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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 19.01.2009
Aktenzeichen: 3 S 2967/08
Rechtsgebiete: GKG


Vorschriften:

GKG § 52 Abs. 1
1. Bei der Streitwertfestsetzung für auf Erteilung eines Bauvorbescheids gerichtete Klagen ist vom Wert der Bodenwertsteigerung auszugehen, wenn der Erfolg der Klage von der grundsätzlichen Frage der Bebaubarkeit des Baugrundstücks abhängt (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung der Baurechtssenate des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg).

2. Soweit sämtliche bauplanungsrechtliche Fragen (sog. Bebauungsgenehmigung) oder jedenfalls die "vollständige" Bebaubarkeit des Baugrundstücks nach Art und Standort sowie Erschließung in dem Bauvorbescheid zur Prüfung gestellt werden, kann für die Streitwertfestsetzung der volle Wert der Bodenwertsteigerung zugrunde gelegt werden; einer Reduktion im Hinblick auf den Charakter als (bloßer) Vorbescheid bedarf es in diesem Fall nicht.

3. Wird die (streitige) Frage der Erschließung des Baugrundstücks von der Bauvoranfrage ausgenommen, ist es angebracht, der Streitwertbemessung den Wert der Bodenwertsteigerung nur zur Hälfte zugrunde zu legen (wie schon VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 01.09.1997 - 5 S 1379/97 -, NVwZ-RR 1998, 459).


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

3 S 2967/08

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Bauvorbescheid

hier: Streitwert

hat der 3. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg am 19. Januar 2009 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren unter Abänderung des Streitwertbeschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 2. September 2008 - 5 K 1477/07 - auf 58.650,-- EUR festgesetzt.

Gründe:

1. Die fristgerecht erhobene Beschwerde des Klägers ist zulässig. Dabei kann der Senat offen lassen, ob der Vertretungszwang nach Maßgabe des § 67 Abs. 2 bis 7 VwGO seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts zum 1. Juli 2008 Geltung auch für die Streitwertbeschwerde beansprucht (vgl. hierzu verneinend: OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09.09.2008 - 5 E 1093/08 -, DVBl 2008, 1463; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.12.2008 - 8 S 2656/08 -; bejahend: Hartung, in: Posser/Wolff, VwGO, 2008, § 67 RdNr. 48). Denn der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat sich dessen Streitwertbeschwerde noch innerhalb der Sechs-Monats-Frist des § 68 Abs. 1 Satz 3 GKG in Verbindung mit § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG zu eigen gemacht, so dass den Anforderungen des § 67 Abs. 4 VwGO in jedem Falle genügt ist.

2. Die Streitwertbeschwerde des Klägers ist nur teilweise begründet, denn das Verwaltungsgericht hat seiner Streitwertfestsetzung im Ansatz zu Recht nicht Gliederungspunkt 9.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Fassung 2004) zugrunde gelegt (dazu nachfolgend a), sondern sich insoweit von der im Streit stehenden Bodenwertsteigerung leiten lassen (b), wobei eine Streitwertreduktion im Hinblick auf den Charakter als (bloßer) Vorbescheid regelmäßig nicht angebracht ist (c). Mit Blick auf den beantragten Umfang der Prüfung der Bebaubarkeit des Grundstücks hätte das Verwaltungsgericht den Streitwert hier jedoch abweichend vom Wert der Bodenwertsteigerung festsetzen müssen (d).

a) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 GKG). Hierbei orientiert sich der Senat in ständiger Spruchpraxis an dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, Fassung 2004 (abgedruckt in: Kopp/Schenke, VwGO, 15. Auflage [2007], Anhang zu § 164 VwGO, RdNr.14). Dieser sieht in seinem - das Bau- und Bodenrecht betreffenden - Gliederungspunkt 9 vor, dass grundsätzlich die dortigen - einzeln ausgewiesenen - Werte gelten. Soweit diese die Bedeutung des Vorbescheides für den Kläger nicht angemessen erfassen, gilt stattdessen das geschätzte wirtschaftliche Interesse. Die Baurechtssenate des Verwaltungsgerichtshofs gehen in ihrer Spruchpraxis betreffend Klagen auf Erteilung eines Bauvorbescheids oder einer Teilungsgenehmigung unter Berücksichtigung des in Gliederungspunkt 9 angelegten Regel-/Ausnahmeverhältnisses in gefestigter und ständiger Rechtsprechung von Folgendem aus:

Soweit die grundsätzliche Frage der Bebaubarkeit eines Grundstücks für die Erteilung eines Bauvorbescheids nicht im Streit steht, wie es etwa der Fall ist, wenn sich (nur) die Frage stellt, ob sich ein bestimmtes Vorhaben nach den in § 34 Abs. 1 BauGB genannten Parametern - etwa seiner Höhe oder Grundfläche nach - in die nähere Umgebung einfügt, wird entsprechend Gliederungspunkt 9.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, Fassung 2004, mindestens 1/2 des Ansatzes für die Baugenehmigung zugrunde gelegt. Die insoweit maßgeblichen (vollen) Werte für Wohnbauvorhaben ergeben sich aus den Gliederungspunkten 9.1.1 bis 9.1.3 und betragen für ein Einfamilienhaus 20.000,-- EUR (Nr. 1), für ein Doppelhaus 25.000,-- EUR (Nr. 2) und ein Mehrfamilienhaus 10.000,-- EUR je Wohnung (Nr. 3). Dem entsprechend legen die Baurechtssenate des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg bei auf Erteilung eines Bauvorbescheids gerichteten Klagen einen Streitwert zugrunde, der entsprechend Gliederungspunkt 9.2 (mindestens) die Hälfte der oben genannten Werte beträgt, aber je nach Fall auch bis zum vollen der in den Gliederungspunkten 9.1.1 bis 9.1.3 genannten Werte reichen kann. Diesem Ansatz folgend hat das Verwaltungsgericht den vorläufigen - nicht verbindlichen - Streitwert zunächst auf 10.000,-- EUR festgesetzt, d.h. die Hälfte des Streitwerts für eine Klage auf Erteilung einer Baugenehmigung für das vom Kläger beantragte Einfamilienhaus als maßgebend angenommen.

b) In den Fällen, in denen die Erteilung eines Bauvorbescheids mit der grundsätzlichen Frage der Bebaubarkeit eines Grundstücks "steht und fällt", wenn etwa unklar ist, ob ein Wohnbauvorhaben (noch) dem Innenbereich oder (schon) dem Außenbereich zuzurechnen ist, legen die Baurechtssenate ihrer Streitwertfestsetzung hingegen in ständiger Rechtsprechung den Wert der Bodenwertsteigerung zugrunde (vgl. Beschlüsse des Senats vom 28.08.1996 - 3 S 2032/96 -, und vom 10.07.2007 - 3 S 881/06 -; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.09.1994 - 5 S 1754/94 -, NVwZ-RR 1995, 126; Beschluss vom 01.09.1997 - 5 S 1379/97 -, NVwZ-RR 1998, 459; Beschluss vom 15.06.1990 - 8 S 995/90 -, Die Justiz 1991, 39; Beschluss vom 16.02.1998 - 8 S 3233/97 -, VBlBW 1998, 262; zustimmend: Kopp/Schenke, a.a.O., RdNr. 12 m.w.N. zur Rechtsprechung in anderen Bundesländern). Da sich die Streitwertfestsetzung wegen der eindeutigen normativen Vorgaben in § 52 Abs. 1 GKG an der sich für den Kläger ergebenden Bedeutung der Sache zu orientieren hat - ein Gesichtspunkt, den die Vorbemerkung in Gliederungspunkt 9 des Streitwertkatalogs ersichtlich wieder aufgenommen hat - kann es für Fälle der vorliegenden Art mit einer Streitwertfestsetzung zwischen 10.000,-- EUR und 20.000,-- EUR von Rechts wegen nicht sein Bewenden haben. Denn mit dem vom Kläger begehrten Ausspruch stünde rechtskräftig fest, dass ein Grundstück bauplanungsrechtlich mit einem Wohnhaus bebaubar ist, es also Baulandqualität hat, so dass es in Fällen dieser Art gerechtfertigt und geboten erscheint, der Streitwertfestsetzung die Wertsteigerung zugrunde zu legen, die das Grundstück durch die verbindliche Feststellung der Rechtslage erfährt. Dem entsprechend ist das Verwaltungsgericht vorgegangen und hat seiner Streitwertfestsetzung die Differenz zugrunde gelegt, die sich aus einem Vergleich der Baulandpreise mit den Preisen für Grün- oder Ackerland pro Quadratmeter Grundstücksfläche ergibt (vgl. zur Wertermittlung § 193 Abs. 3 BauGB). Die entsprechenden Werte und den Rechenweg zieht der Kläger mit seinem Vorbringen nicht in Zweifel; auch für den Senat sind Fehler insoweit nicht ersichtlich.

c) Einer Ermäßigung des Wertes der Bodenwertsteigerung im Hinblick auf die nicht allumfassende Prüfung im Rahmen des Bauvorbescheids bedarf es regelmäßig nicht, wenn die Frage der Bebaubarkeit des Grundstücks in dem Klageverfahren nach Art und Standort sowie Erschließung abschließend geklärt werden soll. Zwar bleibt die Legitimations- und Bindungswirkung des Vorbescheids ihrem Umfang nach hinter der Baugenehmigung zurück. Soweit aber in dem Bauvorbescheid über die Frage der Bebaubarkeit im vorgenannten Umfang oder gar umfassend entschieden ist (sog. Bebauungsgenehmigung), steht der Vorbescheid der Genehmigung gleich, namentlich ist der Adressat des Bauvorbescheids vor einer Änderung der bauplanungsrechtlichen Situation (Inkrafttreten eines Bebauungsplans oder einer Veränderungssperre) in gleicher Weise geschützt wie der Inhaber einer Baugenehmigung. Im Ansatz zu Recht hat das Verwaltungsgericht somit im Hinblick auf den Charakter als (bloßer) Vorbescheid keine Reduktion - beispielsweise um die Hälfte (vgl. Gliederungspunkt 9.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, Fassung 2004) - vorgenommen.

d) Gleichwohl bedarf die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts der Korrektur. Denn mit der Erteilung des Bauvorbescheids wäre die Bebaubarkeit des Grundstücks des Klägers mit einem Wohnhaus nur im Hinblick auf Standort und Art der baulichen Nutzung geklärt worden; wegen der von der Bauvoranfrage ausdrücklich ausgenommenen Frage der Erschließung des Baugrundstücks (vgl. auch Urteilsabdruck Seite 6) wäre die Bebaubarkeit nicht "vollwertig" festgestellt worden. Der Senat hält es daher im vorliegenden Fall für angebracht, der Streitwertfestsetzung den Wert der Bodenwertsteigerung nur zur Hälfte zugrunde zu legen (ebenso für den Fall der ausgeklammerten Erschließungsfrage: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.09.1997 - 5 S 1379/97 -, NVwZ-RR 1998, 459).

Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich, da das Verfahren über die Beschwerde gebührenfrei ist und Kosten nicht erstattet werden (§ 68 Abs. 3 GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 GKG in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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