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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 25.03.2004
Aktenzeichen: 2 S 1422/03
Rechtsgebiete: GemO, KAG, AO


Vorschriften:

GemO § 61
KAG § 3
AO § 126
AO § 127
1. Weist eine Verbandssatzung dem beklagten Gemeindeverwaltungsverband auf der Grundlage des § 61 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 GemO die "Erledigung" von Abgabengeschäften zu, handelt der Gemeindeverwaltungsverband nicht als sachlich zuständige Behörde, wenn er die Vertretung der Mitgliedsgemeinde nicht offen legt und damit einen ausschließlich ihm zuzurechnenden Verwaltungsakt erlässt.

2. Eine Heilung des Bescheids des Gemeindeverwaltungsverbands in diesem Fall scheidet aus, da die sachliche Unzuständigkeit nicht zu den in den Bestimmungen der §§ 126 und 127 AO (jeweils auf der Grundlage des § 3 Abs. 1 Nr. 3 b KAG) angesprochenen Verfahrens- und Formfehlern gehört (wie Senat, Urteil vom 7.2.1991 - 2 S 1988/89 -).


2 S 1422/03

VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

In der Verwaltungsrechtssache

wegen

Erschließungsbeitrag

hat der 2. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Strauß, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Vogel und die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schmitt-Siebert auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 25. März 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 7. Mai 2003 - 2 K 5123/01 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger, die jeweils Miteigentümer zweier Grundstücke sind, wenden sich gegen ihre Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen durch den beklagten Gemeindeverwaltungsverband für die Herstellung der xxxxxxxxstraße bzw. des xxxxxxxxxxxwegs und der xxxxxxstraße auf dem Gebiet einer Mitgliedsgemeinde des Verbands.

Mit Bescheiden vom 16.10.2000 setzte der Gemeindeverwaltungsverband gegenüber den Klägern für das Abrechnungsgebiet xxxxxxstraße hinsichtlich des dort angrenzenden Grundstücks der Kläger einen Erschließungsbeitrag in Höhe von DM 22.544,93 fest und forderte sie - unter Berücksichtigung einer von ihnen erbrachten Vorausleistung - zur Zahlung des Restbetrags auf. Für das weitere Grundstück, das innerhalb zweier Abrechnungsgebiete als erschlossen gilt, ergingen zwei weitere Erschließungsbeitragsbescheide in Höhe von DM 22.155,17 und DM 34.372,60, bei denen erbrachte Vorausleistungen gleichfalls in Anrechnung kamen. Die Klagen gegen die den letzteren zugrundeliegenden Bescheide haben die Kläger mit Blick auf das Ergehen der endgültigen Beitragscheide vor dem Verwaltungsgericht für erledigt erklärt.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch, den die Kläger mit materiell-rechtlichen Einwendungen gegen die Beitragserhebung, aber auch mit der fehlenden Kompetenz des Beklagten begründeten, wies das Landratsamt Esslingen durch Widerspruchsbescheid vom 4.9.2001 als unbegründet zurück - u.a. auch mit dem Hinweis auf die Zuständigkeit des Gemeindeverwaltungsverbands, dem die Abgabengeschäfte der Gemeinde als Erfüllungs- und nicht lediglich als Erledigungsaufgabe übertragen worden seien.

Mit ihren am 20.7.2001 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Klagen, die sie auf den genannten Widerspruchsbescheid später erweitert haben, haben die Kläger ihre im Vorverfahren geltend gemachten Einwände aufrechterhalten und namentlich darauf abgehoben, dass der beklagte Gemeindeverwaltungsverband für den Erlass des nach wie vor als rechtswidrig zu beurteilenden Erschließungsbeitragsbescheids ohne Aufzeigen des Vertretungsverhältnisses nicht zuständig gewesen sei.

Dem Antrag der Kläger, die Erschließungsbeitragsbescheide des beklagten Gemeindeverwaltungsverbands vom 16.10.2000 und den Widerspruchsbescheid des Landratsamts Esslingen vom 4.9.2001 aufzuheben, ist der Beklagte entgegengetreten. Er hat sich dabei die Begründung des Widerspruchsbescheides zu eigen gemacht.

Durch Urteil vom 7.5.2003 hat das Verwaltungsgericht entsprechend dem Klageantrag der Kläger die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen darauf abgehoben, dass der angefochtene Erschließungsbeitragsbescheid im eigenen Namen des Gemeindeverwaltungsverbands und nicht - wie erforderlich - in Vertretung der betroffenen Verbandsgemeinde - ergangen sei. Für das Aufzeigen des Vertretungsverhältnisses genüge weder eine Benennung der Konten der Gemeinde noch das Beifügen einer Kostenaufstellung, die von der Gemeinde erstellt worden sei. Ein Erlass des Bescheids in eigener Zuständigkeit mache diesen rechtswidrig, da es dem Gemeindeverwaltungsverband insoweit an der sachlichen Zuständigkeit fehle. Aus dem gesetzlichen Vertretungsverhältnis folge, dass bei Erledigungsaufgaben zwei Behörden tätig seien, der Verband als erlassende Behörde im formellen Sinn und die Mitgliedsgemeinde als solche im materiellen Sinn. Werde dies nach außen nicht deutlich, vereinige der Verband unzulässigerweise beide Zuständigkeiten. Dass die im Außenverhältnis berechtigte Behörde des Verbands gehandelt habe, sei unerheblich, da jedenfalls die Teilzuständigkeit der Gemeinde ohne sachlichen Grund aufgehoben sei. Vergleichbares ergebe sich aus der entsprechenden Fallgestaltung bei einem öffentlich-rechtlichen Mandat, das dem Betroffenen gegenüber offenzulegen sei, ansonsten ein Zuständigkeitsmangel gegeben sei. Ein solcher Mangel sei durch Vorschriften des Verwaltungsverfahrens nicht heilbar. § 127 Abgabenordnung (AO), der § 46 LVwVfG vorgehe, erfasse nur die örtliche Zuständigkeit, nicht jedoch die sachliche. Auch der Normzweck der §§ 61, 62 GemO lasse keine andere Entscheidung zu, da jedenfalls der vom Verwaltungsakt Betroffene Anspruch habe, von einer rechtswidrigen Maßnahme verschont zu bleiben. Auch § 125 AO greife nicht ein. Abgesehen davon sei im Übrigen die prozessuale Konsequenz in Blick zu nehmen, dass richtiger Beteiligter des Rechtsbehelfsverfahrens nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO die Gemeinde wäre, wenn der beklagte Gemeindeverwaltungsverband rechtmäßig gehandelt hätte.

Der Beklagte hat am 17.6.2003 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt, zu deren Begründung er im Wesentlichen geltend macht: Er habe in Vertretung der betroffenen Verbandsgemeinde gehandelt. Abzustellen sei auf den Empfängerhorizont des vom Verwaltungsakt Betroffenen, aus dem heraus auch die Gemeinde als beteiligt erkennbar gewesen sei. Auf die von ihm angestellten subjektiven Erwägungen oder solche der Widerspruchsbehörde komme es dagegen nicht an. Auszugehen sei daher davon, dass die formell zuständige Behörde gehandelt habe, die auch im Außenverhältnis allein zuständig zur Aufgabenerfüllung sei. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts komme es nur darauf an, dass die im Außenverhältnis berechtigte Behörde gehandelt habe, auch dann, wenn das Vertretungsverhältnis nicht offengelegt werde. Vergleichbar sei die Rechtslage bei der Anwendung des § 44 GemO; auch dort müsse der Bürgermeister das Vertretungsverhältnis gegenüber dem Betroffenen nicht offenlegen. Abgesehen davon sei auch von einer Heilung auszugehen. § 127 AO erfasse alle formellen Verfahrensmängel mit der Folge, dass eine Aufhebung des Verwaltungsakts (Erschließungsbeitragsbescheids) nicht gefordert werden könne, wenn - wie hier - in der Sache keine andere Entscheidung hätte getroffen werden können. Eine Verletzung der sachlichen Zuständigkeit liege nicht darin, dass im Bescheid die sachlich zuständige Gemeinde nicht erwähnt sei; anzunehmen sei vielmehr ein lediglich formeller Verfahrensmangel, der durch § 127 AO erfasst sei und dementsprechend nicht zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids führe. Es sei ohnehin eher von einem Vergessen und damit von einer offensichtlichen Unrichtigkeit auszugehen, die jederzeit berichtigt werden könne.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 7.5.2003 zu ändern und die Klagen abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen die angefochtene gerichtliche Entscheidung und heben ergänzend hervor, dass auch ihre materiell-rechtlichen Einwendungen zu einer Aufhebung der angefochtenen Bescheide führen müssten.

Dem Senat liegen die Akten des beklagten Gemeindeverwaltungsverbands, die des Verwaltungsgerichts (auch in der Parallelsache) und die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze vor. Auf diese Unterlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung des beklagten Gemeindeverwaltungsverbands ist zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Klagen der Kläger zu Recht stattgegeben. Denn der Bescheid des beklagten Gemeindeverwaltungsverbands (in seiner durch den Widerspruchsbescheid des Landratsamts Esslingen gefundenen Fassung) ist rechtwidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (dazu § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Für den Erlass des angeführten Erschließungsbeitragsbescheides durch den Beklagten ist dessen sachliche Zuständigkeit nicht eröffnet. Der beklagte Gemeindeverwaltungsverband hat diesen Bescheid in eigener Zuständigkeit ohne das zu fordernde Aufzeigen des gesetzlich angeordneten Vertretungsverhältnisses erlassen (dazu 1) mit der Folge, dass dieser Bescheid rechtswidrig ist und auch eine Heilung des Mangels ausscheidet (dazu 2). Auf die materiell-rechtlichen Rügen der Kläger kommt es dementsprechend nicht mehr entscheidungserheblich an (dazu 3).

(1) Der Erschließungsbeitragsbescheid des beklagten Gemeindeverwaltungsverbands ist wegen der Angabe, welche Behörde den Verwaltungsakt erlassen hat, formal nicht zu beanstanden. Er ist in dieser Hinsicht hinreichend bestimmt, da er namentlich die erlassende Behörde erkennen lässt (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 3b KAG, § 119 Abs. 3 AO).

Allerdings ist der angefochtene Beitragsbescheid ausschließlich im Namen des beklagten Gemeindeverwaltungsverbands erlassen und eine Vertretung, wie sie für die in Rede stehenden Abgabengeschäfte gesetzlich angelegt ist, ist weder erwähnt noch wird sie - wie dies der Beklagte geltend macht - aus sonstigen Umständen erkennbar.

Nach § 61 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GemO erledigt der Gemeindeverwaltungsverband für seine Mitgliedsgemeinden in deren Namen die Abgaben-, Kassen-und Rechnungsgeschäfte. Der Wortlaut der Bestimmung rechtfertigt bereits die Annahme, die Rechtshandlung des Verbands müsse "in deren Namen" -mithin unter der Angabe, wer vom Verband vertreten wird, vorgenommen werden. Dies folgt im Übrigen aber auch aus dem Rechtscharakter der "Erledigungsaufgabe". Mit Blick auf diese Aufgaben ist davon auszugehen, dass bei ihnen der Gemeindeverwaltungsverband nur für die Erledigung zuständig ist; für die "Erfüllung" der betreffenden Aufgaben selbst bleiben die Mitgliedsgemeinden zuständig. Damit verbleibt ihren Organen auch die volle Sachentscheidungsbefugnis. Lediglich die Ausführung der Sachentscheidungen der Mitgliedsgemeinden, die je nach Entscheidungszuständigkeit in der Gemeinde vom Gemeinderat durch Beschlüsse und vom Bürgermeister durch Anordnung zu treffen sind, obliegt im Rahmen seiner Erledigungszuständigkeit dem Gemeindeverwaltungsverband. Insoweit ist er aber ebenso eigenverantwortlich zuständig wie der Bürgermeister nach § 44 Abs. 1 GemO; wie sonst bestimmt hier der Gemeindeverwaltungsverband die Art und Weise der Ausführung (so VwV GemO zu § 61 Nr. 2).

Formal ist demnach der Gemeindeverwaltungsverband die "erlassende" Behörde, da ihm allein im Außenverhältnis die Befugnis zur Aufgabenerfüllung zusteht. Kraft des gesetzlich angeordneten Vertretungsverhältnisses werden allerdings die Rechtshandlungen des "erledigenden" Gemeindeverwaltungsverbands der selbst nicht handlungsbefugten Mitgliedsgemeinde zugerechnet; nur dann ist sie im materiellen Sinn die "erlassende Behörde" im Sinne von § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO und in einem Rechtsstreit passiv legitimiert (dazu der Senat im Urteil vom 25.2.1988 - 2 S 2543/87 -, EKBW GemO § 61 E 2; Urteil vom 7.2.1991 - 2 S 1988/89 -, EKBW a.a.O. E 2; Urteil vom 9.5.1996 - 2 S 2730/95 - je m.w.N.).

Dem Beklagten ist zwar zu folgen, soweit er meint, für die aus der Vertretung folgende rechtliche Bindungswirkung sei eine ausdrückliche Erklärung, für den Vertretenen zu handeln, nicht erforderlich (Bonk/Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, 6. A., VwVfG § 12, 14 ff, 15). Wer gesetzlicher Vertreter ist, richtet sich nach den gesetzlichen Vorgaben. Ergänzend sind die zivilrechtlichen Grundsätze über Vertretungsbefugnis und -mängel auch im öffentlichen Recht heranzuziehen. Damit kann aber auch maßgeblich darauf abgestellt werden, ob die gesamten Umstände ergeben, dass der Vertreter im Namen des Vertretenen handelt (dazu der Rechtsgedanke aus § 164 Abs. 1 Satz 2 BGB). Solche, auf eine Vertretung der Gemeinde schließenden Umstände sind hier jedoch nicht erkennbar. Ist aber der Vertretungswille des Handelnden nicht erkennbar, so wird er nach dem Rechtsgedanken des § 164 Abs. 2 BGB aus dem Rechtsgeschäft selbst berechtigt und verpflichtet (zum Ganzen auch Tipke/Kruse, FGO/AO, Januar 2004, AO § 34 Rdnr. 2). Nichts anderes folgt aus der Rechtsstellung des Beklagten als gesetzlicher Vertreter einer juristischen Person des öffentlichen Rechts.

Auch trifft die Annahme des Beklagten (und der Widerspruchbehörde) nicht zu, der Bescheid vom 16.10.2000 sei schon deshalb nicht zu beanstanden sei, weil ihm - dem Gemeindeverwaltungsverband - die Abgabengeschäfte durch die maßgebliche Verbandssatzung als Erfüllungsaufgabe und somit zur Erledigung in eigener Zuständigkeit und ohne Vertretungserfordernis zugewiesen sei. Dies findet in der dem Senat vorliegenden Fassung der Verbandssatzung keine Stütze. Nach deren § 2 Abs. 3 Nr. 1.2 erledigt der Verband für die dort namentlich genannten Gemeinden "in deren Namen" als gesetzliche Erledigungsaufgaben die Haushaltsplan-, Abgaben-, Kassen- und Rechnungsgeschäfte. Eine hiervon abweichende Regelung ist in der Satzung ersichtlich nicht getroffen und sie ergibt sich auch nicht auf Grund einer durch die Rechtsaufsichtsbehörde zu genehmigenden Ausnahme (vgl. § 61 Abs. 3 Satz 2 GemO).

Ferner lassen sich auch den sonstigen Umständen eine im Erschließungsbeitragsbescheid vorgenommene Offenlegung des Rechtshandelns in Vertretung der Mitgliedsgemeinde nicht entnehmen. Der Hinweis auf deren Satzungsrecht beschränkt sich auf die materiell-rechtliche Grundlage der Heranziehung. Auch das Abstellen auf eine Kostenaufstellung der Mitgliedsgemeinde rechtfertigt nicht die Annahme, der beklagte Gemeindeverwaltungsverband habe für diese in deren Namen gehandelt. Dies hat das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt.

Ist dementsprechend davon auszugehen, dass der angefochtene Erschließungsbeitragsbescheid allein im Namen des beklagten Gemeindeverwaltungsverband ergangen ist, ist er deswegen als rechtwidrig aufzuheben. Die Rechtswidrigkeit ergibt sich - wie der Senat in einer vergleichbaren Fallgestaltung dargelegt hat - unter dem Gesichtspunkt der fehlenden sachlichen Zuständigkeit, hier des Gemeindeverwaltungsverbandes (dazu Urteil vom 29.5.1991 - 2 S 325/90 -).

Die sachliche Zuständigkeit betrifft den einer Behörde dem Gegenstand und der Art nach durch Gesetz zugewiesenen Aufgabenbereich (dazu AEAO zu § 16 Nr. 1; Tipke/Kruse, a.a.O., AO § 16 Rdnr. 1). Hier weist dem beklagten Gemeindeverwaltungsverband das Gesetz in § 61 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GemO die "Erledigung" von Abgabengeschäften zu. Daraus folgt, dass der Gemeindeverwaltungsverband nicht als sachlich zuständige Behörde handelt, wenn er einen ausschließlich ihm zuzurechnenden Verwaltungsakt erlässt, dem eine eigene Sachkompetenz zum Erlass einer Regelung über ein "Abgabengeschäft" zugrundegelegt ist. Denn ohne Hinweis auf das gesetzlich angeordnete Vertretungsverhältnis scheidet eine zu fordernde Zuordnung des Verwaltungsakts zur "erlassenden" Gemeinde ("in deren Namen") aus. Die zur Erfüllung der Erledigungsaufgaben vorgenommenen Rechtshandlungen werden der Gemeinde, die selbst nicht handlungsbefugt ist, nur zugerechnet, wenn der Gemeindeverwaltungsverband in deren Namen auch tätig geworden ist. Nur dann ist die Gemeinde im materiellen Sinn die "erlassende" Behörde im Sinne von § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO und in einem Verwaltungsrechtsstreit auch passiv legitimiert (dazu Senat im angeführten Urteil vom 29.5.1991). Entgegen der Ansicht des beklagten Gemeindeverwaltungsverbands kommt es nicht auf die Frage an, ob die formell nach außen zuständige Behörde gehandelt hat. Das Verwaltungsgericht hebt im Kern zutreffend darauf ab, dass es unerheblich sei, ob die im Außenverhältnis berechtigte Behörde des Verbands gehandelt habe, da jedenfalls die Teilzuständigkeit der Gemeinde ohne sachlichen Grund aufgehoben sei, und sich eine "vergleichbare" Fallgestaltung bei einem öffentlich-rechtlichen Mandat ergebe, das dem Betroffenen gegenüber offenzulegen sei, ansonsten ein Zuständigkeitsmangel gegeben sei (HessVGH, U. v. 31.01.1974, DÖV 1974, 604). Jedenfalls hat hier das gesetzlich angeordnete Vertretungsverhältnis - unabhängig von der von dem Beklagten gerügten "Vergleichbarkeit" - eine gleiche Wirkung: es fordert seine Offenlegung nicht zuletzt deshalb, weil eine Verpflichtung der betroffenen Gemeinde selbst erfolgt und deshalb deren Sachentscheidung - und nicht die des Gemeindeverwaltungsverbands - umgesetzt werden muss.

Der Hinweis des Beklagten auf die vermeintlich vergleichbare Rechtsstellung des Bürgermeisters trifft nicht den Kern der Sache. Jener ist Organwalter und mithin Vertreter der Gemeinde kraft Gesetzes, das ihm im Außenverhältnis unbeschränkte Vertretungsmacht einräumt. Rechtliche Folge ist die uneingeschränkte Zurechnung solcher Rechtshandlungen, die im Rahmen dieser Vertretungsmacht vorgenommen werden. Beim Gemeindeverwaltungsverband ist indes, wie § 61 GemO verdeutlicht, eine solche unbeschränkte Vertretungsmacht gerade nicht eröffnet; vielmehr ist der Gemeindeverwaltungsverband - soweit hier maßgeblich - gesetzlich auf die Erledigungsaufgabe beschränkt. Ihm fehlt bei Überschreiten dieser gesetzlichen Vorgabe die Sachkompetenz und daher die rechtliche Möglichkeit der uneingeschränkten Zurechenbarkeit in diesem Fall. Dass die "Erledigung", d.h. die Ausführung der Sachentscheidung der Mitgliedsgemeinde im Sinne der verwaltungsmäßigen Abwicklung, eigenverantwortlich durch den Gemeindeverwaltungsverband erfolgt und insoweit diesem eine dem Bürgermeister vergleichbare eigenverantwortliche Zuständigkeit eröffnet ist, ist zutreffend. Darum geht es aber dann nicht, wenn wie hier der Gemeindeverwaltungsverband nach dem Inhalt des angefochtenen Verwaltungsakts mit Außenwirkung von einer ihm nicht eröffneten Sachkompetenz Gebrauch gemacht hat.

Ist daher davon auszugehen, dass mangels Aufzeigen des Vertretungsverhältnisses ein dem Gemeindeverwaltungsverband zuzuordnender Beitragsbescheid hier im Streit ist, ist für dessen Erlass eine sachliche Zuständigkeit des Beklagten nicht gegeben. Dies begründet allerdings nicht auch zugleich die Nichtigkeit dieses Bescheids. Zwar wird jene für den Fall der sog. absoluten sachlichen Unzuständigkeit angenommen, wenn also eine Behörde sich mit der Rechtssache befasst hat, für die sie unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt zuständig sein kann (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 22.3.1974, NJW 1974, 1961, 1963 und die Nachweise bei Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 44 Rdnr. 164 FN. 457). Im hier in Rede stehenden Fall ist indes die wegen Fehlens einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung (sowohl in § 44 LVwVfG als auch in dem hier maßgeblichen § 125 Abs. 2 AO) dabei zu fordernde "Offensichtlichkeit" des Fehlers (vgl. auch BVerwGE 66, 178, 182 ff.) nicht gegeben, da zu ihrer Beurteilung in Blick zu nehmen ist, dass es bei der Rechtshandlung im Rahmen des Abgabengeschäfts um dieselbe Sachaufgabe - einmal zur Erfüllung, einmal zur Erledigung - geht. Aus den dargelegten Gründen verbietet es sich schließlich, den angefochtenen Beitragsbescheid als lediglich "unrichtig" (dazu § 3 Abs. 1 Nr. 3 b KAG, § 129 AO) einzustufen, wie dies der Beklagte geltend macht.

(2) Der nach allem nicht lediglich "unrichtige" sondern rechtswidrige (und auch nicht etwa nichtige) Bescheid des beklagten Gemeindeverwaltungsverbands ist auch nicht geheilt, wie dies weiter mit der Berufung geltend gemacht wird.

Die zwischen den Beteiligten aufgeworfene Frage, ob eine Heilung des Bescheids bei der Annahme der sachlichen Unzuständigkeit ausscheide, da die §§ 126 und 127 AO - jeweils auf der Grundlage des § 3 Abs. 1 Nr. 3 b KAG -in diesem Fall nicht anwendbar seien, da die sachliche Unzuständigkeit nicht zu den in diesen Bestimmungen angesprochenen Verfahrens- und Formfehlern gehöre (so schon VGH Bad.-Württ., Urteil vom 18.5.1978, DÖV 1978, 696; ferner Tipke/Kruse, a.a.O., § 16 Rdnr. 15 m.w.N.; zu § 45 VwVfG auch Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., Rdnr. 156 und § 46 Rdnr. 46 ff., 48; vgl. im Übrigen auch Reif, Erschließungsbeitragsrecht nach dem BauGB, Erl. 6.6.1.4), ist hier nicht mehr entscheidungserheblich. Verfahrens- und Formfehler, die wie hier nicht zur Nichtigkeitsfolge führen, können nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 b KAG, § 126 Abs. 2 AO bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens geheilt werden. Davon kann hier nicht ausgegangen werden, da auch die Widerspruchsbehörde im maßgeblichen Widerspruchsbescheid von der nicht zutreffenden Annahme ausgegangen ist, der Gemeindeverwaltungsverband erlasse den Erschließungsbeitragsbescheid im Rahmen ihm satzungsrechtlich übertragener Erfüllungsaufgaben. Dies sieht - wie oben bereits erwähnt - die Verbandssatzung indes nicht vor, wie deren Regelung in § 2 Abs. 3 Nr. 1.2 verdeutlicht, wenn dort auf die "gesetzlichen Erledigungsaufgaben" abgestellt und unter c. die Haushaltsplan-, Abgaben-, Kassen- und Rechnungsgeschäfte ausdrücklich angeführt werden. Nichts anderes hat zu gelten, wenn man auf den vorliegenden Streitfall § 126 Abs. 1 und 2 AO in der durch Art. 8 des Gesetzes zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften vom 20.12.2001, BGBl. I S. 3794 (StÄndG 2001) geänderten Fassung anwendet. Die nach Art. 39 Abs. 1 dieses Gesetzes am 23.12.2001 und damit erst nach Ergehen des hier maßgeblichen Widerspruchsbescheids in Kraft getretene geänderte Bestimmung dürfte - ohne dass dies hier der abschließenden Entscheidung bedarf - mangels Übergangsregelung und mit Blick darauf, dass § 3 KAG eine sog. dynamische Verweisung enthält - auch hier Anwendung finden. Nach § 126 Abs. 2 AO n.F. können Handlungen nach Abs. 1 Nr. 2 bis 5 bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden, hier also nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 b KAG bis zum Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Danach scheidet eine Heilung bereits deshalb aus, weil die in § 126 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 AO angesprochenen Handlungen - nachträgliche Begründung, Nachholen einer Anhörung, nachträgliches Befassen eines Ausschusses und Nachholen der Mitwirkung einer anderen Behörde - hier nicht in Rede stehen. Schließlich kommt auch dem Hinweis des Beklagten auf die in § 127 AO getroffene Regelung keine hier durchgreifende Bedeutung zu. Danach kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nach § 125 AO nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können. Das Abstellen auf die "örtliche" Zuständigkeit durch den Gesetzgeber schließt es aus, die Bestimmung entgegen ihrem eindeutigen Wortlaut auch auf Fälle der Verletzung der "sachlichen" Zuständigkeit auszudehnen (vgl. dazu BFH, Urteil vom 21.4.1993, BStBl. 1993 II 649, 653; Förster in: Koch/Scholtz, AO, 5. Aufl. § 127 Rdnr. 4 je m.w.N.; ferner BVerwGE 66, 178, 183). Es spricht auch nichts dafür, dass in Folge einer Änderung der Satzung, die der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung ausgeschlossen hat, oder einer Ausnahmegenehmigung die sachliche Zuständigkeit nunmehr dem beklagten Gemeindeverwaltungsverband zukommt und deshalb in die Prüfung einzutreten ist, ob eine Heilung des Beitragsbescheids in Betracht kommen könnte.

(3) Da der Erschließungsbeitragsbescheid des beklagten Gemeindeverwaltungsverbands bereits wegen dessen sachlicher Unzuständigkeit keinen Bestand haben kann, ist den materiell-rechtlichen Einwendungen, wie sie mit der Klage geltend gemacht worden sind, hier nicht mehr nachzugehen. Auch die von den Klägern erklärte Aufrechnung ist nur für den Fall zur Entscheidung gestellt, dass der angefochtene Bescheid nicht bereits aus anderen Gründen aufzuheben sei. Der entsprechende Hilfsantrag ist damit lediglich vorsorglich gestellt und bedarf keiner Entscheidung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.

Beschluss

vom 25. März 2004

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 40.429,23 EUR (früher 79.072,70 DM) festgesetzt (§§ 14, 13 Abs. 2 GKG, § 5 ZPO entsprechend).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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