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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 29.03.2005
Aktenzeichen: 16 S 2881/04
Rechtsgebiete: UG, LDO


Vorschriften:

UG § 61 Abs. 1
UG § 98 Abs. 1
UG § 132 Abs. 1
LDO § 1 Abs. 1
LDO § 5 Abs. 2
1. Professoren die nach Erreichen der Altersgrenze aufgrund der Besitzstandswahrungs- regelung des Universitätsgesetzes des Landes Baden-Württemberg von ihren Pflichten entbunden sind, verlieren nicht die allgemeine beamtenrechtliche Stellung. Sie sind keine Ruhestandsbeamte.

2. Die Regelungen des Universitätsgesetzes über Ordnungsmaßnahmen finden auf emeritierte Professoren keine Anwendung.

3. Begeht ein emeritierter Hochschullehrer Pflichtverletzungen, so können diese (nur) unter den Voraussetzungen des für Beamte geltenden Disziplinarrechts geahndet werden.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

16 S 2881/04

In der Verwaltungsrechtssache

wegen hochschulrechtlicher Ordnungsmaßnahmen

hat der 16. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Schwan und die Richter am Verwaltungsgerichtshof Wiegand und Gaber

am 29. März 2005

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 30. November 2004 - 7 K 2290/04 - wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese auf sich behält.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige, insbesondere innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO entsprechend den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO begründete Beschwerde der Antragsgegnerin hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag des Antragstellers, einem mit Ablauf des September 2001 von seinen amtlichen Verpflichtungen entbundenen Professors, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Ordnungsverfügung des Rektors der Antragsgegnerin vom 13.08.2004 wieder herzustellen, zu Recht entsprochen. Mit dieser Verfügung wurde dem Antragsteller unter Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit die Mitgliedschaft an der Universität Karlsruhe, der Antragsgegnerin, entzogen. Ebensowenig wie das Verwaltungsgericht vermag der Senat zu erkennen, dass ein besonderes öffentliches Interesse die sofortige Vollziehung der mit der Anfechtungsklage (vgl. zum Wegfall des Widerspruchsverfahrens § 102 Abs. 2 UG) angefochtenen Ordnungsmaßnahme rechtfertigt.

Auf den vorliegenden Rechtsstreit findet das Gesetz über die Universitäten im Lande Baden-Württemberg (Universitätsgesetz - UG) in der Fassung vom 01.02.2000 (GBl. S. 208) mit späteren Änderungen Anwendung, da das Zweite Gesetz zur Änderung hochschulrechtlicher Vorschriften (Zweites Hochschulrechtsänderungsgesetz - 2. HRÄG) vom 01.01.2005 (GBl. S. 1), in dessen Artikel 1 das bisherige Universitätsgesetz durch das "Gesetz über die Hochschulen und Berufsakademien in Baden-Württemberg (Landeshochschulgesetz - LHG)" ersetzt wird (vgl. Art. 24 Nr. 1a), zwar seinerseits keine Hochschulordnungsmaßnahmen im hier streitigen Sinne mehr kennt, jedoch für bereits erlassene Ordnungsverfügungen keine (Übergangs) Regelungen bereit stellt und somit diese anhand der materiellen Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung, d.h. nach dem damals geltenden Universitätsgesetz zu überprüfen sind.

Der Senat stimmt dem Verwaltungsgericht zu, dass Hochschulordnungsmaßnahmen der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit zugänglich sind (so schon Senatsbeschluss vom 27.06.1986 - 16 S 1516/86 -) und die Maßnahme auch formell ordnungsgemäß begründet worden ist (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO). Er geht auch mit dem Verwaltungsgericht davon aus, dass durchgreifende Zweifel daran bestehen, ob die von der Antragsgegnerin dem Antragsteller vorgeworfenen Handlungen Ordnungsmaßnahmen nach dem Universitätsgesetz zugänglich sind.

Nach § 98 Abs. 1 Satz 1 1. Halbs. UG können gegen Mitglieder einer Universität, soweit auf sie keine beamten- oder arbeitsrechtlichen Vorschriften anzuwenden sind, ordnungsrechtliche Maßnahmen getroffen werden. Hieraus folgt, dass, soweit beamten- oder arbeitsrechtliche Vorschriften anzuwenden sind, diese die Anwendung hochschulrechtlicher Ordnungsmaßnahmen ausschließen. Deshalb geht das auf beamtete Hochschullehrer anwendbare Disziplinarrecht (§ 61 Abs. 1 UG i.V.m. § 1 Abs. 1 LDO) hochschulordnungsrechtlichen Maßnahmen vor und sperrt damit deren Anwendung. So liegt es hier.

Der Antragsteller war bereits vor Inkrafttreten des Universitätsgesetzes ordentlicher Professor und entsprechend der Besitzstandswahrungsregelung des § 132 Abs. 1 UG nach erreichen der Altersgrenze (nur) von seinen amtlichen Pflichten entbunden worden. Von der Möglichkeit sich in den Ruhestand versetzen zu lassen (§ 132 Abs. 2 UG) hat er keinen Gebrauch gemacht. Als entpflichteter (emeritierter) Professor ist er kein Ruhestandsbeamter.

Durch die Entpflichtung wird die allgemeine beamtenrechtliche Stellung der ordentlichen Professoren nicht verändert (Uhle, Beamtenrecht, Karl-Heimanns-Verlag, 1970, § 108 RdNr. 2). Sie erhalten nach wie vor Dienstbezüge, nicht etwa Ruhestandsbezüge. Sie werden lediglich von ihren Pflichten, insbesondere Lehr- und Verwaltungspflichten (Dellian in Dallinger/ Bode/ Dellian, HRG, 1978, § 76, RdNr. 1) entbunden. Ihre Verpflichtung zu Forschung und Lehre wandelt sich allein in eine Berechtigung hierzu - wenn auch möglicherweise in eingeschränktem Umfang - um (vgl. hierzu insgesamt Thieme, Die Rechtstellung des entpflichteten Professors, F & L, 1995 S. 131), von ihren allgemeinen Beamtenpflichten sind sie dagegen nicht entbunden (Uhle a.a.O. RdNr. 2). Es spricht demnach alles für die - auch vom Verwaltungsgericht vertretene - Auffassung, dass der Antragsteller nicht dem Hochschulordnungsrecht unterliegt. Auf ihn ist vielmehr - soweit Pflichtverletzungen festgestellt werden sollten - das für beamtete Hochschullehrer geltende Disziplinarrecht anwendbar.

Die Ansicht der Antragsgegnerin, das Disziplinarrecht sei nicht in der Lage, den Ordnungsverstoß des Antragstellers hinreichend zu sanktionieren, geht fehl. Zwar lässt das Disziplinarrecht gegen Ruhestandsbeamte allein die Kürzung und die Aberkennung des Ruhegehalts zu (§ 5 Abs. 2 LDO), doch ist der entpflichtete Professor kein Ruhestandsbeamter. Er bezieht kein Ruhegehalt, auch wenn in Bezug auf Regelungen über die Hinterbliebenenversorgung seine Bezüge in bestimmten Konstellationen "als Ruhegehalt gelten" (Uhle a.a.O., § 108 RdNr. 2) mögen. Auf ihn sind daher alle nach Lage der Dinge in Betracht kommenden Arten von Disziplinarmaßnahmen (§ 5 LDO) anwendbar.

Eine analoge Anwendung der Regelungen über die Ordnungsmaßnahmen des Universitätsgesetzes auf emeritierte Hochschullehrer scheidet wegen Fehlens einer Regelungslücke aus. Die Antragsgegnerin sieht eine Anwendungslücke darin, dass "die aktiven Kollegen des Antragstellers im Grunde sogar aus dem Dienst entfernt werden können" er jedoch nicht. Dies träfe nur dann zu, wenn der Antragsteller nicht mehr "im Dienst", sondern Ruhestandsbeamter wäre. Dies ist er jedoch nicht (vgl. zur Rechtsstellung emeritierter Professoren, VGH Bad.-Württ. Urteil vom 08.03.2005 - 9 S 2290/03 -).

Ob die dem Antragsteller vorgeworfenen Verfehlungen eine Entfernung aus dem Dienst (§ 11 LDO) rechtfertigen würden, steht nicht zur Überprüfung des angerufenen Hochschulordnungssenats (§ 102 Abs. 1 Satz 3 UG). Hochschulordnungsrechtliche und disziplinarrechtliche Verfahren unterliegen unterschiedlichen Regelungen. Eine Umdeutung einer hochschulordnungsrechtlichen in eine disziplinarrechtliche Maßnahme scheidet aus.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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