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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 15.11.2001
Aktenzeichen: 2 S 633/00
Rechtsgebiete: AO, BauGB, FlurBG, ZVG, AGGVG, KAG


Vorschriften:

AO § 240
BauGB § 48
BauGB §§ 57 ff.
BauGB § 64
FlurBG § 16
FlurBG § 36 Abs. 1 S. 2
ZVG § 10 Abs. 1 Nr. 3
AGGVG § 31
KAG § 3 Abs. 1 Nr. 5b
KAG § 12
Die Regelung des Erhebungsverfahrens im Bundesbaugesetz für im Umlegungsplan festgesetzte Geldleistungen nach §§ 57 bis 61 BauGB ist nicht abschließend. Die gesetzliche Fiktion des § 64 Abs. 3 BauGB eröffnet für im Umlegungsplan festgesetzte Geldleistungspflichten den Anwendungsbereich der Verfahrensregelungen des Landeskommunalabgabenrechts nach Maßgabe der §§ 12 und 3 KAG.
2 S 633/00

VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

In der Verwaltungsrechtssache

wegen

Säumniszuschlags

hat der 2. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgerichtshof Dr. Semler, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Schraft-Huber und den Richter am Verwaltungsgericht Dr. Haller ohne mündliche Verhandlung

am 15. November 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 8. Februar 1999 - 5 K 731/97 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrags zuzüglich 10 v.H. dieses Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu einem Säumniszuschlag.

Er war Beteiligter des Umlegungsverfahrens "Eichbott/Ob der Mühle" in Leingarten. Nach dem Umlegungsplan, dessen Unanfechtbarkeit am 3.11.1995 eintrat und im Amtsblatt der Beklagten vom 9.11.1995 bekanntgemacht wurde, errechnete sich für den Kläger auf Grund einer wertmäßigen Grundstücksmehrzuteilung ein Geldausgleich an die Beklagte in Höhe von 44.000,-- DM. Nach der Aufstellung des Umlegungsplans hatte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 18.9.1995 mitgeteilt, dass der Zeitpunkt der Unanfechtbarkeit des Umlegungsplans öffentlich bekanntgemacht werde und Geldleistungen nach § 64 Abs. 2 BauGB "mit dem Eintritt der Rechtskraft des Umlegungsplans fällig" würden. Dem Bescheid waren ein Auszug aus der Umlegungskarte und aus dem Umlegungsverzeichnis beigefügt. Letzterer wies unter der Rubrik "Der Eigentümer hat zu leisten" Folgendes aus: Mehrfläche 44.000,-- DM.

Mit Schreiben vom 9.11.1995 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass mit der Bekanntmachung der Unanfechtbarkeit des Umlegungsplans in ihrem Amtsblatt vom 9.11.1995 das Baulandumlegungsverfahren "rechtskräftig" geworden sei. Der Geldausgleich für Mehr- oder Minderflächen könne innerhalb von vier Wochen erfolgen. Sie bat den Kläger weiter darum, den Betrag von 44.000,-- DM auf eines ihrer Konten zu überweisen. Der Kläger zahlte nicht und wurde von der Beklagten unter dem 28.12.1995 gemahnt, den am 28.12.1995 fällig gewordenen Betrag von 44.000,-- DM innerhalb einer Woche zu zahlen. Die schriftliche Bitte des Klägers um Fristverlängerung bis zum 15.1.1996 lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 4.1.1996 ab. Der Betrag von 44.000,-- DM ging am 17.1.1996 bei der Beklagten ein.

Mit Bescheid vom 18.1.1996 setzte die Beklagte gegen den Kläger einen Säumniszuschlag in Höhe von 440,-- DM fest und forderte ihn zur Zahlung auf. Der hiergegen am 22.1.1996 vom Kläger erhobene Widerspruch wurde vom Landratsamt Heilbronn mit - am 8.1.1997 per Einschreiben zur Post aufgegebenem - Widerspruchsbescheid vom 8.1.1997 zurückgewiesen.

Am 10.2.1997 hat der Kläger hiergegen beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben und beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 18.1.1996 und den Widerspruchsbescheid des Landratsamts Heilbronn vom 8.1.1997 aufzuheben. Zur Begründung hat er geltend gemacht, mangels förmlicher Festsetzung des geschuldeten Betrags sei er nicht säumig geworden. Folglich könne auch kein Säumniszuschlag festgesetzt werden.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat Klageabweisung beantragt.

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 8.2.1999 antragsgemäß die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei wohl mit der Zahlung des geschuldeten Mehrwertausgleichs ohne weiteres kraft Gesetzes in Verzug geraten (§ 64 Abs. 2 S. 1, 71 Abs. 1 BauGB). Für die Erhebung des Säumniszuschlags fehle es hier jedoch an der erforderlichen Rechtsgrundlage. Für den Mehrwertausgleich des Baulandumlegungsverfahrens sehe die bundesrechtliche Sonderregelung in § 64 Abs. 2 BauGB keinen Säumniszuschlag vor. Diese Bestimmung sei abschließend und lasse die ergänzende Anwendung des Kommunalabgabenrechts nicht zu. Dies sei der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts über Ausgleichsgebühren im Flurbereinigungsverfahren zu entnehmen.

Zur Begründung ihrer mit Beschluss des Senats vom 9.3.2000 zugelassenen Berufung lässt die Beklagte vortragen: Auf Grund der Fiktion in § 64 Abs. 3 BauGB sei der Mehrwertausgleich im Baulandumlegungsverfahren wie ein Beitrag zu behandeln mit der Folge der Anwendbarkeit von § 3 KAG in Verb. mit § 240 AO. Mit dieser Fiktion habe der Gesetzgeber den Gemeinden bestmögliche Sicherheit verschaffen wollen. Der Mehrwertausgleich habe eine kostendeckende Funktion und stehe in unmittelbarem Zusammenhang mit den durch die Umlegung entstandenen Vorteilen. Eine unterschiedliche Behandlung des Mehrwertausgleichs und des Erschließungsbeitrags sei nicht gerechtfertigt. Dagegen sei das Flurbereinigungsverfahren nicht im Baugesetzbuch geregelt, die Teilnehmerbeiträge beträfen nicht die Ausführungskosten nach § 105 Flurbereinigungsgesetz und schließlich fehle es dort an einer § 64 Abs. 3 BauGB entsprechenden Fiktion. Der Sinn der Fiktion in § 64 Abs. 3 BauGB erschöpfe sich nicht darin, eine öffentliche Last mit der Folge eines dinglichen Verwertungsrechts der Gemeinde zu begründen. Auch das Flurbereinigungsrecht sehe vor, dass Geldleistungen als öffentliche Last auf den betroffenen Grundstücken ruhen, ohne diese als Beiträge zu fingieren. Die Beitragsfestsetzung sei auch hinreichend bestimmt erfolgt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 8.2.1999 - 5 K 731/97 - zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung führt er aus, das Kommunalabgabengesetz sei auf Geldleistungen nach § 64 Abs. 3 BauGB nicht anwendbar. Denn diese seien keine Beiträge im abgabenrechtlichen Sinn. Der Umlegungsmehrwertausgleich sei mit der Geldleistung nach dem Flurbereinigungsgesetz vergleichbar. Der Gesetzgeber bezeichne den zu zahlenden Betrag als Geldleistung und nicht als Beitrag, außerdem habe er Fälligkeit und Verzinsung in § 64 Abs. 2 BauGB geregelt. Jedenfalls fehle es an einer wirksamen Steuerfestsetzung.

Dem Senat liegen die Akten der Beklagten (ein Heft) und die Widerspruchsakten des Landratsamts Heilbronn (ein Heft) sowie die Akten des Verwaltungsgerichts vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf diese Akten und die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der zulässigen Anfechtungsklage nicht stattgeben dürfen. Denn der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 18.1.1996 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts Heilbronn vom 8.1.1997 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

Rechtsgrundlage für die Erhebung des Säumniszuschlags sind §§ 12, 3 Abs. 1 Nr. 5 b KAG in Verb. mit § 240 Abs. 1 AO. Danach ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 v.H. des rückständigen auf 100 Deutsche Mark nach unten abgerundeten Abgabenbetrags zu entrichten, wenn eine sonstige öffentlich-rechtliche Abgabe nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstags entrichtet wird. Die Verpflichtung des Klägers zur Geldleistung nach §§ 57 bis 61 BauGB, nämlich zum Mehrwertausgleich im Baulandumlegungsverfahren, ist eine sonstige öffentlich-rechtliche Abgabe. Ihre Erhebung richtet sich nach Maßgabe der in § 3 KAG enumerativ für anwendbar erklärten Vorschriften der Abgabenordnung, soweit nicht einzelgesetzlich ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist (1). Die festgesetzte Geldleistung wurde auch nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstags entrichtet (2).

1. Der Kläger ist nach dem unanfechtbar gewordenen Umlegungsplan "Eichbott/Ob der Mühle" der Beklagten zur Zahlung einer Geldleistung nach §§ 57 bis 61 BauGB in Höhe von 44.000,-- DM verpflichtet gewesen. Diese Geldleistungspflicht ist zwar keine Kommunalabgabe im Sinne des § 1 KAG, für die das Kommunalabgabengesetz unmittelbar Anwendung findet. Denn es handelt sich dabei weder um eine von der Gemeinde zu erhebende Steuer oder Gebühr noch um einen Beitrag. Steuern sind einmalige oder laufende Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen, und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einkünften allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft (§ 3 Abs. 1 S. 1 1.Hs. AO). Gebühren sind öffentlich-rechtliche Geldleistungen, die aus Anlass individuell zurechenbarer, öffentlicher Leistungen dem Gebührenschuldner durch eine öffentlich-rechtliche Norm oder sonstige hoheitliche Maßnahme auferlegt werden und dazu bestimmt sind, in Anknüpfung an diese Leistung deren Kosten ganz oder teilweise zu decken (BVerfGE 50, 217). Unter diese Begriffsbestimmungen fällt die hier in Rede stehende Geldleistung des Klägers nicht. Weiter handelt es sich auch um keinen Beitrag nach § 10 KAG. Danach können Gemeinden und Landkreise zur teilweisen Deckung der Kosten für die Anschaffung, Herstellung oder den Ausbau öffentlicher Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern erheben, denen durch die Möglichkeit des Anschlusses ihres Grundstücks an die Einrichtung nicht nur vorübergehende Vorteile geboten werden.

Die Verfahrensregelungen des Kommunalabgabenrechts, nämlich §§ 3, 5 und 5 a KAG finden jedoch nach § 12 KAG sinngemäß auch auf sonstige öffentlich-rechtliche Abgaben und Umlagen Anwendung, die von Gemeinden, Gemeindeverbänden und sonstigen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen mit Ausnahme der Landeswohlfahrtsverbände erhoben werden, soweit nicht eine besondere gesetzliche Regelung besteht. Der Begriff der sonstigen öffentlich-rechtlichen Abgabe wurde vom Gesetzgeber bewusst weit gefasst. Die Bestimmung bezweckt aus Vereinfachungsgründen eine landeseinheitliche Regelung auf dem Gebiet des Abgabenverwaltungsverfahrens für den Bürger und die mit der Verwaltung von Abgaben befassten Behörden und Körperschaften, soweit die Landeskompetenz reicht. § 12 KAG betrifft Geldleistungen, die dem Bürger durch einseitigen hoheitlichen Akt zugunsten einer juristischen Person des öffentlichen Rechts auferlegt werden, um ihren in der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe dienenden Finanzbedarf zu decken (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 11.9.1986 - 14 S 315/85 -; Beschluss vom 2.4.1992 - 9 S 99/92 -, VBlBW 1992, 480).

Bei dem vom Kläger zu erbringenden Umlegungsmehrausgleich handelt es sich um eine solche sonstige öffentlich-rechtliche Abgabe. § 64 Abs. 3 BauGB, wonach die Verpflichtungen des Eigentümers oder des Erbbauberechtigten zu Geldleistungen nach den §§ 57 bis 61 als Beitrag gelten und als öffentliche Last auf dem Grundstück oder dem Erbbaurecht ruhen, fingiert nämlich dessen Eigenschaft als Beitrag. Mit dieser gesetzlichen Fiktion wird für Geldleistungsverpflichtungen nach §§ 57 bis 61 BauGB der Anwendungsbereich der Verfahrensregelungen des Landeskommunalabgabenrechts nach Maßgabe der §§ 12 und 3 KAG eröffnet.

Der durch die Fiktion veranlassten Anwendung der abgabenverwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen der §§ 12 und 3 KAG steht Bundesrecht nicht entgegen. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Baulandumlegungsverfahren stützt sich ausschließlich auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG. Die Erhebung der im Umlegungsplan festgesetzten Geldleistungen obliegt den Gemeinden, soweit sie Gläubigerin sind (§ 46 BauGB). Insoweit regeln die Länder auch das Verwaltungsverfahren (Art. 83 GG). Diese Regelungsbefugnis ist nach Art. 84 Abs. 1 GG nur insoweit beschränkt, als das Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrats etwas anderes bestimmt. Dies ist bezüglich der Erhebung eines Säumniszuschlags für eine verspätet geleistete Umlegungsmehrwertausgleichszahlung nicht der Fall.

Der Senat teilt die Bedenken des Verwaltungsgerichts gegen eine Anwendbarkeit des § 240 Abs. 1 AO in Verb. mit §§ 12, 3 Abs. 1 Nr. 5 b KAG als Rechtsgrundlage für die Erhebung eines Säumniszuschlags für die säumig entrichtete Geldleistung des Klägers nicht.

Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Fiktion als allgemeines gesetzestechnisches Mittel ist allgemein anerkannt (vgl. dazu Schneider, Gesetzgebung, 2. Aufl., Rdnrn. 369, 371 ff.; Tipke/Kruse, Abgabenordnung, § 42 Rdnr. 11; BVerfGE 31, 314, 330 f.). Auf Grund der Fiktion ordnet der Rechtsanwender einen Sachverhalt, den der Pflichtige nicht verwirklicht hat, dem gesetzlichen Tatbestand zu. Anhaltspunkte dafür, dass dies auf Grund der gesetzlichen Fiktion in § 64 Abs. 3 BauGB in sachwidriger Weise geschehe, sind angesichts des beitragsähnlichen Charakters der betroffenen Geldleistungen nicht ersichtlich. Die Geldleistungen nach §§ 57 bis 61 BauGB stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit den durch die Umlegung entstehenden - auszugleichenden - Vorteilen (vgl. §§ 57 S. 5, 58 Abs. 2, 59 Abs. 2, 60 S. 1 2. Hs., 61 Abs. 2 und 3 BauGB usw.). Sie sind als Äquivalent für das Inkrafttreten der neuen Eigentums- und sonstigen Rechtsverhältnisse anzusehen. Außerdem kommt ihnen auch eine kostendeckende Funktion zu (§ 78 BauGB). Mit Hinweis auf diese Eigenschaften hat das Bundesverfassungsgericht die Geldleistungen als beitragsähnliche Abgaben bezeichnet (BVerfGE 18, 274, 287; weiter Schriever in Brügelmann, BauGB, Rdnrn. 26 f. zu § 64; Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 6. Aufl., Rdnr. 10 zu § 64; Stemmler/Otte in: Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, Rdnr. 1 zu § 64 und Rdnrn. 38, 41 zu § 57 unter Hinweis auf RGZ 131, 137, 139; 83, 206, 211).

§ 64 Abs. 3 BauGB will wie seine insoweit gleichlautenden Vorgängerregelungen zweierlei erreichen: Zum einen sollen die Geldleistungen wie Beiträge beigetrieben und zum anderen im Falle einer Zwangsversteigerung vorrangig befriedigt werden können (Schriever in Brügelmann, BauGB, aaO). Dies entsprach auch der Absicht des Gesetzgebers (BT-Drs. 3/336 S. 59 zu § 58 BBauG). Dabei erschöpft sich der Sinn der Beitragsfiktion nicht bereits darin, derartige Geldleistungen als öffentliche Last auf dem Grundstück ruhen zu lassen (so aber: Stich in Berliner Kommentar zum Baugesetzbuch, 2. Aufl., Rdnr. 5 zu § 64; Stang in Schrödter, BauGB, 6. Aufl., Rdnr. 12 zu § 64). Die Eigenschaft einer Geldleistung als öffentliche Last, die nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG ein dingliches Verwertungsrecht begründet und einen Anspruch auf bevorzugte Befriedigung im Falle der Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung verleiht, entsteht kraft Gesetzes (vgl. § 54 GBO, § 64 Abs. 6 BauGB) und ist nicht von ihrer Beitragsqualität abhängig. Dieses Verständnis des - bundesrechtlich nicht legal definierten - Begriffs der öffentlichen Last liegt auch § 31 Abs. 1 AGGVG zugrunde. Danach sind öffentliche Lasten eines Grundstücks im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3 und des § 156 Abs. 1 ZVG die Abgaben und Leistungen, die auf dem Grundstück lasten und nicht auf einer privatrechtlichen Verpflichtung beruhen. Davon geht weiter auch § 31 Abs. 2 AGGVG aus, der zu den öffentlichen Lasten im Sinne des Abs. 1 "insbesondere" Beiträge im Sinne des § 10 KAG und Kirchensteuern, die aus den Grundsteuermessbeträgen erhoben werden, zählt.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts kann § 64 BauGB für Geldleistungen nach §§ 57 bis 61 BauGB auch keine abschließende und die ergänzende Anwendung des Landeskommunalabgabenrechts ausschließende Regelung des Erhebungsverfahrens entnommen werden. § 64 BauGB enthält weder in Bezug auf Verzugszinsen noch auf die hier in Rede stehenden Säumniszuschläge eine Regelung, sondern lediglich in Abs. 2 S. 3 für den Fall der Stundung oder Verrentung der Geldleistung eine Bestimmung über deren Verzinsung. Weiter sieht Satz 3 eine Verzinsung vor, wenn der Umlegungsplan lediglich wegen der Höhe einer Geldleistung angefochten wurde. Daraus zu folgern, der Gesetzgeber habe für Geldleistungen nach §§ 57 bis 61 BauGB die Erhebung von Säumniszuschlägen ausschließen wollen, lässt sich auch nicht mit einer Vergleichbarkeit der Interessenlage der Beteiligten des Baulandumlegungsverfahrens und der Teilnehmer eines Flurbereinigungsverfahrens begründen. Eine solche besteht nämlich insoweit nicht. Für rückständige Teilnehmerbeiträge im Flurbereinigungsrecht hat das Bundesverwaltungsgericht zwar die ergänzende Anwendung des Landeskommunalabgabenrechts und damit die Erhebung von Säumniszuschlägen ausgeschlossen (BVerwG, Urteil vom 3.11.1988 - 5 C 38.84 -, NVwZ 1989, 870). Aber die dafür maßgebliche Voraussetzung liegt im Falle des Mehrwertausgleichs im Baulandumlegungsverfahren gerade nicht vor. Die Beteiligten des Baulandumlegungsverfahrens (§ 48 BauGB) sind nämlich im Unterschied zur Teilnehmergemeinschaft im Flurbereinigungsverfahren (§ 16 S. 2 FlurBG) nicht zwangsweise zu einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zusammengefasst. Das Bundesverwaltungsgericht führt ausgehend von dem grundrechtlich gesicherten Schutz eines jeden Teilnehmers (Art. 2 Abs. 1 GG) davor, durch Zwangsmitgliedschaft von "unnötigen" Körperschaften in Anspruch genommen zu werden (vgl. BVerfGE 38, 281, 298), aus, dass die angestrebte zügige Auflösung der Teilnehmergemeinschaft mit der Erhebung von Säumniszuschlägen nicht vereinbar sei. § 136 Abs. 1 S. 2 FlurBG halte für Beitragsforderungen der Gemeinde allein den Erfüllungszwang bereit und zwinge damit im Säumnisfall zur zügigen Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen. Säumniszuschläge führten hingegen als Instrument des nur mittelbar wirkenden Beugezwangs gegebenenfalls nur zu - verzögernden - "Zwangsversuchen", weshalb das Schweigen des Flurbereinigungsgesetzes zur Zulässigkeit von Säumniszuschlägen als Ausschluss ihrer Zulässigkeit zu werten sei.

Damit ist die Situation der Beteiligten des Umlegungsverfahrens nicht vergleichbar. Sie sind nach der Konzeption der §§ 45 ff. BauGB nicht Zwangsmitglieder einer Körperschaft des öffentlichen Rechts und daher nicht wechselseitig auf die zügige Beitreibung der Geldleistungen angewiesen bzw. durch säumige Zahler in ihrem Freiheitsanspruch nach Art. 2 Abs. 1 GG betroffen. Nach § 64 Abs. 1 BauGB ist vielmehr die Gemeinde Gläubigerin und Schuldnerin der im Umlegungsplan festgesetzten Geldleistungen, so dass die Beteiligten des Umlegungsverfahrens (§ 48 BauGB) nicht von den wirtschaftlichen Folgen des rechtswidrigen Verhaltens einzelner Säumiger belastet werden. Dementsprechend hat die Gemeinde an der zügigen Beitreibung ausstehender fälliger Geldleistungen nach §§ 57 bis 61 BauGB ein der Beitreibung von Kommunalabgaben im Sinne des § 1 KAG vergleichbares Interesse, zumal Säumniszuschläge unbeschadet ihrer Funktion als abgabenrechtliches Druckmittel eigener Art auch die Funktion zukommt, wirtschaftliche Nachteile auszugleichen, die der öffentlichen Hand durch Zahlungsverzögerungen - sei es im Sinne eines Zinsersatzes anstelle von Stundungs- und Aussetzungszinsen, sei es zur Abdeckung des besonderen Verwaltungsaufwands, der bei der Verwaltung durch die nicht fristgerechte Zahlung fälliger Abgaben anfällt - entsteht.

2. Entgegen der Auffassung des Klägers war der Umlegungsmehrwertausgleich auch festgesetzt, als die Säumnis eintrat. Nach §§ 12, 3 Abs. 1 Nr. 5 b KAG in Verb. mit § 240 Abs. 1 S. 1 und 3 AO ist Voraussetzung für die Erhebung eines Säumniszuschlags, dass die zuvor festgesetzte oder angemeldete Abgabe trotz Fälligkeit nicht entrichtet wurde. Geldleistungen nach §§ 57 bis 61 BauGB werden im Umlegungsplan festgesetzt, wie sich unmittelbar aus § 64 Abs. 1 BauGB ergibt. Die vom Kläger zu entrichtende Geldleistung in Höhe von 44.000,-- DM war im - unanfechtbar gewordenen - Umlegungsplan "Eichbott/Ob der Mühle" festgesetzt worden. Dem Bescheid der Beklagten vom 18.9.1995 war der die Rechte des Klägers betreffende Auszug aus dem Umlegungsplan beigefügt und dem Kläger zugestellt worden (§ 70 Abs. 1 BauGB). Dem war zu entnehmen, dass dem Kläger als Eigentümer die Geldleistungsverpflichtung in Höhe von 44.000,-- DM auferlegt worden war. Die zwischen den Verfahrensbeteiligten umstrittene Frage, ob in dem Bescheid vom 18.9.1995 oder in dem Schreiben der Beklagten an den Kläger vom 9.11.1995 eine Festsetzung der Geldleistung erfolgte, stellt sich daher nicht als entscheidungserheblich. Da die Beklagte sich in dem angefochtenen Bescheid auf die Erhebung eines Säumniszuschlags für nur einen angefangenen Monat beschränkt hat, bedarf weiter keiner Entscheidung, ob die Fälligkeit der Geldleistungsverpflichtung des Klägers bereits am 3.11.1995 (Bescheid vom 18.9.1995) bzw. am 9.11.1995 mit der ortsüblichen Bekanntmachung der Unanfechtbarkeit des Umlegungsplans (§ 64 Abs. 2 S. 1 in Verb. mit § 71 Abs. 1 S. 1 BauGB) oder erst am 28.12.1995 (vgl. die Mahnung der Beklagten vom 28.12.1995) oder jedenfalls eine Woche später eintrat. Selbst beim letztgenannten Fälligkeitstermin ist die Fünftagesfrist des § 240 Abs. 3 S. 1 AO gewahrt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO in Verb. mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Beschluss

vom 15. November 2001

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gem. § 13 Abs. 2 GKG auf 440,-- DM festgesetzt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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