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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 11.12.2008
Aktenzeichen: 2 S 428/08
Rechtsgebiete: AO, GG


Vorschriften:

AO § 163 Abs. 1
AO § 227
GG Art. 3 Abs. 1
1. Zum Maßstab für einen Erlass von Abfallgebühren aus Gründen der sachlichen Unbilligkeit.

2. Der Erlass einer Abfallgrundgebühr von ca. 80,-- EUR im Jahr für einen "Kleinstgewerbebetrieb" kommt nicht in Betracht, weil die Sachgerechtigkeit der Gebühr schon durch ihren Bagatellcharakter gewährleistet wird.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

2 S 428/08

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Abfallgebühren

hat der 2. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg auf Grund der mündlichen Verhandlung 11. Dezember 2008

am 11. Dezember 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 10. Oktober 2007 - 4 K 557/07 - geändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrags zuzüglich 10 v.H. dieses Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt den Erlass von Abfallgebühren aus Billigkeitsgründen.

Der Kläger meldete am 8.4.2002 bei der Gemeinde xxxxxxxxx ein als "Fertigung und Vertrieb von Ultraschall-Reinigungsgeräten" beschriebenes Gewerbe nach §§ 14, 55 c GewO an und gab als Betriebsstätte und Hauptniederlassung die Anschrift xxxxxxxxxxxxxxxxx xx in xxxxx xxxxxxxx an. Auf diesem Grundstück befindet sich das Wohnhaus des Klägers. Für seinen Gewerbebetrieb und den privaten Haushalt hält der Kläger auf seinem Grundstück eine Hausmülltonne mit 60 l Füllraum vor. In den Jahren 2002 bis 2005 wurde der Kläger vom Beklagten als Einpersonenhaushalt zur Zahlung der Jahresgebühr für private Haushalte mit einer Person (§ 20 Abs. 2 Abfallsatzung) und zur Zahlung der Behältergebühr (§ 20 Abs. 4 Abfallsatzung) herangezogen. Mit jeweils gesonderten Gebührenbescheiden wurde der Kläger zudem zur Zahlung der pauschalen Jahresgebühr für Gewerbebetriebe veranlagt (§ 20 Abs. 6 und 7 Abfallsatzung).

Nach § 20 Abs. 7 Satz 1 der Abfallsatzung des Beklagten in ihren für die Jahre 2002 bis 2005 geltenden Fassungen bestehen die Abfallgebühren für die Entsorgung von Abfällen aus Gewerbebetrieben und sonstigen Einrichtungen, die nach § 5 Abs. 5 der Satzung als hausmüllähnlicher Gewerbeabfall gelten, einschließlich Sperrmüll, Schrott, Bioabfall, Gartenabfall und Papier jeweils in haushaltsüblichen Mengen (maximal 3 cbm), aus einer pauschalen Jahresgebühr und zusätzlich zu entrichtenden Behältergebühren. Die pauschale Jahresgebühr, zu der der Kläger in den Jahren 2002 bis 2005 veranlagt wurde, betrug nach § 20 Abs. 7 Satz 4 der Abfallsatzungen 2002 und 2003 je 79,20 EUR. Im Jahr 2005 betrug die pauschale Jahresgebühr 89,50 EUR. Die pauschale Jahresgebühr ist nach § 20 Abs. 6 der Abfallsatzungen auch bei gemischt genutzten Grundstücken - wie hier - zu erheben.

Gegen den Abfallgebührenbescheid für das Jahr 2004, mit dem der Gewerbebetrieb zur Zahlung der pauschalen Jahresgebühr nach § 20 Abs. 6 und 7 der Abfallsatzung 2004 veranlagt wurde, erhob der Kläger nach erfolglosem Widerspruchsverfahren Klage und begehrte hilfsweise den Erlass der Gebühren für das Jahr 2004. Mit rechtskräftigem Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 9.11.2005 - 4 K 3347/04 - wurde der Beklagte verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Billigkeitserlass unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Mit Bescheid vom 11.1.2006 gab der Beklagte dem Erlassantrag des Klägers daraufhin insoweit statt, als die Jahresgebühr 2004 von 79,20 EUR um 25 % auf 19,80 EUR verringert wurde. Den vom Kläger hiergegen erhobenen Widerspruch, mit dem er den vollständigen Erlass der Jahresgebühr 2004 erstrebte, wies die Beklagte mit bestandskräftigem Widerspruchsbescheid vom 16.8.2006 zurück.

Im Anschluss an das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 9.11.2005 beantragte der Kläger, ihm auch für die Jahre 2002, 2003 und 2005 die Abfallgebühren für seinen Gewerbebetrieb zu erlassen. Mit Bescheid vom 16.8.2006 lehnte der Beklagte die Erlassanträge für die Jahre 2002, 2003 und 2005 ab. Den dagegen vom Kläger am 14.9.2006 erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.12.2006 zurück. Der Widerspruchsbescheid wurde am 21.12.2006 zugestellt.

Am 19.1.2007 hat der Kläger Klage erhoben und unter Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 16.8.2006 und dessen Widerspruchsbescheid vom 18.12.2006 beantragt, den Beklagten zu verpflichten, ihm die Abfallgebühren für seinen Gewerbebetrieb für die Jahre 2002, 2003 und 2005 zu erlassen, hilfsweise über den Erlassantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 10.10.2007 den Bescheid des Beklagten vom 16.8.2006 und dessen Widerspruchsbescheid vom 18.12.2006 aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Erlass der in den Abfallgebührenbescheiden vom 27.9.2002, 20.2.2003 und 14.2.2005 festgesetzten Abfallgebühren unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen heißt es: Im Falle des Klägers liege eine sachliche Unbilligkeit vor. Daraus folge im Fall des Klägers jedoch kein Anspruch auf vollständigen Erlass der pauschalen Jahresgebühren für Gewerbebetriebe; es sei nämlich weder dargetan noch ersichtlich, dass das dem Beklagten eingeräumte Ermessen auf Null reduziert sei. Der Kläger habe jedoch Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Erlassantrag. Der Beklagte könne auch nicht einwenden, es widerspreche dem Willen des Satzungsgebers, aus Gründen der sachlichen Unbilligkeit in Fällen eines sehr geringen Abfallaufkommens einen Gebührenerlass zu gewähren, weil er mit der Erhebung einer Grundgebühr für Gewerbetreibende das Ziel verfolgt habe, die verbrauchsunabhängigen Kosten gleichmäßig und ohne Berücksichtigung der Abfallmengen auf alle Gebührenschuldner zu verteilen. Ein derartiger Wille des Satzungsgebers sei nicht gegeben. Der Satzungsgeber habe vielmehr solche Fälle wie die des Klägers mit den maßgeblichen Regelungen zur Festsetzung der pauschalen Jahresgebühr bei gemischt genutzten Grundstücken nicht erfassen wollen, weil die normative Annahme, dass bei solchen Grundstücken Abfälle aus gewerblicher Tätigkeit anfielen, die nach Art und Umfang über Abfälle bei Nutzung von Arbeitszimmern abhängig Beschäftigter hinausgingen, nicht mehr zutreffe. Diese Einschätzung des Willens des Satzungsgebers durch die Kammer sei auch durch die Angaben der Beklagtenseite in der mündlichen Verhandlung bestätigt worden. Danach würde der Kläger nicht zu der in Streit stehenden pauschalen Jahresgebühr herangezogen, wenn seine Gewerbeanmeldung die Angabe enthielte, dass die Tätigkeit im Nebenerwerb betrieben werde bzw. entsprechend geändert würde. Diese Praxis des Beklagten zeige, dass durchaus in atypischen Einzelfällen von der pauschalierenden Betrachtungsweise abgewichen werde und es daher dem satzungsgeberischen Willen nicht grundsätzlich widerspreche, aus Gründen der sachlichen Unbilligkeit einen Gebührenerlass zu gewähren. Ob es sich bei den als Nebenerwerb gemeldeten Gewerbebetrieben um leicht überprüfbare Formalien handele, die Abfallmenge hingegen einen hohen Überprüfungsaufwand erfordere, sei für die Beurteilung des satzungsgeberischen Willens, die pauschalierenden Regelungen nicht uneingeschränkt zur Anwendung gelangen zu lassen, ohne Bedeutung.

Zur Begründung der mit Beschluss vom 1.2.2008 zugelassenen Berufung macht der Beklagte geltend: Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht einen Antrag des Klägers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Erlassantrag bejaht. Die Voraussetzungen für einen Gebührenerlass aus Gründen der sachlichen Unbilligkeit lägen nicht vor. Sachliche Unbilligkeit könne bei Zweckverfehlung vorliegen, eine solche sei hier aber nicht gegeben.

Die Jahresgebühr nach § 20 Abs. 7 der Abfallsatzungen des Beklagten sei eine sog. Grundgebühr. Mit dieser verfolge der Beklagte den Zweck, die verbrauchsunabhängigen Kosten der Abfallentsorgung gleichmäßig und ohne Berücksichtigung der Abfallmengen auf alle Gewerbebetriebe zu verteilen und alle Gewerbebetriebe an der Deckung der verbrauchsunabhängigen Vorhaltekosten für die Abfallentsorgung zu beteiligen, unabhängig davon, in welchem Umfang die Gewerbebetriebe die Abfallentsorgungseinrichtung durch die Überlassung von Abfällen tatsächlich in Anspruch nähmen. Dieser Zweck werde mit der Erhebung der pauschalen Jahresgebühr auch für den Gewerbebetrieb des Klägers nicht verfehlt. Auch er nehme mit seinem Gewerbebetrieb die Leistung der Vorhaltung einer betriebsbereiten Abfallentsorgungseinrichtung in Anspruch. Er sei deshalb gleichmäßig wie alle anderen Gewerbebetriebe auch an den Kosten für diese Vorhalteleistung zu beteiligen. Vor diesem Hintergrund könne die Tatsache, dass in einem Gewerbebetrieb wie dem des Klägers eine sehr geringe Abfallmenge anfalle, kein Grund für einen Billigkeitserlass sein. Zudem wäre das Ziel des Beklagten, mit der Erhebung der Jahresgebühr ausschließlich an den Gewerbebetrieb anzuknüpfen, um den Verwaltungsaufwand in Grenzen zu halten, nicht erreicht, wenn dieser Aufwand im Rahmen einer Billigkeitsentscheidung durch die Ermittlung der tatsächlich entsorgten Abfallmenge nachträglich doch eintreten würde.

Der Zweck, mit der Erhebung einer Grundgebühr von Gewerbebetrieben die verbrauchsunabhängigen Kosten mit geringem Verwaltungsaufwand gleichmäßig und ohne Berücksichtigung der Abfallmengen auf alle Gebührenschuldner zu verteilen, werde auch durch eine weitere Änderung der Abfallsatzung, die zum 1.1.2006 in Kraft getreten sei, belegt. Erfahrungen mit der Erhebung der pauschalen Jahresgebühr hätten dem Beklagten gezeigt, dass die Erhebung in einzelnen Fallkonstellationen nicht gerechtfertigt sei, weil bei bestimmten Fallkonstellationen davon auszugehen sei, dass Gewerbebetriebe keine oder nahezu keine Vorhalteleistungen der Abfallentsorgung in Anspruch nähmen. Zum 1.1.2006 seien deshalb zwei Fälle besonders geregelt worden, in denen trotz einer Gewerbeanmeldung keine pauschale Jahresgebühr erhoben werde bzw. auf Antrag von der Erhebung der pauschalen Jahresgebühr befreit werden könne. Nach § 20 Abs. 6 Satz 7 der Abfallsatzung 2006/2007 werde keine pauschale Jahresgebühr erhoben, wenn der Gewerbebetrieb nur nebenberuflich, also nicht zur überwiegenden oder ausschließlichen Bestreitung des Lebensunterhalts, und ohne Arbeitnehmer betrieben werde und keine Abfallgefäße hierfür genutzt würden. Nach § 20 Abs. 7 Satz 4 der Abfallsatzung 2006/2007 könne auf Antrag bei gemischt genutzten Grundstücken von der Erhebung der pauschalen Jahresgebühr Befreiung erteilt werden, wenn die gewerbliche Tätigkeit ausschließlich innerhalb von privaten Wohnräumen erfolge, d.h. ohne separate Betriebs-, Büro- oder Praxisräume erfolge. Aus der Neuregelung könne entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts Karlsruhe nicht der Schluss gezogen werden, der Beklagte würde in atypischen Einzelfällen von der pauschalierenden Betrachtungsweise abweichen. Insoweit liege kein Fall eines Billigkeitserlasses vor, sondern eine ausdrückliche Befreiungsregelung des Satzungsgebers. Diese Regelung des Satzungsgebers belege gerade, dass grundsätzlich alle Gewerbebetriebe uneingeschränkt und ohne Rücksicht auf den konkreten Umfang des Betriebs und die Mengen der dort anfallenden Abfälle zur Erhebung einer pauschalen Jahresgebühr veranlagt werden sollten.

Auch die Voraussetzungen für einen Billigkeitserlass wegen Verletzung des Gleichheitssatzes lägen nicht vor. Die Gleichbehandlung von Gewerbetreibenden mit ungewöhnlich geringen Abfallmengen und Gewerbetreibenden mit normalem oder hohem Abfallaufkommen sei nicht zu beanstanden. Ein vernünftiger Grund für die Gleichbehandlung verschiedener Gewerbetreibender bei der Erhebung der Abfallgrundgebühr ergebe sich bereits aus dem Wesen der Grundgebühr. Ziel der Erhebung sei es, die Gebührenschuldner einheitlich an den Vorhaltekosten zu beteiligen. Jeder Gewerbetreibende, auch derjenige, der den ihm zur Verfügung gestellten Abfallbehälter nicht fülle, nehme die Vorhalteleistung der Abfallabfuhr uneingeschränkt in Anspruch. Der regelmäßige Abholdienst garantiere, dass der Abfallerzeuger und Abfallbesitzer sich jederzeit in rechtmäßiger Weise seines Abfalls entledigen könne. Deshalb sei es weder im Rahmen der Satzung noch im Rahmen des Billigkeitserlasses vom Gleichheitssatz geboten, eine Sonderregelung zu treffen, die zu einer Gebührenermäßigung führe, wenn und solange die Nutzungsintensität im Einzelfall atypisch gering ausfalle. Dies gelte in besonderem Maße dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Grundgebühr sehr gering sei und die Sachgerechtigkeit der einheitlichen Gebühr schon durch ihren Bagatellcharakter gewährleistet werde.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 10.10.2007 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er bezieht sich auf die Ausführungen im Urteil des Verwaltungsgerichts.

Dem Senat liegen die einschlägigen Akten des Beklagten und des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vor. Auf diese Unterlagen und die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht teilweise stattgegeben. Die angefochtenen Bescheide sind in vollem Umfang rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Ein Anspruch des Klägers auf erneute Bescheidung seines Antrags auf Erlass der pauschalen Jahresabfallgebühren für die Jahre 2002, 2003 und 2005 besteht deshalb nicht (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

Im hier zu beurteilenden Fall liegen - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Gebührenerlass aus Gründen der sachlichen Unbilligkeit nicht vor. Der Senat kann daher offen lassen, ob als Anspruchsgrundlage für den vom Kläger begehrten Billigkeitserlass § 163 Abs. 1 Satz 1 AO oder § 227 AO anzusehen ist. Beide Vorschriften sind über § 3 Abs. 1 Nr. 4 c) und § 3 Abs. 1 Nr. 5 a) KAG für Kommunalabgaben und damit für Abfallgebühren anwendbar. Infolge der in der Abgabenordnung vorgenommenen Trennung zwischen dem Festsetzungs- und dem Erhebungsverfahren bestehen zwei in ihrer Rechtsfolgeanordnung im Wesentlichen gleichartige Vorschriften über eine Korrektur des steuerlichen Ergebnisses aus Billigkeitsgründen. § 163 AO bezieht sich auf Billigkeitsmaßnahmen, die bereits bei der Steuerfestsetzung getroffen werden, die Parallelvorschrift für das Erhebungsverfahren ist die Erlassvorschrift des § 227 AO (vgl. Rüsken in: Klein, Abgabenordnung, Kommentar, 9. Aufl., § 163 Rdnr. 1). Dieser für das Steuerrecht getroffenen Unterscheidung dürfte für die Erhebung von Abfallgebühren keine maßgebliche Bedeutung zukommen; die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen beider Vorschriften entsprechen sich jedenfalls.

1. Sachliche Billigkeitsgründe sind nach Auffassung der Rechtsprechung dann gegeben, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass er die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage - hätte er sie geregelt - im Sinne der beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte. Dass dabei nicht das (in der Regel ohnehin nicht zuverlässig bekannte) subjektive Wollen der am Gesetzgebungsprozess beteiligten Personen, sondern der im Gesetz objektivierte Wille des Gesetzgebers als Institution gemeint ist, versteht sich. Härten, die dem Besteuerungszweck entsprechen und die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung eines Tatbestands bewusst in Kauf genommen hat, können einen Billigkeitserlass dagegen nicht rechtfertigen, sondern sind allenfalls durch eine Gesetzeskorrektur zu beheben (vgl. zum Ganzen: BVerfG, Kammerbeschluss vom 13.12.1994 - 2 BvR 89/91 - NVwZ 1995, 989; Loose in: Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Kommentar, § 227 Rdnr. 40; Rüsken in: Klein, Abgabenordnung, a.a.O., § 163 Rdnrn. 32 und 33).

Hiervon ausgehend ist die Einziehung eines Anspruchs aus einem Abgabenschuldverhältnis aus sachlichen Gründen unbillig, wenn dies den Geboten der Gleichheit und des Vertrauensschutzes, den Grundsätzen von Treu und Glauben, dem Erfordernis der Zumutbarkeit oder dem der gesetzlichen Regelung zugrunde liegenden Zweck widersprechen würde (Loose in: Tipke/Kruse, Abgabenordnung, a.a.O., § 227 Rdnr. 42).

2. In Anwendung dieser Maßstäbe kann zunächst nicht angenommen werden, dass die Heranziehung des klägerischen Gewerbebetriebs zu einer pauschalen Jahresgebühr dem der satzungsrechtlichen Regelung zugrunde liegenden Zweck widerspricht. Die von jedem Gewerbebetrieb in gleicher Höhe geforderte Jahresgebühr wird nach dem unwidersprochenen Vortrag des Beklagten als sogenannte Grundgebühr kalkuliert. Daneben erhebt der Beklagte Behältergebühren, mit denen das Maß der Benutzung der Abfallentsorgungseinrichtung abgebildet wird. Eine Gebührenerhebung in dieser Form beruht auf der Erwägung, dass die Aufrechterhaltung der Betriebsbereitschaft der Abfallentsorgungseinrichtung invariable (verbrauchsunabhängige) Betriebskosten verursacht, was es rechtfertigt, diese Vorhaltekosten unabhängig von dem Maß der Benutzung im Einzelfall vorab auf die Benutzer der Einrichtung zu verteilen (vgl. Normenkontrollbeschluss des Senats vom 29.10.2003 - 2 S 2407/02 - DÖV 2004, 713; BVerwG, Beschluss vom 12.8.1981 - 8 B 20.81 - KStZ 1982, 31 zur Erhebung von Wasserbezugsgebühren). Die Grundgebühr in Form der pauschalen Jahresgebühr für Gewerbebetriebe stellt sich mithin als Teil einer Benutzungsgebühr mit einem eigenen Maßstab und einem besonderen Satz zur Abgeltung der (verbrauchsunabhängigen) Vorhaltekosten (Fixkosten) dar. Werden demnach die Kosten, die unabhängig davon entstehen, ob überhaupt und in welchem Umfang Abfälle der Abfallentsorgungseinrichtung überlassen werden, vorab auf die Gebührenpflichtigen verteilt, kann von vornherein eine Unbilligkeit nicht darin gesehen werden, dass im Gewerbebetrieb des Klägers - im Vergleich zu anderen Gewerbebetrieben - nur sehr geringe Abfallmengen anfallen und er deshalb die Abfälle in der Hausmülltonne entsorgt. Die Vorhalteleistung der Abfallentsorgungseinrichtung nimmt der Gewerbebetrieb des Klägers jedenfalls in Anspruch; die regelmäßige Abfallabfuhr garantiert, dass sich der Kläger - auch bei einer Ausweitung seines Gewerbebetriebs - jederzeit in rechtmäßiger Weise seines Abfalls entledigen kann. Dem vom Satzungsgeber mit der Grundgebühr verfolgten Zweck entspricht es damit gerade, jeden Gewerbebetrieb und damit auch den Betrieb des Klägers - unabhängig vom Ausmaß der tatsächlichen Inanspruchnahme der Abfallentsorgungseinrichtung - heranzuziehen.

Vor diesem Hintergrund liegt - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - der Erhebung der pauschalen Jahresgebühr für Gewerbebetriebe auch nicht die normative Annahme zugrunde, dass "bei gemischt genutzten" Grundstücken Abfälle aus gewerblicher Tätigkeit anfielen, die nach Art und Umfang über Abfälle bei Nutzung von Arbeitszimmern abhängig Beschäftigter hinaushingen". Eine "normative Annahme des Satzungsgebers" in diesem Sinne lässt sich den einschlägigen Abfallsatzungen nicht entnehmen, eine solche Annahme würde vielmehr dem mit der Erhebung einer Grundgebühr verfolgten Zweck (Abgeltung der verbrauchsunabhängigen Vorhaltekosten) widersprechen.

3. Auch die Voraussetzungen für einen Billigkeitserlass unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz liegen nicht vor. Ein Billigkeitserlass kann um der Belastungsgleichheit Willen geboten sein, wenn ein Gesetz, dass in seinen generalisierenden Wirkungen verfassungsgemäß ist, im Einzelfall zu Ergebnissen führt, die dem Belastungsgrund des Gesetzgebers zuwiderlaufen. Ein solcher "Überhang des gesetzlichen Tatbestandes", der über den gesetzlichen Belastungsgrund hinausgreift, ist aus Gründen der Besteuerungsgleichheit zu vermeiden, wenn die Anwendung des Gesetzes zu sachwidrigen Härten führt (BVerfG, Beschluss vom 13.12.1994 - 2 BvR 89/91 - NVwZ 1995, 989). Ein "aus der Regel fallender" Sachverhalt im dargestellten Sinne liegt im Fall des Klägers nicht vor.

Grundsätzlich ist die Ungleichbehandlung, die darin liegt, dass von jedem Gebührenschuldner die Grundgebühr erhoben wird, obwohl die Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung durchaus unterschiedlich sein wird, mit Blick auf den Gleichheitssatz dadurch gerechtfertigt, dass die Bereitstellung einer betriebsbereiten Abfallentsorgungseinrichtung Vorhaltekosten verursacht, die bei einer geringeren Inanspruchnahme durch einzelne Gebührenpflichtige nicht in gleichem Maße abnehmen (BVerwG, Urteil vom 20.12.2000 - 11 C 7.00 - BVerwGE 112, 297; BVerwG, Beschluss vom 12.8.1981, a.a.O.).

Auch soweit der Kläger sinngemäß vorträgt, bei seinem Gewerbebetrieb fielen lediglich "Geringstabfallmengen" an, und er sich damit darauf beruft, die Nutzungsintensität falle in seinem Fall atypisch gering aus, rechtfertigt dies keine abweichende Betrachtungsweise. Auch wenn der Kläger den in seinem Gewerbebetrieb anfallenden Abfall über die Hausmülltonne entsorgt, nimmt er für den Betrieb die Vorhalteleistung der Müllabfuhr ganzjährig uneingeschränkt in Anspruch. Im Hinblick auf die geringe Höhe der Grundgebühr - für die Jahre 2002 und 2003 je 79,20 EUR und für das Jahr 2005 89,50 EUR - wird die Sachgerechtigkeit der Gebühr schon durch ihren Bagatellcharakter gewährleistet. Durch die in der Satzung vorgesehenen Behältergebühren - entsprechend dem Maß der Inanspruchnahme - wird in ausreichendem Umfang sichergestellt, dass größere Gewerbebetriebe bzw. Gewerbebetriebe mit größerem Abfallaufkommen auch in entsprechend größerem Umfang zu den Vorhaltekosten der Abfallentsorgungseinrichtung herangezogen werden.

Eine gleichheitswidrige Belastung des Klägers durch die Erhebung der Jahresgrundgebühr für seinen Gewerbebetrieb kann auch nicht damit begründet werden, dass in diesem Betrieb nicht mehr Abfälle anfielen als in einem privaten Arbeitszimmer. Die Differenzierung des Satzungsgebers zwischen privaten Haushalten einerseits und Gewerbebetrieben andererseits - und die damit verbundene zusätzliche Grundgebühr für Gewerbebetriebe - ist ohne Weiteres sachlich gerechtfertigt. Bei einer typisierenden Betrachtungsweise durfte der Satzungsgeber davon ausgehen, dass Gewerbebetriebe die Vorhalteleistungen der Abfallentsorgung in größerem Umfang in Anspruch nehmen, als dies bei unselbständig Tätigen, die ein häusliches Arbeitszimmer haben, der Fall ist; das "Abfallpotential" von Gewerbebetrieben ist bei genereller Betrachtungsweise ein völlig anderes als bei unselbständig Tätigen, die ein häusliches Arbeitszimmer nutzen. Ist nach alledem die vom Satzungsgeber vorgenommene Typisierung sachgerecht, kann über die Grenzen der jeweiligen Typen hinweg im Einzelfall gerade keine Gleichbehandlung gefordert werden.

Ist nach alledem im Hinblick auf den Bagatellcharakter der hier zu beurteilenden Grundgebühr eine weitere Differenzierung zu Gunsten von "Kleinstbetrieben" durch Art. 3 Abs. 1 GG nicht geboten, kann auch eine sachwidrige Härte, wie sie für den Billigkeitserlass vorausgesetzt wird, nicht angenommen werden.

Ohne Erfolg beruft sich der Kläger schließlich zur Begründung des geltend gemachten Billigkeitserlasses auf die "Privilegierung" für "kleine Gewerbebetriebe", die der Beklagte in der ab 2006 gültigen Abfallsatzung vorgesehen hat. Nach § 20 Abs. 6 Satz 7 der Abfallsatzung wird keine pauschale Jahresgebühr erhoben, wenn der Gewerbebetrieb nur nebenberuflich, also nicht zur überwiegenden oder ausschließlichen Bestreitung des Lebensunterhalts, und ohne Arbeitnehmer betrieben wird und keine Abfallgefäße hierfür genutzt werden. Ferner kann nach § 20 Abs. 7 Satz 4 der Abfallsatzung auf Antrag bei gemischt genutzten Grundstücken - wie im Fall des Klägers - von der Erhebung der pauschalen Jahresgebühr Befreiung erteilt werden, wenn die gewerbliche Tätigkeit ausschließlich innerhalb von privaten Wohnräumen, d.h. ohne separate Betriebs-, Büro- oder Praxisräume erfolgt. Mit diesen Freistellungs- bzw. Befreiungstatbeständen, die auf die hier zu beurteilenden Zeiträume noch keine Anwendung finden, hat der Satzungsgeber Härten, die mit der bisherigen Regelung und der in diesem Zusammenhang bewusst erfolgten Typisierung verbunden waren, durch eine gesetzliche Korrektur behoben; er hat sich im Rahmen seines Ermessens für die Zukunft dafür entschieden, von Gewerbebetrieben, die typischerweise nur sehr geringe Vorhalteleistungen der Abfallentsorgung in Anspruch nehmen, die Grundgebühr nicht mehr zu fordern. Da die mit der bisherigen Rechtslage (einheitliche Grundgebühr für alle Gewerbebetriebe) für den Gewerbebetrieb des Klägers verbundene Härte - wie oben dargelegt - durch ihren Bagatellcharakter gerechtfertigt wird, besteht kein Anlass im Rahmen des hier zu prüfenden Billigkeitserlasses der Neuregelung des Satzungsgebers Rückwirkung beizumessen. Allein der Satzungsgeber war und ist dazu berufen, Härtefallregelungen, die durch Art. 3 Abs. 1 GG nicht gefordert werden, zu treffen und damit weitere Differenzierungen bei der Gebührenbemessung vorzunehmen. Es ist dagegen nicht Aufgabe der Verwaltungsgerichte, im Wege eines Billigkeitserlasses "optimale Regelungen" zu schaffen, die vom höherrangigen Recht nicht gefordert werden. Vor diesem Hintergrund bedarf auch die zwischen den Beteiligten im Streit stehende Frage, ob der Kläger überhaupt die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Freistellung bzw. Befreiung von der Grundgebühr - nach der derzeitig gültigen Rechtslage - erfüllt, keiner Beantwortung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZBO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Beschluss vom 11. Dezember 2008

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 52 Abs. 3 GKG auf 247,90 EUR festgesetzt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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