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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 26.08.2004
Aktenzeichen: 2 S 257/04
Rechtsgebiete: GG, RGebStV, LVwVfG


Vorschriften:

GG Art. 6 Abs. 1
RGebStV § 5 Abs. 2
LVwVfG § 24
LVwVfG § 26
Stützt sich die Behörde bei der Sachverhaltsermittlung für ihre Annahme einer allgemeinen Lebenserfahrung auf die Ehe des Betroffenen als Grundlage und leitet daraus für diesen nachteilige Folgen her, so kann dies gegen den verfassungsrechtlichen Schutz der Ehe nach Art. 6 Abs. 1 GG verstoßen.

Ob die Nutzung eines Kraftfahrzeugs zu gewerblichen Zwecken erfolgt, darf die Rundfunkanstalt anhand der allgemeinen Lebenserfahrung beurteilen, wenn es um einen typischen Lebenssachverhalt geht; der Betroffene darf die dahingehende Annahme aber "widerlegen" (wie Urteil des Senats vom 14.4.1995, NVwZ-RR 1994, 611 = VBlBW 1994, 417).


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

2 S 257/04

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Rundfunkgebühren

hat der 2. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Strauß und die Richter am Verwaltungsgerichtshof Vogel und Klein auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 26. August 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 21. Juli 2003 - 3 K 4276/02 - geändert. Der Rundfunkgebührenbescheid des Beklagten vom 5. August 2002 und dessen Widerspruchsbescheid vom 22. August 2002 werden aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu Rundfunkgebühren für ein Zweitempfangsgerät in seinem Kraftfahrzeug.

Ein Beauftragter des Beklagten suchte am 14.3.2002 die Ehefrau des Klägers auf, die einen Friseursalon betreibt und - im Gegensatz zum Kläger - selbst kein Kraftfahrzeug besitzt. Dabei kam es zur Unterzeichnung eines Anmeldeformulars für ein im Kraftfahrzeug des Klägers vorhandenes Rundfunkempfangsgerät (Zweitgerät). Der Kläger, der nicht im Betrieb seiner Ehefrau tätig ist, wurde daraufhin mit Bescheid vom 5.8.2002 von der beklagten Rundfunkanstalt zu Rundfunkgebühren für dieses Gerät herangezogen, das nach Auffassung des Beklagten im Rahmen des Betriebs der Ehefrau auch der gewerblichen Nutzung diene.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies der Beklagte durch Widerspruchbescheid vom 22.8.2002 zurück. Zur Begründung wurde auf die allgemeine Lebenserfahrung abgehoben, nach der ein Gewerbetreibender zahlreiche Tätigkeiten mit Hilfe des Kraftfahrzeugs erledige. Auch eine nur geringfügige gewerbliche Nutzung stehe der Gebührenfreiheit für Zweitgeräte entgegen.

Am 23.9.2002 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben und beantragt, den Bescheid des Beklagten vom 5.8.2002 und dessen Widerspruchsbescheid vom 22.8.2002 aufzuheben. Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Beide Beteiligte haben ihren im Vorverfahren vertretenen Rechtsstandpunkt beibehalten.

Durch Urteil vom 21.7.2003 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Es ist im Tatsächlichen davon ausgegangen, dass der Kläger das Anmeldeformular eigenhändig unterzeichnet habe und er sich deshalb über die sich daraus ergebenden rechtlichen Folgen im Klaren hätte sein müssen. Die Gebührenpflicht für das Empfangsgerät in seinem Auto sei vom Beklagten daher zu Recht angenommen worden.

Auf Antrag des Klägers hat der Senat mit Beschluss vom 7.1.2004 die Berufung gegen die verwaltungsgerichtliche Entscheidung zugelassen. Zu deren Begründung macht der Kläger geltend, nicht er, sondern seine Ehefrau habe das Anmeldeformular unterzeichnet - und dies auch nur unter ausdrücklichem und schriftlichem Vorbehalt, da sie zur Unterschrift "genötigt" worden sei. Er selbst habe weder beruflich noch privat mit dem Gewerbebetrieb seiner Ehefrau etwas zu tun. Auf das von ihm gehaltene Kraftfahrzeug werde von diesem Betrieb auch nie zurückgegriffen, der im eigenen Wohnhaus eingerichtet sei, das zudem in der Innenstadt liege. Es gehe nicht an, in diesem Fall auf eine allgemeine Lebenserfahrung zurückzugreifen, um die Gebührenpflicht für ein in einem Kraftfahrzeug vorhandenes Rundfunkgerät zu begründen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 21. Juli 2003 zu ändern und den Rundfunkgebührenbescheid des Beklagten vom 5. August 2002 und dessen Widerspruchsbescheid vom 22. August 2002 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Ansicht, dass zwar möglicherweise aus dem Anmeldeformular eine Rechtsfolge für die Gebührenpflicht im Falle des Klägers nicht abgeleitet werden könne, weil dieses Formular von dessen Ehefrau unterzeichnet worden sei. Indes rechtfertige es nach wie vor die allgemeine Lebenserfahrung, bei der in Rede stehenden Fallgestaltung von der geschäftlichen Nutzung des Kraftfahrzeugs im Rahmen des Betriebs der Ehefrau und daher von der Rundfunkgebührenpflicht für das vorhandene Zweitgerät im Kraftfahrzeug auszugehen.

Dem Senat liegen die einschlägigen Akten des Beklagten und die des Verwaltungsgerichts vor. Auf diese Unterlagen und die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung, die der Senat durch Beschluss vom 7.1.2004 zugelassen hat, ist zulässig und auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Anfechtungsklage des Klägers zu Unrecht abgewiesen. Denn der Rundfunkgebührenbescheid des Beklagten vom 5.8.2002 - in der durch den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 22.8.2002 gefundenen Fassung - ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. dazu § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Der Gebührenbescheid stützt sich auf die Rechtsgrundlage in § 2 Abs. 2 des Rundfunkgebührenstaatsvertrags - RGebStV - (Art. 4 des Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland) vom 31.8.1991, zuletzt geändert durch den Fünften Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 6.7. bzw. 7.8 2000. Nach dieser Bestimmung hat vorbehaltlich der Regelung in § 5 jeder Rundfunkteilnehmer u.a. für jedes von ihm zum Empfang bereitgehaltene Rundfunkempfangsgerät eine Grundgebühr zu entrichten. Für weitere Rundfunkempfangsgeräte (Zweitgeräte) sind Rundfunkgebühren nicht zu leisten, es sei denn, es handelt sich um solche in Räumen und Kraftfahrzeugen, die zu gewerblichen Zwecken oder zu einer anderen selbständigen Erwerbstätigkeit des Rundfunkteilnehmers oder eines Dritten genutzt werden (vgl. § 5 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 RGebStV). Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 RGebStV gilt für das in ein Kraftfahrzeug eingebaute Rundfunkempfangsgerät derjenige als Rundfunkteilnehmer, für den das Kraftfahrzeug zugelassen ist.

Zwischen den Beteiligten ist im Streit, ob es sich bei dem im Kraftfahrzeug des Klägers vorhandenen Rundfunkempfangsgerät um ein Zweitgerät handelt, für das mit Blick auf die genannten Bestimmungen Rundfunkgebühren zu entrichten sind. Im Beschluss vom 7.1.2004, mit dem der Senat die Berufung zugelassen hat, ist dargelegt, dass die Annahme des Verwaltungsgerichts im Tatsächlichen nicht zutrifft, der Kläger habe ein Anmeldeformular unterzeichnet, in dem er bestätige, das Rundfunkgerät für den Betrieb seiner Ehefrau bereitzuhalten. Dem folgt auch der Beklagte, der allerdings aus der Anwesenheit des Klägers beim Erstellen des Anmeldeformulars einerseits und der allgemeinen Lebenserfahrung andererseits davon ausgeht, bei dem vom Kläger gehaltenen Kraftfahrzeug gehe es um ein im Rahmen des Gewerbebetriebs der Ehefrau genutztes.

Ob aus der vom Beklagten behaupteten Anwesenheit des Klägers bei der Ausfertigung des Anmeldeformulars durch dessen Ehefrau Schlussfolgerungen hinsichtlich der Nutzung seines Kfz gezogen werden dürfen, ist fraglich. Der Inhalt dieses Formulars, das dem Senat vorliegt, lässt keine Rückschlüsse auf eine Nutzung des Fahrzeugs zu gewerblichen Zwecken zu und der von der unterzeichnenden Ehefrau der Unterschrift beigefügte "Vorbehalt" verdeutlicht, dass von einer uneingeschränkten Willenserklärung nicht ohne weiteres auszugehen ist. Auch fehlt es an nachvollziehbaren Anhaltspunkten dafür, die Ehefrau des Klägers hätte - wie von dem Beklagten behauptet - als dessen Stellvertreterin gehandelt. Ob das Anmeldeformular als öffentliche Urkunde zu werten ist (dazu § 98 VwGO, § 415 ZPO; vgl. auch VG Mainz, Urteil v. 6.5.1999, NVwZ 2000, 228 mit Besprechung Lampert a.a.O. S. 640) und dementsprechend einen besonderen Aussagewert besitzen könnte, kann dahinstehen. Jedenfalls lässt sich aus ihm nichts für eine Rundfunkgebührenpflicht des Klägers herleiten.

Auch der Beklagte sieht dies im Ergebnis ebenso, wenn er nunmehr die Anmeldung des Rundfunkempfangsgeräts durch die Ehefrau des Klägers als letztlich "nicht "ausschlaggebend" beurteilt. Mit dem Beklagten und entsprechend der materiell-rechtlichen Vorgabe in § 5 Abs. 2 RGebStV ist daher zu fragen, ob der Kläger das in Rede stehende Kraftfahrzeug auch im Rahmen des Gewerbebetriebs seiner Ehefrau - mithin für einen Dritten - nutzt. Dies ist nicht der Fall.

Die von § 5 Abs. 2 RGebStV bei sog. Zweitgeräten geforderte Abgrenzung zwischen privater und gewerblicher Nutzung begegnet keinen rechtlichen Bedenken (dazu BVerwG, Beschl. vom 6.2.1996 - 6 B 72.95 - NVwZ 1996, 602). Nach der gesetzlichen Vorgabe sind Rundfunkempfangsgeräte in solchen Kraftfahrzeugen erfasst, die zu gewerblichen Zwecken oder zu einer anderen selbständigen Erwerbstätigkeit des Rundfunkteilnehmers oder eines Dritten genutzt werden (vgl. § 5 Abs. 1 und Abs. 2 RGebStV). Zu trennen ist daher auf einer ersten Stufe zwischen privater und gewerblicher Nutzung, die nach der Rechtsprechung des Senats (dazu Urteil vom 12.8.1983 - 2 S 49/83 -; Urteil vom 14.4.1994 - 2 S 2521/93 -, NVwZ-RR 1994, 611) danach zu erfolgen hat, ob die mit Hilfe des Kraftfahrzeugs ausgeübte gewerbliche oder selbständige Tätigkeit zu einem unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil führt. Ferner ist - soweit hier maßgeblich - nach dem Wortlaut des Tatbestands auf einer zweiten Stufe zu unterscheiden die Nutzung zu den genannten Zwecken des Rundfunkteilnehmers oder eines Dritten. Nur um Letztere kann es hier gehen. Eine Nutzung des Fahrzeug des Klägers zu eigenen gewerblichen Zwecken scheidet aus. Sie wird auch von dem Beklagten nicht behauptet.

Auch bei dem Tatbestand der allein in Betracht kommenden "Nutzung zu gewerblichen Zwecken oder zu einer anderen selbständigen Erwerbstätigkeit eines Dritten" ist auf die tatsächliche Nutzung der in § 5 Abs. 2 Satz 1 RGebStV genannten Gegenstände abzustellen und nicht - wie bei der Frage nach dem Bereithalten eines Rundfunkgeräts (zu ihr VGH BW, Urteil v. 7.8.1992, VBlBW 1993, 11 m. Anm. Herb) - auf die Möglichkeit der Nutzung (so schon Urteil des Senats vom 14.4.1994, NVwZ-RR 1994, 611, 612). Dabei ist jegliche Nutzung zu dem genannten Zweck umfasst. Ist eine solche feststellbar, ist ihr Umfang unerheblich für die Frage nach der Gebührenpflicht für das Zweit-Rundfunkempfangsgerät (§ 5 Abs. 2 Satz 3 RGebStV).

Zu fragen ist indes, wann eine Nutzung "zu gewerblichen Zwecken eines Dritten" vorliegt. Kennzeichnend ist nach dem Sinn der Bestimmung eine irgendwie geartete "geschäftliche" Nutzung. Geschäftliche Nutzung eines Kraftfahrzeugs ist - ungeachtet des Umfangs - regelmäßig dann gegeben, wenn das Fahrzeug im Rahmen des Gewerbebetriebs genutzt wird. Das in der Rechtsprechung des Senats als maßgeblich und ersichtlich sachgerechte Kriterium für die Abgrenzung des gebührenpflichtigen "geschäftlichen" von dem gebührenbefreiten "privaten" Bereich liegt - wie dargelegt - darin, ob die mit Hilfe des Kraftfahrzeugs (und damit auch des in ihm bereitgehaltenen Rundfunkempfangsgeräts) ausgeübte Berufstätigkeit dem Dritten unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil erbringt (dazu auch der Beschluss des Senats v. 20.3.2000 -2 S 74/99 - DVBl. 2000, 1710).

Wie der Wortlaut des § 5 Abs. 2 Satz 1 RGebStV verdeutlicht, wird die Nutzung des Kraftfahrzeugs im "geschäftlichen" Bereich erfasst und dies zur Abgrenzung gegenüber § 5 Abs. 1 RGebStV herangezogen. Auch der Sinn der Bestimmung liegt darin, private von "geschäftlicher" bzw. gewerblicher Nutzung zu trennen und nur letztere für ausschlaggebend für das Entstehen der Rundfunkgebührenpflicht zu erachten. Damit scheiden nach Auffassung des Senats solche Nutzungen des Fahrzeugs aus, die zwar möglicherweise zu wirtschaftlichen Vorteilen des Gewerbebetriebs beitragen, sich indes nicht als "geschäftliche" Nutzung darstellen. Denn nicht jegliche einem erwerbstätigen Dritten mit dem Kraftfahrzeug erbrachte Leistung stellt eine solche Nutzung dar. Die dabei geforderte Abgrenzung kann sich allerdings nicht nach dem Umfang ausrichten (dazu § 5 Abs. 2 Satz 2 RGebStV), sondern wird die "Art" der für den Gewerbebetrieb erbrachten Leistung in Blick zu nehmen haben. Es liegt auf der Hand, dass nicht jegliche "Gefälligkeitsfahrt" eines Dritten für einen Erwerbstätigen die Gebührenfreiheit für ein dabei mitgeführtes "Zweitgerät" ausschließt, auch wenn sie (irgendwie auch) die auf wirtschaftlichen Vorteil gerichtete Tätigkeit des Dritten "fördert". Sie wird vielmehr als nicht "geschäftlich" schon von der Ziel- und Zweckgerichtetheit geprägt, die ihre Zuordnung zum ausschließlich privaten Bereich des Kraftfahrzeugnutzers rechtfertigt. Mit der "Gefälligkeit" wird nicht ohne weiteres eine Zielsetzung zu verbinden sein, den gewerblichen Vorteil des Dritten zu fördern. Insoweit fehlt es an einem entsprechenden Rechtsfolgewille, es sei denn, erhebliche Vermögensinteressen lägen für den Betroffenen ersichtlich vor (vgl. dazu auch Palandt, BGB, 63. Aufl., vor § 662 RdNr. 4 und 5 m.w.N.).

Ob ein Betätigen des Klägers für den Betrieb seiner Ehefrau vorliegt, ob er lediglich "Gefälligkeitsfahrten" unternimmt oder ob er "geschäftlich" sein Fahrzeug für den Betrieb einsetzt, ist hier letztlich nicht zu entscheiden. Die Frage hat aber - mittelbar - Auswirkung auf die dem Gebührenbescheid zugrundeliegende Auffassung, es dürfe bei Sachverhalten, wie dem vorliegenden, auf die allgemeine Lebenserfahrung zurückgegriffen werden, aus der sich die Folge herleiten lasse, eine entsprechende Betätigung des Ehemanns sei regelmäßig "geschäftlich". Dieser Annahme folgt der Senat nicht.

Im o.a. Urteil vom 14.4.1994 hat der Senat dazu zwar dargelegt, dass allgemeiner Lebenserfahrung nach ein Geschäftsmann sein (einziges) Fahrzeug auch für Fahrten aus Anlass seiner Geschäftstätigkeit benutze und dies als allgemeiner Erfahrungssatz Grundlage für eine freie Sachverhaltswürdigung sein könne (unter Hinweis auf BVerwG, Urt. v. 31.1.1989, Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 213 m.w.N.; ferner Urt. des erkennenden Gerichtshofs vom 7.8.1992, VBlBW 1993, 11 m. Anm. Herb), und dass ungeachtet der Tatsache, dass der Ermittlungsumfang vom jeweiligen Fachrecht bestimmt werde, die Behörde grundsätzlich von typischen Lebenssachverhalten ausgehen dürfe (vgl. dazu Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 24 RdNr. 50; Clausen in Knack, VwVfG, 4. Aufl., § 24 RdNr. 2, je m.w.N.). Der Senat hat aber auch darauf hingewiesen, dass solche Umstände, die sich auf Grund allgemeiner Lebenserfahrung aufdrängen, widerlegt werden können und dann die Verpflichtung der Behörde nach § 24 VwVfG besteht, diesen "widerlegenden" Umständen auch nachzugehen.

Hier scheidet schon aus, dass sich der Beklagte, der sich auf das Entstehen der Rundfunkgebührenpflicht als Folge des Bereithaltens eines Rundfunkempfangsgeräts beruft, auf eine allgemeine Lebenserfahrung dahingehend stützen darf, von dem privaten Kraftfahrzeug des Ehemannes habe die gewerbetreibende bzw. selbständig tätige Ehefrau regelmäßig einen - und sei es lediglich geringen - unmittelbaren Nutzen für ihren Betrieb. Denn damit wird auf die enge Beziehung zwischen den betroffenen Eheleuten abgehoben, aus der sich die Begründung für eine allgemeine Lebenserfahrung - die Annahme der gewerblichen Nutzung des Kraftfahrzeugs des Ehegatten - ableiten lasse, mithin also die Ehe als für die Rundfunkgebührenpflicht "anspruchsbegründender" Umstand herangezogen. Dies widerspricht jedoch Verfassungsrecht. Denn Art. 6 Abs. 1 GG verbietet es, Verheiratete allein deshalb zu benachteiligen, weil sie verheiratet sind (so BVerfGE 76, 126, 128 m.w.N.). Ob der Einwand des Beklagten, eine dahingehende allgemeine Lebenserfahrung beschränke sich nicht auf Eheleute sondern sei auch im Fall einer Lebenspartnerschaft oder sonstigen engen Beziehung zutreffend, von Belang ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Eine solche Fallgestaltung steht hier nicht in Rede.

Auch wenn der verfassungsrechtliche Bezug einmal außer Betracht bleiben könnte, lässt sich auf die auf allgemeine Lebenserfahrung gestützte Rundfunkgebührenpflicht bei der anstehenden Fallgestaltung nicht begründen. Wie oben dargelegt, ist der Beklagte bei der Ermittlung des Sachverhalts durch den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 24 LVwVfG) mit dem Ziel gebunden, den richtigen Sachverhalt festzustellen, wozu auch nach § 24 Abs. 2 LVwVfG günstige Umstände gehören. Allerdings bestehen nach § 26 Abs. 2 LVwVfG auch erhebliche Mitwirkungspflichten des Betroffenen, denen besonderes Gewicht bei der Ermittlung von Sachverhalten im Rahmen einer Massenverwaltung wie hier zukommt. Mangels einer gesetzlichen Vorgabe ist für die Frage nach der Sachverhaltsfeststellung der Rechtsgedanke des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO heran zu ziehen (dazu auch Tipke in Tipke/Kruse, FGO/AO, Juli 2002, AO § 88 RdNr. 20 m.w.N.). Dementsprechend sind abgabenrechtliche Sachverhalte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festzustellen (Tipke/Lang, Streuerrecht, 17. A. § 21 RdNrn. 212 ff.). Dabei darf diese "Sachverhaltswahrscheinlichkeit" auch durch Zugrundelegen eines der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechenden Sachverhalts erreicht werden. Solche Erfahrungssätze gehören zu den tatsächlichen Verhältnissen und begründen - wenn zwar nicht den Beweis des ersten Anscheins so doch - einen Anzeichenbeweis (dazu Dawin in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 108 RdNrn. 66, 71, 75 ff; ferner Seer in Tipke/Kruse, FGO § 96 RdNrn. 19 ff., 36). Dieser ist indes, wie der Senat im Urteil vom 14.4.1994 a.a.O. dargelegt hat, in seiner Bedeutung durch die Darlegung anderer Umstände zu erschüttern, d.h. die Anzeichen können in ihrer Tragfähigkeit hinsichtlich der allgemeinen Lebenserfahrung zu hinterfragen und einer anderen Gewichtung zugänglich sein. Davon kann ausgegangen werden, wenn nachvollziehbar aufgezeigt wird, dass die Möglichkeit einer anderen Würdigung der der allgemeinen Lebenserfahrung zu Grunde gelegten Umstände gegeben ist.

Auf den von ihm herangezogenen Erfahrungssatz kann sich der Beklagte demnach hier nicht berufen. Er stellt auf den Umstand ab, dass die Ehefrau des Klägers nicht selbst über ein Kraftfahrzeug verfügt, sie bei ihrer gewerblichen Betätigung aber ohne ein solches Fahrzeug nicht auskomme, und schließt deshalb auf eine typischerweise gegebene Mitbenutzung des Kraftfahrzeugs ihres Ehemanns im Rahmen ihres Gewerbebetriebs. Dies mag ein an sich naheliegender Schluss sein, der indes nicht von einer Regelmäßigkeit an Erfahrung getragen ist, sondern sich aus dem Umständen des Einzelfalls ergibt. Schon oben ist dargelegt, dass nicht regelmäßig der Nutzung des Kraftfahrzeugs für einen Dritten "geschäftlicher" Charakter zukommen muss, sondern sie durchaus auch aus Gefälligkeit erfolgen kann. Damit fehlt es an einer Grundlage für die Annahme einer allgemeinen Lebenserfahrung, wie sie der Beklagte für sich in Anspruch nimmt. Der Beklagte kann sich für seine Annahme ferner auch nicht auf die Rechtsprechung des Senats berufen, die bei einem Sachverhalt, dem eine der Ehefrau des Klägers entsprechende berufliche bzw. gewerbliche Betätigung zu Grunde lag, von einer allgemeinen Lebenserfahrung dahingehend ausgegangen ist, das private Kraftfahrzeug werde auch beruflich genutzt. Denn dort ging es allein um die Nutzung des Fahrzeugs durch den gewerblich tätigen Eigentümer und nicht - wie hier -durch den Ehegatten (dazu das o.a. Urteil des Senats vom 14.4.1994).

Unabhängig davon wäre - eine allgemeine Lebenserfahrung im Sinne des Beklagten einmal unterstellt - diese für den vorliegenden Fall jedenfalls "widerlegt". Bereits bei der Sachverhaltsermittlung durch den Beauftragten des Beklagten haben der Kläger und seine Ehefrau darauf hingewiesen, das die besondere Lage des Betriebs der Ehefrau in der Innenstadt und die "Ausgestaltung" des Betriebsablaufs den Einsatz eines Kraftfahrzeugs für den Betrieb der Ehefrau nicht bedinge. Der Kläger hat sich zusätzlich auf die Angaben der im Betrieb der Ehefrau angestellten Dritten gestützt. Diese Hinweise sind schlüssig und mit Blick auf die innerörtliche Lage des Betriebs der Ehefrau auch nachvollziehbar dargelegt und stellen daher als nicht fernliegende Umstände die Annahme eines einmal unterstellten typischen Lebenssachverhalt in Frage. Damit fehlt es aber an einer Tatsachengrundlage für die Rundfunkgebührenpflicht im Falle des Klägers. Dass sich dabei als weiteres Indiz nicht die Umstände im Zusammenhang mit dem Erstellen des Anmeldeformulars aufdrängen, ergibt sich aus dem oben dazu Gesagten. Auch mit Blick auf die beim Rundfunkgebührenwesen festzustellende Massenverwaltung können die allgemeinen Nachweislastgrundsätze nicht außer Acht gelassen werden, zumal dem Beklagten hinreichend rechtliche Möglichkeiten eröffnet sind, den Sachverhalt zu ermitteln (vgl. etwa den Auskunftsanspruch nach § 4 RGebStV; ferner auch Lampert, NVwZ 2000, 640 ff.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 710 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Beschluss vom 26. August 2004

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 47,87 EUR festgesetzt.

Gründe:

Entgegen der Anregung des Klägers ist die Festsetzung eines höheren Streitwerts nicht zulässig. Die hier getroffene Festsetzung hat sich an § 13 Abs. 2 GKG auszurichten, wonach die Höhe einer bezifferten Geldleistung maßgeblich für die Streitwertfestsetzung ist, wenn der Antrag des Klägers einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft. Nichts anderes ergäbe sich, wenn man auf § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG abheben würde, zumal eine "präjudizielle Wirkung" des Rechtsstreits, auf die die Anregung des Klägers auch gestützt wird, nicht erkennbar ist. Dass der Gesichtspunkt der "Auskömmlichkeit der anwaltlichen Vergütung" hier keine Berücksichtigung finden darf, ist gesetzlich angelegt. Er kann auch nicht, wie angeregt, im Weg richterlichen Ermessens eingeführt werden.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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