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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 08.05.2008
Aktenzeichen: 2 S 1071/06
Rechtsgebiete: RGebStV, VwGO


Vorschriften:

RGebStV § 7 Abs. 4
RGebStV § 2 Abs. 2
VwGO § 108
Es besteht ein allgemeiner Erfahrungssatz, dass jemand, der an seinem Hauptwohnsitz Radio hört und fernsieht, dies auch in seiner Ferienwohnung tut, in der er sich über Jahre hinweg jährlich mehrere Monate lang aufhält, und zu diesem Zweck dort ein Rundfunkgerät und ein Fernsehgerät zum Empfang bereit hält.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

2 S 1071/06

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Rundfunkgebühren

hat der 2. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 8. Mai 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Soweit der Kläger die Berufung zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 31. März 2005 - 2 K 2780/04 - zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Erstattung von Rundfunkgebühren für das Bereithalten eines Fernsehgeräts im Zeitraum Januar 2000 bis April 2003.

Der mit erstem Wohnsitz in Stuttgart wohnhafte Kläger hält dort Rundfunkempfangsgeräte zum Empfang bereit, für die er Gebühren entrichtet. Am 13.8.2004 zeigte ein Beauftragter des Beklagten auf Grund am gleichen Tag vorgenommener Ermittlungen an, dass der Kläger in seiner Zweitwohnung in Immendingen-Mauenheim u.a. ein Fernsehgerät zum Empfang bereithalte. Ausweislich des Besuchsberichts vom gleichen Tag gab der Kläger an, das Haus von seinem Vater im Jahr 1996 geerbt zu haben und es seitdem als Zweitwohnsitz zu nutzen. Er lehnte die Anzeige des Fernsehgeräts in Immendingen ab, da er sich dort höchstens sechs Monate im Jahr aufhalte.

Gegen die im Lastschriftverfahren vorgenommene Abbuchung rückständiger Gebühren entsprechend der Anzeige des Beauftragten (883,88 EUR) wandte der Kläger mit Schreiben vom 28.9.2004 u.a. ein, er habe 2003 ein defektes Schwarzweiß-Fernsehgerät aus dem Nachlass seines Schwiegervaters nach Immendingen verbracht. Sollte ein solches Gerät eine Gebührenpflicht auszulösen vermögen, melde er sowohl dieses als auch das in Stuttgart vorhandene Fernsehgerät jeweils halbjährlich an. Er bat um Erstattung des danach zu Unrecht (für zwei Fernsehgeräte) vereinnahmten Betrags. In der Folgezeit gab der Kläger ergänzend an, das ererbte Fernsehgerät nur deshalb in den Landkreis Tuttlingen verbracht zu haben, weil dessen Entsorgung dort einfacher als in Stuttgart gewesen sei. Die Vervollständigung eines ihm vom Beklagten übersandten teilweise vorformulierten Entwurfs einer eidesstattlichen Erklärung zu Art und Dauer des Bereithaltens von Rundfunkempfangsgeräten in Immendingen lehnte der Kläger mit dem Bemerken ab, "da es sich um eine nicht bewohnbare Baustelle und keine Zweitwohnung handelt, kann ich keine Angaben zu ihren verlangten Punkten machen".

Am 20.12.2004 hat der Kläger Klage erhoben mit dem Antrag, den Beklagten zu verpflichten, an ihn 980,78 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 13.11.2004 aus einem Betrag von 932,33 EUR und aus einem weiteren Betrag von 48,45 EUR seit 30.3.2005 sowie 76,91 EUR vorgerichtliche Kosten zu zahlen, und zur Begründung ergänzend geltend gemacht, er habe gegenüber dem Beauftragten nicht angegeben, ein von seinem Vater ererbtes Haus in Immendingen als Zweitwohnung zu nutzen. Vielmehr sei er damit beschäftigt, in Immendingen eine Ferienwohnung zu errichten und einzurichten. Er halte dort kein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereit, sondern bewahre lediglich seit dem 14.5.2003 ein seit Jahren irreparabel defektes Fernsehgerät zur Entsorgung auf.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Nachdem es in der mündlichen Verhandlung die Ehefrau und den Bruder des Klägers als Zeugen vernommen hat, hat das Verwaltungsgericht durch Urteil vom 31.3.2005 - 2 K 2780/04 - die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es sei überzeugt, dass der Kläger mindestens seit Januar 2000 in Immendingen ein Radio- und ein Fernsehgerät zum Empfang bereit halte. Das ergebe sich bereits aus dem Schreiben des Klägers vom 28.9.2004. Dem Kläger sei es in diesem Schreiben - ebenso wie bei der vorangegangenen Unterredung mit dem Beauftragten des Beklagten - erkennbar darum gegangen, dass die in seinen Wohnungen in Stuttgart und Immendingen vorhandenen Rundfunkempfangsgeräte nie gleichzeitig, sondern abwechselnd zum Empfang genutzt würden, weshalb auch eine doppelte Heranziehung zur Rundfunkgebühr nicht gerechtfertigt sei. Dass der Kläger das Vorhandensein eines funktionsfähigen Geräts in Immendingen stets bestritten habe, rechtfertige keine andere Einschätzung, denn es entspreche der Lebenserfahrung, dass, wer üblicherweise am Radio- und Fernsehempfang teilnehme, hierauf auch während eines jährlich wiederkehrenden mehrmonatigen Aufenthalts an einem anderen Ort als dem üblichen Wohnort nicht verzichte. Der Vortrag des Klägers gebe keinen Anlass zu Annahme, er habe sich abweichend verhalten. Seine Angaben zur Eignung der Ferienwohnung in Immendingen und zum Transport eines defekten Fernsehgeräts von Stuttgart nach Immendingen zum Zweck der Entsorgung seien widersprüchlich und damit nicht glaubhaft. Das Gleiche gelte für die Angaben der Zeugen.

Der Senat hat auf Antrag des Klägers die Berufung gem. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO insoweit zugelassen, als sie sich auf Erstattung von Rundfunkgebühren in Höhe von 418,58 EUR für das Bereithalten eines Fernsehgeräts im Zeitraum Januar 2000 bis April 2003 richtet. Im Übrigen hat er den Antrag abgelehnt.

Der Kläger macht zur Begründung der Berufung weiterhin geltend, es hätten keine Feststellungen getroffen werden können, die eine Rundfunkgebührenpflicht für den noch streitigen Zeitraum begründen könnten. Der Kläger und die vom Verwaltungsgericht angegebenen Zeugen hätten übereinstimmend angegeben, dass das streitgegenständliche Fernsehgerät erst im Mai 2003 von Stuttgart nach Immendingen gebracht worden sei. Anhaltspunkte dafür, dass bereits zuvor in Immendingen ein Fernsehgerät zum Empfang bereitgehalten worden sei, gebe es nicht. Der Transport des Fernsehgeräts von Stuttgart nach Immendingen mache nur dann Sinn, wenn bis dahin in Immendingen noch kein Fernsehgerät vorhanden gewesen sei.

Der Kläger beantragt unter gleichzeitiger Rücknahme seines zuvor geltend gemachten Anspruchs auf Zinszahlungen für die Zeit vom 13.11.2004 bis 19.12.2004 sowie 40,72 EUR vorgerichtliche Kosten,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 31.3.2005 -2 K 2780/04 - teilweise zu ändern und den Beklagten zu verpflichten, an den Kläger 418,58 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er beruft sich auf den dem verwaltungsgerichtlichen Urteile zugrunde gelegten allgemeinen Erfahrungssatz, dass, wer üblicherweise am Radio- und Fernsehempfang teilnimmt, hierauf auch während eines jährlich wiederkehrenden mehrmonatigen Aufenthalts an einem anderen Ort als dem Wohnsitz nicht verzichte. Der Kläger habe keine Umstände dargelegt, nach denen in seinem Fall von diesem Erfahrungssatz abzuweichen sei. Vielmehr sprächen die Angaben des Klägers gegenüber dem Rundfunkgebührenbeauftragten für das Gegenteil. Denn er habe diesem anlässlich seines Besuchs am 14.8.2004 mitgeteilt, dass er in dem 1996 von seinem Vater ererbten Anwesen in Immendingen seit diesem Zeitpunkt ein tragbares Hörfunkgerät und ein stationäres Fernsehgerät zum Empfang bereithalte. Dem stehe nicht entgegen, dass der Kläger im Mai 2003 zusätzlich ein aus dem Nachlass seines Schwiegervaters stammendes Fernsehgerät nach Immendingen verbracht habe. Dieses Gerät sei möglicherweise leistungsfähiger gewesen, als das bis zu diesem Zeitpunkt in Immendingen bereits vorhandene.

Der Senat hat den Gebührenbeauftragten in der mündlichen Verhandlung als Zeugen vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Dem Senat liegen die einschlägigen Akten des Beklagten vor. Auf sie und die weiteren zwischen den beteiligten gewechselten Schriftsätze wird wegen der Einzelheiten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Soweit die Berufung zurück genommen wurde, war das Verfahren einzustellen (§§ 92 Abs. 3, 125 Abs. 1 S. 1 VwGO).

Die Berufung ist im Übrigen zulässig, jedoch unbegründet. Soweit es um die Frage geht, ob der Kläger hinsichtlich der von ihm für das Bereithalten eines weiteren Radiogeräts in seiner Ferienwohnung in Immendingen bezahlten Rundfunkgebühren einen Erstattungsanspruch hat, hat der Senat den Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung abgelehnt. Das einen solchen Anspruch verneinende Urteil des Verwaltungsgerichts ist damit insoweit rechtskräftig geworden. Das Berufungsverfahren beschränkt sich danach auf die Frage, ob dem Kläger (wenigstens) wegen der von ihm für das Bereithalten eines Fernsehgeräts bezahlten zusätzlichen Gebühren gemäß § 7 Abs. 4 S. 1 des Rundfunkgebührenstaatsvertrags (RGebStV) ein Erstattungsanspruch gegen den Beklagten zusteht. Das ist nicht der Fall. Ebenso wie das Verwaltungsgericht geht auch der Senat davon aus, dass der Kläger in dem in Rede stehenden Zeitraum von Januar 2000 bis April 2003 zusätzlich zu dem in seiner Wohnung in Stuttgart zum Empfang bereit gehaltenen Fernsehgerät ein weiteres Fernsehgerät in Immendingen zum Rundfunkempfang bereit gehalten (§ 2 Abs. 2 S. 1 RGebStV) hat. Die von ihm zurück verlangten Gebühren von 418,58 EUR wurde danach zu Recht entrichtet.

Das Verwaltungsgericht hat der Sache nach angenommen, es bestehe ein allgemeiner Erfahrungssatz, dass jemand, der an seinem Hauptwohnsitz Radio höre und fernsehe, dies auch in seiner Ferienwohnung tue, in der er sich über Jahre hinweg jedes Jahr mehrere Monate lang aufhalte, und zu diesem Zweck dort ein Rundfunk- und ein Fernsehgerät zum Empfang bereit halte. Dagegen bestehen keine Bedenken. Die Existenz eines Erfahrungssatzes mit diesem Inhalt wird auch vom Kläger nicht bestritten. Das Verwaltungsgericht hat ferner zutreffend dargelegt, dass ein solcher aus der allgemeinen Lebenserfahrung gewonnener Erfahrungssatz einen Anzeichenbeweis begründet, sofern nicht Umstände vorliegen, die die ernsthafte Möglichkeit eines der allgemeinen Erfahrung widersprechenden Geschehensablaufs ergeben. An solchen Umständen fehlt es im vorliegenden Fall. Der Senat in seinem Beschluss vom 4.5.2006 erwogen, die vom Verwaltungsgericht festgestellten Tatsachen könnten auf einen von dem genannten Erfahrungssatz abweichenden Geschehensablauf hindeuten. Nach den übereinstimmenden Angaben des Klägers und der vom Verwaltungsgericht vernommenen Zeugen habe dieser im Mai 2003 ein ererbtes Fernsehgerät von Stuttgart nach Immendingen gebracht, das dort jedenfalls bis zur Klagerhebung im Dezember 2004 gestanden habe. Das Verbringen dieses Geräts nach Immendingen zum Rundfunkempfang ergebe indessen nur unter der Voraussetzung einen Sinn, dass dort bis dahin kein oder ein weniger leistungsfähiges Gerät vorhanden gewesen sei. Der Senat hält diese Überlegung auch weiterhin für richtig. Der Umstand, dass der Kläger im Mai 2003 ein Fernsehgerät von Stuttgart nach Immendingen gebracht hat, begründet jedoch nur dann die ernsthafte Möglichkeit eines von dem genannten Erfahrungssatz abweichenden Geschehensablaufs, wenn man unterstellt, dass es sich dabei um ein funktionsfähiges Gerät gehandelt hat. Der Kläger bestreitet dies aber gerade. Nach seiner Darstellung war das Gerät schon seit längerer Zeit funktionsuntüchtig und wurde von ihm nur deshalb nach Immendingen gebracht, um es dort leichter entsorgen zu können. Der Transport des Geräts von Stuttgart nach Immendingen lässt unter diesen Umständen nicht auf die Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs schließen.

Hierfür ist auch sonst nichts zu erkennen. Die im Verwaltungsverfahren aufgestellte Behauptung des Klägers, die in Immendingen vorhandenen Räume würden von ihm nicht als Ferienwohnung genutzt, da es sich eine nicht bewohnbare Baustelle handele, entspricht offensichtlich nicht den Tatsachen. Ausweislich des Besuchsberichts des in der mündlichen Verhandlung vor dem Senats als Zeugen vernommenen Gebührenbeauftragten hat der Kläger angegeben, das Haus in Immendingen 1996 von seinem Vater geerbt zu haben und es seitdem als Zweitwohnung zu nutzen. Der Zeuge hat die Richtigkeit dieser Aufzeichnung bei seiner Vernehmung glaubhaft bestätigt. Die Behauptung des Klägers wird zudem durch die in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gemachten Angaben seiner Ehefrau widerlegt, wonach sie sich seit zehn bis 15 Jahren zusammen mit dem Kläger im Sommer mehrere Wochen in Immendingen aufhalte. Nach den Angaben des Gebührenbeauftragten hat der Kläger die Zahlung von Rundfunkgebühren zudem nur deshalb abgelehnt, weil er es als unverständlich bezeichnete, dass er zwei Fernsehgebühren für die in seinen zwei Wohnungen bereit gehaltenen Geräte bezahlen solle, obwohl er jeweils nur eines dieser Geräte nutze. Das deckt sich mit dem Schreiben des Klägers vom 28.9.2004, in dem es heißt, für den Fall, dass ein defektes Gerät gebührenpflichtig sei, melde er das Fernsehgerät in seiner Wohnung in Stuttgart halbjährlich vom 1.11. bis 30.4. und das defekte Gerät in (Immendingen-) Mauenheim vom 1.5. bis 31.10. an.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 155 Abs. 2 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Beschluss vom 8. Mai 2008

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren bis zur mündlichen Verhandlung auf 459,30 EUR für die Zeit danach auf 418,58 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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