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Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 23.01.2007
Aktenzeichen: 4 S 1379/04
Rechtsgebiete: VwGO, PflSchG, EWGRL 91/414


Vorschriften:

VwGO § 113 Abs. 1 Satz 4
PflSchG § 6a
PflSchG § 11
PflSchG § 15
PflSchG § 16c
PflSchG § 40 Abs. 1 Nr. 8b
EWGRL 91/414
Nach der Änderung des Pflanzenschutzgesetzes durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Pflanzenschutzgesetzes vom 22.06.2006 (BGBl. I S. 1342) sind Einfuhr, Inverkehrbringen und Anwendung von Pflanzenschutzmitteln - auch im Wege des bäuerlichen Direktimports - ohne das Vorliegen jedenfalls einer Verkehrsfähigkeitsbescheinigung rechtlich nicht mehr zulässig.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

4 S 1379/04

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Pflanzenschutzmittel

hat der 4. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 23. Januar 2007

am 23. Januar 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 25. Februar 2002 - 2 K 1153/01 - wird auch insoweit zurückgewiesen, als dieses Nr. 1 der Anordnung des Regierungspräsidiums Tübingen vom 28. Juni 2001 im Hinblick auf das Pflanzenschutzmittel "Micene DF" zum Gegenstand hat.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger das in Italien rechtmäßig hergestellte und vertriebene Pflanzenschutzmittel Micene DF, das in Deutschland nicht zugelassen ist, einführen, in Verkehr bringen und anwenden darf.

Der Kläger ist Landwirt und Mitglied einer Einkaufsgemeinschaft, die bei Firmen in Italien und in der Schweiz Pflanzenschutzmittel einkaufte und durch eine Spedition in Deutschland einführen ließ. Unter dem 28.06.2001 ordnete das Regierungspräsidium Tübingen gegenüber dem Kläger mit sofortiger Vollziehbarkeit an, die im Einzelnen bezeichneten Pflanzenschutzmittel - u.a. 100 kg Micene DF - weder anzuwenden noch in Verkehr zu bringen (Nr. 1 der Anordnung) und bis spätestens 16.07.2001 ordnungsgemäß zu beseitigen (Nr. 2).

Zur Begründung wurde ausgeführt, die bezogenen Pflanzenschutzmittel seien in Deutschland nicht zugelassen. Sie könnten auch nicht deshalb angewandt und in Verkehr gebracht werden, weil sie mit einem bereits zugelassenen Pflanzenschutzmittel identisch seien, da diese Voraussetzung nach den Feststellungen der Biologischen Bundesanstalt nicht vorliege.

Der Kläger erhob hiergegen Klage und gab die Pflanzenschutzmittel in der Folgezeit an die Lieferanten zurück, woraufhin die Beteiligten das Verfahren hinsichtlich der Beseitigungsanordnung übereinstimmend für erledigt erklärten. Das Verwaltungsgericht stellte das Verfahren insoweit ein und wies die Klage im Übrigen mit Urteil vom 25.02.2002 - 2 K 1153/01 - unter Zulassung der Berufung ab.

Die mit einem Anfechtungsantrag, hilfsweise einem Fortsetzungsfeststellungsantrag geführte Berufung des Klägers hat der Senat mit Urteil vom 19.08.2003 - 4 S 1095/02 - zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Anfechtungsklage sei unzulässig, da sich die streitbefangene Anordnung mit der vollständigen Rückgabe der Pflanzenschutzmittel an den Verkäufer auch hinsichtlich des Verbots der Anwendung und des Inverkehrbringens erledigt habe. Die zulässige Fortsetzungsfeststellungsklage sei unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der angegriffenen Anordnung, weil diese gestützt auf § 34a PflSchG rechtmäßig ergangen sei. Die Pflanzenschutzmittel seien in der Bundesrepublik Deutschland nicht zugelassen. Ihre Anwendung bzw. ihr Inverkehrbringen verstoße daher gegen § 6a Abs. 1 Satz 1 bzw. § 34a Abs. 2 Nr. 2 PflSchG. Diese Bestimmungen seien mit den gemeinschaftsrechtlichen Grundsätzen des freien Warenverkehrs vereinbar. Bei den Verboten handle es sich um Einfuhrbeschränkungen bzw. Maßnahmen gleicher Wirkung i. S. v. Art. 28 ff. EG, weil sie geeignet seien, den innergemeinschaftlichen Handel zu behindern. Die Beschränkungen seien jedoch nach Art. 30 EG gerechtfertigt, weil sie zum Schutz der Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen erforderlich seien. Die vom Kläger bezogenen, in Italien nach den Vorschriften der Pflanzenschutzrichtlinie zugelassenen Pflanzenschutzmittel seien auch mit in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Pflanzenschutzmitteln nicht identisch; es fehle an der Herstelleridentität.

Die vom Senat zugelassene Revision hat der Kläger nur hinsichtlich der Abweisung der Fortsetzungsfeststellungsklage in Bezug auf das Pflanzenschutzmittel Micene DF eingelegt. Mit Urteil vom 29.04.2004 - 3 C 38.03 - hat das Bundesverwaltungsgericht das Urteil des Senats aufgehoben, soweit es die Verfügung des Regierungspräsidiums Tübingen vom 28.06.2001 im Hinblick auf das Pflanzenschutzmittel Micene DF zum Gegenstand hat, und die Sache insoweit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. In den Gründen ist ausgeführt, die Herstelleridentität sei kein Erfordernis für einen zulassungsfreien Parallelimport, mit dessen Fehlen allein die Unterbindung des Inverkehrbringens begründet werden könne. Das habe der Europäische Gerichtshof in einer nach dem Berufungsurteil ergangenen Entscheidung vom 01.04.2004 (- Rs C-112/02 - Kohlpharma) deutlich gemacht. Zwar betreffe dieses Urteil die Einfuhr von Arzneimitteln. Der Europäische Gerichtshof habe aber in seinem Urteil vom 11.03.1999 (- Rs C-100/96 - British Agrochemicals -) die Parallelität zur Einfuhr von Pflanzenschutzmitteln gerade wegen desselben Schutzzwecks selbst betont. Der im Urteil vom 01.04.2004 angesprochene Umstand, dass in diesem Fall der Wirkstoff vom selben Hersteller stamme, habe u.a. im Tenor der Entscheidung gerade keinen Niederschlag gefunden. Das lasse den Schluss zu, dass der Europäische Gerichtshof insoweit eine generelle Aussage getroffen habe, die auch für den vorliegenden Fall herangezogen werden könne. Dies bedeute allerdings nicht, dass ein Parallelimport ohne weiteres zulässig wäre. Vielmehr blieben die beiden weiteren Voraussetzungen der Wirkstoffidentität und der Wirkungsidentität bestehen, um Gesundheitsgefahren auszuschließen.

Der Kläger beantragt nunmehr,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 25. Februar 2002 - 2 K 1153/01 - zu ändern und festzustellen, dass Nr. 1 der Anordnung des Regierungspräsidiums Tübingen vom 28. Juni 2001 insoweit rechtswidrig war, als ihm die Anwendung und das Inverkehrbringen des Pflanzenschutzmittels Micene DF untersagt wurde.

Er trägt vor, auch unter Berücksichtigung der Änderung des Pflanzenschutzgesetzes vom 22.06.2006 bestehe sein Feststellungsinteresse fort. Denn der Gesetzgeber habe in § 16c Abs. 1 PflSchG geregelt, dass die nunmehr vor dem Import zwingend vorgeschriebene Registrierung nur den gewerbsmäßigen Import von Pflanzenschutzmitteln erfasse. Demgegenüber sei der Landwirt zum Zwecke des Eigenverbrauchs nach wie vor berechtigt, Pflanzenschutzmittel, die in einem EU-Staat zugelassen seien und mit in Deutschland zugelassenen Referenzmitteln stofflich übereinstimmten, einzuführen. Hierauf werde in der amtlichen Begründung des Gesetzes ausdrücklich verwiesen. Zwei Klarheiten habe die Änderung des Pflanzenschutzgesetzes allerdings gebracht: Aus den Materialien ergebe sich, dass sich der Gesetzgeber ausdrücklich von einer 100%igen Identität beider Mittel verabschiedet habe. Auch der (gewerbsmäßige) Importeur eines Pflanzenschutzmittels könne im behördlichen Registrierungsverfahren die stoffliche Übereinstimmung beider Mittel nicht nur durch einen behördeninternen Datenabgleich der Rezepturen von Import- und Referenzmittel nachweisen; vielmehr habe der Gesetzgeber ausdrücklich gestattet, dass dies gutachterlich durch ein vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit - BVL - akzeptiertes Labor außerbehördlich erfolgen könne. Im vorliegenden Fall habe das dem BVL als seriös arbeitend bekannte Labor Spektral Service die streitgegenständlichen Mittel untersucht und die stoffliche Übereinstimmung bestätigt. Das von ihm importierte Pflanzenschutzmittel Micene DF stimme mit dem deutschen Referenzprodukt Dithane Ultra WG in seinem Wirkstoff und in seiner Wirkungsweise überein.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor, die Frage, ob noch ein Feststellungsinteresse vorliege, sei nicht eindeutig zu beantworten. Wie sich aus Äußerungen der zuständigen Bundesbehörden sowie aus dem Verlauf von Dienstbesprechungen ergebe, werde die Frage, ob ab 01.01.2007 ein Parallelimport durch einen Anwender (Landwirt) ohne Vorliegen einer Verkehrsfähigkeitsbescheinigung nach § 16c PflSchG zulässig sein könne, uneinheitlich beantwortet und z.T. eine Klärung in einer 3. Novelle für erforderlich erachtet. Nach seiner Auffassung sei auch bei einer "Direkteinfuhr" durch einen Anwender das Vorliegen einer Verkehrsfähigkeitsbescheinigung nicht entbehrlich: Gemäß § 16c PflSchG seien Einfuhr und Inverkehrbringen nur zulässig bei Vorliegen einer solchen Feststellung. Diese könne vom Importeur oder vom Inverkehrbringer beantragt werden. Solle das Pflanzenschutzmittel z.B. von einem Landwirt lediglich eingeführt (und selbst angewendet) werden, könne dieses Feststellungsverfahren von ihm nicht beantragt und durchgeführt werden. In diesem Fall gelte § 11 Abs. 1 PflSchG: das Pflanzenschutzmittel müsse entweder vom BVL (ggf. im vereinfachten Verfahren) zugelassen worden sein oder eine (von einem Importeur, einem Händler oder einer "Einkaufsgemeinschaft" beantragte) Feststellung der Verkehrsfähigkeit aufweisen. Die Geltung des § 11 PflSchG in diesen Fällen werde in der Gesetzesbegründung betont. Auf Nachfrage im zuständigen Bundesministerium sowie beim BVL ergangene Äußerungen ließen allerdings darauf schließen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers bei "bäuerlichen Direktimporten" keine Verkehrsfähigkeitsbescheinigung vorliegen müsse. Dabei sei jedoch betont worden, dass in diesen Fällen der Importeur für das Vorliegen von Identität nachweispflichtig sei. Das Vorliegen eines "unbekannten, d.h. nicht bewerteten Beistoffs" schließe das Vorliegen von Identität jedoch aus. Im vorliegenden Fall sei der in Frage stehende Beistoff in Pflanzenschutzmitteln, die in Deutschland zugelassen seien, nicht enthalten und daher in seiner Funktion unbekannt und nicht bewertet. Damit sei eine unterschiedliche Formulierung gegeben, welche die Produktidentität ausschließe.

Dem Senat liegen die Akten des Verwaltungsgerichts und des Beklagten vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird hierauf sowie auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den sonstigen Inhalt der Akten des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Verwaltungsgericht zugelassene und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis auch insoweit zu Recht abgewiesen, als sie die Untersagung des Anwendens und des Inverkehrbringens des Pflanzenschutzmittels Micene DF betrifft (Nr. 1 der Anordnung des Regierungspräsidiums Tübingen vom 28.06.2001). Die im Berufungsverfahren erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage ist wegen Fehlens eines berechtigten Feststellungsinteresses unzulässig (geworden).

Hat sich der - im Wege der Anfechtungsklage angegriffene - Verwaltungsakt durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Erledigung ist hier nach Erhebung der ursprünglich zulässigen Anfechtungsklage eingetreten; mit der vollständigen Rückgabe der beim Kläger lagernden Pflanzenschutzmittel an den italienischen Verkäufer ist die von Nr. 1 der Anordnung ausgehende Beschwer des Klägers entfallen (vgl. dazu Senatsurteil vom 19.08.2003 - 4 S 1095/02 -, NVwZ 2004, 631).

Ein berechtigtes Feststellungsinteresse im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO besteht dann, wenn die begehrte Feststellung im Hinblick auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen noch von Bedeutung ist, wenn die Maßnahme diskriminierende Wirkung hatte und der Kläger ein schutzwürdiges Rehabilitierungsinteresse besitzt sowie wenn eine konkrete Wiederholungsgefahr besteht (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 25.08.1993, NVwZ-RR 1994, 234). Hier kommt als zulässigkeitsbegründendes berechtigtes Interesse nur die - vom Kläger allein geltend gemachte - Wiederholungsgefahr in Betracht, die aber nicht vorliegt.

Der Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr begründet ein berechtigtes Interesse nur dann, wenn die hinreichend bestimmte Gefahr besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen eine gleichartige Maßnahme ergehen wird (ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. nur Beschlüsse vom 16.10.1989, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 211, und vom 26.04.1993, Buchholz a.a.O. Nr. 255; Senatsbeschluss vom 19.04.1996 - 4 S 384/95 -, VBlBW 1996, 394; OVG Saarland, Beschluss vom 05.08.2005 - 3 R 1/05 u.a.-, Juris). Die Gleichartigkeit einer Verwaltungsentscheidung kann grundsätzlich nur dann angenommen werden, wenn sich die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die für den angegriffenen Verwaltungsakt zunächst maßgebend waren, seit dessen Erlass nicht geändert haben und diese Verhältnisse auch noch im Zeitpunkt der zukünftig zu erwartenden Verwaltungsentscheidung vorliegen werden oder wenn auch trotz veränderter Verhältnisse eine auf gleichartigen Erwägungen beruhende Entscheidung der Behörde zu erwarten ist, weil sie eine entsprechende Absicht zu erkennen gegeben hat (BVerwG, Urteil vom 25.08.1993, a.a.O.).

Nach diesen Grundsätzen sind keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür gegeben, dass sich zwischen dem Kläger und dem beklagten Land der Rechtsstreit in der Gestalt, in der er Gegenstand des anhängigen Verwaltungsstreitverfahrens war, wiederholen wird; die rechtlichen Verhältnisse haben sich wesentlich gewandelt. Der Kläger rügt die Untersagung des Anwendens und des Inverkehrbringens eines importierten Pflanzenschutzmittels, das in Deutschland nicht zugelassen ist, und beruft sich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Parallelimport, nach der unter bestimmten Voraussetzungen ("Produktidentität") eine Handelsbeschränkung darin zu sehen sein kann, dass für ein parallel importiertes Pflanzenschutzmittel, das in einem Mitgliedstaat nach den Vorschriften der Pflanzenschutzrichtlinie zugelassen wurde, eine erneute, aufwändige Zulassung nach den Vorschriften der Pflanzenschutzrichtlinie verlangt wird (EuGH, Urteil vom 11.03.1999, Slg. 1999 I, 1499 - British Agrochemicals -). Indes hat der Gesetzgeber mittlerweile dieser Rechtsprechung Rechnung getragen und den Parallelimport nunmehr durch ein vereinfachtes Zulassungsverfahren geregelt (vgl. die seit dem 01.01.2007 anwendbaren [§ 45 Abs. 12 PflSchG] §§ 16c ff. PflSchG i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Pflanzenschutzgesetzes vom 22.06.2006, BGBl. I S. 1342). Eine derartige Befugnis des nationalen Gesetzgebers, ein vereinfachtes Verfahren zur Feststellung der Übereinstimmung mit dem zugelassenen Mittel einzuführen, hat der Europäische Gerichtshof anerkannt (Urteile vom 11.03.1999, a.a.O., und vom 01.04.2004, Slg. 2004 I, 3369 - Kohlpharma -). Danach kommt ein vom Kläger letztlich begehrter zulassungsfreier Parallelimport nicht mehr in Betracht. In jedem Fall ist nun - wenn es an einer Zulassung (vgl. §§ 15, 15b, 15c PflSchG) fehlt - zumindest das Vorliegen einer Verkehrsfähigkeitsbescheinigung erforderlich, wenn der Kläger Pflanzenschutzmittel einführen und anwenden will. Mithin kann von im Wesentlichen unveränderten rechtlichen Umständen nicht (mehr) ausgegangen werden.

Der Gesetzgeber hat gesehen, dass das mit der Richtlinie des Rates 91/414/EWG vom 15. Juli 1991 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (Abl. EG L 230 vom 19.08.2001, S. 1) eingeführte Regime vorsieht, dass die Wirkstoffe von Pflanzenschutzmitteln auf Gemeinschaftsebene geprüft werden, die Zulassung der Pflanzenschutzmittel jedoch nach wie vor national erfolgt und somit der freie Warenverkehr bei Pflanzenschutzmitteln nur eingeschränkt verwirklicht wurde. Mit der nunmehrigen Regelung des Umgangs mit parallel importierten Pflanzenschutzmitteln - d.h. in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums zugelassenen Pflanzenschutzmitteln, die mit einem in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Mittel übereinstimmen, ohne hier selbst zugelassen zu sein - hat der Gesetzgeber ein Verfahren eingeführt, mit dem die Übereinstimmung derartiger Pflanzenschutzmittel vor der erstmaligen Einfuhr festgestellt wird. Auf diese Weise soll Rechtssicherheit für Importeure, Zulassungsinhaber und Anwender geschaffen und die Kontrolle der auf dem Markt befindlichen Pflanzenschutzmittel erleichtert werden (BT-Drs. 16/645 S. 2). Erstmals werden nun die Voraussetzungen normativ festgelegt, unter denen ein derartiges Pflanzenschutzmittel, das keine eigene Zulassung in Deutschland hat, dennoch eingeführt und in Deutschland gehandelt werden darf. Diesem Reglement ist auch der Kläger unterworfen.

Gemäß § 16c Abs. 1 Satz 1 PflSchG darf ein Pflanzenschutzmittel, das in einem anderen Mitgliedstaat oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zugelassen ist und mit einem in Deutschland zugelassenen Pflanzenschutzmittel übereinstimmt, nur eingeführt und in den Verkehr gebracht werden, wenn derjenige, der die Einfuhr oder das Inverkehrbringen vornehmen will, beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit vor dem erstmaligen Inverkehrbringen die Feststellung der Verkehrsfähigkeit beantragt und das Bundesamt diese festgestellt hat. Ob das bloße Einführen eines Pflanzenschutzmittels, das mit einem vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zugelassenen Pflanzenschutzmittel übereinstimmt, ohne ein Inverkehrbringen (§ 2 Nr. 13 PflSchG: das Anbieten, Vorrätighalten zur Abgabe, Freihalten und jedes Abgeben an andere) mit Blick auf die Konjunktion "und" (eingeführt und in Verkehr gebracht) vom Wortlaut dieser Vorschrift nicht erfasst wird (so BT-Drs. 16/645 S. 7), erscheint dem Senat zweifelhaft. Denn antragsberechtigt ist nach dem gleichen Satz der Vorschrift derjenige, der die Einfuhr oder das Inverkehrbringen vornehmen will; die Antragsberechtigung ist auch im Übrigen nicht eingeschränkt (BT.-Drs. 16/645 S. 7). Auch handelt nach § 40 Abs. 1 Nr. 8b PflSchG derjenige ordnungswidrig, der entgegen § 16c Abs. 1 Satz 1 PflSchG ein Pflanzenschutzmittel einführt oder in Verkehr bringt. Doch bedarf dies keiner Vertiefung. Denn der Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass andere Vorschriften des Gesetzes, wie z.B. § 11 Abs. 1 PflSchG, für das Einführen oder Inverkehrbringen gelten. Der Gesetzeswortlaut ist insoweit eindeutig: Nach der grundlegenden Norm des § 11 Abs. 1 Satz 1 PflSchG, die durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Pflanzenschutzgesetzes ebenfalls geändert wurde, dürfen Pflanzenschutzmittel in der Formulierung, in der die Abgabe an den Anwender vorgesehen ist, nur in den Verkehr gebracht oder eingeführt werden, wenn sie vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zugelassen sind. Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 PflSchG gilt als zugelassen auch ein Pflanzenschutzmittel, für das die Verkehrsfähigkeit nach § 16c festgestellt worden ist. Danach muss das Pflanzenschutzmittel entweder vom BVL zugelassen worden sein oder eine (etwa von einem Importeur, einem Händler oder einer Einkaufsgemeinschaft beantragte) Feststellung der Verkehrsfähigkeit aufweisen. Diese Vorschrift erfasst auch den Direktimport eines Landwirts zum Eigenverbrauch, der ein Inverkehrbringen nicht beabsichtigt. Dies erfährt Bestätigung durch die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/645 S. 7), die ausdrücklich betont, dass z. B. § 11 Abs. 1 oder § 20 PflSchG für das Einführen oder Inverkehrbringen gelten, also auch dann zu beachten sind, wenn das parallel importierte Pflanzenschutzmittel nur eingeführt und nicht in Verkehr gebracht wird. Danach ist auch bei einer Direkteinfuhr durch einen Anwender nunmehr das Vorliegen jedenfalls einer Verkehrsfähigkeitsbescheinigung zwingend erforderlich. Diese Auslegung entspricht auch Sinn und Zweck des Gesetzes, wie er in der amtlichen Begründung seinen Niederschlag gefunden hat. Danach ist der hohe Sicherheitsstandard, der durch die Richtlinie 91/414/EWG und das Pflanzenschutzgesetz geschaffen wurde, aufrechtzuerhalten und die Übereinstimmung eines parallel importierten Pflanzenschutzmittels mit einem in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Mittel vor der erstmaligen Einfuhr zu überprüfen, um so Rechtssicherheit für Importeure, Zulassungsinhaber und Anwender zu schaffen und die Kontrolle der auf dem Markt befindlichen Pflanzenschutzmittel zu erleichtern (BT-Drs. 16/645 S. 1 f.).

Soweit der Beklagte vorträgt, auf Nachfrage im zuständigen Bundesministerium sowie beim BVL ergangene Äußerungen ließen darauf schließen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers bei "bäuerlichen Direktimporten" keine Verkehrsfähigkeitsbescheinigung vorliegen müsse, kommt dem keine maßgebende Bedeutung zu. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt ausgesprochen, dass schon die Gesetzesmaterialien mit Vorsicht, nur unterstützend und insgesamt nur insofern herangezogen werden sollen, als sie auf einen "objektiven Gesetzesinhalt schließen lassen" (vgl. nur BVerfG, Urteil vom 16.02.1983, BVerfGE 62, 1, 45, m.w.N.). Der so genannte Wille des Gesetzgebers bzw. der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten kann hiernach bei der Interpretation insoweit berücksichtigt werden, als er auch im Text Niederschlag gefunden hat. Die Materialien dürfen nicht dazu verleiten, die subjektiven Vorstellungen der gesetzgebenden Instanzen dem objektiven Gesetzesinhalt gleichzusetzen (BVerfG, a.a.O.). Noch viel mehr gilt dies, wenn auch die Gesetzesmaterialien den angeführten Willen des Gesetzgebers nicht belegen.

Ist damit seit dem 01.01.2007 im Falle fehlender Zulassung weder eine Einfuhr noch ein Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels ohne das Vorliegen einer Verkehrsfähigkeitsbescheinigung rechtlich zulässig, so gilt nichts anderes für das Anwenden: Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 PflSchG dürfen Pflanzenschutzmittel nur angewandt werden, wenn sie zugelassen sind, wobei sie nach § 11 Abs. 1 Satz 2 PflSchG auch als zugelassen gelten, wenn eine Verkehrsfähigkeitsbescheinigung vorliegt. Bezieht der Landwirt die Pflanzenschutzmittel von einem Importeur, hat dieser die Zulassungsvoraussetzungen zu erfüllen; führt er sie direkt ein, ist er selbst dafür verantwortlich. Ein bäuerlicher Direktimport wie im vorliegenden Fall ist danach ohne das Vorliegen einer Verkehrsfähigkeitsbescheinigung nicht mehr zulässig. Abgesehen davon bemerkt der Senat, dass dem Kläger vom Regierungspräsidium Tübingen (das für zukünftige Anordnungen der hier im Streit stehenden Art nicht mehr zuständig ist; die die Zuständigkeit begründende Verordnung des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum zur Durchführung des Pflanzenschutzgesetzes vom 14.05.1987 [GBl. S. 235] ist durch Verordnung vom 22.11.2004 [GBl. S. 857] aufgehoben worden) im vorliegenden Fall (lediglich) das Anwenden und Inverkehrbringen des eingeführten Pflanzenschutzmittels untersagt worden ist. Dass ein Anwenden und Inverkehrbringen eines eingeführten Pflanzenschutzmittels nunmehr ohne Vorliegen einer Verkehrsfähigkeitsbescheinigung noch zulässig wäre, behauptet auch der Kläger nicht. Dies ist auch unter der Geltung der §§ 16c ff. PflSchG nicht erkennbar. Nach alledem haben sich die maßgeblichen rechtlichen Verhältnisse entscheidend geändert; eine Wiederholungsgefahr vermag der Senat nicht mehr festzustellen.

Unabhängig davon weist der Senat darauf hin, dass eine erledigte Anordnung auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr im Streit steht. Insoweit dürfte bei der gebotenen ex-ante-Betrachtung (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 01.07.1975, BVerwGE 49, 36) die Feststellung des Regierungspräsidiums Tübingen, dass Produktidentität nicht gegeben war, jedenfalls zum Zeitpunkt des Erlasses der Anordnung auf der Grundlage der vom Kläger gemachten Angaben und vorgelegten Unterlagen nicht zu beanstanden sein. Der Senat teilt die Auffassung des Beklagten, dass der Nachweis der Übereinstimmung dem Importeur obliegen dürfte (vgl. nur die Regelung in § 12 Abs. 3 PflSchG sowie VG Schleswig, Beschluss vom 15.06.2005 - 1 B 15/05 -, Juris). Dass er diesen Nachweis zum damaligen Zeitpunkt erbracht hätte, ist nicht erkennbar.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.

Ende der Entscheidung

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