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Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 11.10.2006
Aktenzeichen: 3 S 337/06
Rechtsgebiete: LBO


Vorschriften:

LBO § 74 Abs. 1 Nr. 3
1. Die Ermächtigung in § 74 Abs. 1 Nr. 3 LBO zum Erlass örtlicher Bauvorschriften erstreckt sich nicht nur auf vom öffentlichen Verkehrsraum aus sichtbare Einfriedigungen (Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung des Senats zu § 111 Abs. 2 Nr. 1 LBO 1972, Beschuss vom 29.11.1979 - III 2380/77 -).

2. Beim Erlass örtlicher Bauvorschriften hat die Gemeinde wie bei der Aufstellung von Bebauungsplänen die von der beabsichtigten Regelung berührten öffentlichen und privaten Belange gegen- und untereinander gerecht abzuwägen.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

3 S 337/06

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Einfriedigung

hat der 3. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 11. Oktober 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 14. Dezember 2005 - 2 K 2338/04 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen als Gesamtschuldner mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser auf sich behält.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streitigen über die baurechtliche Zulässigkeit einer Grenzmauer auf dem Grundstück der Kläger.

Die Kläger sind Eigentümer des Wohngrundstücks Flst.-Nr. 602/12 (XXXXXXXXXXXXXXX XX) in XXXXXXXXXXXXXXXXX. Der Beigeladene ist Eigentümer des im Osten angrenzenden Grundstücks Flst.-Nr. 602/9 (XXXXXXXXXXXXX XX). Beide Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans "Schwarzgrund", der in seiner ursprünglichen Fassung aus dem Jahre 1973 stammt und für beide Grundstücke ein allgemeines Wohngebiet festsetzt. Mit Satzungsbeschluss vom 13.05.1996, öffentlich bekannt gemacht am 27.09.1996, änderte der Gemeinderat der Beklagten die dem Bebauungsplan beigefügten Bebauungsvorschriften und beschloss - gestützt auf § 74 Abs. 7 LBO i.d.F. vom 18.08.1995 - folgende örtliche Bauvorschrift:

"§ 9 Einfriedigungen und Bepflanzung

1. Gestattet sind offene Einfriedigungen mit Sockel bis zu 30 cm Höhe aus Naturstein oder Beton mit Heckenhinterpflanzungen.

2. Die Verwendung von Stacheldraht als Einfriedigung ist nicht gestattet."

Die Kläger planten bereits seit längerem, ihr Grundstück mit einer geschlossenen Einfriedigung in Form einer Gartenmauer zu umbauen. Zu diesem Zweck entfernten sie Anfang 2002 die vorhandene Grenzbepflanzung und zeigten der Beklagten mit Schreiben vom 14.05.2002 an, dass sie entlang der Grenze zum Grundstück des Beigeladenen die Errichtung einer 1,60 m hohen Mauer mit einem 20 bis 30 cm hohen Glasaufsatz an der Innenseite beabsichtigen. Mit Schreiben vom 24.06.2002 wies die Beklagte die Kläger darauf hin, dass dies § 9 der örtlichen Bauvorschriften widerspreche und eine Befreiung im Interesse der Angrenzer nicht zugelassen werden könne.

Nachdem am 05.09.2002 anlässlich einer Besichtigung festgestellt wurde, dass die Mauer entlang der Straße bereits vollständig und zum Grundstück des Beigeladenen in ihren Fundamenten erstellt worden ist, ordnete die Beklagte mit Verfügung vom 09.09.2002 die sofortige Einstellung der Bauarbeiten an. Mit Schreiben vom 12.09.2002 wandten sich die Kläger an den Bürgermeister der Beklagten mit der Bitte, sich der Angelegenheit anzunehmen. Zugleich reichten sie einen Grundriss/Ansichtsplan ein, wonach die Einfriedigung zur Grenze des Beigeladenen aus einzelnen, teilweise durch Holzkonstruktionen verbundenen und mit einem Holzaufbau versehenen Mauerstücken bestehen soll. Dieses Schreiben wertete die Beklagte als Widerspruch und entschied im Februar 2003, den zur Straße bereits errichteten Teil der Mauer zu dulden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29.09.2004 wies das Regierungspräsidium Freiburg die Widersprüche der Kläger gegen die Ablehnung einer Befreiung und die Baueinstellung zurück. Zur Begründung ist ausgeführt, nachdem die Beklagte die Einfriedigung an der Straße dulde, beschränkten sich die angegriffenen Verfügungen auf die Einfriedigung zum Nachbargrundstück. Insoweit lägen die Voraussetzungen für eine Befreiung nicht vor und sei die Baueinstellung nach § 64 LBO zu Recht erfolgt. Soweit geltend gemacht werde, dass die örtlichen Bauvorschriften nicht wirksam seien, bestehe keine Verwerfungskompetenz des Regierungspräsidiums.

Am 28.10.2004 haben die Kläger gegen die Einstellungsverfügung Klage erhoben und hilfsweise die Erteilung einer Befreiung von den örtlichen Bauvorschriften begehrt. Mit Urteil vom 14.12.2005 - 2 K 2338/04 - hat das Verwaltungsgericht Freiburg die Verfügung vom 09.09.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.09.2004 aufgehoben. Zur Begründung ist ausgeführt, die Baueinstellung sei rechtswidrig. Die im Streit stehende Grenzmauer widerspreche zwar § 9 der Bebauungsvorschriften zum Bebauungsplan Schwarzgrund. Diese Vorschrift sei jedoch unwirksam, da sie für sämtliche Einfriedigungen gelte, § 74 LBO aber nur zum Erlass von Gestaltungsregelungen für vom öffentlichen Verkehrsraum aus sichtbare bauliche Maßnahmen ermächtige. Dies ergebe sich aus der Entstehungsgeschichte der Norm. Nicht sichtbare Einfriedigungen tangierten nicht das Straßen-, Orts- und Landschaftsbild. Einschränkungen auf das vom öffentlichen Verkehrsraum Sichtbare fänden sich in der LBO auch an anderer Stelle. Sie seien Folge des Grundrechtsschutzes der privaten Eigentümer. Eine Befugnis, gestalterische Anforderungen ohne Bezug zum Straßen-, Orts- oder Landschaftsbild aufzustellen, würde mangels sachlicher Rechtfertigung das Übermaßverbot verletzen. § 74 LBO sei Ausfluss des Selbstverwaltungsrechts. Die Gestaltung einzelner baulicher Anlagen ohne Bezug zum Straßen-, Orts- oder Landschaftsbild sei keine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft. Angesichts des eindeutigen Wortlauts der Regelung in § 9 der Bebauungsvorschriften und ihrer Entstehungsgeschichte komme eine einschränkende Auslegung nicht in Betracht. Aus den verfassungsrechtlichen Bezügen folge im Übrigen, dass örtlichen Bauvorschriften eine angemessene Abwägung zwischen dem öffentlichen Anliegen der Gestaltung des Straßen-, Orts- oder Landschaftsbilds und den privaten Eigentümerbefugnissen zugrunde liegen müsse, wobei die gestalterischen Absichten möglichst konkret, im Allgemeinen durch die Satzung selbst, festgelegt werden müssten. Auch hieran fehle es. Den Verfahrensakten sei keine Begründung für die Änderung der Bebauungsvorschrift zu entnehmen. Die Auffassung der Beklagten, schon die frühere Fassung habe alle Einfriedigungen erfasst, sei mit deren Wortlaut nicht zu vereinbaren. Gestaltungsabsichten der Beklagten ließen sich auch nicht ohne weiteres aus dem Inhalt der Bebauungsvorschrift selbst ablesen. Dieser seien konkrete gestalterische Vorstellungen in Bezug auf das Straßen- und Ortsbild - soweit nicht der Bereich zum öffentlichen Verkehrsraum betroffen sei - nicht zu entnehmen. Gegen eine Gestaltungsabsicht der Beklagten spreche zudem, dass sie die Mauer zur Straße hin dulde.

Das Verwaltungsgericht hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Am 03.02.2006 hat die Beklagte gegen das ihr am 04.01.2006 zugestellte Urteil Berufung eingelegt.

Sie beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 14.12.2005 - 2 K 2338/04 - zu ändern und die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt sie vor, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass der Standort der geplanten Mauer von der auf dem Grundstück Flst.-Nr. 620/13 vorhandenen befahrbaren Erschließungsstraße, die im Bebauungsplan als öffentliche Verkehrsfläche ausgewiesen sei, einsehbar sei. Es komme daher nicht darauf an, ob § 74 LBO nur zum Erlass von Gestaltungsregelungen für vom öffentlichen Verkehrsraum aus sichtbare bauliche Maßnahmen ermächtige. Dies sei im Übrigen zu verneinen. Die Vorschrift enthalte nach ihrem Wortlaut keinen Hinweis auf eine derartige Beschränkung. Auch aus der systematischen Auslegung ergebe sich keine Beschränkung. Soweit die LBO in einzelnen Vorschriften auf den öffentlichen Verkehrsraum als einschränkendes Tatbestandsmerkmal verweise, spreche dies gegen die Auffassung, die Einsehbarkeit als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal in sämtliche Vorschriften hineinzulesen. Andernfalls wäre es überflüssig und systemwidrig, dieses Merkmal in einzelnen Vorschriften ausdrücklich aufzuführen. Die Bestimmungen des § 11 LBO könnten nicht ohne Berücksichtigung des jeweiligen Regelungszwecks auf § 74 LBO übertragen werden. Während § 11 LBO ein (negatives) Verunstaltungs- und Beeinträchtigungsverbot enthalte, ermögliche § 74 LBO eine positive Bau- und Gestaltungspflege. Hierbei könnten strengere Maßstäbe angelegt werden als bei der Verunstaltungsabwehr. Der Hinweis auf die Entstehungsgeschichte des § 74 LBO überzeuge ebenfalls nicht. Der Formulierung "im Rahmen dieses Gesetzes" komme keine eigenständige rechtliche Bedeutung zu. Außerdem umfasse diese Bezugnahme die gesamte LBO und nicht nur vereinzelte Vorschriften. Auch Sinn und Zweck des gemeindlichen Rechts zur positiven Bau- und Gestaltungspflege spreche gegen eine einschränkende Auslegung. In vielen Fällen bestehe ein Bedürfnis nach gestalterischen Regelungen ungeachtet der Frage, ob der Bereich vom öffentlichen Straßenraum aus erkennbar sei. Zudem sei der öffentliche Verkehrsraum kein hinreichend bestimmbares und praktisch anwendbares Abgrenzungskriterium. Wenn man auf die Erkennbarkeit durch die Öffentlichkeit abstelle, müssten auch sonstige Einsichtsmöglichkeiten einbezogen werden und wären die Bereiche, für die Gestaltungsregelungen getroffen werden dürften, praktisch nicht mehr abgrenzbar. Im Übrigen könne sich die Einsehbarkeit jederzeit ändern. Für das Verunstaltungsverbot sei anerkannt, dass es nicht nur bei Sichtbarkeit vom öffentlichen Verkehrsraum aus gelte. Auch der Schutz des Orts- und Landschaftsbilds durch bundesrechtliche Vorschriften sei nicht in diesem Sinne beschränkt. § 74 LBO enthalte keine Aussage darüber, von welchem Standort aus die Sichtbarkeit gegeben sein müsse. Die Einsehbarkeit sei im Rahmen der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen. Die sachliche Rechtfertigung ergebe sich vorliegend daraus, dass die Mauer vom öffentlichen Verkehrsraum aus einsehbar sei. Auch bei einer Sichtbarkeit nur von den Nachbargrundstücken aus sei das Ziel, durch den Ausschluss geschlossener Einfriedigungen innerorts in gestalterischer Hinsicht keine Missstände zu schaffen, offensichtlich. Geschlossene Einfriedigungen führten zu einer Zerstückelung der städtebaulichen Struktur, abgeschlossenen Grundstücken, Beeinträchtigungen der Sicht von Nachbargrundstücken und dem öffentlichen Verkehrsraum aus sowie zu nachteiligen Auswirkungen auf Belichtung und Belüftung. Vor allem die Wohnsituation der Nachbargrundstücke werde erheblich beeinträchtigt. Demgegenüber würden die Eigentümerbelange nur geringfügig betroffen. Einfriedigungen seien weiterhin zulässig. Die Einschränkung beziehe sich nur auf deren Form und beeinträchtige die Nutzungsmöglichkeiten allenfalls geringfügig. Vor diesem Hintergrund sei von einer angemessenen Abwägung auszugehen. Die Gestaltungsabsichten der Beklagten ließen sich unmittelbar aus dem Inhalt der Bauvorschrift entnehmen. Eine erhöhte Begründungspflicht habe auch deshalb nicht bestanden, weil trotz Offenlegung von den Grundstückseigentümern keinerlei Anregungen oder Bedenken vorgebracht worden seien. Da die geplante Mauer gegen die Bebauungsvorschrift verstoße, sei die Baueinstellung rechtmäßig verfügt worden. Eine Befreiung scheide bereits auf Grund der betroffenen nachbarlichen Belange aus.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen

Zur Begründung ist ausgeführt, sie hätten auf ihrem Grundstück einen Schwimmteich errichtet und seien aus Gründen der Verkehrssicherheit dringend auf die Einfriedigung angewiesen. Die entlang der Straße errichtete Mauer werde von der Beklagte geduldet, da sie "optisch schön gestaltet" sei. Die geplante Mauer solle genauso konstruiert werden und sich optisch unmittelbar anschließen. Aufgrund der bereits vorhandenen Mauer sei sie vom öffentlichen Straßenraum aus nicht sichtbar. Das Verwaltungsgericht sei zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass § 9 der Bebauungsvorschriften materiell rechtswidrig sei. § 74 Abs. 1 LBO ermächtige nur zum Erlass von Gestaltungsregelungen für bauliche Maßnahmen, die vom öffentlichen Verkehrsraum aus sichtbar seien. Aus der Formulierung "zur Durchführung baugestalterischer Absichten" ergebe sich, dass die Gemeinde befugt sei, Regelungen zu schaffen, um in einem bestimmten Gebiet eine einheitliche Baugestaltung zu gewährleisten. Die Gemeinde dürfe sich davor schützen, dass das Gesamtbild der gemeindlichen Umgebung gestört werde. Weitergehende Gestaltungsbefugnisse ohne Bezug zum Straßen-, Orts- und Landschaftsbild sehe § 74 Abs. 1 LBO nicht vor. Die Norm enthalte daher einen eindeutigen Hinweis auf den Standort des Betrachters. Dies werde auch durch die Formulierung "im Rahmen dieses Gesetzes" deutlich. Danach müssten örtliche Bauvorschriften bauordnungsrechtlichen Zielen dienen. Das Verunstaltungsverbot ermögliche der Gemeinde, auf bauliche Anlagen Einfluss zu nehmen, wenn eine Beeinträchtigung des Straßen-, Orts- und Landschaftsbilds drohe. Regelungen, die nicht zur Gestaltung des Straßen-, Orts- und Landschaftsbilds bzw. zur Gefahrenabwehr beitrügen, seien unzulässig. Dies folge auch aus der Systematik der LBO. Dem Verunstaltungsverbot des § 11 LBO sei die Sichtbarkeit vom öffentlichen Verkehrsraum aus immanent. Die Vorschrift sei als Generalklausel zu verstehen, die für das gesamte Gemeindegebiet gelte. Die Satzungskompetenz des § 74 Abs. 1 LBO sei dagegen auf bestimmte Gebiete beschränkt. Es handle sich um zwei eigenständige Rechtsnormen mit unterschiedlichen Regelungsgehalten. Dies verbiete es, bei der Auslegung einer Norm den Umkehrschluss der anderen heranzuziehen. § 11 LBO enthalte ein negatives Verunstaltungsverbot, § 74 LBO ermögliche eine positive Bau- und Gestaltungspflege. Dennoch strebten beide Normen den gleichen Regelungszweck an, nämlich die einheitliche Gestaltung des Straßen-, Orts- und Landschaftsbilds. Insoweit könnten nur vom öffentlichen Verkehrsraum aus sichtbare bauliche Maßnahmen zu einer Beeinträchtigung führen. Dies zeige auch die Entstehungsgeschichte des § 74 Abs. 1 Nr. 3 LBO. Bis zur LBO-Änderung 1972 sei auf das Verunstaltungsverbot Bezug genommen worden. Hierdurch sei deutlich gemacht worden, dass sich die Satzungskompetenz auf vom öffentlichen Verkehrsraum aus sichtbare Maßnahmen beschränke. Mit der Novellierung sei die Formulierung "im Rahmen dieses Gesetzes" aufgenommen worden. Dies stelle klar, dass Ortsbausatzungen bauordnungsrechtlichen Zielen dienen müssten. Eine Regelungsbefugnis für Maßnahmen ohne Bezug zur Gebietsgestaltung sehe die LBO nicht vor. Auch Sinn und Zweck der Regelungsbefugnis führten zu keinem anderen Ergebnis. Das Kriterium der Erkennbarkeit vom öffentlichen Straßenraum aus sei von entscheidender Bedeutung, da die gestalterischen Absichten der Gemeinde lediglich das Straßen-, Orts- und Landschaftsbild betreffen dürften. Vom öffentlichen Verkehrsraum nicht erkennbare Maßnahmen könnten das äußere Bild der Gemeinde nicht beeinträchtigen. § 74 Abs. 1 LBO ermächtige nicht zu Grundrechtseingriffen, die keinen Bezug zu den Gestaltungsabsichten der Gemeinde hätten. Eine unbeschränkte Regelungskompetenz würde die Baufreiheit der Grundstückseigentümer praktisch aushöhlen und widerspräche Sinn und Zweck der Planungshoheit. Ein gerechter Interessenausgleich sei nur möglich, wenn man der Gemeinde das Recht zubillige, ihr Straßen-, Orts- und Landschaftsbild selbst gestalten zu dürfen, den Grundstückseigentümern aber eine im Wesentlichen unbeschränkte Gestaltungsbefugnis für die nicht einsehbaren Bereiche verbleibe. § 74 Abs. 1 LBO müsse somit auch aus verfassungsrechtlichen Gründen einschränkend ausgelegt werden. § 9 der örtlichen Bauvorschriften widerspreche im Übrigen den Grundsätzen des Gesetzesvorbehalts. Beim Erlass örtlicher Bebauungsvorschriften müsse die Gemeinde alle Belange gegeneinander abwägen und einen gerechten Ausgleich schaffen. Dabei sei sie gehalten, ihre gestalterischen Absichten möglichst konkret in der Satzung festzulegen. Aus den Bebauungsvorschriften müsse hervorgehen, welche gestalterischen Ziele sie verfolge und welche Anforderungen für die Verwirklichung dieser Ziele an den Bauherrn gestellt würden. Die Eigentümerbefugnisse dürften nur eingeschränkt werden, wenn dem eine angemessene Abwägung zwischen den öffentlichen Interessen an einer einheitlichen Gestaltung des Straßen-, Orts- und Landschaftsbilds und den privaten Interessen der betroffenen Bauherrn vorangegangen sei. Dem sei die Beklagte nicht nachgekommen. Den Verfahrensakten sei keine Begründung für die Änderung der Bebauungsvorschriften über Einfriedigungen zu entnehmen, obgleich hierdurch die Eigentümerbefugnisse erheblich eingeschränkt worden seien. Auch aus dem Inhalt der Bebauungsvorschrift ergebe sich keine konkrete Festlegung der gestalterischen Ziele. Da die Vorschrift auch nicht einsehbare Grundstücksbereiche betreffe, hätten die gestalterischen Vorstellungen eindeutig festgelegt werden müssen. Insoweit spreche vieles für einen Abwägungsausfall. Nachdem die Beklagte selbst davon ausgehe, dass die bereits errichtete Einfriedigung "optisch gut gestaltet" sei, widerspreche diese ersichtlich nicht den gestalterischen Absichten. Dies lasse nur den Schluss zu, dass die Beklagte bislang entweder keine bestimmten gestalterischen Ziele ins Auge gefasst habe oder die Gestaltung der Einfriedigung ihren Absichten entspreche. Es sei daher nicht verständlich, weshalb die Mauer entlang der Grundstücksgrenze zum Beigeladenen unzulässig sein sollte. In vielen Neubaugebieten seien gleich hohe Mauern vorhanden. An verschiedenen Orten gebe es sogar bis zu 3 m hohe Hecken an der Straße.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Dem Senat liegen die einschlägigen Akten der Beklagten, des Regierungspräsidiums Freiburg sowie des Verwaltungsgerichts Freiburg - 2 K 2338/04 - vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird hierauf sowie auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthaft und auch sonst zulässig, insbesondere genügt der innerhalb der Monatsfrist des § 124 Abs. 6 S. 1 VwGO eingegangene Schriftsatz der Beklagten den Formerfordernissen des § 124 a Abs. 6 S. 3 i.V.m. Abs. 3 S. 4 VwGO.

Die Berufung ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage der Kläger zu Unrecht stattgegeben hat. Nachdem die Kläger den von ihnen erstinstanzlich gestellten Hilfsantrag nicht aufrechterhalten haben, ist Gegenstand des Berufungsverfahrens nur die Einstellungsverfügung der Beklagten vom 09.09.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Freiburg vom 29.09.2004. Diese ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).

Werden Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder abgebrochen, kann die Baurechtsbehörde nach § 64 Abs. 1 Satz 1 LBO die Einstellung der Bauarbeiten anordnen. Hierdurch kann die Schaffung vollendeter Tatsachen verhindert werden, die später nur schwer wieder rückgängig gemacht werden können. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass bei allen Verstößen gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften die Baurechtsbehörde ermächtigt ist, den Fortgang der Bauarbeiten anzuhalten, damit zunächst geprüft werden kann, ob zu einem späteren Zeitpunkt (etwa nach Erteilung einer Baugenehmigung oder der Gewährung einer Ausnahme oder Befreiung) ein Weiterbau möglich ist.

Dabei kommt es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Verfügung auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat an, da es sich bei der Baueinstellung um einen belastenden Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt. Dieser enthält das fortlaufende (vollstreckungsfähige und bußgeldbewehrte) Verbot, die Bauarbeiten an der Mauer fortzuführen. Voraussetzung hierfür ist, dass die Anlage gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt. Ob und wie lange dies der Fall ist, muss die Baurechtsbehörde von sich aus prüfen. Entsprechend muss sie eine Baueinstellungsverfügung verfahrensmäßig unter Kontrolle halten. Maßgeblich ist die jeweils aktuelle Sach- und Rechtslage. Hinsichtlich der "Prüfungsdichte" sind hierbei allerdings verschiedene Zeiträume zu unterscheiden. Wegen des präventiv-polizeilichen Zwecks (Gefahrenabwehr, Verhinderung vollendeter Tatsachen) reicht für den Erlass der Baueinstellung schon ein durch Tatsachen belegter "Anfangsverdacht" eines Rechtsverstoßes aus. Hierfür genügt, dass objektiv konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die es als wahrscheinlich erscheinen lassen, dass ein mit der Rechtsordnung unvereinbarer Zustand geschaffen wird. Im nachfolgenden Zeitraum muss die Behörde jedoch prüfen, ob der Anfangsverdacht berechtigt war, d.h. ob die in Rede stehende Anlage tatsächlich gegen baurechtliche Vorschriften verstößt. Diese Prüfung hat von Amts wegen und nicht etwa nur auf Antrag des betroffenen "Bauherrn" zu erfolgen. Dabei ist der maßgebliche Sachverhalt im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes mit den erforderlichen Beweismitteln und unter Mitwirkung des Bauherrn aufzuklären. Hierbei muss sich die Behörde an der jeweils aktuellen Sach- und Rechtslage orientieren und darf sich nicht mit dem Hinweis auf frühere Verhältnisse begnügen. Vom Ausgang dieser Prüfung hängt es ab, ob die Baueinstellung aufrechterhalten werden darf oder aufzuheben ist (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 10.12.1993 - 3 S 507/93 -, VBlBW 1994, 196 zu § 63 LBO a.F.).

In Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend festzustellen, dass die nach § 50 Abs. 1 LBO i.V.m. Nr. 45 des Anhangs zu § 50 Abs. 1 LBO verfahrensfreie Errichtung der von den Klägern beabsichtigten Einfriedigung an der Grenze zum Grundstück des Beigeladenen gegen § 9 Abs. 1 der örtlichen Bauvorschriften zum Bebauungsplan "Schwarzgrund" verstößt.

Danach sind nur offene Einfriedigungen mit Sockel bis zu 30 cm Höhe aus Naturstein oder Beton mit Heckenhinterpflanzungen zulässig. Der Begriff der Einfriedigung ist funktional zu bestimmen. Nach gefestigter Rechtsprechung sind Einfriedigungen bauliche oder sonstige Anlagen, die nach ihrem wesentlichen Zweck der Sicherung des Grundstücks gegen unbefugtes Betreten oder Verlassen, gegen Witterungseinflüsse oder Immissionseinflüsse sowie gegen Einsicht dienen, um eine ungestörte Nutzung des Grundstücks zu gewährleisten, und die das Grundstück von der öffentlichen Verkehrsfläche oder von Nachbargrundstücken abgrenzen (vgl. Senatsurteil vom 18.12.1995 - 3 S 1298/94 -, BWGZ 1996, 410). Dabei unterscheidet man zwischen offenen und geschlossenen Einfriedigungen. Offene Einfriedigungen sind - wie beispielsweise Weidezäune oder Maschendrahtzäune - durchsichtig, wirken also nicht als geschlossene Wand. Geschlossene Einfriedigungen sind solche ohne Zwischenraum, sie bestehen also - wie Mauern und durchgehende Bretterwände - aus zusammenhängenden Wänden (vgl. Sauter, LBO, 3. Auflage, Stand September 2005, § 50 RdNr. 135ff). Vorliegend beabsichtigen die Kläger nach den von ihnen zuletzt vorgelegten und in der mündlichen Verhandlung erläuterten Plänen die Errichtung einer geschlossenen Einfriedigung. Dies widerspricht ersichtlich den Vorgaben des § 9 Abs. 1 der örtlichen Bauvorschriften.

Von der Wirksamkeit dieser Bauvorschrift ist auszugehen. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, leidet sie nicht an einem beachtlichen Form- oder Verfahrensfehler. Insoweit wird auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts verwiesen, nachdem die Kläger ihre diesbezüglichen Einwendungen im Berufungsverfahren nicht aufrechterhalten haben. Die in § 9 Abs. 1 der örtlichen Bauvorschriften getroffene Regelung ist aber auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Sie hält sich insbesondere im Rahmen der Ermächtigung des § 74 Abs. 1 Nr. 3 LBO und genügt dem Abwägungsgebot.

Nach § 74 Abs. 1 Nr. 3 LBO können Gemeinden u.a. zur Durchführung baugestalterischer Absichten im Rahmen der Landesbauordnung in bestimmten bebauten oder unbebauten Teilen des Gemeindegebietes durch Satzung örtliche Bauvorschriften erlassen über Notwendigkeit, Zulässigkeit, Art, Gestaltung und Höhe von Einfriedigungen. Diese Ermächtigung bezieht sich entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht nur auf Einfriedigungen, die vom öffentlichen Verkehrsraum aus sichtbar sind (im Ergebnis ebenso VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.09.2002 - 8 S 1046/02 -, BRS 65 Nr. 145 zu § 74 Abs. 1 Nr. 1 LBO). Soweit der Senat - zu § 111 Abs. 2 Nr. 1 LBO 1972 - in seinem Beschluss vom 29.11.1979 - III 2380/77 - eine andere Auffassung vertreten hat, wird diese nicht aufrechterhalten.

§ 74 Abs. 1 LBO enthält vom Wortlaut her keine Einschränkung auf vom öffentlichen Verkehrsraum aus sichtbare bauliche Anlagen. Durch die Formulierung "zur Durchführung baugestalterischer Absichten" wird lediglich zum Ausdruck gebracht, dass die Vorschrift nicht nur - wie die frühere Regelung in § 111 Abs. 1 LBO 1964 - zur Abwehr von Verunstaltungen, sondern auch zur positiven Gestaltungspflege ermächtigt. Durch die Bezugnahme "im Rahmen dieses Gesetzes" wird weiter klargestellt, dass sich Gestaltungsvorschriften im Rahmen der von der Landesbauordnung verfolgten Ziele halten müssen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dem Landesgesetzgeber die Regelung des Bauordnungsrechtes vorbehalten ist. Hierzu zählt nicht mehr nur die bloße Abwehr von Gefahren, die der Allgemeinheit oder Einzelnen von baulichen Anlagen drohen. Das Bauordnungsrecht darf, soweit dies im Rahmen einer Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zulässig ist, auch zur Wahrung ästhetischer Belange nutzbar gemacht werden. Dies schließt neben der Abwehr von Verunstaltungen eine positive Gestaltungspflege ein (vgl. VGH Baden-Württemberg, Normenkontrollbeschluss vom 26.08.1982 - 5 S 858/82 - , VBlBW 1983, 180 zu § 111 Abs. 1 LBO 1972). Den Gemeinden ist es auf landesrechtlicher Grundlage unbenommen, über die äußere Gestaltung einzelner baulicher Anlagen auf das örtliche Erscheinungsbild Einfluss zu nehmen. Hierzu gehören Vorschriften, die dazu bestimmt sind, das Orts- oder Straßenbild, je nach ihren gestalterischen Vorstellungen zu erhalten oder umzugestalten. Gegenstand örtlicher Bauvorschriften können dagegen nicht Regelungen sein, die der Gesetzgebungskompetenz der Länder entzogen sind, so im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung, soweit der Bund von seiner Kompetenz verfassungsgemäßen Gebrauch gemacht hat (vgl. Art. 72 GG). Hierzu gehört das Bodenrecht i.S.d. Art 74 Abs. 1 Nr. 18 GG, das der Bundesgesetzgeber insbesondere im Baugesetzbuch kodifiziert hat. Dieses Gesetz regelt die rechtlichen Beziehungen zum Grund und Boden und trifft Bestimmungen darüber, in welcher Weise der Eigentümer sein Grundstück nutzen darf. Nicht zuletzt über die Vorschriften, die das Art und das Maß der baulichen Nutzung, die Bauweise und die überbaubare Grundstücksfläche betreffen, leistet auch das Städtebaurecht einen Beitrag zur Gestaltung des Ortsbildes (vgl. §§ 1 Abs. 5 Satz 2, 34 Abs. 1 Satz 2 und 35 Abs. 3 BauGB). Das städtebauliche Instrumentarium reicht unter diesem Blickwinkel indes nur soweit, wie das Baugesetzbuch entsprechende Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet. Zur bodenrechtlichen Ortsbildgestaltung steht der Gemeinde der in § 9 Abs. 1 BauGB abschließend umschriebene Festsetzungskatalog zur Verfügung. Gestaltungsvorschriften, die hierüber hinaus gehen, ohne den Grund und Boden unmittelbar zum Gegenstand rechtlicher Ordnung zu haben, stehen dem landesrechtlichen Bauordnungsrecht offen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.07.1997 - 4 NB 15.97 -, BauR 1997, 999). Hiervon hat der baden-württembergische Landesgesetzgeber Gebrauch gemacht. Dabei kann auch der Systematik der Landesbauordnung nicht entnommen werden, dass gestalterische Vorgaben sich nur auf vom öffentlichen Verkehrsraum aus sichtbare Anlagen beziehen dürfen. Der Umstand, dass die Landesbauordnung eine derartige Einschränkung bei der Definition der Werbeanlagen (vgl. § 2 Abs. 9 Satz 1 LBO) und bei der Verunstaltung durch Automaten (vgl. § 11 Abs. 3 Nr. 2 LBO) vorsieht, spricht im Umkehrschluss dafür, dass der Anwendungsbereich der Landesbauordnung im Übrigen nicht per se auf vom öffentlichen Verkehrsraum aus sichtbare bauliche Anlagen beschränkt ist. Andernfalls wäre die ausdrückliche Einschränkung bei Werbeanlagen und Automaten überflüssig. Eine derartige Einschränkung der Ermächtigung erscheint nach Sinn und Zweck auch nicht sachgerecht. Eine bauliche Anlage kann Auswirkungen auf das Orts-, Straßen- oder Landschaftsbild einer Gemeinde auch dann haben, wenn sie zwar nicht vom öffentlichen Verkehrsraum, aber von anderen Standorten aus einsehbar ist und sich aus diesen Blickwinkeln auf das örtliche Erscheinungsbild auswirkt. Das Straßen-, Orts- und Landschaftsbild stellt zwar das Schutzobjekt bauordnungsrechtlicher Regelungen dar, sagt aber nichts darüber aus, von welchem Standpunkt aus die Beurteilung zu erfolgen hat. Ein umfassender Schutz des örtlichen Erscheinungsbildes wird aber nur dann erreicht, wenn man in die Beurteilung alle baulichen Anlagen mit einbezieht, die für einen Betrachter - unabhängig von einem bestimmten Standort und Blickwinkel - das Umgebungsbild (mit-) prägen. Damit können sich grundsätzlich auch vom öffentlichen Verkehrsraum aus nicht sichtbare bauliche Anlagen auf das Straßen-, Orts- oder Landschaftsbild auswirken. Im Übrigen ist das Kriterium der Sichtbarkeit vom öffentlichen Verkehrsraum wenig praktikabel für den mit der Ermächtigung verfolgten Zweck, da es häufig von - jederzeit änderbaren und sich ständig ändernden - Zufälligkeiten abhängt, ob eine bauliche Anlage vom öffentlichen Verkehrsraum aus sichtbar ist oder nicht. Würden nicht sichtbare bauliche Anlagen von der Ermächtigung von vornherein ausgenommen, könnte die Gemeinde ihre gestalterischen Absichten wegen entgegenstehenden Bestandsschutzes nicht durchsetzen, wenn eine bauliche Anlage irgendwann einmal vom öffentlichen Verkehrsraum aus nicht sichtbar war. Eine andere Beurteilung folgt auch nicht aus dem Umstand, dass Einschränkungen der Baufreiheit nur im Rahmen zulässiger Inhalts- und Schrankenbestimmungen i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zulässig sind. Dies hat nicht zur Folge, dass der Geltungsbereich der Landesbauordnung hinsichtlich gestalterischer Anforderungen an bauliche Anlagen von vornherein auf vom öffentlichen Verkehrsraum aus sichtbare Maßnahmen zu beschränken ist, sondern führt nur dazu, dass regelmäßig zu prüfen ist, ob die Einschränkung der Baufreiheit im konkreten Fall den Anforderungen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG genügt.

Erstreckt sich die Ermächtigung in § 74 Abs. 1 Nr. 3 LBO mithin nicht nur auf vom öffentlichen Verkehrsraum aus sichtbare bauliche Anlagen, so ist § 9 Nr. 1 der einschlägigen Bebauungsvorschriften von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt. Dass die Gemeinde mit der Beschränkung andere als gestalterische Absichten verfolgt hat, ist nicht ersichtlich.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts verstößt § 9 Nr. 1 der Bebauungsvorschriften auch nicht gegen das Abwägungsgebot. Ebenso wie bei der Aufstellung von Bebauungsplänen hat die Gemeinde beim Erlass örtlicher Bauvorschriften die von der beabsichtigten Regelung berührten öffentlichen und privaten Belange gegen- und untereinander gerecht abzuwägen. Zwar findet das für Bebauungspläne geltende Abwägungsgebot des § 1 Abs. 6 BauGB a.F./§ 1 Abs. 7 BauGB n.F. auf örtliche Bauvorschriften auch dann keine (unmittelbare) Anwendung, wenn diese - wie vorliegend - zusammen mit einem Bebauungsplan beschlossen oder geändert werden, da § 74 Abs. 7 LBO nur für das Verfahren zum Erlass dieser Vorschriften auf das Baugesetzbuch verweist, es sich beim planungsrechtlichen Abwägungsgebot aber nicht um eine verfahrensrechtliche, sondern um eine materiell-rechtliche Regelung handelt. Die Verpflichtung der Gemeinde zu einer Abwägung der öffentlichen und privaten Belange ergibt sich jedoch aus dem Umstand, dass mit den von ihr erlassenen örtlichen Bauvorschriften Inhalt und Schranken des Eigentums geregelt werden und hierbei die Interessen der Allgemeinheit sowie die privaten Interessen des Einzelnen in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht werden müssen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 22.04.2002 - 8 S 177/02 -, VBlBW 2003, 123).

Wie bereits oben dargelegt sind Einschränkungen der Baufreiheit nur im Rahmen zulässiger Inhalts- und Schrankenbestimmungen i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zulässig. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die gezielte Gestaltung einzelner baulicher Anlagen und des Straßen-, Orts- oder Landschaftsbildes ein bedeutsames öffentliches Anliegen ist, das prinzipiell zu einer Einschränkung privater Eigentümerbefugnisse führen kann. Je gewichtiger die konkrete Gestaltungsaufgabe und je schutzwürdiger das vorhandene bzw. beabsichtigte Straßen-, Orts- oder Landschaftsbild ist, umso eingehender dürfen gestalterische Festsetzungen und Anforderungen sein, ohne das Übermaßverbot zu verletzen. Daraus folgt umgekehrt, dass das Ziel einer einheitlichen Gestaltung allein um der Einheitlichkeit oder gar Uniformität willen nicht ausreicht. Vielmehr muss im Regelfall entsprechend den örtlichen Bauvorschriften eine gewisse historische, künstlerische oder sonst die Eigenart des Ortsbildes ausmachende Homogenität gegeben sein oder angestrebt werden, die allein es rechtfertigt, den Freiheitsraum des Bauherrn einzuengen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 26.08.1982 - a.a.O. -).

Im Rahmen der dabei erforderlichen Abwägung der öffentlichen und privaten Belange ist der Gemeinde bei der Bestimmung der gestalterischen Absichten und Wertmaßstäbe ein Ermessensspielraum einzuräumen, der gerichtlich nur eingeschränkt überprüft werden kann (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.09.2002 - a.a.O. -). Aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit, nämlich um dem Erfordernis der Bestimmtheit belastender Regelungen und damit deren Erkennbarkeit für den betroffenen Bürger zu genügen, ferner um sicherzustellen, dass die gestalterischen Vorstellungen auch wirklich dem zuständigen Gemeindeorgan zugerechnet werden können, ist eine möglichst konkrete Festlegung der gestalterischen Absichten zu fordern. Dies wird, jedenfalls bei generellen Regelungen im allgemeinen durch die Satzung selbst geschehen müssen. Eine satzungsmäßige Festschreibung ist allerdings entbehrlich, wenn die beabsichtigte Gestaltung des Straßen- oder Ortsbildes aus dem vorhandenen Baubestand ohne weiteres für den gebildeten Durchschnittsbetrachter ablesbar ist oder wenn sich das gestalterische Ziel unmittelbar aus dem Inhalt der gestalterischen Anforderungen ergibt (vgl. VGH Bad.-Württ., Normenkontrollbeschluss vom 26.08.1982 - a.a.O. -).

In Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich aus den von der Beklagten vorgelegten Unterlagen vorliegend nicht ohne Weiteres, dass bei der Änderung der Bebauungsvorschriften im Jahre 1996 hinsichtlich der Vorgaben für Einfriedigungen eine Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen der Gemeinde einerseits und denen der betroffenen Grundstückseigentümer andererseits stattgefunden hat. Den Gemeinderäten lag ausweislich der vorgelegten Tischvorlage vom 04.05.1994 eine synoptische Gegenüberstellung der Bebauungsvorschriften in ihrem damaligen Wortlaut und in der beabsichtigten Änderungsfassung vor. Des Weiteren wurden sie in der Gemeinderatssitzung vom 31.08.1994 ausweislich der Sitzungsniederschrift darüber informiert, dass die unter Ziff. 2.7 der bisherigen Bebauungsvorschriften geforderte einheitliche Gestaltung der Einfriedigungen entlang der öffentlichen Flächen nicht haltbar sei und diese Vorschrift deshalb ersatzlos gestrichen werde. Welche Erwägungen indessen der anstelle der bisherigen Regelung gewählten neuen Regelung letztlich zugrunde lagen, wurde nicht schriftlich festgehalten. Dieser Umstand lässt jedoch für sich allein nicht darauf schließen, dass sich der Gemeinderat bei der Beschlussfassung über die Änderung der Bebauungsvorschriften nicht mit den jeweiligen Belangen abwägend befasst hat (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 22.04.2002 - a.a.O. -). Dies gilt umso mehr, als es sich bei § 9 der örtlichen Bauvorschriften um eine Regelung von eher untergeordneter Bedeutung handelt. Durch sie werden im Plangebiet Einfriedigungen weder gänzlich ausgeschlossen noch in ihrer funktionalen Zweckbestimmung beschränkt, sondern nur gewissen Anforderungen an ihre äußere Gestaltung unterworfen. Dabei ist davon auszugehen, dass die Beschränkung auf offene Einfriedigungen mit Sockeln bis zu 30 cm Höhe aus Naturstein oder Beton und Heckenhinterpflanzungen sowie der generelle Ausschluss von Stacheldraht die bauliche Ausnutzbarkeit der Grundstücke nicht nennenswert einschränkt. Auch werden hierdurch die Gestaltungswünsche der Grundstückseigentümer nicht übermäßig beschnitten und verursacht die Einhaltung der Gestaltungsvorschriften keine unverhältnismäßigen Kosten. Dementsprechend sind während des Auslegungsverfahrens auch weder von den Klägern noch von anderen betroffenen Grundstückseigentümern Einwendungen gegen die beabsichtigte Regelung erhoben worden. Die insoweit berührten Interessen liegen im Übrigen auch ohne ausdrückliche Niederlegung in den Planunterlagen offen zu Tage. Einfriedigungen können - wie die Beklagte im Berufungsverfahren zutreffend ausgeführt hat - zu einer Zerstückelung der städtebaulichen Struktur, abgeschlossenen Grundstücken, Beeinträchtigungen der Sicht von Nachbargrundstücken und vom öffentlichen Verkehrsraum aus sowie zu nachteiligen Auswirkungen auf Belichtung und Besonnung führen. Diese Auswirkungen werden durch die Beschränkung auf offene Einfriedigungen mit einem Sockel von max. 30 cm und Heckenhinterpflanzungen zumindest abgeschwächt, ohne dass hiermit eine Funktionseinbuße verbunden ist. Eine derartige Beschränkung stellt daher jedenfalls in einem einheitlich geplanten, durch aufgelockerte Bebauung mit entsprechenden Garten- und Vorgartenflächen geprägten Wohngebiet eine zulässige und sachlich vertretbare Zielvorstellung für das Straßen- und Ortsbild dar, die die Grenze des ortsgesetzgeberischen Ermessens nicht überschreitet (vgl. VGH Bad.-Württ., Normenkontrollbeschluss vom 26.08.1982 - a.a.O. -). Hiervon ist vorliegend auszugehen. Bei dem Baugebiet "Schwarzgrund" handelt es sich um ein einheitlich geplantes allgemeines Wohngebiet. Dieses ist durch die Festsetzung einer ein- bis zweigeschossigen Bebauung in offener Bauweise mit einer GRZ von 0,4 und entsprechenden (Vor-) Gartenflächen gekennzeichnet. Damit handelt es sich nach der planerischen Konzeption der Beklagten um ein gehobenes Wohngebiet mit entsprechend aufgelockerter Bebauung. Bei dieser Sachlage sind die gestalterischen Absichten der Gemeinde bei einer Gesamtschau der satzungsmäßigen Regelungen auch ohne ausdrückliche Festschreibung hinreichend erkennbar.

Entgegen der Auffassung der Kläger ist auch das Ergebnis der Abwägung nicht zu beanstanden. In einem gehobenen Wohngebiet mit entsprechend aufgelockerter Bebauung dürfen grundsätzlich auch die Grundstücksrandzonen einheitlichen gestalterischen Anforderungen unterworfen werden (vgl. VGH Bad.-Württ., NK-Beschluss vom 26.08.1982 - a.a.O. -). Dies gilt nicht nur für die vom öffentlichen Verkehrsraum aus einsehbaren Randbereiche, da auch nicht einsehbare Einfriedigungen, - wie oben dargelegt - sich auf das Ortsbild auszuwirken können und deshalb ihre Einbeziehung grundsätzlich von einem sachgerechten öffentlichen Interesse an der Gestaltung des örtlichen Erscheinungsbildes getragen ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die streitgegenständliche Regelung den Grundstückseigentümern genügend Spielraum belässt hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung einer von ihnen gewünschten Einfriedigung. Stellt man den von der Beklagten verfolgten gestalterischen Absichten das Maß der damit verbundenen Einschränkung in der Grundstücksnutzung gegenüber, hält sich die gewählte Regelung daher in den Grenzen einer angemessenen Abwägung zwischen den Belangen der Allgemeinheit einerseits und denen der betroffenen Grundstückseigentümer andererseits.

Der Wirksamkeit der örtlichen Bauvorschrift steht entgegen der Auffassung der Kläger auch nicht entgegen, dass auf dem Gemeindegebiet an anderen Stellen geschlossene Einfriedigungen vorhanden sind. Denn die streitgegenständliche Bauvorschrift gilt nur für das Baugebiet "Schwarzgrund". Dass innerhalb dieses Baugebietes - außer der von der Beklagten geduldeten Einfriedigung auf dem Grundstück des Klägers - weitere Einfriedigungen gegen § 9 Nr. 1 der örtlichen Bauvorschriften verstoßen, haben die Kläger nicht dargelegt. Ob und inwieweit inhaltsgleiche örtliche Bauvorschriften möglicherweise in anderen Baugebieten nicht eingehalten werden, ist für die Wirksamkeit der streitgegenständlichen Bauvorschrift nicht erheblich.

Damit verstößt die von den Klägern geplante Einfriedigung an der Grenze zum Grundstück des Beigeladenen gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften und lag der Erlass der Baueinstellungsverfügung im Ermessen der Baurechtsbehörde. Diese hat ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (vgl. § 40 LVwVfG). Entsprechend kann das Gericht nur prüfen, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck des Ermessens nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (vgl. § 114 Satz 1 VwGO). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Ermessensausübung durch die der Baurechtsbehörde nach § 47 Abs. 1 LBO obliegende Überwachungspflicht und durch den Gleichheitsgrundsatz verhältnismäßig enge Grenzen gezogen sind und die fehlerfreie Ermessensausübung im Regelfall die Anordnung der Einstellung der Bauarbeiten verlangt, da hierdurch sichergestellt werden soll, dass keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden, die später nur schwer rückgängig zu machen sind. Das öffentliche Interesse gebietet daher grundsätzlich das Einschreiten gegen baurechtswidrige Zustände. In Anwendung dieser Grundsätze ist die Ermessensentscheidung vorliegend nicht zu beanstanden.

Insoweit kann insbesondere nicht davon ausgegangen werden, dass die Kläger einen Anspruch auf Erteilung einer Befreiung von der streitgegenständlichen örtlichen Bauvorschrift haben und damit der oben festgestellte Widerspruch gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften beseitigt werden könnte. Denn die Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung liegen ersichtlich nicht vor. Da die streitgegenständliche Regelung ihre Rechtsgrundlage in § 74 Abs. 1 LBO findet, käme eine Befreiung nur nach § 56 Abs. 6 LBO in Betracht. Danach kann von einer örtlichen Bauvorschrift Befreiung erteilt werden, wenn Gründe des allgemeinen Wohls die Abweichung erfordern oder die Einhaltung der Vorschrift im Einzelfall zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend ersichtlich nicht erfüllt. Weder erfordern Gründe des Allgemeinwohls eine Befreiung noch liegt eine nicht beabsichtigte Härte vor. Letztere ist nur dann zu bejahen, wenn das Grundstück bei Einhaltung der baurechtlichen Vorschriften nicht oder nur schwer bebaut werden kann und diese Beschränkung nicht durch die Zielsetzung oder den Schutzzweck dieser Vorschriften gefordert wird (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.09.1979 - V 995/79 -, BRS 36 Nr. 182), wenn also die schematische Anwendung der Vorschrift zu Ungerechtigkeiten führen würde, namentlich ein ganz unbilliges Ergebnis zur Folge hätte und der Normzweck eine Abweichung erlaubt (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.04.1965 - I 493/64 -, ESVGH 15, 180). Hierfür ist vorliegend nichts ersichtlich. Allein der Umstand, dass die Kläger in ihrem Garten unmittelbar an der Grenze zum Grundstück des Beigeladenen einen Schwimmteich errichtet haben und aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht einer Grundstückseinfriedigung bedürfen, genügt hierfür nicht, da dies keinen in der Grundstückssituation bedingten Sonderfall darstellt. Im Übrigen können die Kläger ihrer Verkehrssicherungspflicht durch die Errichtung einer Einfriedigung nachkommen, die den örtlichen Gestaltungsvorschriften entspricht.

Die Einstellungsverfügung ist auch nicht deshalb ermessensfehlerhaft, weil die von den Klägern zur Straße hin errichtete Einfriedigung, die gleichermaßen gegen § 9 Abs. 1 der Bebauungsvorschriften verstößt, von der Beklagten geduldet wird. Die Duldung einer bereits errichteten baurechtswidrigen Anlage führt nicht dazu, dass die Behörde gegen einen beabsichtigten weiteren Verstoß nicht (mehr) im Wege einer Baueinstellungsverfügung vorgehen darf. Aus diesem Grund kommt es auch in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob und inwieweit in anderen Baugebieten möglicherweise inhaltsgleiche Bauvorschriften existieren und die Beklagte dort gegen baurechtswidrig errichtete Einfriedigungen nicht eingeschritten ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2, 162 Abs. 3 VwGO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Beschluss vom 11. Oktober 2006

Der Streitwert für das Verfahren wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG endgültig auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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