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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 30.04.2002
Aktenzeichen: 14 S 2542/01
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO, BSHG


Vorschriften:

VwGO § 166
ZPO § 115 Abs. 2
BSHG § 88
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen die vorzeitige Verwertung einer Lebensversicherung zumutbar i.S. von § 115 Abs. 2 ZPO ist.
14 S 2542/01

VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

In der Verwaltungsrechtssache

wegen

Eintragung in die Handwerksrolle

hier: Prozesskostenhilfe

hat der 14. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schnebelt und die Richter am Verwaltungsgerichtshof Noé und Brandt

am 30. April 2002

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 10. April 2001 - 4 K 1060/00 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe:

Die vom Senat mit Beschluss vom 20.11.2001 - 14 S 960/01 - zugelassene Beschwerde (siehe nunmehr § 194 Abs. 3 VwGO i.d.F. von Art. 1 Nr. 28 des Gesetzes zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess - RmBereinVpG - vom 20.12.2001, BGBl. I, 3987) ist nicht begründet.

Der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren unter Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten abgelehnt worden ist, ist im Ergebnis von Rechts wegen nicht zu beanstanden.

Die Rechtsverfolgung des Klägers bietet zwar, wie der Senat im Beschluss vom 20.11.2001 dargelegt hat, hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne von § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO. Der Antrag ist gleichwohl abzulehnen, denn der Kläger erfüllt die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht. Der Kläger verfügt nämlich über die zur Prozessführung erforderlichen Mittel. Er kann die Kosten der Prozessführung in zumutbarer Weise aus seinem Vermögen bestreiten (§ 115 Abs. 2 ZPO); die aufwendige Prüfung seiner - im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats im Vergleich zur Lage bei Klageerhebung deutlich verbesserten - Einkommensverhältnisse nach Maßgabe des § 115 Abs. 1 ZPO ist demnach entbehrlich.

Die hier zu berücksichtigenden Prozesskosten - neben den Gerichtskosten nur die außergerichtlichen Kosten des Klägers, nicht aber eventuelle Kostenerstattungsansprüche des Beklagten und der Beigeladenen (siehe § 123 Abs. 1 ZPO; vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 28.09.1987 - 16 WF 96/87 -, Justiz 1988, 367 <368>; Zöller-Philippi, ZPO, 23. Aufl. 2002, § 115 Randnr. 79) - betragen voraussichtlich ca. 4.100,-- EUR (entspricht ca. 8.000,-- DM). Dabei ist, da das erstinstanzliche Verfahren vor dem 01.01.2002 anhängig gemacht und die Prozessbevollmächtigte vom Kläger vor diesem Zeitpunkt beauftragt worden ist, nach den Übergangsvorschriften der §§ 73 Abs. 1 Satz 1 GKG bzw. § 134 Abs. 1 Satz 1 BRAGO für die Streitwertbemessung und die daran anknüpfende Gebührenerhebung die bis zum 31.12.2001 geltende Rechtslage - unter Umrechnung der DM-Beträge in Euro-Beträge - zugrunde zu legen (siehe hierzu Beschluss des erkennenden Senats vom 04.04.2002 - 14 S 2326/01 -; so auch Gerold/Schmidt-Madert, BRAGO, 15. Aufl. 2002, § 134 Randnr. 26). Beim Streitwert geht der Senat nach §§ 13 Abs. 1 Satz 1, 15 GKG in Anlehnung an I.14.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom Januar 1996 (NVwZ 1996, 563) unter Berücksichtigung der anfänglich angegebenen, auf ein Jahr bezogenen Gewinnerwartung für den Betrieb, den der Kläger nach der begehrten Eintragung in die Handwerksrolle (wieder) zu führen beabsichtigt, von einem Betrag von 25.564,-- EUR/ 50.000,-- DM aus. Daraus errechnen sich - bei unterstellter Beweisaufnahme zur Klärung der Frage meistergleicher Kenntnisse - Rechtsanwaltskosten (inklusive Mehrwertsteuer) in Höhe von 2.654,-- EUR/5.191,-- DM (3 Gebühren nach § 31 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 3 BRAGO zu je 1.425,-- DM; Telekommunikationspauschale nach § 26 BRAGO: 40,-- DM; Reisekosten nach § 28 Abs. 2 BRAGO: 100,-- DM; Abwesenheitsgeld nach § 28 Abs. 3 BRAGO: 60,-- DM; Summe: 4.475,-- DM netto). Die Gerichtskosten belaufen sich bei 3,5 Gebühren zu je 335,-- EUR/655,-- DM (= 1.172,-- EUR/2.292,50 DM) bei Berücksichtigung von Auslagen für die Beweisaufnahme, die der Senat mit ca. 256,-- EUR/500,-- DM veranschlagt, auf ca. 1.434,-- EUR/2.800,-- DM.

Diese Kosten kann der Kläger jedenfalls dadurch decken, dass er auf einen der von ihm abgeschlossenen Lebensversicherungsverträge zurückgreift; denn nach Kündigung des bei der SV Sparkassen-Versicherung Lebensversicherung Baden-Württemberg AG geschlossenen Vertrags steht ihm ausweislich der vorgelegten Bescheinigung des Versicherungsunternehmens vom 11.04.2002 - bei bisher eingezahlten Beiträgen in Höhe von 9.674,80 EUR - ein Guthaben in Höhe von 8.735,80 EUR (Rückkaufswert 4.448,-- EUR zuzüglich Überschussanteile 4.395,-- EUR, abzüglich zu wenig gezahlter Beiträge in Höhe von 107,20 EUR) zu. Eine solche Verwendung dieser Kapitallebensversicherung entspricht dem in § 115 Abs. 2 ZPO geforderten Vermögenseinsatz.

Dieser scheidet nicht etwa deswegen von vornherein aus, weil der Kläger wegen des Erwerbs des Eigenheims hoch verschuldet ist (siehe hierzu aber OLG Bamberg, Beschluss vom 12.06.1996 - 2 WF 55/96 -, FamRZ 1997, 299 f.). Denn nach dem insoweit heranzuziehenden Vermögensbegriff des Sozialhilferechts ist unter Vermögen nicht ein Überschuss der Aktiva über die Passiva im Sinne einer saldierenden Betrachtungsweise zu verstehen (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 03.12.1991 - 5 B 61.90 - Buchholz 436.0 § 88 BSHG Nr. 22 m.N.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26.01.1983 - 6 S 1733/82 -, FEVS 32, 459 <462>). Vielmehr ist nur auf die konkret vorhandenen Vermögensgegenstände abzustellen; dabei ist deren Verwertbarkeit in wirtschaftlicher Hinsicht zu verstehen und muss für den Einsatzpflichtigen tatsächlich wie rechtlich so zeitgerecht bestehen, um die Deckung des Bedarfs zu gewährleisten (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.12.1997 - 5 C 7.96 -, BVerwGE 106, 105 <107 f.>). Diese Voraussetzungen liegen bezüglich der Kapitallebensversicherung vor, da bereits vor Fälligkeit der vereinbarten Versicherungssumme das insoweit bestehende Anwartschaftsrecht durch Kündigung und Rückkauf der Versicherung in Höhe des ausgewiesenen Guthabens kurzfristig kapitalisiert werden kann.

Der Einstufung der Lebensversicherung als verwertbares Vermögen steht nicht entgegen, dass die Rückvergütung die Gesamtsumme der eingezahlten Beiträge nicht erreicht. Denn in diesem Zusammenhang ist unerheblich, ob die Veräußerung eines Vermögensgegenstandes im Augenblick wirtschaftlich nicht günstig ist (so ausdrücklich Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, 15. Aufl. 1997, § 88 Randnr. 14; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 21. Aufl. 1994, § 115 Randnr. 98; der Sache nach auch ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts). Nichts anderes gilt, wenn - in Verschärfung dieses Kriteriums - auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit der Veräußerung durch die Erzielung eines angemessenen Preises abgestellt wird (so LPK-BSHG, 5. Aufl. 1998, § 88 Randnr. 10, und - bezogen auf Wirtschaftsgüter mit stark schwankendem Wert - unter Berufung auf eine Kommentarstelle die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines PKH-Gesetzes, BT-Drs. 8/3068, S. 23 f.). Denn diese Ansicht lässt sich mit dem Aufbau der Vorschrift des § 88 BSHG nicht vereinbaren, die eine einzelfallbezogen wertende Betrachtungsweise nicht dessen Abs. 1, sondern ausweislich der dort verwendeten Begriffe den nachfolgenden Absätzen zuordnet (vgl. auch Witte, info also 1997, 114).

Nach § 115 Abs. 2 1. Halbsatz ZPO ist das Vermögen nur im Rahmen der Zumutbarkeit zu verwenden; dieser Begriff wird aufgrund der Verweisung in § 115 Abs. 2 2. Halbsatz ZPO durch die Vorschriften des § 88 Abs. 2 und Abs. 3 BSHG über das sogenannte Schonvermögen konkretisiert (vgl. hierzu statt vieler Wax in: Münchener Kommentar zur ZPO, 2. Aufl. 2000, § 115 Randnr. 66; Musielak/Fischer, ZPO, 1999, § 115 Randnr. 35). Eine von diesen Vorgaben losgelöste und diesen vorgeschaltete, allein auf § 115 Abs. 2 1. Halbsatz gestützte originär prozesskostenhilferechtliche Zumutbarkeitsschranke gibt es demgegenüber nicht (so aber z.B. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.11.1984 - 7 S 1205/84 -, Justiz 1985, 111; LAG Köln, Beschluss vom 14.09.1992 - 13 Ta 139/92 -, MDR 1993, 481; OLG Frankfurt, Beschluss vom 03.05.1999 - 24 W 21/99 -, FamRZ 1999, 1671; Stein/Jonas/Bork, a.a.O., § 115 Randnr. 91, 114; Zöller-Philippi, a.a.O., § 115 Randnr. 58; Christl, NJW 1981, 785 <791>). Zwar ist es nicht ausgeschlossen, die in § 88 Abs. 2 und Abs. 3 BSHG vorgesehenen Grenzen des Vermögenseinsatzes durch andere (spezial-)gesetzliche Bestimmungen zu ergänzen (siehe hierzu VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.08.1998 - 7 S 690/98 -, FEVS 49, 82 <83> zum Schonvermögen nach BAföG; zur Anwendbarkeit der Bestimmungen der §§ 811, 812 ZPO über die Unpfändbarkeit vgl. Wax, a.a.O.; Musielak/Fischer, a.a.O.). Für eine Absicht des Gesetzgebers, dem Richter im Prozesskostenhilfeverfahren eine - verglichen mit den sozialhilferechtlichen Maßstäben - grundsätzlich großzügigere und zudem normativ nicht vorgeprägte Handhabung der Zumutbarkeitsschranke zu ermöglichen, gibt es auch in der Entstehungsgeschichte des Gesetzes keine Anhaltspunkte. Vielmehr war hinsichtlich des Vermögenseinsatzes - vor dem Hintergrund des Verständnisses der Prozesskostenhilfe als einer sondergesetzlich geregelten Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.07.1973 - 1 BvR 153/69 -, BVerfGE 35, 348 <355>; siehe auch Beschluss vom 26.04.1988 - 1 BvL 84/86 -, BVerfGE 78, 104 <119>) - insofern eine enge Verzahnung mit dem Sozialhilferecht beabsichtigt (vgl. hierzu Schachel, NJW 1982, 88 <89>; siehe auch Burgard, NJW 1990, 3240).

Bei Anwendung von § 88 Abs. 2 bis Abs. 4 BSHG bleibt - wenn das Fehlen von sonstigem einzusetzenden Vermögen unterstellt wird - vom bei Kündigung der Lebensversicherung erzielbaren Guthaben ein Sockelbetrag von (höchstens) 3.325,-- EUR anrechnungsfrei; den überschießenden Betrag von (mindestens) 5.410,80 EUR hat der Kläger indessen für die Bestreitung der Prozesskosten aufzuwenden.

Nach § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG zählen kleinere Barbeträge und sonstige Geldwerte, deren Höhe durch die auf der Grundlage des § 88 Abs. 4 BSHG erlassene Verordnung vom 11.02.1988, BGBl. I, 150, zuletzt geändert durch Art. 29 des Gesetzes vom 26.06.2001, BGBl. I, 1310, bestimmt wird, zum Schonvermögen. Der Kläger kommt in den Genuss dieser Vorschrift.

Sie ist zwar nicht unmittelbar anwendbar, denn der Begriff des Geldwertes im Sinne dieser Bestimmung erfasst neben Zahlungsersatzmitteln wie Schecks und Wechseln nur Gegenstände, in denen, den Barbeträgen vergleichbar, ein jederzeit verfügbarer Geldwert verkörpert ist. Dies trifft auf Spar- und Girokonten, nicht aber auf die Rückvergütung aus einer Versicherung zu (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 19.12.1997 - 5 C 7.96 -, BVerwGE 106, 105 <113>; Hammel, ZfS 1997, 257 <263 f.>). Diese Schutzvorschrift hat aber die Funktion einer allgemeinen Vermögensfreigrenze; der dort normierte Freibetrag ist auch mit dem Erlös aus der Verwertung von nicht nach § 88 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 7 BSHG geschützten Sachvermögens aufzufüllen; für Forderungen kann dann nichts anderes gelten (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.12.1997 - 5 C 7.96 -, BVerwGE 106, 105 <114 f.>; Schellhorn/Jirasek/Seipp, a.a.O., § 88 Randnr. 65; Hammel, ZfS 1997, 257 <265> im Grundsatz a.A. noch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20.09.1989 - 6 S 3013/87 -, VBlBW 1990, 114 <115 f.>). Die Höhe des demnach zu gewährenden Freibetrags bemisst sich nach § 1 Abs. 1 Nr. 1b 1. Halbsatz der genannten Verordnung, denn die Prozesskostenhilfe ist der Hilfe in besonderen Lebenslagen gleichzusetzen; demzufolge sind einem Betrag von 2.301,-- EUR für die Person des Klägers weitere Beträge in Höhe von je 256,-- EUR für die Ehefrau und die drei Kinder des Klägers hinzuzurechnen. Die Stieftöchter bleiben hierbei außer Betracht; allein das Fehlen einer bürgerlich-rechtlichen Unterhaltspflicht ist hierbei allerdings unbeachtlich; angesichts des eigenen Einkommens, das die Stieftöchter erzielen, gibt es indessen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sie vom Kläger ihren überwiegenden Unterhalt erhalten (vgl. hierzu LPK-BSHG, a.a.O., § 88 Randnr. 48). Für eine nach § 2 Abs. 1 der Verordnung mögliche Erhöhung des Betrages sind besondere Umstände weder dargetan noch sonst ersichtlich.

Der Vermögenseinsatz aus dem überschießenden Betrag bedeutet für den Kläger auch keine Härte im Sinne des § 88 Abs. 3 BSHG. Dabei bedarf es bei der Auslegung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs, der für die Hilfe in besonderen Lebenslagen durch den Hinweis auf die Erschwerung einer angemessenen Lebensführung und der Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung bereits eine Konkretisierung erfahren hat, der Orientierung an den Leitvorstellungen des § 88 Abs. 2 BSHG. Die Vorschriften über das Schonvermögen sollen gewährleisten, dass die Sozialhilfe nicht zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der vorhandenen Lebensgrundlagen des Hilfesuchenden wird; ihm soll ein gewisser Spielraum in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit erhalten und ein wirtschaftlicher Ausverkauf angesichts einer lediglich vorübergehenden Notlage erspart bleiben (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 26.01.1966 - V C 88.64 -, BVerwGE 23, 148 <158>).

Die so allgemein umschriebenen Voraussetzungen einer Härte, die allein von der Tatsache einer mit einem Verlust verbundenen Verwertung eines Vermögensgegenstandes nicht erfüllt werden (für eine Härte bzw. die Unzumutbarkeit der Verwertung nach diesem Maßstab allerdings Neumann in: Sodan/Ziekow <Hg.>, VwGO, § 166 Randnr. 174; Eyermann-P. Schmidt, VwGO 11. Aufl. 2000, § 166 Randnr. 20; Stein/Jonas/Bork, a.a.O., § 115 Randnr. 92, 126; Brandis in: Tipke/Kruse, AO, FGO, § 142 FGO Randnr. 34; OLG Bamberg, Beschluss vom 28.03.1991 - 7 WF 41/91 -, JurBüro 1991, 977), liegen nicht vor.

Von einem wirtschaftlichen Ausverkauf, der eine soziale Herabstufung des Klägers zur Folge hätte, kann bei der Verwertung der einen Lebensversicherung schon deshalb nicht die Rede sein, weil sein Betrieb als die Grundlage seiner wirtschaftlichen Existenz hiervon völlig unberührt bleibt.

Im Rahmen der Prüfung des Vorliegens einer Härte ist indessen auch zu berücksichtigen, ob die Verwertung eines Vermögensgegenstandes ein solches Maß an Unwirtschaftlichkeit erreicht, das einer Verschleuderung des Vermögens gleichkäme. Der erkennende Gerichtshof hat dies dann angenommen, wenn sich der Rückkaufswert auf weniger als die Hälfte der vom Versicherungsnehmer erbrachten Eigenleistungen beläuft (Urteil vom 20.09.1989 - 6 S 3013/87 -, VBlBW 1990, 114 <115>); das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 19.11.1993 - 8 A 278/92 -, FEVS 45, 58 <61 f.>) ist dem ebenso wenig gefolgt wie das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 19.12.1997 - 5 C 7.96 -, BVerwGE 106, 105 <110>; diesem folgend OLG Stuttgart, Beschluss vom 30.09.1998 - 18 WF 238/98 -, FamRZ 1999, 598), das auch erhebliche wirtschaftliche Verluste als Folge vorzeitiger Kündigung einer Kapitallebensversicherung als unbeachtlich bezeichnet hat. Welcher Auffassung im vorliegenden Zusammenhang zu folgen ist, ob insbesondere der Hinweis des Bundesverwaltungsgerichts auf die Möglichkeit einer darlehensweisen Gewährung von Sozialhilfe nach § 89 BSHG - diese Vorschrift wird von der ZPO nicht für entsprechend anwendbar erklärt - gegen eine vorbehaltlose Übertragung dieser Grundsätze im Rahmen einer Prozesskostenhilfe-Entscheidung sprechen, bedarf hier aber keiner Entscheidung. Den allein auf den in der Bescheinigung des Versicherungsunternehmens als Rückkaufswert ausgewiesenen Betrag - dieser macht lediglich ca. 46 % des Deckungskapitals aus - ist nicht abzustellen; vielmehr ist die beim Kläger - im Gegensatz zu vielen anderen Vertragsgestaltungen - nicht verfallene Überschussbeteiligung mit in Rechnung zu stellen. Die gesamte Rückvergütung beläuft sich indessen ungeachtet der Zusammensetzung der versicherungsrechtlich getrennt aufgeführten Teilbeträge auf ca. 90 % der vom Kläger aufgebrachten Eigenleistungen. Anzeichen für eine Härte bei der Verwertung ergeben sich jedenfalls bei dieser Rückzahlungsquote nicht.

Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass mit dieser Gesamtbetrachtung ein Zinsverlust übersehen werde; denn dieses Risiko der gewählten Kapitalanlage, dem im Übrigen der Vorteil des Versicherungsschutzes während der Vertragsdauer gegenübersteht, muss dem Kläger nicht abgenommen werden (vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 19.11.1993 - 8 A 278/92 -, FEVS 45, 58 <62>).

Schließlich ist auch nichts dafür dargetan, dass die vorzeitige Auflösung der Lebensversicherung die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung des Klägers erschwert (§ 88 Abs. 3 2. Halbsatz BSHG). Dabei mag dahinstehen, ob von einer angemessenen Alterssicherung in diesem Sinne bereits dann auszugehen ist, wenn der Betreffende im Alter (voraussichtlich) auf die Inanspruchnahme von (ergänzender) Hilfe zum Lebensunterhalt nicht angewiesen sein wird (siehe hierzu VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 07.12.1988 - 6 S 2252/88 - m.N.) oder ob eine über die bloße Grundsicherung hinausgehende Alterssicherung, die sich insbesondere auch auf eine zusätzliche private Vorsorge stützt, schützenswert und demnach berücksichtigungsfähig ist (siehe hierzu BSG, Urteil vom 29.01.1997 - 11 RAr 21/96 -, info also 1997, 76 <78>; so wohl auch OLG Hamburg, Beschluss vom 19.10.2000 - 12 BF 168/00 -, FamRZ 2001, 925 <926>). Denn es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Leistungen aus der bei den SV-Versicherungen abgeschlossenen Lebensversicherung auch für eine über das bloße Sozialhilfeniveau hinausgehende Alterversorgung von maßgeblicher Bedeutung sein würden. Die Alterssicherung des Klägers basiert zur Zeit auf den Anwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung, für die auch für seine 12-jährige Tätigkeit als Zeitsoldat, zuletzt im Range eines Oberfeldwebels, im Wege der Nachversicherung Beiträge entrichtet worden sind. Derzeit leistet der Kläger zwar nur den Mindestbeitrag, der einer Beitragsbemessungsgrundlage von ca. 320,-- EUR entspricht. Dieser Umstand lässt aber nicht die Schlussfolgerung zu, dass die Alterssicherung des Klägers dereinst unzureichend sein werde; denn der Kläger ist erst 39 Jahre alt, so dass seine Versicherungsbiografie in keiner Weise als im wesentlichen abgeschlossen betrachtet werden kann; er hat vielmehr noch hinreichend Gelegenheit, weiterhin für sein Alter - auch unter Nutzung der Möglichkeiten, die ihm die nun ergriffene selbstständige Tätigkeit eröffnet - vorzusorgen; zwingende Gründe, die eine solche positive Prognose ( vgl. hierzu OVG Saarland, Urteil vom 27.07.1989 - 1 R 200/87 -, FEVS 42, 126 <130 f.>) verböten, sind nicht erkennbar.

Darüber hinaus ist zu beachten, dass der Kläger über weitere zwei in 21 bzw. 24 Jahren fällig werdende Kapitallebensversicherungen mit einer Versicherungssumme von insgesamt ca. 160.000,-- EUR verfügt; auch dieses finanzielle Polster lässt den Verzicht auf die Fortführung einer dritten Lebensversicherung zumutbar erscheinen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Ende der Entscheidung

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