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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 08.05.2003
Aktenzeichen: 2 S 699/02
Rechtsgebiete: RGebStV


Vorschriften:

RGebStV § 1 Abs. 2 Satz 1
RGebStV § 1 Abs. 2 Satz 2
RGebStV § 5 Abs. 3
Die von einem Lebensmitteldiscounter bei Sonderaktionen originalverpackt zum Kauf angebotenen Rundfunkempfangsgeräte werden im Sinne von §§ 1 Abs. 2, 5 Abs. 3 RGebStV zu Prüf- und Vorführzwecken zum Empfang bereitgehalten, wenn sie den Rundfunkempfang ohne besonderen (zusätzlichen) technischen Aufwand ermöglichen. Es kommt nicht darauf an, ob die Geräte nach dem Willen des Unternehmens im Rahmen der Verkaufsveranstaltung in Betrieb gesetzt werden und Programme empfangen sollen oder dürfen.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

2 S 699/02

In der Verwaltungsrechtssache

wegen

Rundfunkgebühren

hat der 2. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgerichtshof Dr. Semler, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schmitt-Siebert und den Richter am Verwaltungsgericht Morlock auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 8. Mai 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 10. Oktober 2001 - 3 K 3157/00 - geändert und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrags zuzüglich 10 v.H. dieses Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Gebührenpflicht für bei Sonderaktionen in ihren Verkaufsstellen verkaufte Rundfunkgeräte.

Der beklagte Rundfunk - Südwestrundfunk - zog die Klägerin im Hinblick auf bei Sonderaktionen einer ihrer Verkaufsstellen zwischen April 1998 und März 2000 zum Verkauf angebotene Rundfunkempfangsgeräte für jeweils eines der bei jeder Aktion angebotenen Geräte (9 Fernseh- und 5 Hörfunkgeräte) zu Gebühren von insgesamt 301,50 DM heran. Den hiergegen von der Klägerin erhobenen Widerspruch wies die Beklagte durch Bescheid vom 5.6.2000 zurück.

Mit ihrer am 28.6.2000 beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhobenen Klage machte die Klägerin - wie im Vorverfahren - im Wesentlichen geltend, sie habe weder die rechtliche noch die tatsächliche Verfügungsgewalt über die in den einzelnen Verkaufsstellen angebotenen Waren. Im Übrigen würden die Geräte in den Verkaufsstellen auf Grund firmeninterner Anweisung ausschließlich originalverpackt verkauft. Weder dem Personal noch den Kaufinteressenten sei die Öffnung der Verpackung gestattet. Testvorführungen fänden nicht statt. Eine Änderung dieses Prozedere würde unzweifelhaft in der Öffentlichkeit bekannt und sei damit ohne weiteres objektiv feststellbar.

Dem Antrag der Klägerin, den Bescheid der Beklagten vom 1.3.2000 und deren Widerspruchsbescheid vom 5.6.2000 aufzuheben, ist diese entgegengetreten und hat die Abweisung der Klage beantragt.

Durch Urteil vom 10.10.2001 - 3 K 3157/00 - hat das Verwaltungsgericht der Klage mit der Begründung stattgegeben: Die Klägerin habe zwar eine beherrschende Stellung in Bezug auf die einzelnen Verkaufsstellen, sie sei jedoch tatsächlich nicht in der Lage, mit den dort angebotenen Geräten Rundfunkprogramme zu empfangen. Das Verbot, diese Geräte in Betrieb zu nehmen, hindere sie daran, die Benutzung der Geräte zu regeln. Verstöße gegen das Direktions- und Hausrecht der Klägerin seien ohne weiteres feststellbar.

Gegen das ihm am 31.12.2001 zugestellte Urteil hat der Beklagte die vom Senat mit Beschluss vom 11.3.2002 zugelassene Berufung erhoben. Zu deren Begründung bringt er im Wesentlichen vor, mit den im Streit befindlichen Rundfunkempfangsgeräten könnten ohne besonderen zusätzlichen technischen Aufwand Rundfunkdarbietungen empfangen werden. Weder die bloße Entnahme aus der Originalverpackung noch die Inbetriebnahme durch Herstellung eines Stromanschlusses oder das Einlegen von Batterien seien mit erheblichem technischem Aufwand verbunden. Das Verbot, die Geräte auszupacken und in Betrieb zu nehmen, könne mit geringem - rundfunkrechtlich ohnehin bedeutungslosem - organisatorischem Aufwand aufgehoben werden. Verstöße hiergegen seien für die Kaufinteressenten ohnehin schon jetzt dann folgenlos, wenn sie den Verkauf des Geräts an Dritte nicht unmöglich machten. Auch sei das Verbot des Auspackens und Inbetriebnehmens der Geräte sogar eine besonders intensive Einwirkung auf sie und stelle damit rechtlich ein Bereithalten zum Empfang dar. Die Gebührenpflichtigkeit der Klägerin entspreche der Gerätebezogenheit der Rundfunkgebühr und dem Umstand, dass jedes betriebsfähig aufgestellte Rundfunkempfangsgerät einem bestimmten Rundfunkteilnehmer zugeordnet werden könne. Hinsichtlich des Vertriebs von Rundfunkempfangsgeräten unterscheide die Klägerin sich nicht von anderen Händlern. Wenngleich ihr Vertrieb grundsätzlich auf raschen Warenumschlag ausgerichtet sei, biete sie doch gerade im Zusammenhang mit dem Verkauf von Rundfunkempfangsgeräten zunehmend Dienstleistungen an.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 10.10.2001 - 3 K 3157/00 - zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene gerichtliche Entscheidung und hebt darauf ab, dass Rundfunkempfangsgeräte nicht zu ihrem ständigen Sortiment/Kernsortiment gehörten.

Dem Senat liegen die einschlägigen Akten des Verwaltungsgerichts und die der beklagten Rundfunkanstalt vor. Auf diese und auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der beklagten Rundfunkanstalt ist zulässig und hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der zulässigen Anfechtungsklage der Klägerin zu Unrecht stattgegeben. Diese wird durch den Gebührenbescheid des Beklagten vom 1.3.2000 (i.d.F. des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 5.6.2000) nicht in ihren Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 VwGO). Denn die Klägerin ist für die Sonderaktionen ihrer Verkaufsstelle rundfunkgebührenpflichtig.

Rechtsgrundlage für die im genannten Bescheid festgesetzten Rundfunkgebühren ist der Rundfunkgebührenstaatsvertrags - RGebStV - (Art. 4 des Staatsvertrags über den Rundfunk im vereinten Deutschland vom 31.8.1991, GBl. S. 745, geändert durch den Dritten Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 26.8./11.9.1996, GBl. S. 753; zuletzt geändert - aber ohne Auswirkungen auf den RGebStV - 6. Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 20.12.2001, dazu Gesetz zum 6. Rundfunkänderungsstaatsvertrag und zur Änderung des Gesetzes zu dem Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland vom 20.6.2002, GBl. S. 207).

Danach besteht die Rundfunkgebührenpflicht für jeden Rundfunkteilnehmer und für jedes von ihm zum Empfang bereitgehaltene Rundfunkgerät (§ 2 Abs. 2 RGebStV). Nach § 1 Abs. 2 S. 1 RGebStV ist Rundfunkteilnehmer, wer ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereithält. Nach Satz 2 dieser Bestimmung wird ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereitgehalten, wenn damit ohne besonderen zusätzlichen technischen Aufwand Rundfunkdarbietungen, unabhängig von Art, Umfang und Anzahl der empfangbaren Programme, unverschlüsselt oder verschlüsselt, empfangen werden können.

Diese Bestimmungen sind weit gefasst, aber der Auslegung zugänglich und daher ersichtlich nicht unbestimmt (vgl. schon VGH Bad.-Württ., Urteil vom 9.10.1981 - II 2291/79 -; Grupp, Grundfragen des Rundfunkgebührenrechts, 1983, 108).

In der Rechtsprechung ist geklärt, dass nach objektiven Kriterien zu bestimmen ist, wer Rundfunkteilnehmer ist, und es mit Blick hierauf maßgeblich ist, wer die rechtlich gesicherte tatsächliche Verfügungsmacht über das Empfangsgerät besitzt, wer also die Möglichkeit hat, das Gerät zu nutzen, d.h. insbesondere über seinen Einsatz und die Programmwahl tatsächlich und verantwortlich zu bestimmen (allg. Meinung; vgl. nur VGH Bad.-Württ., Urteil vom 7.8.1992, VBlBW 1993, 11; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 6.9.1999, NJW 2000, 649). Hinsichtlich der bei den Sonderaktionen ihrer Verkaufsstelle angebotenen Rundfunkempfangsgeräte besaß die Klägerin ein uneingeschränktes Bestimmungsrecht.

Ihrer Rundfunkteilnehmereigenschaft steht nicht entgegen, dass sie als GmbH & Co. OHG juristische Person ist . Denn auch mit dieser Eigenschaft kann - was auch das Verwaltungsgericht nicht verkannt hat - ein Rundfunkgerät zum Empfang bereitgehalten werden, d.h. ein solches Gerät in dem eigenen Verfügungsbereich so gehalten werden, dass ein Rundfunkempfang ohne besonderen zusätzlichen technischen Aufwand möglich ist (Senatsurteil vom 25.10.2001 - 2 S 88/01 -), wobei es dem gleichsteht, wenn für das Rundfunkgerät vom Betreffenden eine eigenständige verbindliche Benutzungsregelung getroffen werden kann (dazu Senatsurteil vom 7.8.1992, VBlBW 1993, 11 und vom 25.10.2001, aaO; vgl. ferner Grupp, aaO, S. 109). Eine Regelung in diesem Sinne ist nicht nur - wovon das Verwaltungsgericht offenbar ausging - die Bestimmung über das "Wie" der Benutzung, sondern erst recht eine solche über das "Ob", wie sie hier getroffen wurde.

Die zum Verkauf bereitgehaltenen Rundfunkempfangsgeräte waren ungeachtet des Verbots, sie der Verpackung zu entnehmen und in Betrieb zu setzen, im rundfunkgebührenrechtlichen Sinn zum Empfang geeignet. Eine solche Eignung setzt nach § 1 Abs. 2 S. 2 RGebStV lediglich voraus, dass Rundfunkdarbietungen "ohne besonderen zusätzlichen technischen Aufwand" empfangen werden können. Aus dieser Regelung ergibt sich, dass die Rundfunkgebührenpflicht allein auf Grund der abstrakten technischen Möglichkeit des Rundfunkempfangs entsteht. Die Eignung eines Geräts zum Rundfunkempfang ist dementsprechend ebenfalls lediglich auf Grund der technischen Gegebenheiten unabhängig von der tatsächlichen Nutzung des Geräts und dem hierauf gerichteten Willen des Nutzungsberechtigten mit der Folge zu beurteilen, dass etwa Vorstellungen von Unternehmer oder Verkäufer über die Inbetriebnahme von Rundfunkempfangsgeräten bei Verkaufsaktionen unerheblich sind. Die für die Entstehung der Rundfunkgebührenpflicht maßgebliche Empfangseignung ist vielmehr nur dann zu verneinen, wenn der Rundfunkempfang technisch "auf Dauer" unmöglich ist. Dies ist etwa der Fall, wenn der Empfangsteil entfernt wurde, nicht jedoch schon dann, wenn das Gerät lediglich reparaturbedürftig ist (vgl. dazu Hermann, Rundfunkrecht, § 31 Rdnr. 20; vgl. auch die Beschlüsse des Senats vom 7.12.1998 - 2 S 1974/98 - und vom 15.11.2001 - 2 S 2027/01 -).

Im Grundsatz nichts anderes gilt für die Beantwortung der Frage, ob Unternehmen, die sich gewerbsmäßig mit der Herstellung, dem Verkauf, dem Einbau oder der Reparatur von Rundfunkempfangsgeräten befassen, entsprechende Geräte für Prüf- und Vorführzwecke zum Empfang bereithalten (vgl. § 5 Abs. 3 RGebStV). Auch hier ist für die Rundfunkgebührenpflichtigkeit ausreichend, dass ein Rundfunkempfangsgerät sich so im Verfügungsbereich des Unternehmens befindet, dass der Rundfunkempfang ohne besonderen zusätzlichen technischen Aufwand für Prüf- und Vorführzwecke nutzbar gemacht werden kann.

Diese aus dem Wortlaut des Gesetzes gewonnene Auslegung wird durch Sinn und Zweck des Staatsvertrags, insbesondere durch dessen Systematik, und die sich hieraus ergebende Rechtsnatur der Rundfunkgebühr bestätigt.

Die Rundfunkgebühr ist eine öffentlich-rechtliche Abgabe zur Finanzierung der Landesrundfunkanstalten (BVerfG, Urteil vom 27.7.1971, BVerfGE 31, 314, 329 f. und VGH Bad.-Württ., Urteil vom 25.8.1975 - V 593/75 -). Zur Finanzierung der Gesamtveranstaltung Rundfunk soll grundsätzlich jeder beitragen, der im Rahmen der gebotenen Sachherrschaft die Möglichkeit zur Wahrnehmung von Rundfunkdarbietungen hat, es sei denn, es liege ein Befreiungstatbestand vor.

Danach ist die Klägerin hinsichtlich aller Rundfunkempfangsgeräte, die in ihren Verkaufsstellen angeboten werden, Rundfunkteilnehmerin. Die sie deshalb treffende Gebührenpflicht entfällt nach § 5 Abs. 3 RGebStV lediglich bei Entrichtung der Rundfunkgebührenpflicht für eines der Geräte für die weiteren entsprechenden Geräte. Die elektronischen Waren werden in ihren Verkaufsstellen zwar - wie gerichtsbekannt ist - regelmäßig originalverpackt angeboten und im Regelfall auch ohne Prüfung der Geräte in ihrer Funktion als Empfangsgeräte erworben. Dies ändert jedoch nichts daran, dass ein Rundfunkempfang - wenn er nach dem Verkaufskonzept der Klägerin erwünscht sein sollte - "ohne besonderen zusätzlichen Aufwand möglich" wäre. Sei es, dass die Geräte mit Batterien bestückt oder die Empfangsbereitschaft anderweit durch einen Stromanschluss hergestellt würde. Allein der Umstand, dass derzeit die Stromanschlüsse in den Verkaufsräumen in anderer Weise - etwa zu Kühlmöglichkeiten - genutzt werden, macht es weder besonders schwierig noch auf Dauer unmöglich, sich ihrer auch zum Vorführen von Elektrogeräten zu bedienen. Die faktischen Vorgaben des Lebensmitteldiscounts - schneller Durchlauf der Waren und damit auch lediglich kurzzeitiges "Bereithalten" von Rundfunkempfangsgeräten - unterscheidet diesen Handelssektor nur hinsichtlich des zeitlichen Ablaufs des Verkaufs vom klassischen Rundfunkhandel. Hierin liegt aber kein Unterschied, der für die Beantwortung der Frage bedeutsam sein könnte, ob die zum Verkauf angebotenen Rundfunkempfangsgeräte zu Prüf- und Vorführzwecken bereitgehalten werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 2 VwGO in Verb. mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Beschluss vom 8. Mai 2003

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 154,15 EUR (vormals 301,50 DM) festgesetzt (vgl. § 13 Abs. 2 GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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