Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 19.08.2003
Aktenzeichen: 4 S 1095/02
Rechtsgebiete: PflSchG, Richtlinie 91/414/EWG, EG


Vorschriften:

PflSchG § 34a
PflSchG § 2 Nr. 9
PflSchG § 31c
PflSchG § 6a
Richtlinie 91/414/EWG des Rates v. 15. Juli 1991 - Pflanzenschutzrichtlinie -
EG Art. 28
EG Art. 30
Das Erfordernis einer erneuten Zulassung im Falle der Einfuhr eines in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaft bereits nach den Regelungen der Pflanzenschutzrichtlinie zugelassenen Pflanzenschutzmittels (sog. Parallelimport) kann einen Verstoß gegen den Grundsatz des freien Warenverkehrs darstellen.

Ein in einem Mitgliedsstaat zugelassenes Pflanzenschutzmittel ist mit einem im Inland zugelassenen Pflanzenschutzmittel identisch, wenn neben Produktidentität auch Herstelleridentität gegeben ist (Anschluss an EuGH, Urteil vom 11.03.1999, Slg. 1999 I, S. 1499; entgegen BGH, Urteil vom 14.11.2002, NJW-RR 2003, 327 - Zulassungsnummer III).


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

4 S 1095/02

Verkündet am 19.08.2003

In der Verwaltungsrechtssache

wegen

Pflanzenschutzmittel

hat der 4. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Riedinger, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Wiegand und die Richterin am Verwaltungsgericht Warnemünde auf die mündliche Verhandlung vom 19. August 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 25. Februar 2002 - 2 K 1153/01 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger, Landwirt und Mitglied einer Einkaufsgemeinschaft, wendet sich gegen die pflanzenschutzrechtliche Anordnung des Regierungspräsidiums Tübingen vom 28.06.2001 mit u.a. folgendem Inhalt:

1. Die von ihnen bei den Firmen Haller & Co. KG, Vinschgauer Straße 81, I 39020 Partschins/Töll (Südtirol), und PSM Agro-Chemical GmbH, Grenzstraße 24, CH-9430 St. Margrethen, bezogenen und nachfolgend genannten Pflanzenschutzmittel dürfen nicht angewandt und nicht in den Verkehr gebracht werden.

Im Einzelnen handelt es sich um folgende Pflanzenschutzmittel und -mengen:

* 400 l Oliocin * 100 kg Micene DF * 580 kg Torpedo 80 WP

2. Die unter Nr. 1 genannten Pflanzenschutzmittel sind bis spätestens 16. Juli 2001 ordnungsgemäß zu beseitigen. (...)

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die aus der Schweiz und Italien bezogenen Pflanzenschutzmittel in der Bundesrepublik nicht zugelassen und mit hier zugelassenen Pflanzenschutzmitteln nicht identisch seien.

Der Kläger erhob hiergegen Klage und gab die Pflanzenschutzmittel in der Folgezeit an die Lieferanten zurück. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erklärten die Beteiligten das Verfahren hinsichtlich Nr. 2 der Anordnung übereinstimmend für erledigt. Das Verwaltungsgericht stellte daraufhin das Verfahren insoweit ein und wies die Klage im Übrigen mit Urteil vom 25.02.2002 unter Zulassung der Berufung ab. Auf den Tatbestand des Urteils wird Bezug genommen. Das Urteil wurde dem Kläger am 30.03.2002 zugestellt.

Die am 25.04.2002 eingelegte Berufung hat der Kläger am 31.05.2002 (Tag nach Fronleichnam) begründet. Er beantragt nunmehr sinngemäß,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 25.2.2002 abzuändern und Nr. 1 der Anordnung des Regierungspräsidiums Tübingen vom 28.6.2001 aufzuheben,

hilfsweise festzustellen, dass Nr. 1 der Anordnung des Regierungspräsidiums Tübingen vom 28.6.2001 rechtswidrig war.

Zur Begründung trägt er vor, die Anfechtungsklage habe sich durch die Rückführung der in Nr. 1 der Anordnung genannten Pflanzenschutzmittel nach Italien nicht erledigt. Denn die Anordnung des Regierungspräsidiums beziehe sich nicht nur auf die bei ihm lagernden Pflanzenschutzmittel, sondern auf die genannten Pflanzenschutzmittel als Gattung. Die Anordnung unterscheide in Nr. 1 zwischen den Pflanzenschutzmitteln als Gattungsbezeichnung und den Pflanzenschutzmittelmengen als Bezeichnung des konkret bei ihm lagernden Vorrats. Eine andere Auslegung sei mit dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht vereinbar. Sowohl das Regierungspräsidium als Urheber der Erklärung als auch der Kläger und andere Landwirte, denen gegenüber ähnliche Anordnungen ergangen seien, gingen von einem allgemeinen Anwendungsverbot aus. Für den Fall, dass der Senat eine Erledigung der Anordnung annehme, sei festzustellen, dass die Anordnung rechtswidrig gewesen sei. Aufgrund der gegen ihn eingeleiteten Ordnungswidrigkeitenverfahren habe er ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung. Zudem bestehe eine konkrete Wiederholungsgefahr.

Soweit das Regierungspräsidium die Verwendung von "Oliocin" auch als Netzmittel zur Verstärkung der Wirkung anderer Pflanzenschutzmittel verboten habe, fehle hierfür eine Rechtsgrundlage. Paraffinöl, der Wirkstoff des Oliocin, sei kein Wirkstoff im Sinne der Richtlinie 91/414/EWG, sondern werde erst auf seine Eignung überprüft. In der Funktion als Netzmittel stelle "Oliocin" einen Zusatzstoff dar, für den die Richtlinie 91/414/EWG nicht gelte. Nach § 31c Abs. 1 PflSchG sei nicht die Anwendung, sondern nur das beabsichtigte Inverkehrbringen nicht zugelassener Zusatzstoffe verboten. Es wäre daher ein milderes Mittel gewesen, ihm zu gestatten, das "Oliocin" als Netzmittel aufzubrauchen.

Die betroffenen Pflanzenschutzmittel seien mit im Inland zugelassenen Mitteln identisch. Auf Herstelleridentität komme es insoweit nicht an. Dies habe der Bundesgerichtshof im November 2002 in Kenntnis und in Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs erneut bestätigt. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch auf das öffentliche Recht übertragbar. Bei der Beurteilung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs sei der Gegenstand der dortigen Rechtssache zu berücksichtigen. Ob die nach britischem Recht geforderte Herstelleridentität sachgerecht und gemeinschaftsrechtlich gerechtfertigt gewesen sei, habe der Europäische Gerichtshof aufgrund der Vorlagefrage nicht zu beantworten gehabt. Darüber hinaus sei die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels nach der Richtlinie 91/414/EWG wirkstoff- und nicht produzentenbezogen. Für die neue Fassung des Pflanzenschutzgesetzes gelte das gleiche. Bei Bauartzulassungen werde Herstelleridentität ebenfalls nicht verlangt. Hinsichtlich der Wirkstoffidentität sei nicht exakt dieselbe Konzentration des Wirkstoffs zu verlangen, weil der - sachkundige - Landwirt die Verdünnung des Pflanzenschutzmittels jeweils selbst vornehme. Die letztlich ausgebrachte Konzentration des Pflanzenschutzmittels hänge von vielfältigen Voraussetzungen ab, wie z.B. Windgeschwindigkeit und Windrichtung. So lange keine relevanten Unterschiede in der Wirkungsweise zu verzeichnen seien, seien geringfügige Abweichungen daher unschädlich. Hinsichtlich der Wirkungsidentität spiele die Formulierung des Pflanzenschutzmittels keine Rolle. Allenfalls bei einer Formulierung als Pulver könnten gewisse Unterschiede auftreten. Eine Beistoffidentität, wie das Verwaltungsgericht sie angenommen habe, werde nicht gefordert. Beistoffe würden bereits im Herkunftsland des Pflanzenschutzmittels aufwendig geprüft und gefahrstoffrechtlich eingeordnet. Bei geringen Mengen an Beistoffen sei zu vermuten, dass ihnen bei einer Gefährdungsbetrachtung keine wesentliche Rolle zukomme. Geringe Unterschiede hinsichtlich der enthaltenen Beistoffe seien im Hinblick auf die Wirkungsidentität unbeachtlich. Die Klimabedingungen am Bodensee und im italienischen Vinschgau seien sich so ähnlich, dass die Behauptung, die Produkte würden in Deutschland und Italien unterschiedliche Beistoffe erfordern, nicht gerechtfertigt sei. Einer besonderen Identitätsfeststellung bedürfe es nicht.

Referenzmittel für das aus Italien importierte "Oliocin" der Firma Bayer sei das deutsche "Oliocin Austriebsspritzmittel". Es bestehe Herstelleridentität, da es nicht einleuchtend sei, dass die Firma Bayer, die das italienische Mittel herstelle, das deutsche "Oliocin Austriebsspritzmittel" trotz nur unwesentlicher Unterscheide nicht selbst herstelle. Durch die unterschiedliche Konzentration des italienischen "Oliocin" (80 % des Wirkstoffes Paraffinöl) und des deutschen "Oliocin" (nur 60 %) werde die Wirkstoffidentität nicht tangiert. Die Verschiedenartigkeit der Beistoffe sei unschädlich. Die Beweislast liege insoweit bei der Behörde. Das italienische "Oliocin" sei außerdem mit dem in Deutschland zugelassenen Pflanzenschutzmittel "Para Sommer" der Firma Stähler identisch. Dessen Wirkstoffkonzentration bewege sich mit 75 % noch in dem Toleranzbereich, den die Biologische Bundesanstalt akzeptiere. Der Herstelleridentität bedürfe es nicht.

Das von der Firma Sipcam S.P.A., Mailand, hergestellte Pflanzenschutzmittel "Micene DF" sei identisch mit "Dithane NeoTec" der Firma Rohm und Haas sowie mit "Dithane Ultra WG Spiess Urania" von Spiess-Urania und "Dithane Ultra WG Ciba-Geigy" von Syngenta. Sowohl "Micene DF" als auch "Dithane Ultra WG" enthielten 75 % des Wirkstoffs Mancozeb. Beide seien als wasserdispergierbares Granulat formuliert und enthielten als Beistoff ein Dispergiermittel derselben Konzentration. Die Wirkungsidentität werde durch einen weiteren, in geringer Menge vorhandenen Beistoff nicht in Frage gestellt. Auch die Biologische Bundesanstalt nehme Wirkungsidentität an. Zwischen den Inhabern der deutschen Zulassung und den italienischen Herstellern bestünden zumindest Lizenzverträge, auch wenn hierfür bislang keine Hinweise vorhanden seien.

"Torpedo 80 WP" sei identisch mit dem deutschen "Aliette WG" der Firma Aventis Crop Science. Das Importprodukt enthalte 80 % Fosetyl-Aluminium, das deutsche Referenzmittel 74,6 % Fosetyl (80 % Aluminium-Salz). Weshalb die Biologische Bundesanstalt die Wirkstoffidentität verneine, sei nicht nachvollziehbar. Die abweichende Zusammensetzung der Beistoffe sei mangels entgegenstehender Anhaltspunkte unerheblich. Die unterschiedliche Formulierung des italienischen Produkts als Pulver und des deutschen Referenzmittels als Granulat bewirke keine Gefährdung. Herstelleridentität sei nicht erforderlich.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das verwaltungsgerichtliche Urteil und trägt ergänzend vor, der Europäische Gerichtshof habe in seinem Urteil vom 11.03.1999 klare und eindeutige Voraussetzungen aufgestellt, in welchen Fällen von einer Identität auszugehen sei. Es sei auch sachgerecht, Herstelleridentität zu verlangen. Für die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels seien ebenfalls Angaben zum Antragsteller und Hersteller der Zubereitung und des Wirkstoffs erforderlich. Ein diesbezüglicher Wechsel sei antragspflichtig. Auch die seit Mai 1998 gesetzlich vorgesehene erleichterte Zweitzulassung setze Herstelleridentität voraus. Erst recht müsse dies daher für die durch Richterrecht geschaffene Zulassung aufgrund von Identität gelten. Den Wirkstoffen müssten je nach Art der Formulierung unterschiedliche Beistoffe beigegeben werden. Jedem Beistoff, auch in geringen Anteilen, komme eine Funktion zu. Pflanzenschutzmittel mit gleichen Wirkstoffen, die in unterschiedlichen Formulierungen angeboten werden, seien daher nicht austauschbar, ohne dass Änderungen bei den Haupt- und Nebenwirkungen einträten. Mit Arzneimitteln, die Wirkstoffe mit hohem Reinheitsgrad enthielten, könnten Pflanzenschutzmittel insoweit nicht verglichen werden.

Paraffinöl, der Wirkstoff von "Oliocin", sei in Anhang II der VO 451/00 der Kommission vom 28.02.2000 aufgeführt und habe Aufnahme in die 4. Stufe der EU-Altwirkstoff-Prüfung gemäß Richtlinie 91/414/EWG gefunden. Das deutsche "Oliocin Austriebsspritzmittel" der Firma Bayer werde von der Firma Neudorff hergestellt. Die Firma Bayer sei lediglich Vertreiber. Die Firma Stähler Agrochemie GmbH & Co. KG, Stade, die das Mittel "Para Sommer" herstelle, habe weder zu dem Hersteller des aus Italien eingeführten "Oliocin" noch dem des deutschen "Oliocin Austriebsspritzmittel" Beziehungen. Auch zwischen dem Hersteller von "Micene DF" und dem Hersteller von "Dithane Ultra WG" der Firma Dow AgroSciences bestünden keine Verbindungen, insbesondere gebe es keinen Lizenzvertrag. Das in Deutschland zugelassene Pflanzenschutzmittel "Penncozeb" komme als Referenzmittel nicht in Betracht, da es nicht für den Obstbau zugelassen sei. Auch bei "Torpedo 80 WP" bestehe weder Hersteller- noch Produktidentität. "Oliocin" sei als Pflanzenschutzmittel und nicht als Zusatzstoff einzustufen. Bei der Abgrenzung sei insoweit auf die Zielsetzung der Anwendung abzustellen. Abgesehen davon gelte die Generalklausel des § 34a Satz 1 PflSchG auch für die Anwendung von Zusatzstoffen.

Dem Senat liegen die Akten des Verwaltungsgerichts und des Beklagten vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird hierauf sowie auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und sonstigen Inhalt der Akten des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Verwaltungsgericht zugelassene und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die mit dem Hauptantrag erhobene Anfechtungsklage ist unzulässig. Die im Berufungsverfahren hilfsweise erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage ist zwar zulässig, jedoch unbegründet.

1. Zu Unrecht ist das Verwaltungsgericht von der Zulässigkeit der Anfechtungsklage ausgegangen, deren Gegenstand sich nach der übereinstimmenden Erledigungserklärung der Beteiligten hinsichtlich Nr. 2 der Anordnung des Regierungspräsidiums Tübingen vom 28.06.2001 nur noch auf deren Nr. 1 beschränkt. Die Anfechtungsklage hat sich entgegen der Auffassung des Klägers und des Verwaltungsgerichts auch hinsichtlich Nr. 1 der angefochtenen Anordnung erledigt, so dass das Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtungsklage insgesamt weggefallen ist. Mit der vollständigen Rückgabe der beim Kläger lagernden Pflanzenschutzmittel an den italienischen Verkäufer ist die von Nr. 1 der Anordnung ausgehende Beschwer des Klägers entfallen. Denn der erste Absatz von Nr. 1 der angefochtenen Anordnung, mit welchem dem Kläger untersagt wurde, die genannten Pflanzenschutzmittel anzuwenden und in den Verkehr zu bringen, bezieht sich nur auf die konkret vom Kläger bezogenen und noch bei ihm lagernden Pflanzenschutzmittel. Der Wortlaut der Anordnung ist insoweit eindeutig. Die Pflanzenschutzmittel sind darin unter Bezugnahme auf die konkrete Bezugsquelle des Klägers bezeichnet worden. Die Bezugsquelle kann aber beliebig variieren und ist daher nicht geeignet, die gesamte Gattung eines Pflanzenschutzmittels zu definieren. Eine nähere Bezeichnung durch Angaben zum Hersteller oder zur Zusammensetzung der Pflanzenschutzmittel, die möglicherweise für eine auf die gesamte Gattung bezogene Anordnung hätte sprechen können, hat das Regierungspräsidium gerade nicht gewählt. Für die Annahme, dass sich die angefochtene Anordnung nur auf die konkret beim Kläger lagernden Pflanzenschutzmittel bezieht, spricht auch der zweite Absatz von Nr. 1 der Anordnung, der die betroffenen Pflanzenschutzmittel nochmals präzise nach den konkreten Mengen bezeichnet. Auf diese Bezeichnung wird im ersten Absatz ausdrücklich Bezug genommen. Für die Annahme des Klägers, die Anordnung unterscheide zwischen dem Begriff "Pflanzenschutzmittel" als Gattungsbegriff und dem Begriff "Pflanzenschutzmittelmengen" als Bezeichnung des konkreten Vorrats, gibt der Wortlaut nichts her. Denn die Regelung in Nr. 2 der Anordnung, mit der dem Kläger die Beseitigung der Pflanzenschutzmittel aufgegeben wurde, bezieht sich nicht etwa auf die im zweiten Absatz der Nr. 1 genannten Pflanzenschutzmittelmengen, sondern allgemein auf die in Nr. 1 genannten Pflanzenschutzmittel. Die vom Kläger behauptete Unterscheidung wird in diesem Teil der Regelung, der sich vernünftigerweise nur auf den konkret vorhandenen Vorrat beziehen kann, gerade nicht vorgenommen. Der Behauptung des Klägers, auch das Regierungspräsidium habe die Anordnung als ein die gesamte Gattung umfassendes Verbot verstanden, hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat widersprochen. Die Haltung des Regierungspräsidiums ist vielmehr so zu verstehen, dass es durch die getroffene Anordnung hinsichtlich der konkret beim Kläger lagernden Pflanzenschutzmittel allgemein seine Auffassung kund tun wollte, die Anwendung und das Inverkehrbringen der genannten Pflanzenschutzmittel sei generell unzulässig und es sei auch in Zukunft mit Untersagungs- und Beseitigungsanordnungen zu rechnen.

Durch diese Auslegung der angefochtenen Anordnung werden Rechte des Klägers nicht verkürzt, denn er hat die Möglichkeit, seine Klage auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage umzustellen. Dies hat er mit seinem im Schriftsatz vom 30.06.2003 gestellten Hilfsantrag auch getan.

Die im Berufungsverfahren hilfsweise und im Hinblick auf § 44 VwGO im Wege der objektiven Klagehäufung zulässigerweise in den vorliegenden Rechtsstreit einbezogene Fortsetzungsfeststellungsklage hinsichtlich Nr. 1 der Anordnung ist zulässig. Hat sich der - im Wege der Anfechtungsklage angegriffene - Verwaltungsakt durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Das berechtigte Feststellungsinteresse folgt hier aus der Wiederholungsgefahr. Denn es ist damit zu rechnen, dass das Regierungspräsidium bei einem künftigen Erwerb der vorliegend umstrittenen, in Italien zugelassenen Pflanzenschutzmittel durch den Kläger, der hieran aufgrund des Preisgefälles ein starkes Interesse hat, in gleicher Weise und insbesondere aufgrund gleicher rechtlicher Erwägungen pflanzenschutzrechtliche Anordnungen erlassen wird (vgl. zu diesem Maßstab Senatsbeschluss vom 19.04.1996, VBlBW 1996, 394; VGH Bad.-Württ., Urteil v. 15.5.1990, Die Justiz 1991, 64).

2. Die zulässige Fortsetzungsfeststellungsklage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO). Denn Nr. 1 der Anordnung des Regierungspräsidiums Tübingen vom 28.06.2001 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Ermächtigungsgrundlage für die angefochtene Anordnung ist § 34a PflSchG i.d.F. der Bekanntmachung vom 14.5.1998 (BGBl. I S. 971). Nach Satz 1 dieser Vorschrift kann die zuständige Behörde im Einzelfall die Anordnungen treffen, die zur Beseitigung festgestellter oder zur Verhütung künftiger Verstöße gegen dieses Gesetz oder gegen die auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen notwendig sind. Sie kann insbesondere die Anwendung eines Pflanzenschutzmittels zur Verhütung von Verstößen gegen § 6 Abs. 2 oder § 6a (Satz 2 Nr. 1) oder das Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels untersagen, wenn die erforderliche Zulassung nicht vorliegt (Satz 2 Nr. 2).

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 34a Satz 2 Nr. 1 und 2 PflSchG vorliegen. Alle drei in der Anordnung genannten Mittel sind Pflanzenschutzmittel im Sinne von § 2 Nr. 9 PflSchG. Dies gilt insbesondere auch für das vom Kläger bezogene "Oliocin". Nach § 2 Nr. 9 PflSchG sind Pflanzenschutzmittel unter anderem Stoffe, die dazu bestimmt sind, Pflanzen vor Schadorganismen zu schützen. Diese Funktion erfüllt "Oliocin" unstreitig. Der Kläger trägt selbst vor, dass er das Mittel beim Anbau von Kernobst (Äpfel) gegen Spinnmilben und verschiedene Schildlausarten einsetzt. Für diese Zwecke wird "Oliocin" auch in zahlreichen im Internet veröffentlichten Pflanzenschutzratgebern empfohlen (vgl. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Berlin, Pflanzenschutz für Haus und Garten, Wochentipp 2003, siehe unter www.stadtentwicklung.berlin.de/pflanzenschutz /tipps/; Bayer Crop Science, Schädlinge und Krankheiten, Haus & Garten, siehe unter www.bayercropscience.de).

Die Vorschriften der Richtlinie 91/414/EWG des Rates vom 15. Juli 1991 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (ABl. Nr. L 230 vom 19.08.1991, S. 1 ff., im Folgenden: Pflanzenschutzrichtlinie) stehen dieser Auslegung nicht entgegen. Alle drei Mittel, insbesondere auch das "Oliocin", erfüllen die Voraussetzungen der Begriffsbestimmungen des Art. 2 Nr. 1 der Pflanzenschutzrichtlinie. Danach sind Pflanzenschutzmittel Wirkstoffe und Zubereitungen, die einen oder mehrere Wirkstoffe enthalten, in der Form, in welcher sie an den Anwender geliefert werden und die unter anderem dazu bestimmt sind, Pflanzen und Pflanzenerzeugnisse vor Schadorganismen zu schützen oder ihrer Einwirkung vorzubeugen, insoweit diese Stoffe oder Zubereitungen im Folgenden nicht anders definiert werden (Nr. 1.1). Paraffinöl, der in "Oliocin" enthaltene Wirkstoff, ist ein Wirkstoff im Sinne dieser Vorschrift. Die Pflanzenschutzrichtlinie definiert den Begriff Wirkstoffe in Art 2 Nr. 4. Danach sind Wirkstoffe unter anderem Stoffe oder Mikroorganismen einschließlich Viren mit allgemeiner oder spezifischer Wirkung gegen Schadorganismen (Nr. 4.1). Dass Paraffinöl diese Wirkungen hat, wurde bereits ausgeführt.

Dass Oliocin daneben auch als wirkungsverstärkendes Netzmittel für andere Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden kann, ohne dass es dabei auf seine Wirkung gegenüber Schadorganismen ankommt, nimmt ihm nicht die Eigenschaft eines Pflanzenschutzmittels im Sinne der Pflanzenschutzrichtlinie. Abgesehen davon ist Paraffinöl in der Verordnung (EG) Nr. 451/2000 der Kommission vom 28. Februar 2000 (ABl. Nr. L 055 vom 29.02.2000, S. 25 ff.) als ein der Pflanzenschutzrichtlinie unterfallender Wirkstoff genannt und wurde mit der Verordnung (EG) Nr. 1112/2002 der Kommission vom 20. Juni 2002 (ABl. Nr. L 168 vom 27.06.2002, S. 14 ff.) in die 4. Arbeitsstufe der Altwirkstoffprüfung zur Aufnahme in Anhang I gemäß Art. 8 Abs. 2 der Pflanzenschutzrichtlinie aufgenommen. Dass der Wirkstoff eines Pflanzenschutzmittels bereits in Anhang I der Pflanzenschutzrichtlinie aufgenommen worden ist, wird für die Einstufung als Pflanzenschutzmittel im Sinne der Pflanzenschutzrichtlinie entgegen der Ansicht des Klägers weder nach dem Wortlaut des Art. 2 noch nach der Systematik der Pflanzenschutzrichtlinie gefordert. Die nach Durchführung eines Zulassungsverfahrens auf der Ebene der Europäischen Gemeinschaften (vgl. im Einzelnen Art. 5 der Pflanzenschutzrichtlinie) erfolgte Aufnahme eines Wirkstoffs in Anhang I eröffnet den Mitgliedstaaten vielmehr nur die Möglichkeit, ein Pflanzenschutzmittel - unter erleichterten Voraussetzungen - zuzulassen (Art. 4 der Pflanzenschutzrichtlinie). Für Wirkstoffe, die noch nicht in Anhang I aufgenommen worden sind, gelten dagegen die in Art. 8 der Pflanzenschutzrichtlinie enthaltenen Übergangs- und Ausnahmeregelungen, die Zulassungen auf nationaler Ebene vorsehen.

Die Tatsache, dass "Oliocin" in seiner Funktion als Netzmittel als Zusatzstoff im Sinne von § 31c PflSchG einzustufen ist, schließt die Anwendbarkeit von § 34a PflSchG entgegen der Annahme des Klägers ebenfalls nicht aus. Anders als bei Düngemitteln (vgl. § 2 Nr. 9 PflSchG) schließt die Verwendungsmöglichkeit eines Mittels als Zusatzstoff die gleichzeitige Einstufung dieses Mittels als Pflanzenschutzmittel nicht kraft Gesetzes aus. Auf das für die Abgrenzung von Pflanzenschutzmitteln und Düngemitteln entwickelte Kriterium der überwiegenden Zweckbestimmung (vgl. hierzu im Einzelnen BVerwG, Beschluss vom 12.09.1996, NVwZ-RR 1997, 215; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 05.10.1995 - 12 S 3292/94 -; OVG Münster, Urteil vom 18.08.2000, AgrarR 2001, 292; BayObLG, Beschluss vom 19.07.1996, NuR 1997, 50) dürfte es daher vorliegend nicht ankommen. Die Frage kann jedoch letztlich offen bleiben, denn der Kläger hat weder vorgetragen noch ist sonst ersichtlich, dass der Einsatz als wirkungsverstärkendes Netzmittel die überwiegende Zweckbestimmung von "Oliocin" ist. Die Tatsache, dass "Oliocin" auch als Netzmittel Anwendung finden kann, steht daher der Rechtmäßigkeit der - ohnehin nur die Funktion als Pflanzenschutzmittel betreffenden - Nr. 1 der angefochtenen Anordnung des Regierungspräsidiums nicht entgegen. Allenfalls hinsichtlich der Rechtmäßigkeit von Nr. 2 der Anordnung hätten sich möglicherweise Zweifel ergeben können, ob ein umfassendes Beseitigungsgebot verhältnismäßig ist, wenn der Einsatz von "Oliocin" als Netzmittel ohne entsprechende Zulassung - wie vom Kläger behauptet - möglich und zulässig gewesen wäre. Ob dies der Fall ist, kann hier jedoch offen bleiben, weil die Beseitigungsanordnung in Nr. 2 der Anordnung des Regierungspräsidiums nach den übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten nicht mehr Gegenstand des Verfahrens ist.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht im Übrigen das Vorliegen der Voraussetzungen des § 34a PflSchG für den Erlass der angefochtenen Untersagungsanordnung bejaht, weil die streitgegenständlichen Pflanzenschutzmittel in der Bundesrepublik nicht zugelassen sind und ihre Anwendung bzw. ihr Inverkehrbringen daher gegen § 6a Abs. 1 Satz 1 bzw. § 34a Satz 2 Nr. 2 PflSchG verstößt. Insoweit sieht der Senat gemäß § 130b VwGO von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und verweist auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung.

Nicht zu beanstanden ist auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die in §§ 6a Abs. 1 Satz 1 bzw. 34a Satz 2 Nr. 2 PflSchG enthaltenen Verbote, in der Bundesrepublik nicht zugelassene Pflanzenschutzmittel hier in den Verkehr zu bringen oder anzuwenden, mit den gemeinschaftsrechtlichen Grundsätzen des freien Warenverkehrs zu vereinbaren sind. Bei den Verboten handelt es sich um Einfuhrbeschränkungen bzw. Maßnahmen gleicher Wirkung im Sinne von Art. 28 ff. des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der Fassung vom 02. Oktober 1997 (BGBl. 1998 II, S. 387 u. 1999 II S. 416, im Folgenden: EG), weil sie geeignet sind, den innergemeinschaftlichen Handel zu behindern (vgl. hierzu EuGH, Urteile vom 11.06.1974, Slg. 1974 I, 837 - Dassonville - und vom 20.02.1979, NJW 1979, 1766 - Cassis de Dijon). Die Beschränkungen sind jedoch nach Art. 30 EG gerechtfertigt, weil sie zum Schutz der Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen erforderlich sind.

Die Erforderlichkeit von Beschränkungen beim Inverkehrbringen und Anwenden von Pflanzenschutzmitteln aus Gründen der Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen wird durch die Pflanzenschutzrichtlinie anerkannt. Sie dient dem Schutz von Mensch, Tier und Umwelt gegen die Risiken und Gefahren einer nicht ausreichend geprüften Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (vierte, neunte und zehnte Begründungserwägung zur Pflanzenschutzrichtlinie) und soll zugleich Handelshemmnisse für diese Mittel beseitigen. Zu diesem Zweck enthält sie Regelungen zur Angleichung der Vorschriften der nationalen Gesetzgeber über die Voraussetzungen und das Verfahren für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln. Eine vollständige Harmonisierung der Vorschriften für das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln ist damit allerdings nicht bezweckt. Nach Art. 3 der Pflanzenschutzrichtlinie darf ein Pflanzenschutzmittel in einem Mitgliedsstaat nur dann in den Verkehr gebracht und angewendet werden, wenn es dort nach den Bestimmungen der Pflanzenschutzrichtlinie zugelassen wurde (zur einzigen Ausnahme, vgl. Art 22 EG). Das Erfordernis getrennter nationaler Zulassungsverfahren beruht auf der Erwägung, dass die für die Anwendung der Pflanzenschutzmittel maßgeblichen Voraussetzungen der Landwirtschaft, des Pflanzenschutzes und der Umwelt einschließlich der Witterungsverhältnisse in den jeweiligen Gebieten möglicherweise nicht vergleichbar sind.

Die Bestimmungen der Pflanzenschutzrichtlinie über das Zulassungsverfahren finden jedoch keine Anwendung, wenn ein Pflanzenschutzmittel, das in einem Mitgliedstaat nach den Vorschriften der Pflanzenschutzrichtlinie zugelassen wurde, in einen anderen Mitgliedsstaat, in dem für das identische Pflanzenschutzmittel ebenfalls eine nach den Vorschriften der Pflanzenschutzrichtlinie erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen vorliegt, parallel eingeführt werden soll. Wird für eine solche Einfuhr die erneute, aufwendige Zulassung nach den Vorschriften der Pflanzenschutzrichtlinie verlangt, kann darin eine Handelsbeschränkung zu sehen sein, die das notwendige Maß überschreitet und daher im Hinblick auf Art. 30 EG nicht mehr gerechtfertigt ist (EuGH, Urteil vom 11.03.1999, Slg. 1999 I, S. 1499). Auf den vorliegenden Fall übertragen, bedeutet das, dass die auf eine mangelnde Zulassung für die Bundesrepublik Deutschland gestützte Untersagungsverfügung des Regierungspräsidiums Tübingen ein gemäß Art. 28, 30 EG unzulässiges Handelshemmnis darstellt, wenn die vom Kläger bezogenen Pflanzenschutzmittel, die in Italien zugelassen sind, mit bereits in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Pflanzenschutzmitteln identisch sind und keine sonstigen den Schutz der Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen betreffenden Erwägungen die nochmalige Zulassung erfordern. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Denn die von dem Kläger bezogenen, in Italien nach den Vorschriften der Pflanzenschutzrichtlinie zugelassenen Pflanzenschutzmittel sind mit in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Pflanzenschutzmitteln nicht identisch. Die auf die fehlende Zulassung für die Bundesrepublik Deutschland gestützte Untersagungsverfügung des Regierungspräsidiums Tübingen begegnet daher auch im Hinblick auf Gemeinschaftsrecht keinen Bedenken. Auf die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob die Pflanzenschutzrichtlinie entgegen einer Bekanntmachung des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 23.12.1993 (Bundesanzeiger vom 31.12.1993, Nr. 296, S. 11154) für parallel importierte Pflanzenschutzmittel, die mit einem im Inland zugelassenen Pflanzenschutzmittel identisch sind, ein obligatorisches Identitätsfeststellungsverfahren vorschreibt, damit diese Pflanzenschutzmittel als frei verkehrsfähig gelten können, kommt es angesichts dessen im vorliegenden Verfahren nicht an (vgl. dazu Kaus, EuZW 1999, 344; Fluck, a.a.O., S. 94 sowie BGH, Urteil vom 23.06.1994, BGHZ 126, 270 - Zulassungsnummer I -).

Ein Pflanzenschutzmittel, das in einem Mitgliedsstaat zugelassen ist und in einen anderen Mitgliedsstaat eingeführt werden soll, ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs mit einem im Einfuhrstaat zugelassenen Pflanzenschutzmittel nur dann identisch, wenn das Mittel, ohne in allen Punkten mit dem im Einfuhrstaat bereits zugelassenen Mittel übereinzustimmen, zumindest insofern den gleichen Ursprung wie das letztgenannte Mittel hat, als es vom gleichen Unternehmen oder einem verbundenen Unternehmen oder in Lizenz nach der gleichen Formel und unter Verwendung des gleichen Wirkstoffs hergestellt wurde und überdies die gleichen Wirkungen hat, wobei etwaige Unterschiede bei den für die Anwendung des Mittels relevanten Bedingungen in bezug auf Landwirtschaft, Pflanzenschutz und Umwelt - einschließlich der Witterungsverhältnisse - zu berücksichtigen sind (EuGH, Urteil vom 11.03.1999, a.a.O.; für Arzneimittel ähnlich bereits im Urteil vom 12.11.1996, Slg. I 1996, 5819, "Smith & Nephew"; vgl. auch Kaus, EuZW 1999, 344). Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat an. Das Verwaltungsgericht hat ausführlich und überzeugend dargelegt, dass es sachgerecht ist, neben der Produktidentität auch die Herstelleridentität zu verlangen. Insoweit sieht der Senat gemäß § 130b VwGO von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und verweist insoweit auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung.

Die hiergegen vom Kläger erhobenen Einwände greifen nicht durch. Der vom Europäischen Gerichtshof verwendete Begriff der Identität entspricht den Anforderungen der Pflanzenschutzrichtlinie, auch soweit Herstelleridentität für erforderlich erachtet wird. Denn die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels ist nicht ausschließlich wirkstoffbezogen, sondern bezieht entgegen der Ansicht des Klägers maßgebend auch den Hersteller eines Wirkstoffs bzw. eines Pflanzenschutzmittels mit ein (vgl. Fluck, NuR 1999, 86, 94). So werden in den durch die Richtlinie 94/37 EG der Kommission vom 22. Juli 1994 geänderten Anhängen II und III der Pflanzenschutzrichtlinie zur Prüfung der Identität eines Wirkstoffes bzw. eines Pflanzenschutzmittels in Teil A jeweils umfassende und detaillierte Angaben zum Hersteller und zum Herstellungsverfahren verlangt, um jeden Wirkstoff und jede Zubereitung eines Pflanzenschutzmittels genau identifizieren zu können. Wird ein Wirkstoff in verschiedenen Herstellungsbetrieben produziert, so sind die Daten und Analyseergebnisse für jeden der Betriebe getrennt vorzulegen (Anhang II Teil A Ziff. 1.11. der Pflanzenschutzrichtlinie in der Fassung der Richtlinie 94/37 EG der Kommission vom 22. Juli 1994). Die Festlegung eines zugelassenen Pflanzenschutzmittels auf einen bestimmten Hersteller und damit auf ein bestimmtes, genau nachvollziehbares Herstellungsverfahren dient dem Ziel, die durch unterschiedliche Herstellungsverfahren bedingten Risiken und Schwankungen hinsichtlich der Zusammensetzung eines Pflanzenschutzmittels so gering wie möglich zu halten. Dieses Ziel wäre nicht im gleichen Maße zu erreichen, wenn auf die Herstelleridentität verzichtet würde.

Der Einwand des Klägers, die Bedeutung der Herstelleridentität sei begrenzt, weil auch unterschiedliche Chargen eines Pflanzenschutzmittels desselben Herstellers Schwankungen aufweisen könnten, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn nach dem von der Pflanzenschutzrichtlinie vorgeschriebenen Zulassungsverfahren ist dafür Sorge getragen, dass die technisch bedingten Schwankungen bei der Produktion eines zugelassenen Pflanzenschutzmittels bezogen auf das Herstellungsverfahren desselben Herstellers bestimmte Toleranzgrenzen nicht überschreiten (vgl. Anhang IV Teil C. Ziff. 2.7.2. der Pflanzenschutzrichtlinie). Ist die Einhaltung dieser Toleranzgrenzen nicht gewährleistet, wird das Mittel nicht zugelassen. Soweit möglicherweise einzelne Hersteller entgegen den mit der Zulassungsentscheidung verbundenen strengen Auflagen Änderungen im Herstellungsverfahren vornehmen, indem sie beispielsweise ohne entsprechende Anzeige an die zuständige Behörde andere als die zugelassenen Beistoffe verwenden und dadurch über das zulässige Maß hinausgehende Abweichungen in der Zusammensetzung ihres Pflanzenschutzmittels herbeiführen, ist dem durch geeignete Überwachungsmaßnahmen seitens der zuständigen Behörde entgegenzuwirken. Derartige Vorgehensweisen einzelner Hersteller vermögen nichts an der Tatsache zu ändern, dass die Herstelleridentität ein geeignetes und erforderliches Kriterium ist, um das mit der Pflanzenschutzrichtlinie zum Schutz der Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen verfolgte Ziel zu erreichen, auf diesem Gebiet ein hohes Schutzniveau zu garantieren und nur völlig sichere Pflanzenschutzmittel für den Verkehr zuzulassen (EuGH, Urteil vom 18.06.1996, Slg. I 1996 S. 2943, RdNr. 24ff).

Soweit der Kläger zur Begründung seiner Einwände auf die Rechtsprechung des Bundesgerichthofs verweist, führt dies nicht zu einer anderen Entscheidung. Der Auffassung des Bundesgerichtshofs, der den Begriff der Identität eines Pflanzenschutzmittels ausschließlich produktbezogen versteht (vgl. BGH, Urteil vom 14.11.2002, NJW-RR 2003, 327 - Zulassungsnummer III; vgl. zuvor schon Urteil vom 30.11.1995, NJW-RR 1996, 419 - Zulassungsnummer II -), folgt der Senat nicht. Dabei kann die vom Verwaltungsgericht verneinte Frage offen bleiben, ob die Entscheidung des Bundesgerichtshofs, die in einem wettbewerbsrechtlichen Verfahren erging, überhaupt auf das öffentliche Recht übertragbar ist. Denn die Begründung des Bundesgerichtshofs für seine Annahme, dass die vom Europäischen Gerichtshof aufgestellten Kriterien zur Identitätsfeststellung auf Parallelimporte in die Bundesrepublik Deutschland nicht anwendbar seien, überzeugt nicht. Der Europäische Gerichtshof hat sich in seinem Urteil vom 11. März 1999 entgegen der Auffassung des Bundesgerichtshofs nicht ausschließlich mit der Frage befasst, ob die britischen Behörden zu Recht davon ausgegangen sind, dass Identität bereits dann anzunehmen ist, wenn Pflanzenschutzmittel nur im Wesentlichen denselben Ursprung haben. Auch dem Sinnzusammenhang der Entscheidung lässt sich entgegen der Annahme des Bundesgerichtshofs eine derart begrenzte Aussage nicht entnehmen. Der Europäische Gerichtshof hat sich vielmehr grundsätzlich zu der Frage geäußert, ob für die Identitätsfeststellung auch Herstelleridentität erforderlich ist und diese Frage bejaht. Er führt hierzu in dem genannten Urteil aus, dass die zuständige Behörde neben dem Vorliegen eines gemeinsames Ursprungs prüfen müsse, ob die beiden Pflanzenschutzmittel, ohne in allen Punkten übereinzustimmen, zumindest nach der gleichen Formel und unter Verwendung des gleichen Wirkstoffs hergestellt worden seien und überdies (im Wesentlichen) die gleichen Wirkungen hätten (EuGH, Urteil vom 11.03.1999, a.a.O., RdNr. 33). Für den Fall, dass alle genannten Kriterien erfüllt sind, kommt der Europäische Gerichtshof zu dem Schluss, dass für das Pflanzenschutzmittel, das aus einem anderen Mitgliedstaat importiert werden solle, grundsätzlich die bereits erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen zu gelten habe, ohne dass es einer nochmaligen Zulassung bedürfe. Der Europäische Gerichtshof äußert sich aber darüber hinaus auch zu den Folgen, die es hat, wenn die zuständige Behörde nicht zu diesem Ergebnis kommt, wenn also eines der drei Kriterien fehlt. Dann nämlich darf die Behörde die für die Vermarktung des zu importierenden Pflanzenschutzmittels erforderliche Genehmigung nur in Einklang mit den Voraussetzungen der Pflanzenschutzrichtlinie erteilen (EuGH, Urteil vom 11.03.1999, a.a.O., RdNr. 37). Dass dem Kriterium der Herstelleridentität insoweit ein geringeres Gewicht zukommen könnte, als den beiden produktbezogenen Kriterien, ist dem Urteil nicht zu entnehmen. Der vom Europäischen Gerichtshof entwickelte Begriff der Identität ist ein gemeinschaftsrechtlicher Begriff, der für die Frage maßgeblich ist, ob gemäß Art. 9 der Pflanzenschutzrichtlinie eine Zulassung nach den Vorschriften der Richtlinie durchzuführen ist. Dieser Begriff gilt unabhängig von der jeweiligen nationalen Rechtsordnung und findet daher auch im vorliegenden Fall Anwendung (anders OLG Koblenz, Urteil vom 21.03.2000 - 4 U 926/99).

Aus den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs in den Verfahren "De Peijper" (Urteil vom 20.05.1976, NJW 1976, 1575) und "Canal Satélite" (Urteil vom 22.01.2002, DVBl. 2002, 459) kann keine abweichende Schlussfolgerung gezogen werden. In der Entscheidung "De Peijper" vom 20. Mai 1976 ging es im Wesentlichen um die Frage, ob Art. 30 EG (früher Art. 36 EWG-Vertrag) die Praxis rechtfertigt, bei Parallelimporten von Arzneimitteln zum Nachweis der Identität umfangreiche Unterlagen zu verlangen, auch wenn mögliche Abweichungen nur von untergeordneter Bedeutung sind. Da die Arzneimittel nach dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt ohne Zweifel von demselben Hersteller produziert worden waren, stellte sich das Problem der Herstelleridentität in dieser Entscheidung nicht. Dementsprechend können aus dem Fehlen von Erwägungen zur Herstelleridentität in den Gründen dieser Entscheidung keine Rückschlüsse auf das vorliegende Verfahren gezogen werden. Gleiches gilt für die Entscheidung "Canal Satélite" vom 22. Januar 2002, die sich mit der Frage befasste, ob es gegen den Grundsatz des freien Warenverkehrs verstößt, wenn Telekommunikationsgeräte (Dekoder für digitale Fernsehdienste), die in einem Mitgliedsstaat rechtmäßig in den Verkehr gebracht wurden, in einem anderen Mitgliedsstaat erst nach vorheriger Registrierung und Genehmigung in den Verkehr gebracht werden dürfen. Abgesehen davon, dass bei der Produktion von Telekommunikationsgeräten anders als bei Arznei- oder Pflanzenschutzmitteln keine erheblichen Schwankungen hinsichtlich der stofflichen Zusammensetzung der einzelnen Geräte zu erwarten sind, käme etwaigen Schwankungen offensichtlich auch keine annähernd vergleichbare Bedeutung für die Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen zu wie Schwankungen bei der Produktion von Arznei- und Pflanzenschutzmitteln. Die Tatsache, dass der Europäische Gerichtshof für die freie Verkehrsfähigkeit von Telekommunikationsgeräten keine Herstelleridentität verlangt, ist daher für die Beurteilung der Verkehrsfähigkeit von Pflanzenschutzmitteln unerheblich. Mangels Vergleichbarkeit der in Rede stehenden Gesundheitsrisiken kann sich der Kläger auch nicht auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur (Un-)Verhältnismäßigkeit der Herstellerbindung bei Bauartzulassungen berufen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.06.1997, NVwZ 1998, 614).

Ist danach ein in die Bundesrepublik Deutschland eingeführtes Pflanzenschutzmittel mit einem bereits in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Pflanzenschutzmittel nur dann identisch, wenn es den gleichen Ursprung hat, d.h. vom gleichen Unternehmen oder einem verbundenen Unternehmen oder in Lizenz nach der gleichen Formel hergestellt wurde, kann hinsichtlich der vom Kläger bezogenen Pflanzenschutzmittel "Micene DF" und "Torpedo 80 WP" Identität mit in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Pflanzenschutzmittel nicht festgestellt werden.

Hinsichtlich des von der Firma Diachem S.P.A., Albano S. Alessandro, BG, Italien, hergestellten Pflanzenschutzmittels "Torpedo 80 WP" hat bereits das Verwaltungsgericht ausführlich dargelegt und begründet, dass dieses Mittel nicht denselben Ursprung hat wie das in der Bundesrepublik Deutschland zugelassene und von der Aventis Crop Science Deutschland GmbH produzierte Mittel "Aliette WG". Insoweit sieht der Senat daher von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und verweist auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung. Einwände hat der Kläger gegen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts insoweit nicht erhoben.

Auch das von der italienischen Firma SIPCAM S.P.A., Mailand, und der Firma ELF-Atochem in den Niederlanden (Rotterdam) produzierte Pflanzenschutzmittel "Micene DF" ist mangels Herstelleridentität weder mit dem in Deutschland zugelassenen Pflanzenschutzmittel "Dithane NeoTec" der Firma Rohm und Haas noch mit den Vertriebszulassungen "Dithane Ultra WG Spiess Urania" der Firma Spiess Urania oder "Dithane Ultra WG Ciba-Geigy" von Syngenta identisch. Auch insoweit verweist der Senat auf die überzeugenden Gründe des angefochtenen Urteils. Die vom Kläger im Berufungsverfahren geäußerte Vermutung, dass zwischen den Inhabern der für die Bundesrepublik Deutschland geltenden Zulassungen und den italienischen Herstellern des Pflanzenschutzmittels "Micene DF" zumindest Lizenzverträge bestehen, trifft nach den vom Regierungspräsidium Tübingen im Klageverfahren vorgelegten Auskünften der betreffenden Firmen nicht zu. Konkrete Hinweise auf derartige Lizenzverträge hat auch der Kläger nicht benennen können. Anlass, zu dieser Frage weitere Informationen einzuholen, bestand daher nicht.

Mangels Herstelleridentität kommt auch das in der Bundesrepublik Deutschland zugelassene Pflanzenschutzmittel "Para Sommer" nicht als Referenzmittel für das italienische "Oliocin" in Betracht. Denn dieses Mittel wird von der Firma Stähler Agrochemie GmbH & Co KG, Stade, hergestellt und vertrieben. Beziehungen zu den Herstellern des italienischen "Oliocin" oder dem deutschen "Oliocin Austriebsspritzmittel" bestehen nach dem unbestrittenen Vortrag des Regierungspräsidiums Tübingen, der sich auf eine telefonische Auskunft der Firma Stähler und der Biologischen Bundesanstalt stützt, nicht.

Ob das italienische "Oliocin" und das deutsche "Oliocin Austriebsspritzmittel" denselben Ursprung haben, kann offen bleiben. Denn die beiden Mittel wurden nicht nach der gleichen Formel hergestellt (EuGH, Urteil vom 11.93.1999, a.a.O., RdNr. 33). Der Einwand des Klägers, der Europäische Gerichtshof beziehe das Erfordernis der "gleichen Formel" in seinem Urteil vom 11.03.1999 ausweislich des Tenors nicht auf die Wirkstoffkonzentration, sondern allein auf die Herstelleridentität bei Lizenzverträgen, geht fehl. Denn aus den Entscheidungsgründen ergibt sich deutlich, dass alle Mittel, also auch die von demselben oder verbundenen Unternehmen hergestellten Mittel, nach der gleichen Formel hergestellt sein müssen, um als identisch zu gelten (vgl. EuGH, Urteil vom 11.93.1999, a.a.O., RdNr. 33). Mit der im Tenor des Urteils vom 11.03.1999 gewählten Formulierung sollte daher keine Differenzierung hinsichtlich der verschiedenen Beziehungen zu dem ursprünglichen Hersteller postuliert werden. Ein Hinweis auf eine diesbezüglich beabsichtigte Differenzierung ist weder den Entscheidungsgründen zu entnehmen, noch wäre sie sachlich gerechtfertigt. Die Notwendigkeit, hinsichtlich der Identität der Pflanzenschutzmittel auf die gleiche Formel abzustellen, ergibt sich aufgrund der Überlegung, dass bei identischen Pflanzenschutzmitteln ein erneutes, aufwendiges Zulassungsverfahren nicht erforderlich ist, weil die für die Beurteilung der Gesundheitsgefahren erforderlichen wissenschaftlichen Angaben der zuständigen Behörde bereits vorliegen oder jedenfalls ohne größere Schwierigkeiten von den Behörden, die das Referenzmittel zugelassen haben, beschafft werden können (EuGH, Urteil vom 11.03.1999, a.a.O., RdNr. 26; Schlussanträge des Generalanwalts vom 2. Oktober 1997, a.a.O., RdNr. 73). Diese Überlegung ist jedoch nur gerechtfertigt, wenn die Pflanzenschutzmittel jeweils nach der gleichen Formel hergestellt wurden.

Herstellung nach der gleichen Formel bedeutet, dass die Pflanzenschutzmittel die gleiche Formulierungsart aufweisen, d.h. jeweils beispielsweise als Emulsion, Granulat oder Pulver formuliert wurden. Die Formulierung beruht nach Auskunft des in der mündlichen Verhandlung anwesenden Vertreters der Biologischen Bundesanstalt auf einer aktiven Komponente, d.h. dem Wirkstoffgehalt, und auf den Beistoffen. Zwei Pflanzenschutzmittel müssen daher, um nach der gleichen Formel hergestellt zu sein, hinsichtlich des Wirkstoffgehaltes und auch hinsichtlich der Beistoffe im Wesentlichen die gleiche qualitative und quantitative Zusammensetzung aufweisen (so auch die Schlussanträge des Generalanwalts vom 2. Oktober 1997, a.a.O., RdNr. 65, 74; EuGH, Urteil vom 20.05.1976, NJW 1976, 1575, "De Peijper"). Diese Voraussetzungen erfüllen das italienische "Oliocin" und das deutsche "Oliocin Austriebsspritzmittel" nicht. Das deutsche "Oliocin Austriebsspritzmittel" enthält ausweislich einer vom Kläger nicht in Zweifel gezogenen Stellungnahme der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft vom 24.08.2001 an das Regierungspräsidium Tübingen 546 g/l Wirkstoff (60 %) sowie Emulgatoren und Netzmittel als Beistoffe. Das italienische "Oliocin" enthält demgegenüber eine höhere Wirkstoffkonzentration, nämlich 689 g/l (80 %), und in geringer Menge einen Beistoff. Die Zusammensetzung ist daher sowohl hinsichtlich der Wirkstoffkonzentration als auch hinsichtlich der verwendeten Beistoffe unterschiedlich.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs muss das aus einem Mitgliedsstaat importierte Pflanzenschutzmittel allerdings nicht in allen Punkten mit dem im Einfuhrstaat bereits zugelassenen Mittel übereinstimmen. Zu Parallelimporten von Arzneimitteln hat er insoweit entschieden, dass eine festgestellte Abweichung in der Formulierung dann nicht schadet, wenn sie von so untergeordneter Bedeutung ist, dass man vermuten darf, dass der Hersteller diese Abweichung mit der ersichtlichen und ausschließlichen Absicht vornimmt, sie zu benutzen, um die Möglichkeit eines Parallelimports zu verhindern. Etwas anderes gilt nur dann, wenn therapeutisch relevante Unterschiede bestehen (EuGH, Urteil vom 20.05.1976, NJW 1976, 1575, "De Peijper"). Diese Rechtsprechung kann nach Auffassung des Senats auf Parallelimporte von Pflanzenschutzmitteln übertragen werden. Demnach können Abweichungen in der Zusammensetzung der Pflanzenschutzmittel, insbesondere hinsichtlich der Beistoffe, dann außer Betracht bleiben, wenn sie für die Wirkungen des Pflanzenschutzmittels nicht relevant sind (vgl. auch die Schlussanträge des Generalanwalts vom 2. Oktober 1997, a.a.O., RdNr. 65f.).

Nach dieser Maßgabe sind die Abweichungen zwischen dem italienischen "Oliocin" und dem deutschen "Oliocin Austriebsmittel" nicht unbeachtlich. Denn die Unterschiede in der Zusammensetzung und Wirkstoffkonzentration wirken sich auch auf die Anwendungskonzentration aus. Das italienische "Oliocin" ist für den Obstanbau in einer Anwendungskonzentration von 3 % zugelassen. Das entspricht einem Verhältnis von 24 ml Paraffinöl/l Spritzflüssigkeit. Dieser Wert ist etwa doppelt so hoch wie der für das deutsche Mittel. Denn dieses ist mit einer Anwendungskonzentration von 2 % zugelassen (= 12 ml Paraffinöl/l Spritzflüssigkeit). Um eine optimale Wirkung zu erzielen, ist bei dem italienischen Mittel daher ein höherer Wirkstoffaufwand erforderlich als bei dem deutschen Mittel, dessen Wirksamkeit durch entsprechende Beistoffe unterstützt wird (vgl. Stellungnahme der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft vom 24.08.2001). Dieser höhere Wirkstoffaufwand, der beim italienischen Mittel erforderlich ist, um eine optimale Wirkung zu erzielen, ist nicht von untergeordneter Bedeutung. Denn Mineralölformulierungen, wie "Oliocin" und "Oliocin Austriebspritzmittel", wirken hochtoxisch auf Fischnährtiere (so genannte Daphnien). Diese toxische Wirkung wird durch die höhere Aufwandmenge bei dem italienischen "Oliocin" gesteigert (Stellungnahme der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft vom 24.08.2001). Die Abweichung hinsichtlich der Wirkstoffkonzentration ist daher hinsichtlich der schädlichen Wirkungen von erheblicher Relevanz. Dem kann - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht dadurch begegnet werden, dass das italienische Mittel nur in der für das deutsche Mittel zugelassenen Anwendungskonzentration angewendet wird. Denn bei dieser Verfahrensweise wäre nach den obigen Ausführungen eine optimale Wirkung des Pflanzenschutzmittels nicht zu erreichen.

Das Einholen eines Sachverständigengutachtens, das der Kläger hinsichtlich der Unschädlichkeit der Beistoffe des italienischen "Oliocins" angeregt hat, ist unabhängig von der Frage, wer hierfür die Darlegungs- und Beweislast trägt, nicht erforderlich. Denn auf die Frage der Schädlichkeit der im italienischen Oliocin enthaltenen Beistoffe kommt es angesichts der bereits wegen der unterschiedlichen Wirkstoffkonzentration verneinten Identität des italienischen "Oliocins" mit dem deutschen "Oliocin Austriebsmittel" nicht an. Auch die hinsichtlich der Mittel "Micene DF" und "Torpedo 80 WP" angeregte Beweiserhebung durch Einholung von Sachverständigengutachten zur Frage der Wirkungsidentität mit den deutschen "Dithane"-Produkten bzw. dem deutschen "Aliette WG" ist nicht erforderlich, da es insoweit bereits an der erforderlichen Herstelleridentität mangelt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Revision wird gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Die Klärung der für die Beurteilung des vorliegenden Falles bedeutsamen Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen ein in einen Mitgliedsstaat eingeführtes Pflanzenschutzmittel mit einem bereits in diesem Mitgliedsstaat zugelassenen Pflanzenschutzmittel identisch ist, hat insbesondere im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs über den zu entscheidenden Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Auslegung und Anwendung des Rechts.

Beschluss

vom 19.08.2003

Der Streitwert des Verfahrens in beiden Rechtszügen wird unter Abänderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts gemäß §§ 13 Abs. 1 Satz 1, 25 Abs. 2 Satz 2 GKG auf je 5.463,40 EUR festgesetzt. Die Berechnung des Streitwerts beruht auf den vom Kläger in der Klageschrift angegebenen Preisen für die bezogenen Pflanzenschutzmittel.

Ende der Entscheidung

Zurück