krankheitsbedingter Berufsunfähigkeit der für die Rechtsverhältnisse des Probebeamten herausgearbeitete Gedanke einer Zuordnung von Risikosphären wegen der Natur der Bestellung (vgl. hierzu VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.03.1995 - 4 S 763/94 -, VBlBW 1995, 360; Urteil vom 07.10.1993 - 4 S 1735/93 -, VBlBW 1994, 155 <156 f.>, jeweils m.w.N.) auch im Schornsteinfegerwesen fruchtbar gemacht und so der Vorrang der Aufhebung der Bestellung vor der Versetzung in den Ruhestand begründet werden kann (siehe hierzu auch - allerdings beschränkt auf das Vorliegen nicht krankheitsbedingter Aufhebungsgründe - die Äußerungen des Bund-Länder-Ausschusses "Handwerksrecht/Schornsteinfegergesetz" in seiner Sitzung vom 21./22.05.1990), ist bei der endgültigen Bestellung maßgeblich auf die mit dem Widerruf verfolgten Zwecke abzustellen. Nur wenn der Erlöschensgrund der Versetzung in den Ruhestand insoweit gleichwertige Rechtswirkungen zeitigte, könnte unter Berufung auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine Berücksichtigung der Interessen des Klägers - insbesondere an der Zahlung eines Ruhegeldes nach § 29 Abs. 1 Satz 1 SchfG - mit dem Ziel der Anwendung des § 10 SchfG in Erwägung gezogen werden; dies ist indessen nicht der Fall.

Der Zweck des Widerrufs nach § 11 Abs. 2 SchfG erschöpft sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht darin, im Interesse einer kurzfristigen Gefahrenabwehr die Fortsetzung der beruflichen Tätigkeit des betreffenden Bezirksschornsteinfegermeisters sofort zu unterbinden; allein dieses Ziel würde durch die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand ebenfalls erreicht. Vielmehr knüpft der Verordnungsgeber an festgestellte Mängel bei der Berufsausübung, die einen Widerruf rechtfertigen, weitere Folgewirkungen, die dem Betroffenen den erneuten Zugang zum Beruf des Berufsschornsteinfegermeisters erschweren. So ist nach erfolgtem Widerruf die Wiedereintragung in die Bewerberliste erst nach Ablauf einer Wartezeit von drei Jahren möglich (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b VOSch), die nur ausnahmsweise abgekürzt werden kann (§ 4 Abs. 4 VOSch), und nach einem Widerruf wegen Unzuverlässigkeit (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 SchfG) ist unter den weiteren in § 5 Abs. 2 VOSch geregelten Voraussetzungen eine Wiedereintragung sogar ausgeschlossen. In diesen Bestimmungen verbindet sich demnach die Sanktion eines Fehlverhaltens mit der typisierenden Einschätzung einer Fortdauer einer vom betreffenden Bezirksschornsteinfegermeister durch eine pflichtwidrige Ausübung seiner Tätigkeit für die Allgemeinheit ausgehenden Gefahr. Diesem Anliegen trägt eine Versetzung in den Ruhestand nicht Rechnung, weil dort im Falle einer Besserung des Gesundheitszustandes eine Wartezeit nicht vorgesehen ist (§ 4 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b VOSch). Ohne Erfolg verweist der Kläger in diesem Zusammenhang auf die Bestimmung des § 1 Nr. 2 VOSch, wonach nur in die Bewerberliste eingetragen werden darf, wer die für einen Bezirksschornsteinfegermeister erforderliche persönliche und fachliche Zuverlässigkeit besitzt. Durch diese Vorschrift wird zwar der Gefahr begegnet, dass ein - weiterhin - ungeeigneter Bewerber nach einer vorangegangenen Versetzung in den Ruhestand als Bezirksschornsteinfegermeister bestellt wird. Ein solcher Nachweis, dass die Voraussetzungen des § 1 Nr. 2 VOSch - wieder - vorliegen, ist dem ehemaligen Bezirksschornsteinfegermeister, dessen Bestellung widerrufen worden ist, im Falle des § 5 Abs. 2 VOSch jedoch von vornherein verwehrt, und im Rahmen des § 4 VOSch reicht er allein nicht aus, um einen Ausnahmefall i.S. von dessen Abs. 4 zu begründen (vgl. Musielak u.a., a.a.O., § 4 Randnr. 24).

Die Aufforderung, den Bezirksschornsteinfegerausweis zurückzugeben, findet ihre Rechtsgrundlage in § 52 Satz 1 LVwVfG. Die Rückforderung dieser Urkunde setzt danach zwar die Unanfechtbarkeit des Widerrufs voraus, und unter eine entsprechende aufschiebende Bedingung ist sie nicht gestellt worden. Die Bestimmung ist aber über ihren Wortlaut hinaus zumindest analog auf die Fälle anzuwenden, in denen - wie hier nach § 11 Abs. 4 SchfG - einem Rechtsbehelf gegen die Widerrufsverfügung aufschiebende Wirkung nicht zukommt (vgl. Sachs in: Stelkens u.a., VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 52 Randnr. 15 m.N.).

Über den erstmals im Schriftsatz vom 17.09.2002 gestellten Klageantrag auf Verpflichtung der Beklagten, den Kläger in den Ruhestand zu versetzen, ist ungeachtet der Abweisung des Anfechtungsantrags ebenfalls zu entscheiden. Denn der anwaltlich vertretene Kläger hat diesen Antrag nicht, was allerdings grundsätzlich zulässig ist, im Wege einer sogenannten uneigentlichen eventualen Klagehäufung unter die - innerprozessuale - auflösende Bedingung eines Misserfolgs des Anfechtungsbegehrens gestellt (vgl. hierzu VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20.11.2001 - 9 S 239/01 -, DVBl 2002, 209; vom 10.03.1999 - 13 S 2208/97 -, VBlBW 1999, 427; siehe auch BVerwG, Urteil vom 07.12.1999 - 1 C 13.99 -, BVerwGE 110, 140 <142>).

Dieser weitere Antrag ist als nachträgliche objektive Klagehäufung anzusehen und deshalb als Klageänderung in Gestalt der Klageerweiterung nach §§ 44, 91 VwGO zu behandeln (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.03.1996 - 6 B 16.96 -, Buchholz 310 § 130 VwGO Nr. 15; Urteil vom 28.04.1999 - 4 C 4.98 -, BVerwGE 109, 74 <76 ff.>), die nach § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO nach Zulassung der Berufung auf Antrag des unterlegenen Klägers auch in der Berufungsinstanz grundsätzlich möglich ist (vgl. Eyermann/Happ, VwGO, 11. Aufl. 2000, § 125 Randnr. 1; Seibert in: Sodan/Ziekow <Hg.>, VwGO, § 125 Randnr. 30).

Die Klageänderung, in die das beklagte Land ausdrücklich nicht eingewilligt hat, ist nach § 91 Abs. 1 VwGO als sachdienlich zuzulassen. Sie ist geeignet, den sachlichen Streit zwischen den Beteiligten endgültig zu klären, ohne dass ein grundlegend neuer Prozessstoff eingeführt und gänzlich neue Problemfelder eröffnet würden (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.04.1999 - 4 C 4.98 -, BVerwGE 109, 74 <78 f.>; vom 22.07.1999 - 2 C 14.98 -, Buchholz 237.2 § 12 BlnBG Nr. 3, jeweils m.w.N.); denn die Frage, ob die Voraussetzungen des § 10 SchfG vorliegen, war bereits für das Vorbringen des Klägers zu der ursprünglich erhobenen Klage von Bedeutung. Dabei steht der Sachdienlichkeit der Klageänderung auch nicht entgegen, dass die Klage bereits in der ersten Instanz hätte geändert werden können (vgl. BGH, Urteil vom 21.12.1989 - VII ZR 84/89 -, BauR 1990, 254 <255>). Schließlich ist - als weitere Voraussetzung für die Annahme der Sachdienlichkeit - die geänderte bzw. erweiterte Klage auch zulässig (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 07.10.1980 - 6 C 39.80 -, BVerwGE 61, 45 <51>). Insbesondere fehlt es nicht an der instanziellen Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofs. Zwar zählt die Klage auf Versetzung in den Ruhestand nicht zu den Verfahren, die dem Oberverwaltungsgericht nach § 48 VwGO zur Entscheidung im ersten Rechtszug zugewiesen sind, so dass gemäß § 45 VwGO grundsätzlich das Verwaltungsgericht zuständig ist. Durch die Möglichkeit einer Klageänderung in einem anhängigen Berufungsverfahren werden indessen diese Zuständigkeitsregelung modifiziert und erstinstanzliche Zuständigkeiten der Berufungsgerichte begründet (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 07.02.1974 - V C 14.73 -, FEVS 23, 7 <9>; Beschluss vom 13.03.1996 - 6 B 16.96 -, Buchholz 310 § 130 VwGO Nr. 15; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.10.1993 - 2 S 2689/91 -, VBlBW 1994, 147 <148>; Eyermann/Rennert, a.a.O., § 44 Randnr. 10; siehe aber auch BVerwG, Urteil vom 16.03.1972 - I C 49.70 -, Buchholz 451.170 AtG Nr. 1, wo allerdings auf die Sachdienlichkeit einer Klageänderung durch die Erhebung weiterer Anfechtungsklagen nicht eingegangen wird) mit der Folge, dass i.S. von § 44 VwGO dasselbe Gericht für die einerseits erst-, andererseits zweitinstanzlich verfolgten Klagebegehren zuständig ist. Des Weiteren liegen jedenfalls die Voraussetzungen einer Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO vor; denn es ist nicht ersichtlich, warum das Landratsamt zu einer zeitnahen Verbescheidung des im Anwaltsschreiben vom 03.05.2001 in eindeutiger Weise gestellten Antrags auf Versetzung in den Ruhestand nicht auf die im Widerspruchsbescheid insoweit angeführten Hilfserwägungen hätte zurückgreifen können.

Die Klage auf Versetzung in den Ruhestand hat aber aus den bereits oben dargelegten Gründen keinen Erfolg; den Rechtsfolgen des Vorliegens eines Widerrufstatbestandes kann sich der Kläger nicht durch den Verweis auf eine Berufsunfähigkeit entziehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 2 VwGO.

Die Revision an das Bundesverwaltungsgericht wird nicht zugelassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist.

Beschluss

vom 19. September 2002

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 13 Abs. 1, 14, 25 Abs. 2 GKG, 5 ZPO auf 19338,76 EUR (15338,76 EUR <entspricht 30000,00 DM> + 4000,00 EUR) festgesetzt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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