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Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 25.06.2003
Aktenzeichen: 14 S 2775/02
Rechtsgebiete: HeimG


Vorschriften:

HeimG § 1 Abs. 1
HeimG § 1 Abs. 2
1. Ob ein Heim i.S. des Heimgesetzes vorliegt, ist unter Betrachtung der konkreten Betriebsform nach objektiven Merkmalen, die die schutzwürdigen Erwartungen der Bewohner mitbestimmen, festzustellen.

2. Zur Abgrenzung eines Heimes von einer Einrichtung des Betreuten Wohnens.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

14 S 2775/02

Verkündet am 26.06.2003

In der Verwaltungsrechtssache

wegen

heimrechtlicher Anordnung

hat der 14. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 25. Juni 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schnebelt und die Richter am Verwaltungsgerichtshof Noé und Brandt

am 25. Juni 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 08. November 2002 - 10 K 1340/02 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Unterstellung ihres Beherbergungsbetriebs unter die Vorschriften des Heimgesetzes.

Die Klägerin meldete zum 01.09.1997 den Betrieb eines "Seniorentages- und Kurzzeitpflegeheims" gewerblich an. Zugleich beantragte sie bei der zuständigen Baurechtsbehörde die entsprechende Nutzungsänderungsgenehmigung für ein ehemaliges Kurheim. In einem dabei der Behörde vorgelegten Werbeprospekt bezeichnete sie ihre Einrichtung als Alternative zum Altenheim, in dem Betreuung durch Fachkräfte gewährleistet und Pflege selbstverständlich sei.

Nachdem das Landratsamt Main-Tauber-Kreis die Auffassung vertreten hatte, dass das Haus wegen der beabsichtigten Kurzzeitpflege dem Heimgesetz unterliege, teilte die Klägerin mit, auf die Kurzzeitpflege zu verzichten; in einem geänderten Prospekt wurde nunmehr "Betreutes Wohnen" und Tagespflege durch Fachkräfte angeboten.

Bei mehreren Besichtigungen der Einrichtung durch die Heimaufsichtsbehörde wurde festgestellt, dass dort u.a. auch voll pflegebedürftige, bettlägerige Personen untergebracht waren. Das Landratsamt wies die Klägerin mehrmals darauf hin, dass vor diesem Hintergrund das Heimgesetz Anwendung finde, und dessen Anforderungen in personeller, baulicher und qualitativer Hinsicht nicht erfüllt seien. Die Klägerin machte dem gegenüber geltend, dass die überwiegende Zahl der Bewohner nicht pflegebedürftig sei und ihrerseits keine Pflegeleistungen erbracht würden; vielmehr werde dies von der katholischen Sozialstation und einem weiteren Pflegedienst erledigt. Sie biete lediglich "Betreutes Wohnen" durch Unterkunft und Verpflegung sowie Zimmerreinigung, Wäschepflege und Mitbenutzung der Gemeinschaftsräume und -einrichtungen an.

Mit Verfügung vom 23.03.2001 untersagte daraufhin das Landratsamt Main-Tauber-Kreis der Klägerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung, alte Menschen sowie pflegebedürftige oder behinderte Volljährige dauerhaft oder zur Kurzzeitpflege gegen Entgelt aufzunehmen und traf Anordnungen für die Abwicklung des Betriebs binnen drei Monaten.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies das Regierungspräsidium Stuttgart mit Widerspruchsbescheid vom 28.03.2002 zurück, wobei die Verfügung durch Klarstellungen und Maßgaben folgenden Inhalt erhielt: Die Fortführung des Heimbetriebes der Klägerin wurde untersagt; der Klägerin wurde aufgegeben, den Heimbetrieb längstens drei Monate nach Rechtskraft oder Vollziehbarkeit der Verfügung einzustellen, den Bewohnern eine angemessene anderweitige Unterkunft und Betreuung zu zumutbaren Bedingungen nachzuweisen und die Kosten des Umzugs in angemessenem Umfang zu tragen; der Klägerin wurde untersagt, ab Rechtskraft oder Vollziehbarkeit der Verfügung neue Bewohner aufzunehmen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, dass es sich bei der Einrichtung der Klägerin um ein Heim im Sinne von § 1 HeimG i.d.F. des 3. Gesetzes zur Änderung des Heimgesetzes vom 05.11.2001 handele. Die Klägerin räume ein, Kurzzeit- und Tagespflege zu betreiben; nach der Neufassung des Heimgesetzes sei für Kurzzeitheime nicht erforderlich, dass dort auch gepflegt werde; es genüge, dass für vorübergehende Zeit eine heimmäßige Betreuung sowie Verpflegung zur Verfügung gestellt oder vorgehalten würden. Der überwiegende Teil der Bewohner sei jedoch auf Dauer aufgenommen; sie seien größtenteils pflegebedürftig und bedürften der Anleitung und sozialen Betreuung. Der Betreuungsbegriff sei weit zu fassen; die Betreuungsleistungen der Klägerin gingen über den sogenannten Grundservice hinaus, wie er für Einrichtungen des Betreuten Wohnens typisch sei. So enthalte das Vertragsverhältnis, das nach dem Vortrag der Klägerin mündlich begründet werde, neben dem Kündigungsgrund des verschlechterten Gesundheitszustandes des Bewohners mit der Vereinbarung eines Tagessatzes anstelle einer Monatsmiete typisch heimvertragliche Elemente. Die nach Angaben der Klägerin verlangte Kaltmiete überschreite die ortsübliche Miete um ein Mehrfaches; auch würden verschiedene Kosten in mietrechtlich unzulässiger Weise auf die Bewohner überwälzt. Auch ein Vergleich mit den deutlich niedrigeren Kosten für abgegrenzte Wohnungen in Einrichtungen des Betreuten Wohnens belege, dass mit dem monatlichen Entgelt in der Einrichtung der Klägerin auch Betreuung abgegolten werde. Die dienstvertraglichen Bestandteile beliefen sich auf mindestens 50 % des Tagessatzes, so dass sich der gemischte Vertrag insgesamt als Heimvertrag darstelle. Die Bewohner würden im Sinne des Heimgesetzes in die Einrichtung aufgenommen, denn die Klägerin entscheide über vielfältige Belange der Bewohner; so unterrichte sie die Sozialstationen über neu aufgenommene Bewohner und organisiere deren Betreuung durch ambulante Pflegedienste, unterschreibe die Einsatzpläne der Sozialstationen als "Klient", entscheide über die interne Verlegung der Bewohner und erbringe Hilfsdienste, die weit über den Rahmen eines Mietverhältnisses und des Betreuten Wohnens hinausgingen. Dies ergebe sich aus dem Prospekt, wo den Bewohnern, die zu einer selbstständigen Lebensführung nicht in der Lage seien, eine "rund um die Uhr Betreuung" versprochen werde. In der Einrichtung bestehe ein pflegerischer und hauswirtschaftlicher Bedarf, der es erforderlich mache, Betreuung zur Verfügung zu stellen oder vorzuhalten. Insbesondere der erforderliche pflegerische Bedarf könne allein während der Anwesenheitszeiten der Pflegedienste nicht gedeckt werden. Dies gelte nicht zuletzt für die Absicherung von Notfällen. Demgegenüber falle die Einrichtung der Klägerin nicht unter den Begriff des Betreuten Wohnens; dies setze voraus, dass der Bewohner in rechtlicher, wirtschaftlicher und tatsächlicher Hinsicht einen eigenen Haushalt führe und sich selbstständig versorgen könne; eine eigene Häuslichkeit in diesem Sinne gebe es in der Einrichtung der Klägerin nicht. Jedenfalls seien die Bewohner im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 3 HeimG vertraglich verpflichtet, Verpflegung und weitergehende Betreuungsleistungen, wie die Zimmerreinigung, von der Klägerin abzunehmen. Entgegen der Ansicht der Klägerin liege eine Wohngemeinschaft als freiwilliger und selbstverantwortlicher Zusammenschluss von Bewohnern einer Wohnung nicht vor. Ein Beherbergungsbetrieb im Sinne des Gaststättengesetzes sei nicht gegeben, da der Aufenthalt dort überwiegend nicht vorübergehend, sondern auf unbestimmte Zeit angelegt sei. Der Betrieb des Heimes sei nach § 19 Abs. 1 HeimG zu untersagen, da die Anforderungen des § 11 HeimG nicht erfüllt seien und Anordnungen nicht ausreichten. So sei den Vorschriften der Heimpersonalverordnung - HeimPersV - weder in Bezug auf die Leitung des Heimes noch hinsichtlich der ansonsten erforderlichen Pflegefachkräfte genügt. Des weiteren seien auch die Anforderungen der Heimmindestbauverordnung - HeimMindBauV - in weiten Teilen nicht erfüllt. So entsprächen von neun für das Heim genutzten Räumen in der Einrichtung der Klägerin sechs nicht den Vorschriften über die Mindestwohnfläche, wobei eine Abweichung nicht in Betracht komme. Schließlich sei das monatliche Entgelt von 2.400,-- DM unverhältnismäßig hoch; dies gelte insbesondere deswegen, weil ihm keine Gegenleistung in Form einer kompetenten Betreuung durch Fachkräfte gegenüberstehe. Das Verhalten der Klägerin, sich allen Überwachungsvorschriften zu entziehen, belege auch deren heimrechtliche Unzuverlässigkeit. Insbesondere sei die Klägerin nicht willens, für eine ausreichende Personalausstattung Sorge zu tragen. Die Untersagungsverfügung könne schließlich auch ermessensfehlerfrei auf § 19 Abs. 2 Nr. 1 HeimG gestützt werden, denn die Klägerin habe als Trägerin die erforderliche Anzeige nach § 12 HeimG unterlassen. Die verfügte Abwicklungsfrist von drei Monaten sei angemessen. Die Anordnung, die Kosten eines Umzugs der Bewohner in angemessenem Umfang zu tragen, folge aus § 8 Abs. 7 HeimG. Das Verbot der Neuaufnahme von Heimbewohnern finde seine Rechtsgrundlage in § 17 HeimG und konkretisiere als spezifische Verpflichtung des Heimbetreibers das allgemeine Verbot der Fortführung des Heimbetriebs.

Die hiergegen zum Verwaltungsgericht Stuttgart erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 08.11.2002 abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Die Untersagungsverfügung finde ihre Rechtsgrundlage in § 19 Abs. 1 HeimG; denn bei der Einrichtung der Klägerin handele es sich um ein Heim im Sinne des § 1 HeimG, die Anforderungen des § 11 HeimG seien nicht erfüllt, und Anordnungen reichten nicht aus. Für das Vorliegen eines Heimes sprächen bereits Alter und (Gesundheits-)Zustand der Bewohner; von den neun Bewohnern, die am 21.02.2002 in der Einrichtung gewohnt hätten, seien vier als schwer- bzw. schwerstpflegebedürftig eingestuft worden. In die gleiche Richtung deute das Selbstverständnis der Klägerin, wie es in ihren eigenen Angaben beim Antrag auf Gewährung eines Existenzgründungsdarlehens bei der Deutschen Ausgleichsbank, in den vorgelegten Prospekten, im Telefonbucheintrag, in der Gewerbeanzeige und im Muster-"Vertrag zum betreuten Wohnen" zum Ausdruck komme. Diese Qualifikation werde durch die objektiven weiteren Kriterien in § 1 Abs. 1 Satz 2 HeimG bestätigt. Die Bewohner würden in die Einrichtung der Klägerin im Sinne einer Eingliederung in den "Organismus" Heim "aufgenommen" und dort "betreut". Aus den tatsächlichen Verhältnissen, auf die wegen des Fehlens schriftlicher Verträge abzustellen sei, lasse sich schließen, dass sich das Verhältnis zwischen den Bewohnern und der Klägerin nicht auf das Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter beim "Betreuten Wohnen" beschränke. Die Bewohner müssten sich darauf verlassen können und verließen sich darauf, dass sie nicht nur von Dritten, sondern gerade auch von der Klägerin und deren Tochter entsprechend ihren Gebrechen oder ihrer altersbedingten Hilfsbedürftigkeit unterstützt würden. Die von der Klägerin angegebenen Betreuungsleistungen wie Hilfe beim Essen, den Toilettengängen und nächtliche Durchgänge seien für die Bewohner angesichts ihres Zustandes von großer Bedeutung; sie zeigten, dass die Bewohner in ihrer Lebensführung von den Leistungen der Klägerin weit abhängiger seien als dies bei einem Vermieter der Fall sei, der lediglich zusätzlich einen Grundservice biete. Hinsichtlich der Verfügbarkeit und Gewährung dieser für die Lebensführung wesentlicher Leistungen müssten sich die Bewohner im Verhältnis zu den anderen Bewohnern anpassen; sie seien deswegen in die Einrichtung eingegliedert. Auch hinsichtlich der Pflege und der Betreuung bestehe eine Situation "wie im Heim". Die Bewohner müssten sich auch insoweit darauf verlassen können und verließen sich darauf, Leistungen zu erhalten, die erheblich über die vom Vermieter beim "Betreuten Wohnen" zu erwartenden hinaus gingen. Dass erhebliche Betreuungs- und auch Pflegeleistungen erbracht würden, zeigten insbesondere Äußerungen von Ärzten, die die Bewohner betreuen, und von Angehörigen. Dem entspreche auch das von den Bewohnern zu leistende Entgelt. Zwar bestehe auch hier keine verlässliche Grundlage, zumal die diesbezüglichen Angaben der Klägerin uneinheitlich seien. Gehe man aber von dem zuletzt genannten Entgelt von 41,-- EUR pro Tag und Person aus, bedeute dies etwa bei einem mit zwei Personen belegten Doppelzimmer monatliche Einnahmen der Klägerin für ein solches Doppelzimmer von 2.460,-- EUR. Betrachte man weiter die Einzelaufstellungen der Klägerin im Verwaltungsverfahren, wo die Kaltmiete mit 25,-- DM und die Verpflegungskosten mit 10,-- DM angegeben worden seien, sei die Höhe des Entgelts nur damit zu erklären, dass mit dem Entgelt erhebliche Betreuungsleistungen honoriert werden sollten, die über eine Pauschale von 20 % für den "Grundservice" weit hinausgingen. Abgesehen davon spreche auch die Erhebung eines Tagessatzes gegen "Betreutes Wohnen". Die Behauptung der Klägerin, sie betreibe eine Pension, sei fernliegend. Dieser Bewertung stehe nicht entgegen, dass Pflegeleistungen in der Einrichtung der Klägerin von ambulanten Pflegediensten erbracht würden, die täglich für mehrere Stunden aufgrund von Verträgen, die unmittelbar mit den Bewohnern bzw. deren Betreuern geschlossen worden seien, dort anwesend seien. Denn auch außerhalb der Anwesenheitszeiten dieser Dienste könnten und müssten die Bewohner erwarten, dass Pflege- und Betreuungsleistungen erbracht würden, für die dann nur die Klägerin bzw. ihre Tochter präsent seien. Dies gelte auch für Pflegeleistungen, denn die Versorgung der Bewohner außerhalb der regelmäßigen Anwesenheitszeiten der Pflegedienste sei jedenfalls insoweit von der Klägerin abhängig, als diese nach ihren Angaben von ihr bei Bedarf angefordert würden. Zudem zeichne sie Einsatzpläne dieser Dienste ab. Die Anforderungen des § 11 HeimG seien bereits insoweit nicht erfüllt, als weder die Klägerin noch die sonstigen in der Einrichtung tätigen Personen Fachkräfte im Sinne der HeimPersV seien. Auch sei den Vorschriften über die baulichen Mindestanforderungen von Heimen nicht genügt. Anordnungen im Vorfeld einer Betriebsuntersagung hätten, wie sich aus den Verwaltungsvorgängen ergebe, nicht ausgereicht. Die Betriebsuntersagung sei auch verhältnismäßig. Daran ändere nichts, dass Ärzte sowie Bewohner und deren Angehörige mit der Einrichtung zufrieden seien. Denn der Beklagte dürfe nicht zuwarten, bis es tatsächlich zu einer Beeinträchtigung des Wohles der Heimbewohner komme.

Zur Begründung ihrer vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Berufung trägt die Klägerin vor: Für die Einordnung ihrer Einrichtung als Heim seien die Pflegestufen der Bewohner irrelevant, denn es sei gerade nicht dargetan, dass diese Personen nicht ohne Heimpflege auskämen; vielmehr werde deren Bedürfnissen durch die von diesen eingeschalteten ambulanten Pflegediensten Rechnung getragen. Es sei auch unzutreffend, dass sich demente Personen in ihrer Einrichtung aufhielten, mittlerweile seien es vielmehr auch Kriegsversehrte. Aus dem Telefonbucheintrag, der "Kurzzeit- und Tagespflege" laute, könne auf ein Selbstverständnis als Heim nicht geschlossen werden. Die vom Beklagten herangezogenen Prospekte seien nicht in Umlauf gewesen, so dass sich darin kein nach außen gelangtes Selbstverständnis niedergeschlagen habe. Im Übrigen betreibe sie Verhinderungspflege. Die vom Gericht angenommenen weiteren "bestätigenden" Kriterien träfen ebenfalls nicht zu. Eine förmliche Aufnahme finde bei ihr nicht statt; vielmehr unterscheide sie sich in ihrem Leistungsangebot in nichts von einer guten Pension. Sie biete keine Betreuung im Sinne des Heimgesetzes an, nicht einmal einen Grundservice. Eine Betreuungspauschale sei nicht vereinbart; ihr Haus weise keine heimmäßige Ausstattung auf. Eine Tagesstrukturierung finde nicht statt. Die Bewohner seien von ihr auch in ihrer Lebensführung nicht abhängig, da die Pflegedienste auch nachts verpflichtet seien, bei Bedarf zu erscheinen. Die vom Gericht herangezogenen Aussagen von Ärzten und Angehörigen seien auslegungsbedürftig; denn die dort angesprochene menschliche bzw. aufmerksame Betreuung sei nicht technisch zu verstehen und werde sinnentstellend wiedergegeben. Einen Tagessatz erhebe sie nicht, sondern sie habe lediglich zur Verdeutlichung ihrer internen Kalkulation ihren Pauschalmietzins etwas aufgegliedert. Außerhalb der Anwesenheitszeiten des Pflegedienstes leiste sie keine Betreuung. Im Übrigen müsse auch der steuerrechtlichen Einordnung, die nicht von einer Heimeigenschaft ausgehe, im Interesse der Einheit der Rechtsordnung Rechnung getragen werden. Die Untersagungsverfügung sei schließlich auch unverhältnismäßig, da von der Möglichkeit einer Erprobungsregelung nicht Gebrauch gemacht worden sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 08. November 2002 - 10 K 1340/02 - zu ändern und die Verfügung des Landratsamts Main-Tauber-Kreis vom 23. März 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 28. März 2002 aufzuheben.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es verteidigt das angefochtene Urteil.

Ergänzend wird auf die gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakten verwiesen. Dem Senat liegen die einschlägigen Akten des Landratsamts Main-Tauber-Kreis (2 Ordner) und des Regierungspräsidiums Stuttgart (1 Heft) sowie die Akten des Verwaltungsgerichts Stuttgart - auch die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (10 K 1946/01) - vor.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen; der angefochtene Bescheid in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Untersagung der Fortführung des Heimbetriebs findet ihre Rechtsgrundlage in § 19 Abs. 1 HeimG in der im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids geltenden und seither - in den hier einschlägigen Regelungen - unveränderten Fassung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Heimgesetzes vom 05.11.2001 (BGBl I, 2960), neu bekannt gemacht am 09.11.2001 (BGBl I, 2970). Danach ist der Betrieb eines Heims zu untersagen, wenn die Anforderungen des § 11 HeimG nicht erfüllt sind und Anordnungen nicht ausreichen.

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die von der Klägerin betriebene Einrichtung unterfällt gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 HeimG dem Anwendungsbereich dieses Gesetzes; sie erfüllt die in § 1 Abs. 1 Satz 2 HeimG genannten tatbestandlichen Voraussetzungen eines Heims. Dabei kann offen bleiben, ob im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung der angefochtenen Verfügung, die sich Dauerwirkung beimisst, Änderungen der Sachlage nach Erlass der letzten Behördenentscheidung bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht zu berücksichtigen sind (siehe hierzu nur Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 113 Randnrn. 42 ff.); denn die entscheidungserheblichen Umstände haben sich in dieser Zeit nicht geändert.

Nach § 1 Absatz 1 Satz 2 HeimG sind Heime Einrichtungen, die dem Zweck dienen, ältere Menschen oder pflegebedürftige oder behinderte Volljährige aufzunehmen, ihnen Wohnraum zu überlassen sowie Betreuung und Verpflegung zur Verfügung zu stellen oder vorzuhalten, und die in ihrem Bestand von Wechsel und Zahl der Bewohnerinnen und Bewohner unabhängig sind und entgeltlich betrieben werden. Für Art und Ausmaß der für die Einstufung als Heim erforderlichen Betreuungsleistungen enthält § 1 Abs. 2 HeimG verschiedene Auslegungsregeln.

Von den hiernach für ein Heim i.S. des Heimgesetzes konstitutiven Merkmalen stehen die Entgeltlichkeit des Betriebs und dessen Unabhängigkeit von Wechsel und Zahl der Bewohner außer Zweifel. Soweit die Klägerin ihre Einrichtung im Laufe des Verfahrens auch als eine "besondere Wohngemeinschaft" umschrieben hat, deckt sich ihr Begriffsverständnis nicht mit dem im vorliegenden rechtlichen Zusammenhang maßgeblichen, wonach eine Wohngemeinschaft die Personenneutralität gerade ausschließt. Denn eine Wohngemeinschaft in diesem Sinne beruht immer auf einem gemeinsamen Willensentschluss ihrer Mitglieder; hingegen haben die Bewohner des Hauses der Klägerin auf die personelle Zusammensetzung keinen bestimmenden Einfluss; über die Aufnahme eines neuen Bewohners entscheidet nämlich die Klägerin allein (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 06.07.2001 - 8 S 717/01 -, GewArch 2002, 167).

Schließlich liegt der durch die in § 1 Abs. 1 Satz 2 HeimG genannten Leistungen geprägte, für ein Heim bestimmende Einrichtungszweck vor. Dieser ist unter Betrachtung der konkreten Betriebsform nach objektiven Merkmalen, die den schutzwürdigen Erwartungshorizont sowohl der Bewohner als auch der Angehörigen maßgeblich mitbestimmen, festzustellen; bloß subjektive Vorstellungen und Selbsteinschätzungen des Betreibers sind unerheblich (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.03.2003 - 12 S 2547/02 -; BayVGH, Beschluss vom 19.12.2000 - 22 CS 00.3220 -, GewArch 2001, 168, jeweils m.w.N.). Allein die tatsächlichen Verhältnisse lassen hier Rückschlüsse auf die diesen zugrunde liegenden rechtlichen Vereinbarungen zu, weil die Klägerin nachprüfbare schriftliche Verträge mit den Bewohnern nicht vorweisen kann.

Die Einrichtung der Klägerin ist auf den in § 1 Abs. 1 Satz 2 HeimG genannten Personenkreis zugeschnitten. Soweit es sich bei den Bewohnern nicht um ältere Menschen handelt, sind sie behindert; ein Großteil ist des Weiteren nach den Maßstäben des SGB XI pflegebedürftig, wobei auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats nach den Angaben der Heimaufsicht, denen die Klägerin nicht widersprochen hat, weiterhin Personen aller drei Pflegestufen (§ 15 Abs. 1 SGB XI) vertreten sind.

Die Einrichtung der Klägerin deckt das gesamte für ein Heim kennzeichnende Leistungsspektrum ab.

Die Klägerin überlässt ihren Vertragspartnern Wohnraum und bietet ihnen i.S. der Vollpension auch die vollständige Tagesverpflegung. Unbeachtlich ist der Einwand der Klägerin, wonach es den Bewohnern frei stehe, die angebotene Verpflegung anzunehmen oder nicht, und im letzteren Fall das zu leistende Entgelt entsprechend verringert werde. Denn nach ihren eigenen Angaben werden tatsächlich alle Bewohner von ihr umfassend versorgt; darauf ist ihre Einrichtung schon von der räumlichen Gestaltung, die eine eigene Versorgung der Bewohner mangels Kochgelegenheit gar nicht zulässt, ersichtlich angelegt; abgesehen davon scheidet jedenfalls bei dementen und bettlägerigen Bewohnern eine Selbstversorgung von vornherein aus.

In der Gewährung von Unterkunft - samt hierauf bezogener Nebenleistungen wie der Zimmerreinigung - und Verpflegung erschöpft sich das Angebot der Klägerin bei der gebotenen objektiven Betrachtungsweise aber nicht. Vielmehr gehört zum Leistungsumfang der Klägerin auch Betreuung; sie ist jedenfalls bei einem Teil der Bewohner eine unabweisbare Notwendigkeit, ohne die ein Aufenthalt im Haus der Klägerin nicht verantwortet werden könnte, so dass sich die Klägerin der Anwendbarkeit des Heimgesetzes nicht mit dem Argument entziehen kann, sie erbringe damit lediglich freiwillig und unentgeltlich - und damit rechtlich unbeachtlich - zusätzliche Gefälligkeiten.

Betreuung als Oberbegriff schließt Pflege ein und geht deutlich darüber hinaus (vgl. BT-Drs. 14/5399 S. 18); durch sie wird dem aufgrund von Alter, Behinderung oder Krankheit in seiner (körperlichen und/oder geistigen) Leistungsfähigkeit eingeschränkten Personenkreis allgemein unterstützend zur Seite gestanden und geholfen, die durch die genannten Lebensumstände bedingten Erschwernisse bei der Bewältigung des Alltags zu überwinden. Ein Großteil der Bewohner der Einrichtung der Klägerin ist in diesem Sinne betreuungsbedürftig; auf deren spezifische Bedürfnisse ist die Einrichtung nach ihrer Konzeption ausgerichtet; dies schlägt sich nicht nur in dem von der Klägerin selbst angeführten Telefonbucheintrag nieder, der auf "Tages- und Kurzzeitpflege" verweist, sondern wird auch durch den Vortrag im Berufungsverfahren bestätigt, wenn dort ausgeführt wird, dass die Klägerin "Verhinderungspflege" (siehe nunmehr § 39 SGB XI) betreibe.

Zwar nehmen die pflegebedürftigen Bewohner externe Pflegedienste in Anspruch, die sie selbst beauftragen und mit denen sie - jedenfalls derzeit - einen Pflegevertrag nach § 120 SGB XI abschließen. Allein damit ist der Pflege- und allgemeine Betreuungsbedarf aber noch nicht vollständig gedeckt. Insbesondere bei schwerstpflegebedürftigen Personen in Pflegestufe III gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 3 SGB XI, bei denen ein konkreter Pflegebedarf zwar nicht ununterbrochen, sondern lediglich zu bestimmten Zeiten, dies jedoch kontinuierlich über den ganzen Tag ("rund um die Uhr"), besteht , ist gerade auch während der Nachtstunden ein Ansprechpartner vonnöten. Diese Aufgabe, die bei der häuslichen Pflege im familiären Umfeld in aller Regel einem Familienmitglied obliegt, übernimmt hier die Klägerin. So macht sie nach ihren eigenen Angaben nachts ihre Rundgänge, um sich des Wohlergehens der pflegebedürftigen Bewohner zu vergewissern; diese sind nicht etwa deswegen entbehrlich, weil der Pflegedienst auch zur Nachtzeit bei Bedarf zum Einschreiten verpflichtet ist; denn schon die Feststellung einer solchen Notwendigkeit erfordert eine sachkundige Einschätzung. Die Klägerin hilft den Bewohnern des Weiteren bei Bedarf beim Gang auf die Toilette und unterstützt sie beim Essen. Auch ist bei bettlägerigen Personen eine durchgängige intensivere Betreuung geboten, die allein ein Pflegedienst mit seinem engen Zeitbudget nicht leisten kann. Dass die Klägerin diesen Erfordernissen Rechnung trägt, bestätigt sie selbst, wenn sie in ihrem Leserbrief an die Tauber-Zeitung vom 06.04.2002 (RP-Akten /65) betont, dass die ambulante Pflege tatsächlich nur stundenweise im Haus sei und das Gesetz Pflege nach Minuten vorschreibe; in ihrem Haus sei es aber möglich, "Hilfe nicht nach Minuten zu erhalten, sondern so oft wie nötig - ohne Extra-Bezahlung. Menschenwürdig pflegen ist das zentrale Element in der Altenpflege....Genau das wird in meinem Haus praktiziert." In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin zwar erklärt, diese Äußerung sei lediglich so zu verstehen, dass sie darauf achte, dass der Pflegedienst seine Leistungen ordnungsgemäß erbringe; ein solches Verständnis liegt indessen fern; jedenfalls wäre eine solche Überwachung der Pflegedienste als heimspezifische Betreuungsleistung anzusehen. Auch im Übrigen beschränkt die Klägerin sich nicht auf eine reine "Verwahrung" der Bewohner durch bloße Überlassung von Wohnraum; denn nach ihrem Selbstverständnis, das in verschiedenen Äußerungen der Klägerin zum Ausdruck kommt, legt sie großen Wert auf persönliche Zuwendung, derer die Bewohner aufgrund ihres Alters und ihres Gesundheitszustands größtenteils auch dringend bedürfen. So hat die Klägerin in ihrer Petition an den Landtag von Baden-Württemberg ausgeführt, dass sie die Bewohner in ihre Familie mit einbeziehe, wodurch die Bewohner, die in schlechter Verfassung gekommen seien, psychisch und physisch stabilisiert würden. Im Bericht der Tauber-Zeitung vom 03.04.2002 (RP-Akten /64) wird als Aussage der Klägerin wiedergegeben: "Ich kümmere mich um meine Leute, ich bin auf Draht." In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin die Zwecksetzung und Aufgabe ihres Hauses so umschrieben, dass sie den Bewohnern ein Zuhause gebe. Ohne eine solche Einstellung wäre aber - beispielsweise - die Unterbringung von Personen, die an Morbus Alzheimer erkrankt sind, nicht zu verantworten. Des Weiteren wird, worauf das Verwaltungsgericht zutreffend hinweist, das besondere Engagement der Klägerin in Pflege und Betreuung in verschiedenen Stellungnahmen von Ärzten und Angehörigen von Bewohnern gelobt. Der Einwand der Klägerin, diese Aussagen seien auslegungsbedürftig und zielten letztlich nur auf die in ihrem Haus herrschende freundliche Atmosphäre, greift nicht durch. Vielmehr lässt sich den Äußerungen unmissverständlich entnehmen, dass die pflegebedürftigen Bewohner im Haus der Klägerin - sie wird von einem dort tätigen Arzt als "Daueraufsichtskraft" bezeichnet (Schreiben Dr. XXXXXXX, LRA-Akten S. 265) - "individuelle Betreuung" erfahren (Schreiben XXXX, LRA-Akten S. 299) und ihnen dauernde liebevolle Aufmerksamkeit zuteil wird (Schreiben XXXX, LRA-Akten S. 389), was im häuslichen Umfeld neben dem Pflegedienst die Angehörigen leisten (siehe in diesem Sinne auch die im Artikel der Tauber-Zeitung vom 02.05.2001 <LRA-Akten S. 349> zitierte Aussage XXXXXX).

Die hiernach in der Einrichtung der Klägerin geleistete Betreuung erreicht das für die Annahme eines Heimes i.S. von § 1 Abs. 1 HeimG erforderliche Ausmaß; zu dessen Bestimmung sind zunächst die in § 1 Abs. 2 HeimG niedergelegten Auslegungsregeln heranzuziehen. Danach begründet allein die Tatsache, dass ein Vermieter von Wohnraum durch Verträge mit Dritten oder auf andere Weise sicherstellt, dass den Mietern Betreuung und Verpflegung angeboten werden, nicht die Anwendung des Heimgesetzes (§ 1 Abs. 2 Satz 1 HeimG). Dies gilt gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 HeimG auch dann, wenn die Mieter vertraglich verpflichtet sind, allgemeine Betreuungsleistungen wie Notrufdienste oder Vermittlung von Dienst- und Pflegeleistungen von bestimmten Anbietern anzunehmen und das Entgelt hierfür im Verhältnis zur Miete von untergeordneter Bedeutung ist. Das Heimgesetz ist anzuwenden, wenn die Mieter vertraglich verpflichtet sind, Verpflegung und weitergehende Betreuungsleistungen von bestimmten Anbietern anzunehmen (§ 1 Abs. 2 Satz 3 HeimG).

Mit diesen rechtlichen Vorgaben soll - als Reaktion auf eine den Begriff der Vorhaltung von Betreuungsleistungen weit auslegende Rechtsprechung (siehe OVG NRW , Beschluss vom 28.01.1999 - 4 A 589/98 -, GewArch 1999, 199; OVG Brandenburg, Beschluss vom 01.12.1999 - 4 B 127/99 -, NJW 2000, 1435) - das sog. Betreute Wohnen von der Geltung des Heimgesetzes ausgenommen werden (vgl. BT-Drs. 14/5399 S. 18). Ausgehend vom bislang üblichen Begriffsverständnis handelt es sich dabei um eine Wohnform für ältere Menschen, bei der im Interesse der Wahrung einer möglichst langdauernden eigenständigen Lebensführung neben der alten- bzw. behindertengerechten Wohnung die Sicherheit einer Grundversorgung gegeben ist und im Bedarfsfall weitere Dienstleistungen in Anspruch genommen werden können. Nicht zuletzt angesichts des vom Gesetzgeber verfolgten Anliegens, der Immobilienwirtschaft Investitionssicherheit (vgl. BT-Drs. 14/5399 S. 18) zu verschaffen, mag der Gedanke nahe liegen, die derzeit vermarkteten Altenwohnungen zur begrifflichen Orientierung heranzuziehen und demnach gerade auch die Möglichkeit eigener Häuslichkeit als für diese Wohnform kennzeichnend anzusehen (siehe in diesem Sinne auch die Verwaltungsvorschrift des Sozialministeriums über Zuwendungen zur Förderung der Gemeinschafts- und Versorgungseinrichtungen bei Betreutem Wohnen vom 18.04.1996, GABl. 1996, 319, A. 2.1, B. 5.1; vgl. auch die Broschüre des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg "Wohnungen für ältere Menschen - Beispiele betreuter Seniorenwohnanlagen", Oktober 1993); hierfür spricht auch, dass der Gesetzgeber "hausmeisterliche Dienste" als Teil des für das Betreute Wohnen typischen Grundservice erwähnt (vgl. BT-Drs. 14/5399 S. 18). Die Möglichkeit einer eigenständigen Haushaltsführung besteht bei der Wohnsituation im Haus der Klägerin aber nicht einmal ansatzweise, da die dort vorhandenen Zimmer weder über eine Küche oder Kochnische noch über eine eigene Toilette (siehe zu diesen Anforderungen an eine Wohnung im Sinn der baurechtlichen Bestimmungen §§ 35 Abs. 3 Satz 1, 36 Abs. 1 Satz 1 LBO) verfügen; selbst mit einer einfachen Waschgelegenheit in Gestalt eines Waschbeckens sind nicht alle Räume ausgestattet. Schon dies ist ein wesentlicher Anhaltspunkt für die Annahme einer "heimmäßigen" Unterbringung, die nach der Anwendung des als Schutzgesetz für die Bewohner zu verstehenden Heimgesetzes verlangt (vgl. auch Harsdorf-Gebhardt, PflR 1999, 206 <209>); vom Bild selbständig lebender Senioren in einer Wohnanlage des Betreuten Wohnen, die vom Ansatz her nur punktuell Unterstützung in Anspruch nehmen, sind die hier zu prüfenden Verhältnisse weit entfernt

Im Interesse der Entwicklungsoffenheit des Begriffs hat der Gesetzgeber allerdings auf eine Definition des Betreuten Wohnens verzichtet (vgl. BT-Drs. 14/5399 S. 19), und er ist einer im Anhörungsverfahren vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge ausdrücklich erhobenen Forderung, als definitorisches Element beim Betreuten Wohnen die selbständige Haushaltsführung in einer abgeschlossenen Wohnung aufzunehmen, nicht gefolgt (vgl. Stellungnahme des Deutschen Vereins, NDV 2001, 98 <101>; Sunder/Konrad, NDV 2002, 52 <54>). Das Fehlen eigener Häuslichkeit schließt das Betreute Wohnen demnach nicht von vornherein aus mit der Folge, dass auch im Rahmen eines hotelähnlichen Versorgungsangebots - die Klägerin begreift ihre Einrichtung als Sonderfall einer guten Pension - Betreutes Wohnen angeboten werden kann. Folglich begründet entgegen der im Widerspruchsbescheid vertretenen Rechtsauffassung allein die zwingend mit der Überlassung des Wohnraums als Nebenleistung verbundene Zimmerreinigung nicht nach § 1 Abs. 2 Satz 3 HeimG dessen Anwendung.

Anhaltspunkte für die Abgrenzung des Heimbegriffs sind dann vornehmlich der Vorschrift des § 1 Abs. 2 Satz 2 HeimG zu entnehmen. Diese Bestimmung stellt allein auf das Verhältnis des Entgelts für "allgemeine Betreuungsleistungen" zur Miete ab. Die allgemeinen Betreuungsleistungen i.S. eines Grundservice werden dabei von den regelmäßig anfallenden Pflegeleistungen unterschieden. Ob damit zum Ausdruck gebracht werden soll, dass Pflegeleistungen auch in geringem Umfang - anders als die sonstige Betreuung - immer die Anwendung des Heimgesetzes zur Folge hat, kann dahinstehen. Denn auch wenn die Pflege- und sonstigen Betreuungsleistungen nicht unterschiedlich bewertet und ihr Anteil an den Gesamtkosten der Unterbringung bestimmt wird, ergibt sich, dass das im Haus der Klägerin hierfür zu entrichtende Entgelt nicht i.S. von § 1 Abs. 2 Satz 2 HeimG von untergeordneter Bedeutung ist. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht dargelegt, dass der Kostenanteil für die Betreuung den in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 14/5399 S. 19) als Orientierungswert genannten Prozentsatz von 20% bei weitem übersteigt. Mit ihren hiergegen vorgebrachten Einwänden dringt die Klägerin nicht durch. Sie möchte in erster Linie ihre Angaben nicht so verstanden wissen, dass sie einen Tagessatz verlange; warum die im Verwaltungsverfahren angegebenen Kalkulationsgrundlagen keinen Aussagewert mehr haben sollen, macht sie demgegenüber nicht deutlich. Aber auch wenn man annehmen wollte, dass die von der Klägerin gemachten Zahlenangaben einem realitätsnahen Verständnis nicht zugänglich sind und Grundlage für eine verlässliche quantifizierende Betrachtungsweise nicht sein können, bleibt bei einer qualifizierenden Gesamtwürdigung festzuhalten, dass die von der Klägerin erbrachten Betreuungsleistungen deren Einrichtung das für ein Heim bestimmende Gepräge geben. Denn sie sind jedenfalls ihrer Art nach sehr viel persönlicher als die in § 1 Abs. 2 Satz 2 HeimG genannten Leistungen, die für die Verneinung der Heimeigenschaft auch nur in beschränktem Maße unschädlich sind. Dies hat zur Folge, dass gerade die pflegebedürftigen Bewohner in besonderer Weise auf den Beistand durch die Klägerin angewiesen sind und diesen auch erwarten. Aus diesem Abhängigkeitsverhältnis erwächst ein gesteigertes Schutzbedürfnis, dem durch die Anwendung des Heimgesetzes Rechnung zu tragen ist.

Ist die Einrichtung der Klägerin auf die Gewährung heimtypischer Leistungen ausgerichtet, ist auch eine "Aufnahme" der Bewohner in die Einrichtung gegeben. Denn mit diesem Tatbestandsmerkmal soll lediglich zum Ausdruck gebracht werden, dass ein Heimbetrieb mehr als die Summe der bezeichneten Einzelleistungen ist; vielmehr begründet sie in Verbindung mit der heimvertraglichen Zusage zur Gewährung der Leistungen ein besonderes Verantwortungsverhältnis des Heimes gegenüber den Bewohnern (vgl. Dahlem u.a., HeimG, § 1 n.F. Randnr. 11); mit einem irgendwie gearteten formalisierten Aufnahmeakt, auf dessen Fehlen die Klägerin abstellt, hat dies nichts zu tun.

Ohne Bedeutung für die Anwendbarkeit der Vorschriften des Heimgesetzes ist entgegen der Auffassung der Klägerin die (bisherige) steuerrechtliche Behandlung ihres Betriebes. Die Entscheidung der Steuerbehörden, ob der Betrieb in den Genuss der Steuerbefreiung kommt, der nach § 4 Nr. 16 d) UStG und § 3 Nr. 20 c) GewStG - noch in Anlehnung an § 1 HeimG i.d.F. der Bekanntmachung vom 23.04.1990 (BGBl. I, 763) - Altenheimen, Altenwohnheimen und Pflegeheimen unter näher bestimmten Voraussetzungen gewährt wird, bindet die heimrechtliche Beurteilung nicht. Im Übrigen spricht viel dafür, dass die steuerrechtliche Einordnung auf die Tatbestandswirkung einer früher nach § 6 HeimG a.F. vorgesehenen behördlichen Erlaubnis bzw. der nunmehr in § 12 HeimG geregelten Betriebsanzeige abstellt, die bislang niemals vorgelegen haben.

Die weiteren Voraussetzungen für den Erlass der Untersagungsverfügung sind ebenfalls gegeben. Im Widerspruchsbescheid, auf den insoweit verwiesen wird (§ 117 Abs. 5 VwGO), wird zutreffend ausgeführt, dass der Betrieb der Klägerin entgegen § 11 Abs. 3 Nr. 1 HeimG wesentlichen Anforderungen nach der Verordnung über bauliche Mindestanforderungen für Altenheime, Altenwohnheime und Pflegeheime für Volljährige - HeimMindBauV - i.d.F. der Verordnung vom 03.05.1983 (BGBl. I, 550) und der Verordnung über personelle Anforderungen für Heime - HeimPersV - vom 19.07.1993 (BGBl. I, 1205), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22.06.1998 (BGBl. I, 1506), nicht entspricht; dies stellt die Klägerin selbst nicht in Abrede. Der Erlass von Anordnungen auf der Grundlage des § 17 Abs. 1 HeimG war jedenfalls hinsichtlich der personellen Mängel nicht angezeigt, weil damit der Klägerin eine gänzlich andere Betriebsstruktur aufgezwungen würde.

Die Untersagung des Heimbetriebs ist schließlich nicht etwa deswegen rechtswidrig, weil die Heimaufsichtsbehörde von der Möglichkeit einer teilweisen Befreiung von den Anforderungen der HeimMindBauV und der HeimPersV im Wege einer Erprobungsregelung nach § 25a HeimG nicht Gebrauch gemacht hat. Denn abgesehen von der Frage, ob die Klägerin eine i.S. des Gesetzes neue Wohnform bzw. ein neues Betreuungskonzept verfolgt, fehlte es jedenfalls an einem diesbezüglichen Antrag.

Die Anordnung, weitere Aufnahmen zu unterlassen, findet ihre Rechtsgrundlage in § 17 Abs. 1 HeimG. Die Pflicht, den Bewohnern eine angemessene anderweitige Unterkunft und Betreuung zu zumutbaren Bedingungen nachzuweisen und die Kosten des Umzugs in angemessenem Umfang zu tragen, folgt aus § 8 Abs. 7, Abs. 3 Nr. 1 HeimG; denn die Einstellung des Heimbetriebs als Folge der Untersagungsverfügung zwingt die Klägerin dazu, die Verträge mit den Bewohnern aus wichtigem Grund zu kündigen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Revision an das Bundesverwaltungsgericht wird nicht zugelassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist.

Beschluss

vom 25. Juni 2003

Der Streitwert wird unter Abänderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts gemäß §§ 13 Abs. 1 Satz 1, 14 Abs. 1, 25 Abs. 2 GKG für beide Rechtszüge auf jeweils 10.000,-- EUR festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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