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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 14.11.2005
Aktenzeichen: 2 S 1884/03
Rechtsgebiete: GrStG, BewG, VwGO


Vorschriften:

GrStG § 33
GrStG § 34
BewG § 27
VwGO § 124 a
1. Ein ausdrücklicher Berufungsantrag ist nicht erforderlich, wenn das Ziel der Berufung aus der Tatsache ihrer Einlegung in Verbindung mit den während der Berufungsbegründungsfrist abgegebenen Erklärungen ersichtlich ist.

2. Das Antragserfordernis des § 34 Abs. 2 GrStG umfasst nicht die Darlegung der Antragsgründe innerhalb der Antragsfrist.

3. Bei Fortschreibungen der Einheitswerte für Grundbesitz sind die Wertverhältnisse im Hauptfeststellungszeitraum (1.1.1964) zugrunde zu legen (§ 27 BewG). Spätere Änderungen der Wertverhältnisse, wie etwa Änderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse, die ihren Niederschlag u.a. im allgemeinen Mietniveau finden, können für die Einheitsbewertung keine Bedeutung erlangen.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

2 S 1884/03

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Grundsteuererlass

hat der 2. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Strauß, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Vogel und die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schmitt-Siebert ohne mündliche Verhandlung am 14. November 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 18. November 2002 - 10 K 81/00 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Beklagten zum Grundsteuererlass.

Die Klägerin ist Eigentümerin des mit einem gewerblich genutzten Gebäude bebauten Grundstücks xxxxxxx xxxxxxxx auf Gemarkung der Beklagten.

Am 24.3.1998 beantragte die Klägerin einen Grundsteuererlass für das Jahr 1997 wegen Minderung des Rohertrags des Grundstückes in diesem Jahr um mehr als 20 v.H. durch durchschnittlichen Leerstand der Bürofläche in dieser Zeit von 72,93 %. Sie legte eine Aufstellung über die im Jahr 1997 erzielten Mieteinnahmen vor und teilte Einzelheiten der Vermietungen (Zeiträume, Identität der Mieter) und ihrer Vermietungsbemühungen in diesem Jahr mit. Sie benannte ferner zum Zwecke der Vermietung hinzugezogene Stellen (Makler, Bankhaus, Kreissparkasse u.a.) und legte in diesem Zusammenhang angefallene Korrespondenz vor. Ein Schreiben eines von ihr beauftragten Bankhauses bestätigte die Durchführung eines "Anliegermailings" mit etwa 380 - z.T. namentlich benannten - Adressaten. Auf dem Nachbargrundstück sei durch ein Schild auf die Möglichkeit der Anmietung hingewiesen worden.

1996 sei das Gebäude vollständig an die xxxxxxxxxx Betriebsgesellschaft für augenoptische Erzeugnisse mbH (xxxxxxxxxxx) zu einem monatlichen Mietzins in Höhe von DM 19,07/m2 vermietet gewesen. Das Mietverhältnis sei Ende November dieses Jahres aufgrund bestehender Rücktrittsrechte beendet worden, da es der Mieterin nicht möglich gewesen sei, genügend Flächen an Firmen der augenoptischen Branche weiter zu vermieten, um ein Handelscenter für augenoptische Erzeugnisse zu betreiben. Im Anschluss hieran sei das Gebäude zu einem nominalen Mietzins von netto 18,-- DM/m2 über Makler am Markt angeboten worden. Eine Anfang 1997 erstellte (von der Klägerin vorgelegte) Marktanalyse habe eine Prägung des örtlichen Immobilienmarkts durch die Großmieter xxxxxxxxxxxxxxx (xxxxxxxxxxxx), xxx sowie xxxxxxx xxxxxxx ergeben. Zur Verbesserung der Vermietungschancen habe die Firma xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx Düsseldorf im Frühjahr 1997 neue Vermarktungsstrategien entwickelt. Zu deren Umsetzung sei es nicht mehr gekommen, weil zwischenzeitlich eine weitere Büroetage an xxxxxxx xxxxxxx vermietet worden sei und sich Verhandlungen mit xxxxxxxxxxxx über zwei Büroetagen konkretisiert hätten. Diese Verhandlungen hätten Anfang 1998 begonnen und zur Anmietung zweier weiterer Büroetagen zum 1.7. und 1.8.1998 geführt. Im Mai 1997 aufgenommene Verhandlungen mit xxxxxxx über eine Fläche von 250 m2 seien mit Beginn der Verhandlungen mit Großmietern abgebrochen worden. Im Juli 1997 begonnene Verhandlungen mit xxxxxxxxxxxxxxx hätten zur Vertragsunterzeichnung am 28.10.1997 geführt. Mietbeginn sei der 1.2.1998 gewesen. Zu einer Vermietung an die Internationale Universität sei es nicht gekommen, da die geplante Hochschule nicht gegründet worden sei. Anfang 1997 mit der xxx GmbH geführte Verhandlungen hätten nur zu einer für die Interessentin günstigen Veränderung deren anderweit bestehenden Mietverhältnisses geführt. Die im Mai 1997 als Interessentin benannte Firma xxx habe auf den Wechsel nach Sindelfingen verzichtet. Die Firma xxxxxxxxxx habe lediglich vom 1.9.1997 bis 31.1.1998 eine Fläche von etwa 600 m2 während einer Umbauphase benötigt. Dem im Oktober 1997 nachgewiesenen Interesse der xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx GmbH an Flächenerweiterung habe wegen der zu diesem Zeitpunkt bereits mit xxxxxxxxxxxxxxx geführten Verhandlungen nicht mehr entsprochen werden können. Weitere Mietinteressenten im November 1997 seien die xxxxxxxxxxx Stuttgart sowie die Firma xxx gewesen. Erstere habe sich zu Beginn der Verhandlungen mit xxxxxxxxxxxx noch nicht entschlossen gehabt, so dass die Vertragsverhandlungen mit ihr nicht fortgeführt worden seien. Auch die Vertragsverhandlungen mit der Firma xxx über eine Fläche von etwa 500 m2 seien durch den Abschluss mit xxxxxxxxxxxx gestoppt worden.

Am 1.3.1999 beantragte die Klägerin unter Hinweis auf die Vorkorrespondenz Grundsteuererlass für das Jahr 1998 wegen eines durchschnittlichen Leerstandes ihres Gebäudes von etwa 37,41 % in diesem Jahr. Sie fügte ihrem Antrag eine Übersicht über die vermieteten Büroflächen, die Vermietungszeiträume und die einzelnen Mieter bei.

Die Beklagte lehnte die Anträge mit Bescheid vom 4.11.1999 ab, weil aus den vorgelegten Unterlagen eine Minderung der Roherträge von jeweils mehr als 20 % nicht deutlich ersichtlich sei. So seien etwa die Gründe für das Scheitern mehrerer weit gediehener Mietverhandlungen nicht erkennbar. Auch habe die Sindelfinger Zeitung am 10.12.1998 einen Anstieg der Nachfrage nach Büroräumen im Jahr 1998 und für das zweite Halbjahr sogar einen Nachfrageüberhang berichtet.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 10.11.1999 Widerspruch ein, zu dessen Begründung sie u.a. darauf hinwies, dass der Nachfrageüberhang sich auf kleinteiligere Flächen als die von ihr angebotenen bezogen habe.

Die Beklagte bat die Klägerin in der Folgezeit um "detailliertere" Unterlagen. In Aktenvermerken hielt sie fest, dass die Klägerin das Scheitern von Vertragsverhandlungen mit xxxxxxx zu Gunsten von xxxxxxxxxxxxxxx herbeigeführt habe. xxxxxxxxxxxxxxx und xxx seien - anders als angegeben - keine Räume angeboten worden.

Mit am 8.12.1999 zugestelltem Bescheid vom 6.12.1999 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin habe weiterhin 20 % übersteigende Minderungen des normalen Rohertrags nicht nachgewiesen. So seien keine Angaben zu Umfang und Erlös der Vermietung von Verkehrsflächen gemacht worden. Die Angaben zu den Vermietungsbemühungen seien nicht zuverlässig. Als Interessenten Benannte hätten auf Nachfrage Kontakte mit der Klägerin verneint. In einem Fall sei der Abschluss eines Mietvertrages verhindert worden. Ein auf kleine Flächen beschränkter Nachfrageüberhang hätte ggf. zur Verkleinerung der angebotenen Flächen führen müssen. Auch der im Marktbericht vom 29.1.1997 für den Raum Böblingen/Sindelfingen dokumentierte einzigartig hohe Leerstand des streitigen Gebäudes indiziere mangelnde Vermietungsbemühungen der Klägerin.

Die Klägerin hat am 7.1.2000 Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben. Sie hat beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 4.11.1999 und deren Widerspruchsbescheid vom 6.12.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr die Grundsteuer für das Jahr 1997 in Höhe von 62.697,05 EUR (= 117.260,04 DM) und für das Jahr 1998 in Höhe von 29.892,40 EUR (= 58.464,46 DM) zu erlassen.

Die Grundsteuerforderung der streitigen Jahre hat sie mit je 179.957,09 DM, die Ertragsminderung 1997 mit 81,45 % und 1998 mit 40,61 % angegeben. Einer vorgelegten Aufstellung der Büro-, Stellplatz-, Verkehrs- und Lagerraumflächen des streitigen Gebäudes sind Soll- und Istmieten für 1997 und 1998 zugeordnet. Den Sollmieten liegt der 1998 und später erzielte Mietpreis von 16.-- DM/ qm zugrunde, dem eine gewisse Marktüblichkeit zuzubilligen sei. Nach der von der Industrie- und Handelskammer erstmals für das Jahr 2000 durchgeführten Mietpreisumfrage liege die Miete für Büroräume im Kammerbezirk Sindelfingen zwischen 21,50 DM/m2 und 9,00 DM/m2, d.h. bei einem Mittelwert von 15,75 DM/m2.

Bis 1994 sei das Gebäude an xxx vermietet gewesen. 1995 habe es leer gestanden. Ein Grundsteuererlass für dieses Jahr sei mangels Vermietungsbemühungen abgelehnt worden. 1996 sei das Gebäude an xxxxxxxxxxx für zehn Jahre und vier Monate mit zweimaliger Möglichkeit der Verlängerung um je fünf Jahre durch die Mieterin vermietet gewesen. Bis zum 31.7.1996 sei die Mieterin mietfrei gewesen. Danach habe sich die Miete gestaffelt erhöhen und ab dem 1.5.1997 441.996,83 DM betragen sollen. Der Rücktritt von diesem Mietvertrag im Jahr 1996 falle nicht in das Erlassjahr. 1996 habe das Gebäude insgesamt 548.765,45 DM eingebracht. Ab Mitte 1998 sei es zu 90 % wieder vermietet gewesen. 1999 hätten die Einnahmen bei 5.532.400,28 DM und im Jahr 2000 bei 5.940.037,19 DM gelegen. Die Steigerung sei auf die Einrichtung eines Parkhauses zurückzuführen.

Die Vermietungsbemühungen seien ausreichend gewesen. Die Klägerin hat Schreiben ihrer Makler vorgelegt, die die Kontaktaufnahme mit den Firmen xxxxxxxxxxxxxxx und xxx belegen. Der Marktbericht bewerte die Situation des Jahres 1996. Rückschlüsse auf die Folgejahre lasse er nicht zu. Abschnitt 38 Abs. 4 Satz 1 der Grundsteuerrichtlinie - GRStR - verpflichte ausschließlich zu ortsüblichen Vermietungsbemühungen. Hierzu gehöre die Umwandlung von (großflächigen in kleinflächige) Räumlichkeiten nicht. Um- und Ausbaumaßnahmen würden üblicherweise erst im Rahmen von Mietverhältnissen vertraglich vereinbart. Die Infrastruktur ihres Gebäudes erlaube nur eine großflächige Vermietung. Die Leerstände gingen nicht auf eine dauerhafte Änderung der Wertverhältnisse zurück, die im Wertfortschreibungsverfahren zu korrigieren seien. Im Übrigen sei gem. §§ 22 Abs.1 und 27 BewG bei der Fortschreibung des Einheitswerts von den Wertverhältnissen zum 1.1.1964 als letztem Hauptfeststellungszeitpunkt mit dem Ergebnis auszugehen, dass eine Wertfortschreibung (wegen Wertminderung) ausscheide.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat Klagabweisung beantragt. Sie hat weiterhin darauf abgehoben, dass weder die behauptete Ertragsminderung noch das fehlende Vertretenmüssen nachgewiesen seien. Der geltend gemachte Minderertrag sei nicht aufgrund eines Vergleichs mit Objekten vergleichbarer Beschaffenheit - an denen es fehle - feststellbar. Die Ertragsminderung sei schon deshalb nicht zufälliger und vorübergehender Natur, weil bereits in den Jahren 1985 und 1995 Anträge auf Grundsteuererlass wegen Leerstands gestellt worden seien. Die streitigen Leerstände gingen nicht auf atypische und außergewöhnliche Umstände, sondern auf die Konzeption des Gebäudes für die besonderen Bedürfnisse zurück. Veränderungen den Grundstückswert betreffender Umstände, die bei der Hauptfeststellung zu einer Verminderung des Einheitswerts führten, schieden als Erlassgründe aus.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 18.11.2002 überwiegend stattgegeben. Die Klägerin habe fristgerechte Erlassanträge gestellt. Die Voraussetzungen für den beantragten Erlass seien erfüllt. Im Jahr 1997 sei der Mietertrag ausgehend von einem Mietpreis von 14,-- DM/ m2 um 79,82 %, im Folgejahr ausgehend von einem Mietpreis von 16,-- DM/ m2 um 40,51 % gemindert gewesen. Nach dem Preisspiegel des Verbandes deutscher Makler (VDM) für Gewerbeimmobilien belaufe sich der Mittelwert für Büromieten 1996 auf 15,-- DM/ m2, 1998 auf 15,50 DM/m2 und 2000 auf 16,50 DM/ m2. Dem entspreche die Erhebung der Industrie- und Handelskammer Stuttgart, nach der sich im Jahr 2000 der Mittelwert für Büromieten bei Flächen von über 200 m2 auf 16,75 DM/m2 belaufen habe. Das streitige, im Jahr 1984 errichtete Gebäude falle wegen seiner guten Ausstattung (u.a. Verkabelung für eine EDV-Nutzung) in den Bereich der so genannten guten Nutzungswerte, die nach Angaben des VDM schon 1997 bei 15,-- DM/ m2 gelegen hätten. Die "Stuttgarter Nachrichten" vom 13.12.1999 gäben die Mietpreise im gewerblichen Bereich in der Region Böblingen-Sindelfingen im Jahr 1999 mit 18,-- DM/ m2 , im Jahr 1996 mit 14,- DM/qm an. Aus der "Sindelfinger und Böblinger Zeitung" vom 10.12.1998 ergäben sich für 1997 Büromieten von 15,-- DM/ m2 und für 1998 von 17,-- bis 18,-- DM/ m2. Die Annahme eines Vergleichsmietpreises von 14,-- DM/ m2 werde schließlich durch den Umstand gestützt, dass die Klägerin im Jahr 1997 eine größere Fläche zu diesem Preis vermietet habe. 1998 habe sich die Vermietungssituation wesentlich verbessert, wie aus den erwähnten Zeitungsberichten und dem Umstand folge, dass die Klägerin zu Beginn dieses Jahres größere Flächen zu dem Preis von 16,-- DM/ m2 vermietet habe. Die Klägerin trage zwar das Risiko der Konzeption des Gebäudes für einen bestimmten Mieter (xxx) und der hierdurch bedingten großen Flächen. Da die Vermietungssituation in Sindelfingen indessen durch Nachfrage von Großfirmen nach großflächigen Büroräumen geprägt sei, folgten aus dieser Konzeption nicht zwingend Leerstände. Die streitigen Leerstände seien auf einen Konjunktureinbruch in den Jahren 1996 und 1997 zurückzuführen. Im August 1998 seien bereits etwa 90 % des Gebäudes wieder vermietet gewesen. Das Gebäude sei im Übrigen ausweislich des vorgelegten Exposés auch nicht nur für einen Mieter konzipiert. Immerhin würden Flächen ab 800 m2 angeboten.

Minderungen des normalen Rohertrages, die auf Veränderungen der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse beruhten, seien zwar erst bei der nächsten Hauptfeststellung zu berücksichtigen und wirkten sich bis dahin nicht im Sinne eines Steuerlasses aus. Solche Veränderungen lägen jedoch nur bei nachhaltigen, länger andauernden Veränderungen der Wertverhältnisse vor und seien in Anlehnung an den regelmäßigen Zeitabstand zwischen der Durchführung von Hauptfeststellungen nach dem Bewertungsgesetz erst etwa ab einem Zeitraum von sechs Jahren anzunehmen. Die nur vorübergehende Veränderung der Wertverhältnisse auf dem Gebiet der Beklagten ergebe sich schon aus dem in der Presse mitgeteilten Nachfrageüberhang in der zweiten Jahreshälfte 1998. Dass die Klägerin bereits für die Jahre 1985 und 1995 Grundsteuererlass beantragt habe, führe zu keiner anderen Beurteilung. Denn das Gebäude sei in der Zwischenzeit und bis Ende 1998 wieder zu 90 % vermietet gewesen.

Die Klägerin habe die Ertragsminderung auch nicht zu vertreten. Das "Vertretenmüssen" sei ausschließlich nach ihrem Verhalten während des Erlasszeitraums zu beurteilen. Gemäß Abschnitt 38 Abs. 4 GRStR hätten Vermieter durch Leerstand bedingte Ertragsminderungen in der Regel nicht zu vertreten, wenn sie sich in ortsüblicher Weise um Vermietung bemüht hätten. Dabei dürfe keine höhere als die ortsübliche Miete verlangt werden. Dem habe die Klägerin genügt. Sie habe bereits Ende 1994/Anfang 1995 zwei Makler beauftragt, die die Kreissparkasse Böblingen und ein weiteres Maklerbüro zugezogen hätten. Es sei ein "Anliegermailing" durchgeführt worden. Mit etwa 67 Interessenten hätten konkrete Gespräche über eine Anmietung stattgefunden. Die aufgeworfenen Zweifel an der Seriosität der angegebenen Vermietungsbemühungen habe die Klägerin widerlegt. Die Auflösung des Mietvertrages mit xxxxxxxxxx falle nicht in das allein maßgebliche Kalenderjahr, für welches Steuererlass beantragt werde. Der Abbruch der Vertragsverhandlungen mit xxxxxxx liege im Bereich des in der Branche üblichen und sei nicht zu beanstanden. xxxxxxx habe im Juli 1997 Interesse an der Anmietung von Räumlichkeiten bekundet. Die Klägerin habe indessen im gleichen Zeitraum mit xxxxxxxxxxxxxxx Verhandlungen aufgenommen, die im Oktober 1997 zu einem Vertragsabschluss zunächst über ein Geschoss von 3.405,49 m2 zuzüglich 91 m2 Verkehrsfläche gemündet hätten. 1998 sei ein weiteres Geschoss angemietet worden. Dass xxxxxxx früher als xxxxxxxxxxxxxxx größere Flächen oder zu einem höheren Mietpreis als diese gemietet hätte, habe die Beklagte weder dargetan noch nachgewiesen.

Der zunächst verlangte Mietpreis von 18,-- DM/ m2 liege innerhalb des Rahmens der Mietspiegel des VDM für Gewerbeimmobilien in den Jahren 1996 und 1998 und habe erst Verhandlungsspielraum geschaffen. Die Preisforderung habe nicht zum Ausbleiben von Interessenten geführt. Es hätten schon deshalb keine Maßnahmen zur Verkleinerung der zu vermietenden Einheiten getroffen werden müssen, weil das Gebäude nicht geschossweise, sondern ausweislich des Exposés Flächen ab 800 m2 angeboten worden seien und tatsächlich Mietverträge (mit der Firma xxxxxxxxx) über etwa 600 m2 bzw. (mit der xxxxxxxx) über etwa 240 m2 abgeschlossen worden seien.

Dem Antrag auf Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil hat der Senat durch den der Beklagten am 1.9.2003 zugestellten Beschluss vom 25.8.2003 entsprochen.

Die Beklagte begründet ihre Berufung mit Schriftsatz vom 11.9.2003 zum einen damit, dass das Verwaltungsgericht bei der Beurteilung des Erlassanspruchs nicht - wie geboten - von den Verhältnissen zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung ausgegangen sei, zu dem die tatbestandlichen Voraussetzungen dieses Anspruch noch nicht vorgetragen worden seien. Das Verwaltungsgericht habe auch die Auflösung des Mietverhältnisses mit xxxxxxxxxx nicht berücksichtigt, obwohl ein derart herbeigeführter Mietausfall unter dem Gesichtspunkt der Abgabengerechtigkeit keinen Grundsteuererlass nach sich ziehen dürfe. Sie, die Beklagte, trage nicht die Beweislast dafür, dass die Ertragsminderung wegen des Abbruchs der Verhandlungen mit xxxxxxxx nicht von der Klägerin zu vertreten sei. Von 1985 bis 1998 hätten die Mieteinnahmen geschwankt. 1985, 1995, 1997 und 1998 hätten Mietausfälle zu Erlassanträgen geführt. Auch seien erhebliche Verluste dadurch entstanden, dass xxxxxxxxxx bis zum 31.7.1996 mietfrei gestellt worden sei. Die Leerstände folgten aus der Größe des Objekts und daraus, dass nahezu ausschließlich große Flächen vermietet werden könnten. Diese Umstände hätten gemäß § 33 Abs. 5 GrStG zum Anlass für einen Antrag auf Fortschreibung des Einheitswerts genommen werden müssen. Für einen Erlass nach § 33 Abs. 1 GrStG bleibe danach kein Raum.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 18. November 2002 - 10 K 81/00 - zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Berufung schon deshalb für unzulässig, weil die Beklagte innerhalb der Berufungsbegründungsfrist keinen Berufungsantrag gestellt habe. Aus der Berufungsbegründung sei nicht mit der notwendigen Bestimmtheit zu entnehmen, in welchem Umfang das verwaltungsgerichtliche Urteil angefochten werde.

Das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen im Erlasszeitraum sei zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung über die Verpflichtungsklage auf Grundsteuererlass feststellbar. Auf den Zeitpunkt, zu dem sie vorgetragen und nachgewiesen worden seien, komme es nicht an. Der Abbruch von Vertragsverhandlungen zugunsten anderer Interessenten sei branchenüblich und führe deshalb nicht dazu, dass hierdurch bedingte Ertragsminderungen zu vertreten seien. Den Mietausfällen hätten keine Veränderungen in tatsächlicher Hinsicht zugrunde gelegen. Deshalb hätten sie nicht im Wege der Fortschreibung des Einheitswertes nach § 33 Abs. 5 GrStG berücksichtigt werden können. Auch seien sie nicht auf nachhaltige und länger andauernde Veränderungen der allgemeinen wirtschaftlichen oder politischen Lage zurückgegangen. Von einer solchen Änderung der Wertverhältnisse könne erst ab einem Zeitraum von etwa sechs Jahren ausgegangen werden.

Die Beklagte ist dem unter Hinweis darauf entgegengetreten, dass aus der Berufungsbegründung im Wege der Auslegung ein Berufungsantrag habe ermittelt werden können. Ihre Angriffe hätten sich gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts in vollem Umfang gerichtet. Daran ändere es nichts, dass an einer Stelle ausgeführt sei, der Erlassantrag sei zumindest in der Höhe zu reduzieren. Auch habe sie in ihrem Schlusssatz noch auf ihre Ausführungen in erster Instanz verwiesen. Dort habe sie beantragt, die Klage insgesamt abzuweisen. Im Zweifel sei ohnehin davon auszugehen, dass ein Berufungskläger das erstinstanzliche Urteil in vollem Umfang angreife und an seinen in erster Instanz gestellten Anträgen festhalte. Eine Beschränkung der Berufung könne nur angenommen werden, wenn ein hierauf gerichteter Wille klar und deutlich zum Ausdruck komme.

Dem Senat haben die Akten der Beklagten sowie die Akten des Verwaltungsgerichts Stuttgart vorgelegen; auf sie und die gewechselten Schriftsätze wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden ( § 101 Abs. 2 VwGO).

Die Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage auf teilweisen Grundsteuererlass für 1997 und 1998 zu Recht in dem hier noch streitigen Umfang stattgegeben. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten und ihr Widerspruchsbescheid sind nämlich insoweit rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, als ein Anspruch auf Grundsteuererlass in der vom Verwaltungsgericht zugesprochenen Höhe versagt wurde; denn die Klägerin hat einen Anspruch auf Grundsteuererlass in dieser Höhe.

Das Berufungsbegehren ist von der Beklagten mit innerhalb der Frist des § 124 a Abs. 6 Satz 1 VwGO beim erkennenden Verwaltungsgerichtshof eingegangener Berufungsschrift vom 11.9.2003 unmissverständlich zum Ausdruck gebracht worden. Dort ist in erster Linie geltend gemacht worden, das Vorliegen der Voraussetzungen für den begehrten Erlass sei im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung im Verwaltungsverfahren nicht hinreichend substantiiert vorgetragen worden. Die im gerichtlichen Verfahren "nachgeschobenen" Tatsachen hätten nicht berücksichtigt werden dürfen. Diese Ausführungen (unter Ziff. 1) lassen klar erkennen, dass das erstinstanzliche Urteil in vollem Umfang angefochten werden soll. Mit ihnen hat die Klägerin sich nicht auseinandergesetzt. Vielmehr hat sie Anhaltspunkte für die behauptete Unklarheit des Berufungsziels ausschließlich aus der zusätzlichen Berufungsbegründung (unter Nrn. 2 - 4) hergeleitet.

Dass ein förmlicher Berufungsantrag erst nach Ablauf der Frist des § 124 a Abs. 6 S. 1 VwGO am 13.11.2003 gestellt wurde, ist unter den dargelegten Umständen unschädlich; denn das Formerfordernis der Berufungsbegründung dient in erster Linie der Klarstellung durch den Berufungsführer, ob und weshalb er an der Durchführung des Berufungsverfahrens festhalten will (vgl. BVerwG, Urteile vom 30.6.1998, BVerwGE 107, 117, 121 und vom 23.4.2001, BVerwGE 114, 155, 157 sowie Beschlüsse vom 15.10.1999, Buchholz 310, § 124 a VwGO, Nr. 13 und NVwZ 2000, 315). Daher wäre es hier eine bloße Förmelei, noch einen ausdrücklichen Antrag zu fordern. Im Übrigen orientiert sich die Bestimmung des § 124 a VwGO nach dem Willen des Gesetzgebers an der Regelung aus dem verwaltungsprozessualen Revisionsrecht (BVerwG, Beschluss vom 23.9.1999, NVwZ 2000, 67 m.w.N.). Für das Revisionsverfahren ist es anerkannt, dass dem Erfordernis eines bestimmten Antrags im Sinne des § 139 Abs. 2 VwGO a.F./Abs. 3 n.F. schon dann Genüge getan sein kann, wenn das Ziel der Revision aus der Tatsache ihrer Einlegung allein oder in Verbindung mit den während der Revisionsfrist abgegebenen Erklärungen ersichtlich ist (BVerwG, Urteile vom 9.12.1965, BVerwGE 23, 41, vom 10.12.1981, Buchholz 310 § 139 VwGO, Nr. 59 und vom 2.2.1990 - 6 C 5.88 -, juris; vgl. zum Ganzen OVG Münster, Urteil vom 23.5.2003 - 11 A 5503/99 -, juris; BayVGH, Urteile vom 11.3.2004 - AN 10 K 02.936 - und - 8 BV 03.1703 - sowie VGH Bad.-Württ., Urteil vom 6.7.2001, VBlBW 2002, 126; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 124 a RdNr. 30 m.w.N.).

Die Klägerin hat Anspruch auf Erlass der Grundsteuer gem. § 33 Abs. 1 GrStG in der vom Verwaltungsgericht zuerkannten Höhe. Ob der geltend gemachte Erlassanspruch besteht, bestimmt sich nach den nach materiellem Recht (§ 34 Abs. 1 S. 2 GrStG) maßgeblichen Verhältnissen des Erlasszeitraums. Darauf, ob diese Verhältnisse bereits im Behördenverfahren bekannt waren, kommt es entgegen der Auffassung der Beklagten nicht an. Bei gerichtlicher Verfolgung des Erlassanspruchs ist - wie auch sonst regelmäßig bei Verpflichtungsklagen - auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. den Zeitpunkt der Entscheidung (auch im Berufungsverfahren) abzustellen (Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 113 Rdnr. 217 ff.).

Die von der Beklagten herangezogene Rechtsprechung betrifft nicht den Grundsteuererlass nach § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG, sondern Ermessensentscheidungen über einen Billigkeitserlass (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 20.10.1987, ZKF 1988, 34; BFH, Urteile vom 10.5.1972, BFHE 105, 458 und Urteil vom 26.7.1972, BFHE 106, 489). Da das Wesen einer Ermessensentscheidung darin besteht, einen Spielraum zu geben, unter einer Mehrzahl rechtlich zulässiger Verhaltensweisen wählen zu können, darf sich die gerichtliche Rechtskontrolle nur auf den Zeitpunkt der Entscheidung durch die Verwaltungsbehörde selbst beziehen (vgl. zur Überprüfung einer Entscheidung über einen Billigkeitserlass BFH, Urteil vom 26.7.1972, BFHE 106, 489). § 33 Abs. 1 S. 1 GrStG ist dagegen eine den allgemeinen Billigkeitsregelungen der §§ 163, 227 AO vorgehende Spezialvorschrift, die den Steuererlass bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen von Gesetzes wegen anordnet. Im Rahmen seiner Anwendung ist daher kein Raum für eine Ermessensausübung (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.9.1982, Buchholz 401.4, § 33 GrStG Nr. 18).

Die Erlassanträge wurden unstreitig fristgerecht gestellt. Eine Darlegung der Antragsgründe war innerhalb der Antragsfrist nicht erforderlich. Die von der Beklagten angenommene Notwendigkeit einer derartigen Darlegung lässt sich aus dem Wortlaut des § 34 Abs. 2 GrStG nicht herleiten, wonach Grundsteuererlass nach § 33 GrStG nur auf Antrag gewährt wird, der bis zu dem auf den Erlasszeitraum folgenden 31. März zu stellen ist. Denn ein Antrag ist eine empfangsbedürftige, an die entscheidungsbefugte Behörde gerichtete Willenserklärung des Bürgers, die erforderlich ist, damit diese mit einem Verwaltungsverfahren im Sinne des § 9 VwVfG beginnt (vgl. P.Stelkens/Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 6. Aufl., § 22 RdNrn. 15 und 18). Er schließt begrifflich nicht die Antragsgründe ein, wie beispielsweise § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO, der zusätzlich zum Antrag auf Zulassung der Berufung die Darlegung der Zulassungsgründe innerhalb einer bestimmten Frist verlangt.

Die Begründung zur Regierungsvorlage (abgedruckt in Troll/Eisele, Grundsteuergesetz, 8. Aufl., § 34 RdNr. 1) gibt ebenfalls nichts für ein Verständnis des § 34 Abs. 2 GrStG im Sinne einer Notwendigkeit der Darlegung der Erlassgründe innerhalb der Antragsfrist her. Auch Sinn und Zweck der Antragsfrist erlauben keine Auslegung der Vorschrift in diesem von der Beklagten angenommenen Sinn. Die zeitliche Befristung des Erlassantrags dient zwar dem Interesse des Steuergläubigers, ihm alsbald nach Ablauf des Kalenderjahres, für das er die Grundsteuer in der Regel bereits vereinnahmt hat, aus haushaltsrechtlichen Gründen Gewissheit darüber zu verschaffen, ob er die vereinnahmte Grundsteuer auch endgültig behalten darf (Senatsurteil vom 18.9.1989 - 2 S 339/89 -). Diesem Interesse wird aber regelmäßig schon durch die Antragstellung selbst hinreichend genügt. Auch darf von einem juristischen Laien, der den Antrag nach § 34 GrStG ohne anwaltliche Hilfe selbst stellen kann, anders als etwa von einem Rechtsanwalt im Berufungszulassungsverfahren keine sachgerechte Darlegung von Erlassgründen mit präkludierender Wirkung erwartet werden.

Eine mangelhafte Mitwirkung des den Steuererlass Begehrenden bei der Feststellung der maßgeblichen Tatsachen im Verwaltungsverfahren erlaubt der Behörde zwar eine verfahrensrechtliche (abschlägige) Entscheidung ohne weitere Sachermittlung (P.Stelkens/Kallerhof in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 24 RdNr. 29), präkludiert aber nicht das spätere Vorbringen anspruchsbegründender Tatsachen im gerichtlichen Verfahren. Um die Kostenlast in einem derartigen Fall abzuwälzen, besteht für die Behörde in diesem Fall die Möglichkeit, den Ablehnungsbescheid abzuändern und den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären. Im vorliegenden Zusammenhang kommt hinzu, dass die Beklagte der nach ihrem gesamten Verhalten offensichtlich mitwirkungswilligen Klägerin keine konkreten Vorgaben für deren Mitwirkung gemacht hat, vielmehr lediglich u.a. um die Vorlage "detaillierterer" Unterlagen gebeten hat. Nicht erbeten wurde dagegen etwa die Aufstellung der vermieteten und nicht vermieteten Büroflächen im Erlasszeitraum und die Zuordnung von Ist- bzw. Sollmieten. Auch wurde die Klägerin nicht auf das in den Aktenvermerken festgestellten Abbrechen von Vermietungsverhandlungen und sonstige Unklarheiten hingewiesen und hatte deshalb auch keine Möglichkeit, hierzu Stellung zu nehmen. Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG liegen vor, wonach dann, wenn bei bebauten Grundstücken der normale Rohertrag des Steuergegenstands um mehr als 20 v.H. gemindert ist und der Steuerschuldner die Minderung des Rohertrags nicht zu vertreten hat, die Grundsteuer in Höhe des Prozentsatzes erlassen wird, der vier Fünfteln des Prozentsatzes der Minderung entspricht.

Nach § 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GrStG ist normaler Rohertrag bei bebauten Grundstücken, deren Wert nach dem Bewertungsgesetz im Ertragswertverfahren zu ermitteln ist ( vgl. § 76 Abs.1 BewG), die Jahresrohmiete, die bei einer Hauptfeststellung auf den Beginn des Erlasszeitraums maßgebend wäre. Jahresrohmiete ist nach § 79 Abs. 1 BewG das Gesamtentgelt, das der Mieter für die Benutzung des Grundstücks nach den vertraglichen Vereinbarungen für ein Jahr zu entrichten hat (Sollmiete). Statt des Betrags nach § 79 Abs. 1 BewG gilt nach § 79 Abs. 2 S. 1 BewG die übliche Miete als Jahresrohmiete u.a. für solche Grundstücke, die ungenutzt sind (Nr. 1). In diesen Fällen ist die übliche Miete in Anlehnung an die Jahresrohmiete zu schätzen, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird ( § 79 Abs. 2 S. 2 BewG).

Für die danach vorzunehmende Ermittlung des an Ertrag "Üblichen" spielt der aus der Vermietung der Grundstücke vor und nach dem Erlasszeitraum erzielte Ertrag unmittelbar keine Rolle. § 33 GrStG hebt nicht auf das ab, was bei dem jeweils betroffenen Grundstück "üblich" gewesen sein mag; er meint mit dem "Üblichen" vielmehr das, was Objekte vergleichbarer Beschaffenheit an Ertrag erbringen. Gefordert ist ein Vergleich "mit anderen". Das entspricht der Funktion des Erlasses öffentlicher Abgaben, wenn er - wie hier - nicht im allgemeinen, sondern im individuellen Interesse begehrt wird. Denn vor dem Hintergrund des Gebots der Abgabengleichheit, d.h. der vom Gleichheitssatz verlangten Gleichbehandlung gerade im Abgabenrecht, darf ein solcher Erlass nur gewährt werden, wenn und soweit er dazu dient, Sachverhalten Rechnung zu tragen, "die im Verhältnis zu den vom Gesetz erfassten Regelfällen als Sonderfälle erscheinen" (BVerwG, Urteil vom 18.11.1977, Buchholz 406.11, § 135 BBauG, Nr. 10), die also als atypisch "aus tatsächlichen Gründen aus der Regel fallen" (BVerwG, Urteile vom 14.7.1972, BVerwGE 40, 268, vom 4.5.1979, Buchholz 406.11, § 133 BBauG, Nr. 69, vom 3.5.1991, Buchholz 401.4, § 33 GrStG Nr. 24 und vom 4.4.2001, BVerwGE 114, 132). Angesichts dieser auf den Gleichheitssatz zurückgehenden Funktion des Erlasses öffentlicher Abgaben ist bei der Beurteilung eines Falles anhand des § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG jeweils von dem Ertrag auszugehen, den ein Grundstück tatsächlich abwirft. Der tatsächlich erzielte Ertrag hat eine Art Vermutung der Normalität für sich, sofern nicht die Nachforschung nach der Ertragslage bei vergleichbaren Objekten ergibt, dass die (geringe) Höhe des vom jeweiligen Eigentümer erzielten Ertrags auf Besonderheiten zurückgeht, die den Fall als in dem gekennzeichneten Sinn atypisch erscheinen lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.5.1991, a.a.O.).

Zweifel an der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Ermittlung des Minderertrags bestehen nicht. Der Senat macht sich die Begründung des Verwaltungsgerichts daher insoweit zu eigen (§ 130 b S. 2 VwGO). Ergänzend weist er auf Folgendes hin: Der Rohertrag war nicht etwa im Hinblick auf die besondere Größe der streitigen Fläche, deren nach Angaben der Klägerin schlechte (weitere) Teilbarkeit und die streitigen sowie früheren Leerstände, geringer anzusetzen. Auch wenn diese Umstände in den Jahren 1985, 1995, 1997 und 1998 zu Leerständen geführt haben mögen, so haben sie doch die Vermietung nicht über längere Zeiträume verhindert. Die Größe der Fläche hatte - anders als die Beklagte meint - keinen (negativen) Einfluss auf den erzielbaren Quadratmeterpreis. Nach der Mietpreisumfrage für Büroflächen in der Region Stuttgart der Industrie- und Handelskammer - Region Stuttgart - vom November 2000 war die Größe der Fläche für den Mietpreis nicht (negativ) bestimmend. In der Mehrzahl der Fälle nahm er sogar mit zunehmender Fläche zu. Dabei schien eine Rolle zu spielen, dass es sich bei den größeren Flächen tendenziell um jüngere Objekte handelte und die Nachfrager nach solchen Flächen oft klare Vorstellungen von den Anforderungen an das Objekt hatten und weniger Kompromissbereitschaft hinsichtlich seiner Ausstattung zeigten. Nach der genannten Untersuchung waren die Laufzeiten der Mietverträge relativ uneinheitlich. Die durchschnittliche Dauer betrug im Mittel etwa sieben Jahre. Diese Umfrage bezog sich zwar nicht direkt auf die hier streitigen Zeiträume. Dennoch kommt ihr indizielle Bedeutung zu.

Die Ertragsminderung ging auch - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht auf Umstände zurück, die zur Fortschreibung des Einheitswerts im Erlasszeitraum (§ 33 Abs. 5 GrStG) hätten führen können (vgl. zum Ausschluss des Grundsteuererlasses unter derartigen Voraussetzungen: BVerwG, Urteil vom 4.4.2001, BVerwGE 114,132 und dem folgend Senatsurteil vom 13.12.2001, KStZ 2002, 194; OVG Lüneburg, Beschluss vom 3.12.2003, NVwZ 2004, 370; BayVGH, Urteil vom 31.3.2005 - 4 B 01.1818 -; HessVGH, Urteil vom 7.3.2005, DÖV 2005,785). Zwar sind der Neufeststellung des Einheitswerts (Wertfortschreibung, § 22 Abs. 1 S. 1 BewG) die (tatsächlichen) Verhältnisse im Fortschreibungszeitpunkt zugrunde zu legen (§ 22 Abs. 4 S. 2 BewG). Hinsichtlich der Wertverhältnisse ist jedoch bei Fortschreibungen und bei Nachfeststellungen der Einheitswerte für Grundbesitz auf die Wertverhältnisse im Hauptfeststellungszeitpunkt (1.1.1964) abzustellen (§ 27 BewG). Die Wertverhältnisse umfassen vor allem die wirtschaftlichen Verhältnisse, die ihren Niederschlag u.a. im allgemeinen Mietniveau finden. Dies bedeutet, dass bei der Bewertung bebauter Grundstücke im Ertragswertverfahren nicht die zum Fortschreibungszeitpunkt gezahlte Miete, sondern die Miete zugrunde zu legen ist, die am 1.1.1964 unter Berücksichtigung des tatsächlichen Zustands der zu vermietenden Flächen vom Fortschreibungszeitpunkt anzusetzen gewesen wäre. Damit können Mietminderungen oder Mietausfall bei Gewerbegebäuden nicht zur Wertfortschreibung führen (vgl. zum Ganzen: Troll/Eisele, Grundsteuergesetz, 8. Auflage, § 13 RdNr. 8 und § 33 RdNr. 16 m.w.N.; Drosdzol, KStZ 2001, 183; Halaczinsky, Grundsteuer-Kommentar, 2. Aufl. 1995, § 33 Rn. 53; Kreutziger/Lindberg in Kreutziger/Lindberg/Schaffner-Kreutziger/Lindberg, Bewertungsgesetz, Kommentar, 2002 § 27 Rn. 2 ff.; Balzerkiewicz, BTR 2005, 63; Balzerkiewicz/Voigt, DStZ 2004, 830; BFH, Beschluss vom 24.7.2002, BFH/NV 2003, 8).

Die streitigen Leerstände waren auch nicht durch sich im allgemeinen Mietniveau niederschlagende langfristige wirtschaftliche Verhältnisse verursacht. Sie beruhten vielmehr auf für die Ertragslage außergewöhnlichen ("atypischen") Umständen (hierzu BVerwG, Urteile vom 4.4.2001 und 3.5.1991 jeweils a.a.O.), nämlich nur vorübergehenden - zwei Jahre unterschreitenden - Veränderungen der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse. Im Steuerrecht ist indessen regelmäßig erst nach Ablauf von drei Jahren von der Dauerhaftigkeit von Zuständen auszugehen (Stöckel, Grundsteuerrecht 2003 § 33 Rdnr. 10). Hauptfeststellungen finden nach der Konzeption des Bewertungsgesetzes in Zeitabständen von sechs Jahren statt (§ 21 Abs. 1 BewG).

Auf die Leerstände der Jahre 1985 und 1995, 1997 und (der ersten Hälfte des Jahres) 1998 folgten jeweils wieder Zeiten der Vermietung. So war das Gebäude 1986,1996 und ab Mitte 1998 (zu 90%) wieder vermietet. In der Folgezeit hat sich die Ertragslage - wie von der Klägerin unbestritten vorgetragen -weiter deutlich verbessert. Die Gestaltung der 1996 zu erbringenden Anfangsmiete ist im Zusammenhang mit der besonders langen Dauer und dem Umfang der vermieteten Flächen zu sehen. Insgesamt belegen die Leerstände zwar eine gewisse Labilität der wirtschaftlichen Verhältnisse. Die jeweils relativ rasch eingetretenen Konsolidierungen stehen der Annahme einer langfristigen Veränderung jedoch entgegen.

Die Klägerin hat die Minderung des Rohertrages auch nicht zu vertreten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, hat ein Grundsteuerpflichtiger eine Ertragsminderung dann nicht zu vertreten, wenn sie auf Umständen beruht, die außerhalb seines Einflussbereichs liegen, d.h. wenn er die Ertragsminderung weder durch ein ihm zurechenbares Verhalten herbeigeführt hat, noch ihren Eintritt durch geeignete und ihm zumutbare Maßnahmen hat abwenden können. Berücksichtigungsfähig ist nur das Verhalten im Erlasszeitraum. Unerheblich ist dagegen, was in früheren Zeiträumen veranlasst wurde. Dies gilt auch dann, wenn dies - wie etwa eine Betriebsaufgabe - im Erlasszeitraum fortwirkt (BVerwG, Urteile vom 26.5.1983, Buchholz 401.4, § 33 GrStG Nr. 23 und vom 15.4.1983, Buchholz , a.a.O., Nr. 20 m.w.N.). Danach ist die Beendigung des Mietverhältnisses mit xxxxxxxxxx im Jahr 1996 auch dann unbeachtlich, wenn sie sich auf die Verhältnisse des Jahres 1997 auswirkte.

Die Unterbrechung der Vermietungsverhandlungen mit der Fa. xxxxxxx über eine 1 % der Gesamtmietfläche von knapp 23.000 m² nur geringfügig überschreitende Fläche von 250 m² hat schon keinen zu vertretenden Leerstand verursacht. Vielmehr hat sie - nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin - erst die Vermietung von 3.405,49 m² Bürofläche zzgl. 91 m² Verkehrsfläche an die Fa. xxxxxxxxxxxxxxx ermöglicht. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 VwGO vorliegt.

Beschluss vom 14. November 2005

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 89.846,51 EUR festgesetzt (§ 13 Abs. 2 GKG a.F.).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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