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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 23.10.2008
Aktenzeichen: 2 S 2866/08
Rechtsgebiete: KAG


Vorschriften:

KAG § 33 Nr. 7
KAG § 39 Abs. 2 Satz 2
Für den gegen eine Satzung nach § 39 Abs. 2 S. 2 KAG gerichteten Normenkontrollantrag fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, wenn das in den Geltungsbereich der Satzung einbezogene Grundstück des Antragstellers nach den in der Erschließungsbeitragssatzung der Gemeinde getroffenen Regelungen nicht zu einem Erschließungsbeitrag veranlagt werden kann.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

2 S 2866/08

In der Normenkontrollsache

wegen Gültigkeit der Satzung über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen für die Lärmschutzanlage an der B 297 in Kirchheim unter Teck

hat der 2. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg am 23. Oktober 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Der Antrag wird abgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Antragsteller wendet sich gegen eine Satzung, die ein in seinem Eigentum stehendes Grundstück zu den durch eine Lärmschutzeinrichtung erschlossenen Grundstücken rechnet (Zuordnungssatzung gemäß § 39 Abs. 2 S. 2 KAG).

Der Antragsteller ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Flst.Nr. xxxxxx (xxxxxxxxxxxxxxxxxxxx). Das Grundstück befindet sich in einem größtenteils bebauten Gebiet zwischen der B 297 im Osten, der Gutenbergstraße im Westen, der Schlierbacher Straße im Norden und der Zementstraße im Süden. Für den im Norden gelegenen Teil dieses Bereichs, zu dem das Grundstück des Antragstellers gehört, gilt der Bebauungsplan "Sonnenwiese" vom 13.7.1954, für den übrigen Teil der am 25.9.2003 in Kraft getretene und durch Satzung vom 8.2.2006 geänderte Bebauungsplan "Wiesenweg". Der Bebauungsplan "Wiesenweg" weist den von ihm erfassten Bereich westlich der B 297 als Mischgebiet aus. Zur Einhaltung der für ein solches Gebiet geltenden "Richtpegelwerte" setzt er entlang der B 297 eine Lärmschutzwand fest, die im Norden in Höhe der südlichen Außenwand des Wohnhauses des Antragstellers beginnt und im Süden an der Kreuzung der Zementstraße und der B 297 endet.

Die Antragsgegnerin erhebt nach § 19 ihrer Erschließungsbeitragssatzung vom 14.12.2005 in der Fassung vom 23.5.2007 (EBS) Erschließungsbeiträge nach den Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes sowie nach Maßgabe dieser Satzung für öffentliche Anlagen zum Schutz von Baugebieten gegen Geräuschimmissionen (Lärmschutzanlagen), die nach dem Inkrafttreten dieser Satzung endgültig hergestellt werden. Die Satzung trifft dazu u.a. folgende Bestimmungen:

§ 22 Verteilung der umlagefähigen Erschließungskosten

(1) Der nach Abzug des Anteils der Stadt (§ 21) anderweitig nicht gedeckte Erschließungsaufwand (umlagefähiger Erschließungsaufwand) wird auf die Grundstücke des Abrechnungsgebiets in dem Verhältnis verteilt, in dem die Nutzungsflächen der einzelnen Grundstücke zueinander stehen. Die Nutzungsfläche eines Grundstücks ergibt sich durch Vervielfachung seiner Grundstücksfläche mit einem Nutzungsfaktor.

(2) Bei der Verteilung des Erschließungsaufwands auf die erschlossenen Grundstücke, die eine Schallpegelminderung von mindestens 3 dB(A) erfahren, wird durch den Nutzungsfaktor die unterschiedliche Nutzung der Grundstücke berücksichtigt. Der Nutzungsfaktor beträgt entsprechend dem Maß der baulichen Nutzung

1. bei eingeschossiger Bebaubarkeit 1,00

2. bei zweigeschossiger Bebaubarkeit 1,25

3. bei dreigeschossiger Bebaubarkeit 1,50

4. bei vier- und fünfgeschossiger Bebaubarkeit 1,75

5. bei sechs- und mehrgeschossiger Bebaubarkeit 2,00

(3) Als Geschosszahl gilt die in Bebauungsplan festgesetzt höchstzulässige Zahl der Vollgeschosse. Als Vollgeschosse gelten Geschosse mit einer Höhe von 2,8 m über festgesetztem, ansonsten vermittelt berechnetem Gelände. Geschosse, die von der Lärmschutzanlage eine Schallpegelminderung von weniger als 3 dB(A) erfahren, werden bei der Verteilung des umlagefähigen Erschließungsaufwands nicht berücksichtigt.

Nach Einholung eines Lärmschutzgutachtens, das von dem Ingenieurbüro xxxx und xxxxxxx am 13.3.2007 erstellt wurde, beschloss der Gemeinderat der Antragsgegnerin in seiner Sitzung vom 23.5.2007 zusammen mit der Änderung der Erschließungsbeitragssatzung den Erlass einer Satzung "über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen für die Lärmschutzanlage an der B 297 in Kirchheim u. T. (Baugebiet Wiesenweg)", die u. a. folgende Bestimmungen enthält:

§ 1 Umfang der Erschließungsanlage

Die Stadt erhebt Erschließungsbeiträge für die Lärmschutzanlage im Baugebiet Wiesenweg. Die Lärmschutzanlage ist im Bebauungsplan "Wiesenweg" ... östlich der als Mischgebiet ausgewiesenen Bauflächen zum Schutz vor dem von der B 297 verursachten Lärm ausgewiesen. Sie ist im Bebauungsplan "Wiesenweg" als "öffentliche Grünfläche Lärmschutzwand" festgesetzt. Die Lärmschutzanlage befindet sich entlang der B 297 zwischen der Einmündung Zementstraße und der Schlierbacher Straße. Sie hat eine wechselnde Gesamtbreite von 0,50 bis 1,0 m und eine wechselnde Höhe von 3,50 bis 4,0 m.

...

§ 3 Abrechnungsgebiet

(1) Die durch die Lärmschutzanlage erschlossenen Grundstücks bilden das Abrechnungsgebiet.

(2) Erschlossen sind die Grundstücke, die nach der Feststellung des Lärmschutzgutachtens des Ingenieurbüros Kurz und Fischer vom 13.3.2007 durch die Lärmschutzanlage eine Schallpegelminderung von mindestens 3 dB(A) erfahren. Ausgenommen sind Grundstücke, die ...

Durch die Lärmschutzanlage sind folgende Grundstücke erschlossen :

1. 2267/3 (Schlierbacher Str. 58)

2. ...

Die Satzung wurde am 8.6.2007 bekannt gemacht. Der Antragsteller hat am 27.7.2007 Normenkontrollklage erhoben. Er macht geltend, die angegriffene Satzung sei aus formellen und materiellen Gründen unwirksam. Nach § 37 Abs. 1 S. 1 GemO könne der Gemeinderat nur in einer ordnungsgemäß einberufenen und geleiteten Sitzung beraten und beschließen. Was der Gemeinderat beraten und beschlossen habe, müsse in einer den Anforderungen des § 38 Abs. 2 GemO genügenden Niederschrift protokolliert sein. Daran fehle es im vorliegenden Fall. Die Beschreibung der Lärmschutzanlage in § 1 S. 4 und 5 der Satzung sei fehlerhaft, da die Lärmschutzwand entsprechend der Festsetzung des Bebauungsplans eine durchgehende Höhe von 4,5 m habe. Die in der Satzung vorgenommene Festlegung des Abrechnungsgebiets verstoße gegen § 39 Abs. 2 KAG, da das zum Gegenstand der Satzung erklärte Lärmschutzgutachten nicht Gegenstand des Satzungsverfahrens gewesen sei. Das Gutachten habe in Übereinstimung mit § 39 Abs. 2 S. 4 KAG das Vorhandensein einer lärmabschirmenden Bebauung nicht berücksichtigt. Dies sei rechtswidrig. Werde einem Grundstück, das in dem maßgeblichen Zeitpunkt keine Lärmpegelminderung durch die Lärmschutzanlage erfahre, weil sich zwischen ihm und der Anlage ein Gebäude befinde, eine Beitragspflicht aufgebürdet, verstoße dies gegen Art. 3 GG, da dem Grundstück kein Sondervorteil vermittelt werde. Die Erhebung eines Beitrags sei in diesem Fall verfassungsrechtlich ausgeschlossen.

Der Antragsteller beantragt,

die Satzung der Antragsgegnerin über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen für die Lärmschutzanlage an der B 297 in Kirchheim u. T. (Baugebiet Wiesenweg) vom 23.5.2007 für unwirksam zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Sie erwidert: Die geltend gemachten Verfahrensfehler lägen nicht vor. Es sei zweifelsfrei, über welche Satzung der Gemeinderat in seiner Sitzung vom 23.5.2007 Beschluss gefasst habe. Die Festsetzung einer durchgehenden Höhe von 4,5 m im Bebauungsplan bedeute nicht, dass die Lärmschutzwand entsprechend hoch errichtet werden müsse. Maßgeblich für die tatsächliche Höhe sei vielmehr die Herbeiführung einer optimalen Schallminderung, was nach dem Lärmschutzgutachten bei einer Höhe zwischen 3,5 m und 4,0 m der Fall sei. § 39 Abs. 2 S. 4 KAG sei entgegen der Ansicht der Antragsteller nicht verfassungswidrig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorliegenden Akten der Antragsgegnerin sowie auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Antrag ist unzulässig, da nach dem der Satzung der Antragsgegnerin zugrunde liegenden Lärmschutzgutachten des Ingenieurbüros xxxx und xxxxxxx nur auf dem unbebauten Teil des Grundstücks des Antragstellers eine Lärmminderung von mehr als 3 db(A) zu verzeichnen ist. Nach der Erschließungsbeitragssatzung der Antragsgegnerin hat dies zur Folge, dass für das Grundstück des Antragstellers ein Erschließungsbeitrag nicht erhoben werden kann. Unter diesen Umständen ist bereits fraglich, ob der Antragsteller geltend machen kann, durch die angefochtene Satzung in seinen Rechten verletzt zu sein, und er damit die von § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO verlangte Antragsbefugnis besitzt. Das kann jedoch auf sich beruhen, da angesichts der fehlenden Möglichkeit, das Grundstück des Antragstellers mit einem Erschließungsbeitrag zu belasten, jedenfalls das neben der Antragsbefugnis erforderliche Rechtsschutzbedürfnis verneint werden muss. Im Einzelnen:

Nach § 19 EBS erhebt die Antragsgegnerin für öffentliche Anlagen zum Schutz von Baugebieten gegen Geräuschimmissionen (Lärmschutzanlagen), die nach dem Inkrafttreten dieser Satzung endgültig hergestellt werden, Erschließungsbeiträge nach den Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes sowie nach Maßgabe dieser Satzung. Durch eine Anlage mit der in § 19 EBS genannten Zweckbestimmung werden gemäß § 39 Abs. 2 S. 1 KAG Grundstücke erschlossen, denen durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Anlage ein nicht nur vorübergehender Vorteil vermittelt wird. Die Festlegung der erschlossenen Grundstücke erfolgt durch Zuordnung in einer besonderen Satzung (§ 39 Abs. 2 S. 2 KAG). Der Erlass einer solchen Satzung ist damit Voraussetzung für die Erhebung eines Erschließungsbeitrags für öffentliche Lärmschutzanlagen.

Gemäß § 3 Abs. 2 S. 1 der auf der Grundlage des § 39 Abs. 2 S. 2 KAG erlassenen Satzung der Antragsgegnerin sind von der in Rede stehenden Lärmschutzanlage an der B 297 alle Grundstücke erschlossen, die nach der Feststellung des Lärmschutzgutachtens des Ingenieurbüros Kurz und Fischer vom 13.3.2007 durch die Lärmschutzanlage eine Schallpegelminderung von mindestens 3 dB(A) erfahren. Zu diesen Grundstücken gehört auch das Grundstück des Antragstellers. Die in § 3 Abs. 2 S. 3 der Satzung enthaltene Aufzählung der durch die Lärmschutzanlage erschlossenen Grundstücke führt dementsprechend zu Recht auch das Grundstück des Antragstellers auf. Dem steht nicht entgegen, dass nach dem Lärmschutzgutachten nur der unbebaute Teil des Grundstücks eine Lärmminderung von mindestens 3 db(A) erfährt. Gegenstand des Erschlossenseins ist nach § 39 KAG (grundsätzlich) das Grundstück in seiner gesamten Fläche. Das hat zur Folge, dass ein Grundstück selbst dann mit seinem vollen Umfang an der Verteilung des für die erstmalige Herstellung einer Lärmschutzanlage entstandenen umlagefähigen Erschließungsaufwands teilnimmt, wenn das Grundstück von der "3 dB(A)-Lärmgrenze" lediglich "angeschnitten" wird, also nur ein (sei es auch noch so kleiner) Teil des Grundstücks eine Schallpegelminderung von mindestens 3 dB(A) erfährt. Das gilt auch für den Fall, dass die (gerade noch) innerhalb der "3 dB(A)-Zone" liegende Fläche zum unüberbaubaren Teil des Grundstücks zählt (BVerwG, Urt. v. 23.6.1995 - 8 C 18.94 - NVwZ 1996, 403 zu § 131 BauGB; Driehaus, Erschließungsbeitragsrecht in Baden-Württemberg, § 9 Rn 54; derselbe, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Aufl., § 17 Rn. 125 f.). Von der Frage, ob ein Grundstück bei der Verteilung des umlagefähigen Erschließungsaufwands zu berücksichtigen ist, ist jedoch die Frage zu unterscheiden, in welcher Höhe ein solches Grundstück mit dem Erschließungsaufwand zu belasten ist (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Aufl., § 17 Rn. 13 und 126). Nach § 22 EBS wird der Erschließungsaufwand auf die Grundstücke des Abrechnungsgebiets in dem Verhältnis verteilt, in dem die Nutzungsflächen der einzelnen Grundstücke zueinander stehen. Die Nutzungsfläche eines Grundstücks ergibt sich durch Vervielfachung seiner Grundstücksfläche mit einem Nutzungsfaktor. Der Nutzungsfaktor beträgt entsprechend dem Maß der baulichen Nutzung bei eingeschossiger Bebaubarkeit 1,00 und steigert sich in Zwischenschritten auf bis zu 2,0. Als Geschosszahl gilt die im Bebauungsplan festgesetzte höchstzulässige Zahl der Vollgeschosse. Geschosse, die von der Lärmschutzanlage eine Schallpegelminderung von weniger als 3 dB(A) erfahren, werden bei der Verteilung des umlagefähigen Erschließungsaufwands nicht berücksichtigt (§ 22 Abs. 3 S. 2 EBS). Da nach dem Lärmschutzgutachten nur der unbebaute Teil des Grundstücks des Antragstellers eine Lärmminderung von mehr als 3 db(A) erfährt, bedeutet das im Ergebnis, dass für das Grundstück des Antragstellers ein Nutzungsfaktor Null zur Anwendung kommt (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.6.1995 - 8 C 18.94 - NVwZ 1996, 403). Das Grundstück kann danach an dem für die Herstellung der Lärmschutzanlage entstandenen umlagefähigen Erschließungsaufwand nicht beteiligt werden. Die bei den Akten der Antragsgegnerin enthaltene Aufstellung der Erschließungsbeiträge, die auf die einzelnen in der Zuordnungssatzung genannten Grundstücke entfallen, weist dementsprechend für das Grundstück des Antragstellers einen Betrag von 0 € aus. Ein rechtsschutzwürdiges Interesse des Antragstellers an der von ihm begehrten Nichtigerklärung der angefochtenen Satzung ist danach nicht zu erkennen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Beschluss

Der Streitwert wird gemäß § 63 Abs. 2 in Verbindung mit § 52 Abs. 2 GKG auf 10.000 € festgesetzt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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