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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 28.08.2007
Aktenzeichen: 4 S 1055/07
Rechtsgebiete: PostPersRG, SUrlV


Vorschriften:

PostPersRG § 4 Abs. 3
SUrlV § 15
SUrlV § 16
Auch für die Anwendung von § 15 Abs. 2 erste Alternative SUrlV ist von Bedeutung, wer die Umstände, die den Widerruf der Gewährung von Sonderurlaub erfordern, zu vertreten hat bzw. wessen Sphäre sie zuzurechnen sind (a.A. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24.08.2005 - 1 B 444/05 -, IÖD 2005, 242).
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

4 S 1055/07

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Beurlaubung

hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

hat der 4. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg

am 28. August 2007

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 05. April 2007 - 17 K 2385/07 - wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte (§ 147 Abs. 1 VwGO) und begründete (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) sowie inhaltlich den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO entsprechende Beschwerde ist unbegründet. Die Prüfung der von der Antragsgegnerin dargelegten Gründe, aus denen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuändern sein soll und auf deren Prüfung das Beschwerdegericht sich grundsätzlich zu beschränken hat (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), ergibt nicht, dass das Verwaltungsgericht dem Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 06.10.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.02.2007, mit dem die Insichbeurlaubung des Antragstellers unter Anordnung des Sofortvollzugs widerrufen worden ist, zu Unrecht stattgegeben hat. Auch der Senat vermag danach ein überwiegendes öffentliches Interesse am sofortigen Vollzug dieser Verfügung nicht festzustellen.

Der Antragsteller wurde zuletzt mit Wirkung vom 01.09.2004 für die Dauer von 3 Jahren gemäß § 4 Abs. 3 PostPersRG in Verbindung mit § 13 Abs. 1 SUrlV zur Wahrnehmung einer Tätigkeit als "Leiter Vertrieb VSE" in der Privatkundenniederlassung Südwest in Stuttgart insichbeurlaubt und bei der Deutschen Telekom AG in einem privatrechtlichen Anstellungsverhältnis weiterbeschäftigt. Dieser Posten ist nach erfolgter Umstrukturierung mit Ablauf des 28.02.2007 entfallen. Mit Blick darauf wurde die Insichbeurlaubung durch Bescheid der Antragsgegnerin vom 06.10.2006 mit Wirkung vom 28.02.2007 widerrufen. Das Verwaltungsgericht hat entschieden, es sei zweifelhaft, ob die Voraussetzungen für den Widerruf der Beurlaubung des Antragstellers nach § 15 Abs. 2 SUrlV vorlägen. Schon die Formulierung "wenn der Urlaub zu einem anderen als dem bewilligten Zweck verwendet wird", deute darauf hin, dass es sich um Umstände in der Sphäre des Beamten bzw. um von diesem zu vertretende Umstände handele. Demgegenüber macht die Antragsgegnerin geltend, dass in den Fällen, in denen ein bewilligter Sonderurlaub tatsächlich nicht mehr dem konkreten Bewilligungszweck entsprechend verwendet werde, kein Raum mehr für Überlegungen sei, ob der Grund für die nicht mehr zweckentsprechende Verwendung der Sphäre des Beurlaubten entstamme. § 15 Abs. 2 SUrlV stelle hier keine weiteren inhaltlichen Voraussetzungen auf. Darüber hinaus werde dem Dienstherrn auch kein Ermessen hinsichtlich des "Ob" des Widerrufs eingeräumt, im Rahmen dessen dann eine Abwägung der Interessen des Beurlaubten mit denen des Dienstherrn stattfinden könnte. Dies ergebe sich zwingend aus der Tatsache, dass Sonderurlaub ja eine Ausnahmeregelung innerhalb des auf Lebenszeit und Hauptberuflichkeit angelegten Beamtenverhältnisses darstelle. Maßgebend sei, dass der Beurlaubungszweck für die Insichbeurlaubung durch den Wegfall der Tätigkeit des Antragstellers entfallen sei. Dieser Sachverhalt erfordere zwingend den Widerruf der Insichbeurlaubung ohne weitere Rechtsprüfung. Ob der Wegfall der Tätigkeit der Sphäre des Beamten bzw. des Dienstherrn zuzurechnen sei, sei für diese Frage ohne Belang, denn der Beamte habe sich mit dem Eintritt in das Beamtenverhältnis damit abgefunden, dass er seine ganze Arbeitskraft dem Dienstherrn zur Verfügung stelle. Nur in besonderen Fällen gebe es für bestimmte Zwecke die Möglichkeit einer Beurlaubung aus diesem engen Bindungsverhältnis. Wenn aber bei einem solchen Ausnahmetatbestand der Zweck, zu dem die Beurlaubung gewährt worden sei, nicht mehr erreicht werden könne, so sei zwingend eine Rückkehr zu dem im Hintergrund weiter bestehenden Beamtenverhältnis erforderlich. Dies regele § 15 SUrlV. Dem vermag der Senat so nicht zu folgen.

§ 15 SUrlV ist hier anwendbar. Dabei kann offenbleiben, ob als Rechtsgrundlage für die Bewilligung einer Insichbeurlaubung § 13 Abs. 1 SUrlV i.V.m. § 4 Abs. 3 Satz 1 und 2 PostPersRG oder nur § 4 Abs. 3 Satz 1 und 2 PostPersRG heranzuziehen ist. Denn auch im letzteren Fall stellt die Insich-beurlaubung jedenfalls einen Sonderfall einer Beurlaubung i.S.d. § 13 Abs. 1 SUrlV dar, auf den § 15 SUrlV ebenfalls Anwendung findet (vgl. dazu OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24.08.2005, IÖD 2005, 242).

Nach § 15 Abs. 2 SUrlV ist die Urlaubsbewilligung zu widerrufen, wenn der Urlaub zu einem anderen als dem bewilligten Zweck verwendet wird oder wenn andere Gründe, die die Beamtin oder der Beamte zu vertreten hat, den Widerruf erfordern. Diese Voraussetzungen dürften hier nicht vorliegen.

Das Verwaltungsgericht dürfte zutreffend davon ausgegangen sein, dass insoweit ungeachtet des Umstands, dass der Posten des Antragstellers als "Leiter Vertrieb VSE" in Stuttgart, zu dessen Wahrnehmung er - im dienstlichen Interesse, § 4 Abs. 3 PostPersRG - beurlaubt war, weggefallen ist, von Bedeutung ist, wer die Gründe für die Beendigung der zweckentsprechenden Verwendung des Urlaubs herbeigeführt oder zu vertreten hat bzw. wessen Sphäre diese Gründe zuzurechnen sind. Die gegenteilige Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (vgl. Beschlüsse vom 24.08.2005, a.a.O., und vom 01.09.2004, IÖD 2005, 41; s. auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11.08.2005 - 10 B 10860/05.OVG -) teilt der Senat nicht. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen führt aus, allein bei der zweiten Fallvariante des § 15 Abs. 2 SUrlV stelle der Verordnungsgeber - im Unterschied zur ersten Fallvariante - (zusätzlich) darauf ab, ob der Beamte den Widerrufsgrund zu vertreten habe. Nach Ansicht des Senats stellt § 15 Abs. 2 erste Alternative SUrlV indes lediglich einen benannten Anwendungsfall der generellen Regelung der zweiten Alternative dar. Hierfür spricht schon, wie das Verwaltungsgericht zu Recht dargelegt hat, der Wortlaut der Vorschrift; denn "verwendet" wird der Sonderurlaub vom Beamten. Dementsprechend ist auch die zweckwidrige Verwendung des Sonderurlaubs disziplinarrechtlich als Dienstvergehen zu werten (vgl. Fürst, GKÖD Bd. I, K § 89 RdNr. 37). Die Vorschrift lautet in der zweiten Alternative auch nicht "oder wenn Gründe, die die Beamtin oder der Beamte zu vertreten hat, den Widerruf erfordern", sondern "oder wenn andere Gründe, die die Beamtin oder der Beamte zu vertreten hat, den Widerruf erfordern". Damit wird der Bezug zur ersten Alternative hergestellt und verdeutlicht, dass diese einen herausgehobenen Beispielsfall der zweiten Alternative darstellt. In systematischer Hinsicht erfährt dies Bestätigung durch einen Blick auf die Regelung in § 16 SUrlV. Nach Absatz 1 dieser Vorschrift werden Mehraufwendungen, die durch einen Widerruf der Urlaubsbewilligung entstehen, nach den Bestimmungen des Reisekosten- und Umzugskostenrechts ersetzt, es sei denn, dass der Widerruf nach § 15 Abs. 2 ausgesprochen wird. § 16 SUrlV unterscheidet danach nicht zwischen einem vom Beamten zu vertretenden und einem von ihm nicht zu vertretenden Widerruf; dem Verordnungsgeber kann jedoch nicht unterstellt werden, dass er den Beamten auch dann vom Recht auf Aufwendungsersatz nach § 16 Abs. 1 Satz 1 SUrlV ausnehmen wollte, wenn dieser den Widerruf nicht zu vertreten hat. Vielmehr lässt sich dieser Regelung der Wille des Verordnungsgebers entnehmen, dass die Ersatzpflicht nur im Falle eines Widerrufs, der auf Umständen aus der Sphäre des Beamten beruht, ausscheiden soll, da es nur dann sachgerecht ist, diesen mit den durch den Widerruf entstehenden Mehraufwendungen zu belasten. Es ist kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, dass der Beamte die Mehraufwendungen für einen von ihm nicht zu vertretenden Widerruf selbst tragen muss. Auch dies bestätigt die vorgenommene Auslegung des § 15 Abs. 2 SUrlV. Im Übrigen zeigt auch ein Vergleich mit § 15 Abs. 1 SUrlV, dass der Verordnungsgeber die Fälle des vom Beamten zu vertretenden Widerrufs von den Fällen unterscheiden wollte, in denen der Widerruf auf Umständen aus der Sphäre des Dienstherrn beruht. Da der Beamte in den letztgenannten Fällen schutzwürdiger ist, hat der Verordnungsgeber strengere Voraussetzungen für einen Widerruf aufgestellt und dem Dienstherrn Ermessen eingeräumt.

Nichts anderes folgt daraus, dass das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 15.05.1997 (- 2 C 32.96 -, Buchholz 232.4 § 15 SUrlV Nr. 1) zu § 15 Abs. 2 erste Alternative SUrlV allein darauf abgestellt hat, ob der Urlaub tatsächlich zweckwidrig verwendet wurde, ohne danach zu fragen, wessen Sphäre dieser Umstand zuzurechnen ist. Dies steht der vorgenommenen Auslegung nicht entgegen, da der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ein Fall zugrunde lag, bei dem die Umstände für den Widerruf eindeutig der Sphäre des Beamten entstammten.

Die zweckwidrige Verwendung des Sonderurlaubs durch den Beamten hebt der Verordnungsgeber danach als benannten Grund, der den Widerruf zwingend erfordert, gegenüber anderen Gründen, die der Beamte zu vertreten hat, hervor. Gemein ist diesen Fällen, dass sich der Beamte vom Zweck der Urlaubsbewilligung entfernt. Eine zweckwidrige Verwendung in diesem Sinne liegt aber nicht vor, wenn er wie hier durch - grundsätzlich zulässige - Organisationsmaßnahmen seines Dienstherrn daran gehindert wird, den Urlaubszweck weiter zu verfolgen. Da der Widerruf der Sonderurlaubsbewilligung im vorliegenden Fall auf Umstrukturierungsmaßnahmen beruht, also allein der Sphäre der Antragsgegnerin zuzurechnen ist, kann er nicht auf § 15 Abs. 2 SUrlV gestützt werden.

Warum der verfassungsrechtliche Charakter des Beamtenverhältnisses eine andere Entscheidung gebieten sollte, legt die Antragsgegnerin nicht dar. Dafür ist auch schon vor dem Hintergrund nichts erkennbar, dass dem Antragsteller Sonderurlaub unter Fortfall der Bezüge gewährt worden ist und er daher für den vereinbarten Zeitraum keinen Anspruch auf Zuwendungen des Dienstherrn hat.

Der Dienstherr ist auch nicht schutzlos, denn ein Widerruf der Urlaubsbewilligung ist auf der Grundlage des § 15 Abs. 1 SUrlV bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen weiterhin möglich. Ob hier zwingende dienstliche Gründe für einen Widerruf der Beurlaubung nach § 15 Abs. 1 SUrlV gegeben sind, bedarf indes schon deshalb keiner Vertiefung, weil es sich bei der Entscheidung nach § 15 Abs. 1 SUrlV um eine Ermessensentscheidung handelt. Einer Umdeutung des als gebundene Entscheidung ergangenen Widerrufs in eine Ermessensentscheidung nach § 15 Abs. 1 SUrlV steht § 47 Abs. 3 VwVfG entgegen, für eine Ermessensreduzierung auf Null bestehen keine Anhaltspunkte (vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 08.05.1996 - 1 A 5445/94 -, Juris).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und Abs. 2 GKG.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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