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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 23.06.2008
Aktenzeichen: 2 S 6/08
Rechtsgebiete: KAG, BGB, AGBGB


Vorschriften:

KAG § 11
BGB § 967
AGBGB § 5a
Zur Zulässigkeit der Regelung in einer Gebührensatzung, nach der für die Aufbewahrung von Fundsachen, einschließlich ihrer Aushändigung an den Verlierer, Eigentümer oder Finder eine Gebühr erhoben wird.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

2 S 6/08

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Normenkontrollverfahren

hier: Prozesskostenhilfe

hat der 2. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg

am 23. Juni 2008

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Antragstellers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe:

Nach § 166 VwGO in Verbindung mit § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. An dessen Voraussetzungen fehlt es im vorliegenden Fall. Der vom Antragsteller beabsichtigte Normenkontrollantrag bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Der Antragsteller wendet sich gegen Nr. 13 des einen Bestandteil der Satzung der Antragsgegnerin über die Erhebung von Verwaltungsgebühren bildenden Gebührenverzeichnisses, wonach für die Aufbewahrung von Fundsachen, einschließlich ihrer Aushändigung an den Verlierer, Eigentümer oder Finder eine Gebühr erhoben wird, die bei Sachen bis 500 € Wert 3 % des Werts, mindestens aber 3 €, und bei Sachen über 500 € Wert 3 % von 500 € zuzüglich 1 % des 500 € übersteigenden Werts beträgt. Nach der Auffassung des Antragstellers ist diese Regelung rechtswidrig, da die Pflicht zur Verwahrung von Fundsachen den Gemeinden im öffentlichen Interesse übertragen worden sei. Diese Schlussfolgerung trifft nicht zu.

Die umstrittene Regelung hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 2 und 11 KAG, nach denen die Landkreise und Gemeinden berechtigt sind, auf der Grundlage einer entsprechenden Satzung "für öffentliche Leistungen, die sie auf Veranlassung oder im Interesse Einzelner vornehmen," Gebühren zu erheben. Gebühren sind öffentlichrechtliche Geldleistungen, die - im Unterschied zu Steuern - aus Anlass individuell zurechenbarer öffentlicher Leistungen dem Gebührenschuldner durch eine öffentlichrechtliche Norm oder sonstige hoheitliche Maßnahme auferlegt werden und dazu bestimmt sind, in Anknüpfung an diese Leistung deren Kosten ganz oder teilweise zu decken (BVerfG, Beschl. v. 12.10.1994 - 1 BvL 19/90 - BVerfGE 91, 207 mit weiteren Nachweisen). Die gesetzliche Festlegung einer Gebührenpflicht setzt danach voraus, dass von der Verwaltung eine kostenverursachende Leistung erbracht wird und dass zwischen dieser Leistung der Verwaltung und dem Gebührenschuldner eine besondere Beziehung besteht, die es erlaubt, die Leistung dem Gebührenschuldner individuell zuzurechnen. In dieser individuellen Zurechenbarkeit liegt die Rechtfertigung dafür, dass die Amtshandlung nicht aus allgemeinen Steuermitteln, sondern ganz oder teilweise zu Lasten des Gebührenschuldners finanziert wird.

Die nach der Verwaltungsgebührenordnung der Antragsgegnerin den Verlierer, Eigentümer oder Finder einer Fundsache nach Nr. 13 des Gebührenverzeichnisses treffende Zahlungspflicht knüpft an die Pflicht zur Verwahrung der Fundsache an, die den Gemeinden durch § 5a AGBGB in Verbindung mit den §§ 966 und 967 BGB auferlegt ist. Verwahrung bedeutet, die übergebene Sache aufzubewahren, d.h. einen Raum zur Verfügung zu stellen, in dem die Sache bis zur Rückgabe verbleiben kann, und sie in Obhut zu nehmen. Letzteres schließt ein, für die Erhaltung der Sache zu sorgen und ggf. die erforderlichen Schutzvorrichtungen zu treffen (Reuter in Staudinger, Komm. zum BGB, 2006, § 688 Rn. 6). Diese Tätigkeiten kommen in erster Linie dem Eigentümer sowie dem - mit dem Eigentümer nicht notwendigerweise identischen - Verlierer zu gute, da dadurch gewährleistet ist, dass die Sache in dem Zustand zurück gegeben wird, in dem sie sich bei ihrer Ablieferung bei der Fundbehörde befunden hat. Zu den potentiellen Nutznießern dieser Pflicht gehört ferner der Finder, da § 973 BGB bestimmt, dass mit dem Ablauf von sechs Monaten nach der Anzeige des Fundes bei der zuständigen Behörde das Eigentum an der Sache auf den Finder übergeht. Die Aufbewahrung von Fundsachen, einschließlich ihrer Aushändigung an den Verlierer, Eigentümer oder Finder ist danach eine öffentliche Leistung, die diesen Personen in dem oben genannten Sinn individuell zurechenbar ist, da sie hierdurch einen besonderen tatsächlichen Vorteil erhalten.

Ob und inwieweit die Verwahrungspflicht nach § 967 BGB den Gemeinden nicht nur im privaten, sondern auch im öffentlichen Interesse auferlegt ist, kann dabei dahinstehen. Die individuelle Zurechenbarkeit einer gebührenpflichtigen Leistung wird entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Leistung überwiegend oder gar ausschließlich im öffentlichen Interesse erfolgt. Da fast alle gebührenpflichtigen Handlungen auch oder vorwiegend im öffentlichen Interesse erfolgen, genügt es vielmehr für die gebührenrechtliche Heranziehung des Einzelnen, dass er durch eine öffentliche Leistung einen besonderen tatsächlichen Vorteil erhält (BVerfG, Kammer-Beschl. v. 11.8.1998 - 1 BvR 1270/94 - NVwZ 1999, 176; BVerwG, Urt. v. 25.8.1998 - 8 C 12.98 - BVerwGE 109, 272; Urt. v. 3.3.1994 - 4 C 1.93 - BVerwGE 95, 188; Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, 1973, S. 77), wie das hier der Fall ist.

Der Auferlegung einer öffentlich-rechtlichen Zahlungspflicht für die Verwahrung von Fundsachen steht auch nicht entgegen, dass die §§ 965 ff BGB nur eine Regelung darüber treffen, unter welchen Voraussetzungen der Finder von dem Verlierer Ersatz seiner Aufwendungen verlangen kann. Die Besonderheit des Fundrechts besteht darin, dass es einen in erster Linie privatrechtlich erheblichen Sachverhalt in Verbindung bringt mit Tätigkeiten, die den Verwaltungsbehörden im Interesse des Verlierers zugestanden bzw. auferlegt sind. Neben rein privatrechtliche Regelungen treten damit solche öffentlich-rechtlicher Natur. Von über § 967 BGB hinausgehenden Regelungen des behördlichen Verfahrens hat der Gesetzgeber dabei bewusst abgesehen und u. a. die Bestimmungen über den Aufwendungsersatzanspruch der Verwaltungsbehörde dem für das öffentliche Recht zuständigen Landesgesetzgeber überlassen (vgl. Gursky in Staudinger, Komm. zum BGB, Vorbemerkungen zu §§ 965 bis 984, Rn. 4).

Die Auferlegung der Gebühr, die sich bei Gegenständen bis zu einem Wert von 500 € zwischen 3 € und 15 € bewegt, ist dem Verlierer, Eigentümer oder Finder schließlich auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zumutbar. Eine unverhältnismäßige Belastung liegt darin nicht.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 BGB).

Ende der Entscheidung

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