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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 15.10.2009
Aktenzeichen: 2 S 1457/09
Rechtsgebiete: KAG, AO, VwVfG, VwGO


Vorschriften:

KAG § 3 Abs. 1 Nr. 3b
AO § 118 Satz 1
VwVfG § 35 Satz 1
VwGO § 43 Abs. 1
VwGO § 43 Abs. 2
VwGO § 91
VwGO § 88
1. Die Frage, ob ein behördliches Schreiben als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist, ist nach Maßgabe eines objektiven Empfängerhorizonts unter Berücksichtigung von Treu und Glauben zu beurteilen.

2. Ein als "Rechnung" bezeichnetes Schreiben einer Stadtwerke GmbH, die nach § 2 Abs. 3 Satz 1 KAG beauftragt ist, die Gebührenbescheide für die Abwasserbeseitigung zu erlassen, ist nicht als Verwaltungsakt zu qualifizieren, wenn sich ein Hinweis auf das Auftragsverhältnis und die Rechtsmittelbelehrung lediglich an "versteckter" Stelle befinden und deshalb für den Empfänger des Schreibens die hoheitliche Handlungsform nicht erkennbar ist.

3. Geht der Kläger von dem Begehren, die Nichtigkeit eines Verwaltungsakts nach § 43 Abs. 1 2. Alt. VwGO festzustellen, über auf den Antrag, nach § 43 Abs. 1 1. Alt. VwGO festzustellen, dass bereits kein Verwaltungsakt vorliegt, so liegt darin mangels Änderung des Klagegrundes keine Klageänderung.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

2 S 1457/09

Verkündet am 15.10.2009

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Abwassergebühren

hat der 2. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. Oktober 2009

am 15. Oktober 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 5. März 2009 - 2 K 2480/08 - wird mit folgender Maßgabe zurückgewiesen:

Es wird festgestellt, dass das der Klägerin mit Schreiben vom 19.03.2008 übersandte Schreiben der Stadtwerke xxxxxxxx vom 17.03.2008 kein Verwaltungsakt ist.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu Abwassergebühren.

Die Klägerin ist Eigentümerin des Anwesens xxxxxxxxxx xx im Gebiet der Beklagten. Das Grundstück vom 01.07.1989 bis zum 31.07.2004 an die Eheleute S. vermietet. Die Stadtwerke xxxxxxxx GmbH rechnete in dieser Zeit die Kosten für Abfall, Wasser, Entwässerung, Erdgas und Strom unmittelbar mit den Eheleuten S. ab. Die Jahresabrechnungen für Wasser und Abwasser erfolgten zwischen 1998 und 2004 jeweils auf der Grundlage einer Schätzung. Am 30.07.2004 fand im Hinblick auf den Auszug der Eheleute S. eine Schlussablesung des Wasserzählers statt. Dabei stellte die Stadtwerke xxxxxxxx GmbH fest, dass der Wasserverbrauch bis zum 30.07.2004 um 1.450 m3 zu niedrig geschätzt worden war.

Die Stadtwerke xxxxxxxx GmbH ist ein Tochterunternehmen der xxxxxxxx Verkehrs-, Versorgungs- und Hafen GmbH, welche wiederum ein Tochterunternehmen der Beklagten ist. Die Stadtwerke xxxxxxxx GmbH ist das Versorgungsunternehmen der Beklagten für Wasser, Gas, Strom und Fernwärme; insoweit ist das Leistungsverhältnis mit den Bürgern privatrechtlich ausgestaltet. Hinsichtlich der Entsorgungsarten Abwasser und Abfall besteht dagegen ein öffentlich-rechtliches Benutzungsverhältnis zwischen der Beklagten und den Bürgern; insoweit handelt die Stadtwerke xxxxxxxx GmbH im Auftrag der Beklagten, sie berechnet für diese unter anderem die städtischen Gebühren für die Entwässerung, fertigt die Abgabenbescheide aus, versendet sie, nimmt die Abgaben entgegen und führt sie an die Beklagte ab.

Mit Schreiben vom 19.03.2008 machte die Stadtwerke xxxxxxxx GmbH gegenüber der Klägerin als Eigentümerin des oben genannten Anwesens eine Forderung für Frischwasser und Entwässerung geltend. Im Schreiben hieß es unter anderem, die Klägerin sei als Eigentümerin gemäß der Entwässerungsentsorgungssatzung der Beklagten Schuldnerin der öffentlich-rechtlichen Entwässerungsgebühren. Daneben bestehe mit ihr als Grundstückseigentümerin auch ein Wasserversorgungsvertrag durch die zugelassene Entnahme von Wasser auf ihrem Grundstück durch die damaligen Mieter. Nachdem die Mieter weitere Zahlungen verweigert hätten, sähen sich die Stadtwerke gezwungen, sich direkt an die Klägerin als Gebührenschuldnerin und Vertragspartnerin zu wenden. Hinsichtlich der genauen Berechnung war dem Schreiben die "Rechnung vom 17.03.2008" beigefügt.

Mit diesem als "Rechnung" bezeichneten Schreiben, das im Briefkopf die Stadtwerke xxxxxxxx GmbH ausweist, wird für die Leistungen Trinkwasser, Entwässerung und Abfallentsorgung die Zahlung eines Betrags von insgesamt 4.552,53 EUR gefordert, auf den geleistete Abschlagszahlungen in Höhe von 612,-- EUR angerechnet werden. Für die "Versorgungsart Entwässerung" entfällt davon unter Zugrundelegung eines Verbrauchs von 1.450 m3 im Zeitraum vom 08.09.2003 bis zum 30.07.2004 ein Betrag von 2.088,-- EUR. Auf der Rückseite von Seite 3 des Schreibens findet sich unter der Rubrik "Hinweise und Erläuterungen zu unserer Rechnung" unter anderem folgender Absatz:

Rechtsbehelfsbelehrung zum Gebührenbescheid:

Berechnung und Einzug von Abfall- und Entwässerungsgebühren erfolgen im Auftrag und im Namen der Stadt xxxxxxxx. Für diesen Teil der Abrechnung (Gebührenbescheid) gilt die folgende Rechtsbehelfsbelehrung: Gegen den Gebührenbescheid für Abfallentsorgung und Entwässerung kann innerhalb eines Monats nach Erhalt Widerspruch eingelegt werden. Der Widerspruch ist schriftlich oder zur Niederschrift an das Amt für Abfallwirtschaft, xxxxxxxxxxx xx in xxxxxxxx xxxxxxxx (Abfallgebühren) bzw. an das Tiefbauamt - Abteilung Stadtentwässerung -, xxxxxxxxx xx in xxxxxxx xxxxxxx (Entwässerungsgebühren) der Stadt xxxxxxxxx zu richten.

Mit an die Stadtwerke xxxxxxxx GmbH gerichtetem Schreiben der Eigentümerschutz-Gemeinschaft xxxx & xxxxxx vom 31.03.2008 ließ die Klägerin sinngemäß Einwendungen gegen die geltend gemachten Forderungen erheben. Im Schreiben hieß es unter anderem wie folgt:

Mit Schreiben vom 19.03.2008 machen sie gegenüber unserer Mandantin als Eigentümerin des im Betreff bezeichneten Anwesens eine Forderung für Wasser- und Abwassergebühren sowie Abfallentsorgungsgebühren in Höhe von 3.886,20 EUR geltend.

Nach Überprüfung der Sach- und Rechtslage können wir unserer Mandantin nicht empfehlen, diese Forderung zu begleichen.... Der durch sie festgestellte Frischwasserverbrauch und der damit verbundene Abwasserverbrauch ist nicht nachvollziehbar. Für den Zeitraum 08.09.2003 bis 08.12.2003 sollen 1.332 m3 verbraucht worden sein....

Mit Schreiben vom 09.04.2008 teilten die Stadtwerke xxxxxxxx GmbH der Klägerin sinngemäß mit, der jährlich abgerechnete Verbrauch für die damaligen Mieter seit 1998 habe jeweils auf einer Verbrauchsschätzung beruht, da die Mieter seither keinen Zutritt zwecks Ablesung der Zähler gewährt hätten. Erst beim Austausch des Wasserzählers sei eine Ablesung wieder möglich gewesen. Es könne daher nicht ausgeschlossen werden, dass ein Teil des strittigen Verbrauchs tatsächlich in den Vorjahren angefallen sei. Der Wasserzähler sei jedenfalls nach erfolgter Prüfung in Ordnung gewesen.

Im Anschluss daran erfolgte weiterer Schriftwechsel zwischen der nunmehr durch ihren heutigen Prozessbevollmächtigten vertretenen Klägerin und der Stadtwerke xxxxxxxxx GmbH. In diesem berief sich die Klägerin unter anderem auf Verjährung und bestritt, dass durch die Eheleute S. kein Zutritt zum Anwesen in den Jahren ab 1998 gewährt worden sei. Die Stadtwerke kündigten wegen der privatrechtlichen Ansprüche aus dem Wasserversorgungsvertrag Klage sowie wegen der öffentlich-rechtlichen Entwässerungsgebühren die Vollstreckung an.

Am 26.08.2008 hat die Klägerin Klage beim Verwaltungsgericht xxxxxxxx erhoben mit dem Antrag festzustellen, dass die Rechnung der Stadtwerke xxxxxxxx GmbH vom 17.03.2008, soweit in ihr Entwässerungsgebühren enthalten sind, nichtig ist, hilfsweise, die Rechnung der Stadtwerke xxxxxxxx GmbH vom 17.03.2008, soweit in ihr Entwässerungsgebühren enthalten sind, aufzuheben. Zur Begründung hat die Klägerin im Wesentlichen Folgendes geltend gemacht: Die Rechnung der Stadtwerke vom 17.03.2008 stelle keine geeignete Grundlage dar, um ihr gegenüber die Entwässerungsgebühren zu vollstrecken. Sollte es sich bei der Rechnung um einen Verwaltungsakt handeln, so sei dieser mangels Erkennbarkeit der ausstellenden Behörde nichtig. Er sei jedenfalls nicht bestandskräftig geworden. Die im Schreiben vom 17.03.2008 enthaltene Rechtsbehelfsbelehrung hinsichtlich der Entwässerungsgebühr sei unzureichend und damit unbeachtlich. Die Rechtsbehelfsbelehrung sei in den Hinweisen zum Schreiben mehr oder weniger versteckt worden, ein Hinweis an auffälliger Stelle fehle.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat erwidert: Der Entwässerungsgebührenbescheid vom 17.03.2008 sei bestandskräftig und die Klage deshalb unzulässig. Das Schreiben von xxxxx & xxxxx vom 31.03.2008 könne nicht als Widerspruch ausgelegt werden. Im Übrigen sei die Klage auch unbegründet.

Mit Urteil vom 05.03.2009 hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe festgestellt, dass die Rechnung der Stadtwerke xxxxxxxx GmbH vom 17.03.2008, soweit in ihr Entwässerungsgebühren enthalten sind, nichtig ist. In den Entscheidungsgründen heißt es unter anderem: Die Klage sei als Nichtigkeitsfeststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 2. Alt. VwGO statthaft. Die Rechnung der Stadtwerke xxxxxxxx vom 17.03.2008 sei, soweit in ihr Entwässerungsgebühren enthalten seien, ein Verwaltungsakt im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 3 lit. b) KAG i.V.m. § 118 AO. Dies ergebe sich nicht zuletzt aus der Verwendung der Begriffe "öffentlich-rechtliche Entwässerungsgebühren" und "Gebührenschuldnerin" im Begleitschreiben der Stadtwerke xxxxxxxx vom 19.03.2008.

Die Nichtigkeitsfeststellungsklage sei auch begründet. Die Rechnung vom 17.03.2008 verstoße, soweit in ihr Entwässerungsgebühren enthalten seien, gegen § 3 Abs. 1 Nr. 3 lit. b) KAG i.V.m. § 119 Abs. 3 Satz 1 AO und sei deshalb gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 lit. b) KAG i.V.m. § 125 Abs. 2 Nr. 1 AO nichtig. Gemäß § 119 Abs. 3 Satz 1 AO müsse ein Kommunalabgabenbescheid die erlassende Behörde - im vorliegenden Fall die Stadt xxxxxxxx - bezeichnen. Danach müsse die erlassende Behörde einwandfrei identifizierbar sein. Dem werde die Rechnung vom 17.03.2008 nicht gerecht. Der Hinweis darauf, dass die Berechnung und der Einzug der Entwässerungsgebühren im Auftrag und im Namen der Stadt xxxxxxxx erfolge, finde sich lediglich in den Hinweisen und Erläuterungen zur Rechnung unter der Überschrift Rechtsbehelfsbelehrung zum Gebührenbescheid. In Hinweisen und Erläuterungen und dann gar noch unter der Rubrik Rechtsbehelfsbelehrung erwarte der normale, nicht mit den Feinheiten des Kommunalabgabenrechts vertraute Bürger eine derartige Information nicht. Ohnehin sei eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht die geeignete Stelle, um die erlassende Behörde zu kennzeichnen. Hinzu komme, dass auf der Deckseite der Rechnung unter der Zusammenstellung der einzelnen Bruttobeträge auch noch in fetter, größerer Schrift zu lesen sei "Fragen zur Rechnung? Rufen Sie uns an: Telefon xxxxx/xxx xxxx!". Diese Rufnummer sei die der Stadtwerke. Neben der ausschließlichen Bezeichnung der Stadtwerke xxxxxxxx GmbH im Briefkopf vermittele auch dieser Satz den Eindruck, dass sich der Empfänger der Rechnung bei Problemen mit den Stadtwerken xxxxxxxxxx auseinandersetzen müsse. In dem Begleitschreiben und auch sonst in der Rechnung werde im Übrigen auch immer nur die Stadtwerke xxxxxxxx GmbH genannt.

Zur Begründung der mit Beschluss vom 18.06.2009 zugelassenen Berufung macht die Beklagte geltend: Die Rechnung und der Gebührenbescheid ergingen gemeinsam in einem "Papierwerk". Die Beklagte und die Stadtwerke wollten den Bürgern die Abrechnung und die Gebühren so verständlich wie möglich machen. Daher solle alles "aus einer Hand" erfolgen und die Kosten für die Daseinsvorsorge so übersichtlich wie möglich gestaltet sein. Unter der Überschrift "Hinweis und Erläuterungen zu unserer Rechnung" finde sich eine weitere Unterüberschrift "Rechtsbehelfsbelehrung zum Gebührenbescheid", aus der sich die erlassende Behörde ohne Zweifel ergebe. Es sei nicht erforderlich, dass die erlassende Behörde im Briefkopf oder als erstes genannt werden müsse. Die erlassende Behörde müsse bei einem schriftlichen Verwaltungsakt aus dem Schriftstück selbst (z.B. Kopfleiste, Dienstsiegel) einwandfrei identifizierbar sein. Ausreichend sei auch die Erkennbarkeit im Zusammenhang mit der in dem Bescheid angegebenen Adresse der Behörde, der Unterschrift oder dem Beglaubigungsvermerk. Eine Unterschrift oder ein Beglaubigungsvermerk befänden sich in der Regel nicht auf dem Briefkopf eines Schreibens, sondern erst am Ende. Wenn es aber genüge, dass die erlassende Behörde erst am Ende eines Schriftstücks erkennbar sei, müsse auch der Hinweis auf die erlassende Behörde unter der Rubrik "Hinweise und Erläuterungen zu unserer Rechnung" ausreichen. Nach alledem sei die erlassende Behörde auf Seite 3 der Rechnung eindeutig bezeichnet. Es schade auch nicht, dass auf der ersten Seite des Bescheides hinsichtlich Fragen zur Rechnung eine Telefonnummer der Stadtwerke genannt werde. Die Stadtwerke hätten alle Daten, die für die Berechnung der Abfall- und Entwässerungsgebühren erforderlich seien. Fragen einfacher Art oder Beschwerden könnten deshalb die Stadtwerke sofort beantworten. Diese Praxis befinde sich im Einklang mit § 2 Abs. 3 KAG.

Auch der Hilfsantrag der Klägerin sei unbegründet. Der Gebührenbescheid vom 17.03.2008 sei bestandskräftig. Der Bescheid sei gemeinsam mit einem individuellen Anschreiben vom 19.03.2008 versendet worden, womit er gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 lit. b) KAG i.V.m. § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO am 22.03.2008 als bekanntgegeben gelte. Bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist am 22.04.2008 sei bei der Beklagten kein Widerspruch gegen den Gebührenbescheid eingegangen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 05.03.2009 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin ändert ihren Klageantrag dahin ab, dass dieser nunmehr lautet:

festzustellen, dass das ihr mit Schreiben vom 19.03.2008 übersandte Schreiben der Stadtwerke xxxxxxxx vom 17.03.2008 kein Verwaltungsakt ist,

hilfsweise festzustellen, dass das Schreiben vom 17.03.2008, soweit mit ihm Entwässerungsgebühren angefordert werden, nichtig ist,

weiter hilfsweise das Schreiben, soweit mit ihm Entwässerungsgebühren angefordert werden, aufzuheben.

Im Übrigen beantragt die Klägerin,

nach Maßgabe des geänderten Klageantrags die Berufung gegen das angefochtene Urteil zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen Beteiligten gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg. Die Klage ist mit ihrem im Berufungsverfahren geänderten und nunmehr auf die Feststellung gerichteten Hauptantrag, dass das an die Klägerin mit Schreiben vom 19.03.2008 übersandte Schreiben der Stadtwerke xxxxxxxx GmbH vom 17.03.2008 kein Verwaltungsakt ist, zulässig und begründet.

1. Der Übergang von der ursprünglich erhobenen Nichtigkeitsfeststellungsklage zu einem allgemeinen Feststellungsbegehren ist zulässig. Er bedeutet keine Änderung der Klage im Sinne von § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 91 VwGO, weil damit keine Änderung des sachlichen Klagebegehrens und damit auch nicht des Klagegrundes vorgenommen wird. Das Klagebegehren richtete sich von Anfang an gegen das der Klägerin übersandte Schreiben der Stadtwerke xxxxxxxx GmbH vom 17.03.2008 und der daraus von der Beklagten abgeleiteten Behauptung, ihr stehe auf der Grundlage dieses Schreibens ein Vollstreckungstitel hinsichtlich der gegenüber der Klägerin geltend gemachten "Entwässerungsgebühren" zu. Der zu beurteilende Lebenssachverhalt bleibt damit auch im Berufungsverfahren unverändert. Auf Hinweis des Gerichts hat die Klägerin lediglich ihre rechtliche Argumentation geändert und damit ihr Rechtsschutzbegehren präzisiert.

2. Der nunmehr gestellte Hauptantrag ist zulässig. Zwar ist die Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 1. Alt. VwGO nicht zulässig, soweit der jeweilige Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Das wäre der Fall, wenn es sich bei dem Schreiben der Stadtwerke xxxxxxxx GmbH vom 17.03.2008 um einen die Klägerin belastenden Verwaltungsakt handeln würde, da ein solcher mit der Anfechtungsklage hätte angegriffen werden können. Bei der zwischen den Beteiligten streitigen Einordnung des Schreibens als Verwaltungsakt oder nicht hoheitliche Rechnungsstellung handelt es sich damit um eine sogenannte doppelt relevante Tatsache, die sowohl für die Zulässigkeit als auch für die Begründetheit einer Klage maßgeblich ist (vgl. u. a. BGH, Beschluss vom 04.07.2001 - XII ZB 161/98 - NJW 2001, 3337). Für die Zulässigkeit des gestellten Festsetzungsantrags genügt daher die bloße Rechtsbehauptung der Klägerin, das umstrittene Schreiben vom 17.03.2008 sei nicht als Verwaltungsakt zu qualifizieren.

3. Die Klage ist begründet. Bei dem zu beurteilenden Schreiben der Stadtwerke xxxxxxxx GmbH vom 17.03.2008 handelt es sich - entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts - nicht um einen Verwaltungsakt, der die erlassende Behörde nicht erkennen lässt und deshalb gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 lit. b) KAG i.V.m. § 125 Abs. 2 Nr. 1 AO nichtig ist; die Auslegung des Schreibens nach Maßgabe eines objektiven Empfängerhorizonts unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben ergibt vielmehr bereits, dass eine für den Bürger verbindliche behördliche Regelung nicht vorliegt und das Schreiben damit nicht als Verwaltungsakt im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 3 lit. b) KAG i.V.m. § 118 Satz 1 AO (vgl. dazu die gleichlautende Vorschrift des § 35 Satz 1 VwVfG/LVwVfG) zu qualifizieren ist.

Bei der Auslegung des Schreibens der Stadtwerke xxxxxxxx GmbH vom 17.03.2008 hat sich der Senat von folgenden Überlegungen leiten lassen: Für die Frage, ob eine Erklärung der Behörde als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist, ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung neben dem Wortlaut und dem objektiven Erklärungswert - insbesondere unter Berücksichtigung der Regelungsbefugnis der Behörde und dem Regelungsgehalt - auf die äußere Form (z.B. Bezeichnung als Bescheid oder Verfügung) sowie eine gegebenenfalls beigefügte bzw. fehlende Rechtsmittelbelehrung abzustellen. Das Fehlen einer Rechtsbehelfsbelehrung kann ein Indiz gegen das Vorliegen eines Verwaltungsakts sein, schließt jedoch für sich allein das Vorliegen eines Verwaltungsaktes nicht zwingend aus. Unklarheiten hinsichtlich der von der Behörde gewählten Verwaltungsakt-Form gehen zu deren Lasten. Bei Auslegungszweifeln ist bei belastenden Verwaltungsakten das den Betroffenen weniger belastende und bei begünstigenden Verwaltungsakten das den Betroffenen mehr begünstigende Auslegungsergebnis vorzuziehen; insoweit gehen etwaige Unklarheiten zu Lasten der Behörden (st. Rspr. des Bundesfinanzhofs, vgl. die Nachweise bei Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 118 RdNr. 55).

Ob ein Verwaltungsakt ergangen ist, hat, da Verwaltungsakte Willenserklärungen sind, nach den für die Auslegung von Willenserklärungen allgemein geltenden Grundsätzen zu erfolgen. Entsprechend anwendbar sind die §§ 133, 157 BGB. Entscheidend ist der erklärte Wille der Behörde und der sich daraus ergebende objektive Erklärungsinhalt der Regelung, wie ihn der Betroffene nach den ihm bekannten Umständen - aus der Sicht eines objektiven Betrachters -, das heißt nach Maßgabe eines objektiven Empfängerhorizonts unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte. Für die Auslegung ist vom Wortlaut des Ausspruchs (Tenor) und der dazu gegebenen Begründung auszugehen. Dabei ist entsprechend § 133 BGB der wirkliche Wille der Behörde zu erforschen, und nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. Zu würdigen ist der gesamte Inhalt der Erklärung einschließlich der Gesamtumstände. Es können zur Auslegung auch der Erläuterungsteil eines Schreibens sowie dem Schreiben bzw. dem Verwaltungsakt beigefügte Unterlagen herangezogen werden (vgl. dazu Pahlke/Koenig, aaO, § 118 RdNr. 54).

In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist die hier streitgegenständliche "Rechnung vom 17.03.2008" nach Maßgabe eines objektiven Empfängerhorizonts nicht als einseitige verbindliche Regelung seitens der beklagten Stadt, sondern auch hinsichtlich der Entsorgungsart "Entwässerung" nicht als hoheitliche Regelung, sondern als tatsächliches Verwaltungshandeln in Form eines schlichten Abrechnungsschreibens zu werten.

Zwar findet sich auf Seite 3 des Schreibens vom 17.03.2008 in der drittletzten Zeile im Zusammenhang mit der Berechnung des für die Entwässerung zu zahlenden Betrags die Formulierung "Entwässerungsgebühr". Darüber hinaus enthalten auch die "Hinweise und Erläuterungen zur Rechnung" auf der Rückseite von Seite 3 des Schreibens im 11. Absatz eine Rechtsbehelfsbelehrung hinsichtlich der Entwässerung; dort wird auch ausdrücklich erklärt, dass die Berechnung der Entwässerungsgebühren im Auftrag und im Namen der Stadt xxxxxxxx und damit einer Verwaltungsbehörde erfolgt. Diese Rechtsmittelbelehrung und die Bezugnahme auf die Stadt xxxxxxxx einschließlich der damit verbundenen behördlichen Regelungsbefugnis legen eine verbindliche Regelung hinsichtlich der Abwasserbeseitigung und damit einen Verwaltungsakt nahe. Dies dürfte insbesondere aus der Sicht eines "qualifizierten Juristen", der das Schreiben vom 17.03.2008 vollständig und damit einschließlich der Hinweise und Erläuterungen zur Kenntnis nimmt, gelten.

Eine solche Auslegung wird allerdings unter den im vorliegenden Fall gegebenen Umständen der Sicht eines "objektiven Betrachters" und damit eines juristisch nicht vorgebildeten Bürgers nicht gerecht. Unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben kommt der Seite 1 des Schreibens vom 17.03.2008 maßgebliche Bedeutung zu. Das Schreiben ist dort insgesamt als "Rechnung" der Stadtwerke xxxxxxxx GmbH bezeichnet. Die Formulierung "Rechnung" spricht eindeutig für eine privatrechtliche Handlungsform; auch kann die Stadtwerke xxxxxxxx GmbH als Gesellschaft des Privatrechts aus der Sicht eines unbefangenen Dritten grundsätzlich nicht hoheitlich und damit in Form eines Verwaltungsakts handeln. Auf Seite 1 dieser "Rechnung" hat die Stadtwerke xxxxxxxx GmbH die von der Klägerin zu zahlenden Beträge für Trinkwasser, Entwässerung und Abfallentsorgung aufgelistet und anschließend einen Gesamtrechnungsbetrag ausgewiesen. Es wird dort nicht ansatzweise zwischen der Abrechnung für das Trinkwasser, das auf einem privatrechtlichen Vertrag beruht, und den hoheitlichen Gebühren für Entwässerung und Abfallentsorgung unterschieden. Es fehlen auch Begriffe, die wie etwa "Verfügung" oder "Bescheid" auf ein hoheitliches Handeln hinweisen könnten. Darüber hinaus enthält dieser Teil der "Rechnung" keinen Hinweis darauf, dass hinsichtlich des zu zahlenden Betrags für die Entwässerung und die Abfallentsorgung eine einseitige verbindliche Regelung für die angeschriebenen Bürger getroffen wird. Die Formulierung "der Restbetrag in Höhe von ... wird bis zum 08.04.2008 fällig" entspricht vielmehr den Gepflogenheiten bei einer privaten Rechnung. Im Gegensatz dazu enthält die erste Seite eines Verwaltungsaktes im Regelfall den Tenor, mit dem einseitig für den betroffenen Bürger eine verbindliche Rechtsfolge gesetzt wird. Auch hieran fehlt es bei dem Schreiben vom 17.03.2008. Seite 1 des Schreibens schließt mit der Grußformel durch die Stadtwerke xxxxxxxx GmbH. Auch in diesem Zusammenhang fehlt jeder Hinweis auf die Beklagte als Hoheitsträgerin oder auf eine Rechtsbehelfsbelehrung, aus der etwa auf eine hoheitlich verbindliche Regelung mit der Folge einer Rechtsschutzmöglichkeit für den Bürger geschlossen werden könnte.

Vor dem Hintergrund des eindeutigen Erklärungsinhalts auf Seite 1 der "Rechnung" kommt der Rechtsmittelbelehrung, die sich lediglich "versteckt" auf der Rückseite der Seite 3 des Schreibens befindet, keine entscheidende Bedeutung zu. Auf den Seiten 2 und 4 sowie auf der Vorderseite der Seite 3 des Schreibens werden die einzelnen Leistungsarten Abfallentsorgung, Trinkwasser, Entwässerung nach Zeitraum, Zählerstand und Preis zahlenmäßig weiter aufgeschlüsselt. Nach Maßgabe eines objektiven Empfängerhorizonts musste aber nicht davon ausgegangen werden, dass in diesem Teil des Schreibens rechtlich relevante Erklärungen enthalten sind, die über den Erklärungswert auf Seite 1, die mit der Grußformel abgeschlossen ist, hinausgehen. Aus der Sicht eines objektiven Betrachters bestand insbesondere nicht die Notwendigkeit, die umfangreichen Hinweise und Erläuterungen zur Rechnung bis in jedes Detail zur Kenntnis zu nehmen. Die Rechtsbehelfsbelehrung zum Gebührenbescheid ist weder drucktechnisch (etwa Fettdruck) hervorgehoben noch enthält Seite 1 der Rechnung einen Hinweis auf diesen für die rechtliche Beurteilung wichtigen Zusatz. Die Rechtsbehelfsbelehrung ist zudem eingebettet in Erläuterungen zum Datenschutz, zur richtigen Tarifwahl bei der Stromversorgung sowie in Informationen zum Gasversorgungsnetz und dem Wasserentnahmeentgelt, das die Stadtwerke xxxxxxxx GmbH an das Land Baden-Württemberg abführen muss. Weder nach der Überschrift ("Hinweise und Erläuterungen zu unserer Rechnung") noch nach der Gestaltung der Seite musste der Empfänger des Schreibens mit rechtlich relevanten Erklärungen rechnen, insbesondere nicht mit Informationen, die das Schreiben vom 17.03.2008 hinsichtlich der Entsorgungsarten Abfall und Entwässerung erst zum hoheitlichen Verwaltungsakt erklären.

Eine andere Sichtweise rechtfertigt auch nicht das Begleitschreiben der Stadtwerke xxxxxxxxx GmbH vom 19.03.2008. Zwar heißt es in dem Schreiben ausdrücklich, die Klägerin sei "Vertragspartner des Wasserversorgungsvertrags und daneben auch Gebührenschuldner für die öffentlich-rechtlichen Entwässerungsgebühren". Das genügt jedoch nicht, um bei einer Gesamtschau mit der "Rechnung vom 17.03.2008" einen verbindlichen Regelungsgehalt des Schreibens zu begründen. Im Schreiben vom 19.03.2008 heißt es weiter, nachdem die Mieter weitere Zahlungen verweigert hätten, sähen sich die Stadtwerke gezwungen, sich direkt an die Klägerin als Gebührenschuldner und Vertragspartner zu wenden. Ausgehend von dieser Formulierung kann das Schreiben vom 17.03.2008 ohne weiteres als formlose Abrechnung hinsichtlich der Entwässerung und damit etwa als Ankündigung bzw. Anhörung hinsichtlich eines noch zu ergehenden Verwaltungsaktes verstanden werden. Auch nimmt das Anschreiben vom 19.03.2008 gerade nicht Bezug auf einen konkreten Gebührenbescheid, sondern macht die Forderung nur unter Bezugnahme auf die "Rechnung vom 17.03.2008" in allgemeiner Form geltend. Auch in diesem Zusammenhang ist jedenfalls maßgeblich darauf abzustellen, dass Seite 1 des Schreibens vom 17.03.2008 aus der Sicht eines objektiven Empfängers eindeutig und unmissverständlich als "zivilrechtliche" Abrechnung zu qualifizieren ist und bereits von daher für die Klägerin kein Anlass bestand, eine verbindliche Regelung durch Hoheitsakt in Betracht zu ziehen. Schließlich stammt auch das Anschreiben vom 19.03.2008 von der privatrechtlichen GmbH und enthält keinen Hinweis auf die beklagte Stadt als Hoheitsträgerin.

Einer Entscheidung über die Hilfsanträge der Klägerin bedarf es nach alledem nicht mehr.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Beschluss vom 15. Oktober 2009

Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf 1.881,-- EUR festgesetzt.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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