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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 09.06.2008
Aktenzeichen: 2 S 2926/07
Rechtsgebiete: RGebStV, VwVfG


Vorschriften:

RGebStV § 6 Abs. 1 Nr. 8
RGebStV § 6 Abs. 6 Satz 2
VwVfG § 36 Abs. 1
Mit Tatbestand im Sinn des § 6 Abs. 6 Satz 2 RGebStV ist der Tatbestand der jeweiligen Befreiungsregelung in § 6 Abs. 1 RGebStV gemeint. Das Bereithalten eines Rundfunkgeräts ist kein Teil dieses Tatbestands, sondern gehört zu dem Tatbestand für das Entstehen der Gebührenpflicht. Die gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2 RGebStV vorgenommene Befristung einer Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht kann deshalb nicht damit gerechtfertig werden, dass im konkreten Fall das Bereithalten eines Rundfunkgeräts zum Empfang nicht auf Dauer gewährleistet sei.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

2 S 2926/07

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Rundfunkgebührenbefreiung

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 2. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg

am 9. Juni 2008

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 29. Oktober 2007 - 3 K 1612/07 - wird abgelehnt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe:

Der Antrag ist unbegründet. Die von dem Beklagten geltend gemachten Gründe für eine Zulassung der Berufung liegen nicht vor.

1. An der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestehen entgegen der Ansicht des Beklagten keine ernstlichen Zweifel.

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die dem als Schwerbehinderten mit einem Grad der Behinderung von 100 anerkannten Kläger gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 8 RGebStV gewährte Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht befristet werden kann. Das Verwaltungsgericht hat diese Frage zu Recht verneint. Auch nach Ansicht des Senats hat der Kläger unter den vom Verwaltungsgericht festgestellten Umständen Anspruch auf eine unbefristete Befreiung.

Nach § 36 LVwVfG darf ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, nur dann mit einer Nebenbestimmung versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts erfüllt werden. Gegen die Anwendung dieser Vorschrift auf den vorliegenden Fall bestehen entgegen der Ansicht des Beklagten keine Bedenken. Zwar gilt diese Vorschrift für die Tätigkeit des Südwestrundfunks gemäß § 2 Abs. 1 LVwVfG nicht unmittelbar. In der mit den entsprechenden Vorschriften in den Verwaltungsverfahrensgesetzen des Bundes und der anderen Länder übereinstimmenden Regelung in § 36 Abs. 1 LVwVfG ist jedoch der Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes zu sehen (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 36 Rn. 3a). Die Vorschrift ist daher sinngemäß auch auf Verwaltungsverfahren anwendbar, für welche die Geltung des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes ausgeschlossen ist.

Mit der umstrittenen Befristung der dem Kläger gewährten Befreiung soll nicht sichergestellt werden, dass die in § 6 Abs. 1 Nr. 8 RGebStV genannten Voraussetzungen einer solchen Befreiung erfüllt werden. Etwas anderes wird auch von dem Beklagten in der Begründung seines Zulassungsantrags nicht geltend gemacht. Das Verwaltungsgericht hat deshalb zu Recht geprüft, ob der Rundfunkgebührenstaatsvertrag es unter den im Fall des Klägers gegebenen Umständen gestattet, die diesem gewährte Befreiung zu befristen. In Betracht kommt dafür allein § 6 Abs. 6 RGebStV. Danach ist die Befreiung nach der Gültigkeitsdauer des Bescheides nach Absatz 2 zu befristen (Satz 1). Ist der Bescheid nach Absatz 2 unbefristet, so kann die Befreiung auf drei Jahre befristet werden, wenn eine Änderung der Umstände möglich ist, die dem Tatbestand zugrunde liegen (Satz 2).

Ein Fall des § 6 Abs. 6 Satz 1 RGebStV liegt unstreitig nicht vor, da der dem Kläger mit Bescheid vom 3.1.2006 erteilte Schwerbehindertenausweis unbefristet gültig ist. Das Eingreifen des § 6 Abs. 6 Satz 2 RGebStV hat das Verwaltungsgericht mit der Begründung verneint, der dem Tatbestand der Rundfunkgebührenbefreiung nach § 6 Abs. 1 Nr. 8 RGebStV zugrunde liegende Umstand sei allein die Schwerbehinderung des Rundfunkteilnehmers. Anhaltspunkte dafür, dass sich an der Schwerbehinderung des Klägers etwas ändern könne, seien nicht zu erkennen.

Der Beklagte wendet hiergegen ein, zum Tatbestand des § 6 Abs. 1 Nr. 8 RGebStV gehöre nicht nur das Vorliegen einer Schwerbehinderung mit dem in der Vorschrift beschriebenen Grad sowie die dadurch bedingte ständige Unmöglichkeit, an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen zu können, sondern auch das - im Fall des Klägers nicht auf Dauer gewährleistete - Bereithalten eines Rundfunkgeräts zum Empfang. Dem kann nicht gefolgt werden. Zwar ist richtig, dass von der Rundfunkgebührenpflicht nur befreit werden kann, wenn eine solche Pflicht tatsächlich besteht, und dass das Bestehen dieser Pflicht in erster Linie von dem Bereithalten eines Rundfunkgeräts zum Empfang abhängig ist. Mit Tatbestand ist in § 6 Abs. 6 Satz 2 RGebStV jedoch nur der Tatbestand der jeweiligen Befreiungsregelung in § 6 Abs. 1 RGebStV gemeint. Das Bereithalten eines Rundfunkgeräts ist kein Teil dieses Tatbestands, sondern gehört zu dem Tatbestand für das Entstehen der Gebührenpflicht. Das Bereithalten eines Rundfunkgeräts kann daher schon nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht zu den Umständen im Sinn des § 6 Abs. 6 Satz 2 RGebStV gerechnet werden. Gegen die Auffassung des Beklagten spricht davon abgesehen auch der Sinn der Regelung. § 6 Abs. 6 Satz 2 RGebStV gestattet in Fällen, in denen der Bescheid nach Abs. 1 nicht befristet ist, die Befristung der Befreiung nur unter einer einschränkenden Voraussetzung. Mit dieser Regelung ist daher ersichtlich nicht beabsichtigt, der zuständigen Landesrundfunkanstalt generell die Befristung von Gebührenbefreiungen zu ermöglichen. Die von dem Beklagten vertretene Auffassung würde dagegen bedeuten, dass die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht ausnahmslos befristet werden könnte, da sich in keinem Fall ausschließen lässt, dass zu einem späteren Zeitpunkt ein Rundfunkgerät von dem jeweiligen Gebührenschuldner nicht mehr zum Empfang bereit gehalten wird.

Die umstrittene Befristung der dem Kläger gewährten Befreiung lässt sich entgegen der Ansicht des Beklagten auch mit den von ihm genannten Bestrebungen rechtfertigen, die Rundfunkfinanzierung zu ändern und in diesem Zusammenhang einkommensabhängige Befreiungen von der Rundfunkgebührenpflicht abzuschaffen. § 6 Abs. 6 Satz 2 RGebStV stellt darauf ab, dass eine Änderung der Umstände möglich ist, die dem Tatbestand der Gebührenbefreiung zugrunde liegen, und nicht darauf, dass der Tatbestand als solcher geändert oder gestrichen werden könnte.

2. Die Rechtssache besitzt auch keine grundsätzliche Bedeutung. Die in der Begründung des Zulassungsantrags formulierte Frage, ob das Bereithalten eines Rundfunkgeräts zu den Umständen gehört, die dem Tatbestand der Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht zugrunde liegt, kann mit Hilfe der allgemein anerkannten Auslegungsregeln eindeutig beantwortet werden. Zu ihrer Klärung bedarf es daher nicht erst der Durchführung eines Berufungsverfahrens. Mit dieser Frage ist zugleich die weitere Frage beantwortet, ob Rundfunkteilnehmer, denen das Versorgungsamt einen unbefristet gültigen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen "RF" erteilt hat, einen Anspruch auf eine unbefristete Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 188 S. 2 GKG gerichtskostenfrei. Einer Festsetzung des Streitwerts bedarf es daher nicht.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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