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Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 26.10.2001
Aktenzeichen: 4 S 2196/01
Rechtsgebiete: VwGO, MuSchG
Vorschriften:
VwGO § 124 | |
VwGO § 127 | |
VwGO § 146 | |
MuSchG § 9 Abs. 3 |
4 S 2196/01
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss
In der Verwaltungsrechtssache
wegen
Zulassung der Kündigung des Arbeitsverhältnisses; vorläufiger Rechtsschutz, hier: Antrag auf Zulassung der Beschwerde,
hat der 4. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Riedinger und die Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Breunig und Wiegand
am 26. Oktober 2001
beschlossen:
Tenor:
Die Anträge der Beigeladenen und des Antragsgegners auf Zulassung der Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 30. August 2001 - 11 K 576/01 - werden abgelehnt.
Die Beigeladene und der Antragsgegner tragen die Gerichtskosten des Zulassungsverfahrens und die im Zulassungsverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin je zur Hälfte. Ihre im Zulassungsverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten behalten sie jeweils auf sich.
Der Streitwert des Zulassungsverfahrens wird auf 8.000,-- DM festgesetzt.
Gründe:
1. Der zulässige Antrag der Beigeladenen auf Zulassung der Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von ihr genannten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses (§§ 146 Abs. 4, 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§§ 146 Abs. 4, 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) rechtfertigen aus den mit dem Antrag angeführten Gründen die Zulassung der Beschwerde nicht.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung sind nach der Rechtsprechung des Senats dann gegeben, wenn neben den für die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung sprechenden Umständen gewichtige, dagegen sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatsachenfragen bewirken, bzw. wenn der Erfolg des Rechtsmittels, dessen Eröffnung angestrebt wird, mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie der Misserfolg (vgl. Beschluss des Senats vom 25.02.1997, VBlBW 1997, 263). Dies ist bereits dann ausreichend im Sinne des § 124a Abs. 1 Satz 4 VwGO dargelegt, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.06.2000, VBlBW 2000, 392). Ausgehend hiervon werden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung mit dem Antragsvorbringen nicht hervorgerufen.
Das Verwaltungsgericht ging im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens nach summarischer Prüfung davon aus, dass dem Interesse der Antragstellerin, von der sofortigen Vollziehung des Bescheides des staatlichen Gewerbeaufsichtsamts Mannheim vom 30.08.2000 verschont zu bleiben, der Vorrang vor den Interessen der Beigeladenen einzuräumen sei. Diese Annahme wird nicht schon dadurch ernstlich in Frage gestellt, dass nach der Behauptung der Beigeladenen an der weiteren Annahme des Verwaltungsgerichts, der Bescheid vom 30.08.2000 erweise sich als rechtswidrig, ernstliche Zweifel bestünden. So ist derzeit schon noch offen, ob es der Beigeladenen gelingen wird, im Berufungszulassungsverfahren 4 S 2288/01, in dem das Verwaltungsgericht erstinstanzlich mit Urteil vom 28.08.2001 - 11 K 1699/01 - den Bescheid vom 30.08.2000 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 31.05.2001 aufgehoben hat, unter Überwindung der strengen Darlegungserfordernisse des § 124 a Abs. 1 Satz 4 VwGO die Zulassung der Berufung zu erreichen. Selbst wenn dies gelänge, wäre auch der Ausgang des Berufungsverfahrens offen. Auch in den Fällen einer Kündigung wegen des persönlichen Verhaltens der schwangeren Arbeitnehmerin sind bei der Beurteilung der Unzumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung erheblich strengere Anforderungen zu stellen, als dies im Arbeitsvertragsrecht der Fall ist. Das Vorliegen eines wichtigen Grundes gemäß § 626 Abs. 2 BGB erlaubt daher nicht ohne Weiteres die Annahme eines besonderen Falles im Sinne von § 9 Abs. 3 MuSchG. Vielmehr kommt dem gesetzlich angestrebten Schutz der schwangeren Arbeitnehmerin regelmäßig auch dann Vorrang vor den Interessen des Arbeitgebers zu, wenn diesem im Sinne von § 626 Abs. 2 BGB die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Für die Annahme eines besonderen Falles und eines Ausnahmefalles (vgl. zum Erfordernis beider Merkmale: BVerwGE 36, 160; 7, 294) bei verhaltensbedingten Kündigungen müssen schwere Pflichtenverstöße der schwangeren Arbeitnehmerin vorliegen. Dies kann etwa bei betriebsbedingten Straftaten oder beharrlichen (wiederholten) Verletzungen arbeitsvertraglicher Pflichten angenommen werden. Bei einmaligen schwerwiegenden Verstößen kommt es maßgeblich darauf an, ob eine Wiederholungsgefahr besteht oder aufgrund sonstiger besonderer Umstände eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zu einer Auflösung nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist für den Arbeitgeber auch bei Berücksichtigung der Folgen für die werdende Mutter ein unzumutbares Opfer darstellen würde (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 07.12.1993, BB 1994, 940; OVG Lüneburg, Urteil vom 05.12.1990, AP Nr. 18 zu § 9 MuSchG; Hess. VGH, Urteil vom 21.01.1971, ZfSH 1972, 87). Hiervon kann im vorliegenden Fall nicht ohne Weiteres ausgegangen werden. Erweist sich danach der Ausgang des Hauptsacheverfahrens in mehrfacher Hinsicht als offen, bedarf es im vorliegenden Verfahren einer von den Erfolgsaussichten der Hauptsache unabhängigen Abwägung der Interessen der Beigeladenen - ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Zulässigerklärung kommt von vornherein nicht in Betracht - einerseits und der Antragstellerin andererseits. Hierzu verhält sich der Antrag nicht.
Im Übrigen dürfte ein in die Abwägung einzustellendes Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung der Verfügung vom 30.08.2000 schon nicht gegeben sein. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des beschließenden Gerichtshofs, der der Senat folgt, ist eine nach Bekanntgabe, aber vor Bestandskraft der Zulässigerklärung erfolgende Kündigung aus mutterschutzrechtlicher Sicht wirksam, wenn auch durch die behördliche oder gerichtliche Aufhebung der Zulässigerklärung auflösend bedingt. Eine mit Zulässigerklärung ausgesprochene Kündigung wird rückwirkend unwirksam, wenn die Zulässigerklärung im Rechtsmittelverfahren aufgehoben wird. Darin liegt ein "anderer Grund" im Sinne von § 7 Halbsatz 1 KSchG, der die Unwirksamkeit der Kündigung herbeiführt. Die Unwirksamkeit kann fristungebunden geltend gemacht werden (vgl. BVerwGE 54, 276; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 07.12.1993, a.a.O.; vgl. zur Bedeutung der aufschiebenden Wirkung von Rechtsmitteln bei rechtsgestaltenden Verwaltungsakten auch BVerwG, Urteil vom 25.11.1982, ZBR 1983, 192; BVerwGE 24, 92). Der Anordnung des Sofortvollzuges der Zulässigerklärung bedarf es deshalb für die (auflösend bedingte) Wirksamkeit der Kündigung nicht (im Ergebnis ebenso LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14.02.1996, NZA 1996, 984).
Ob danach andererseits für den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung insoweit ein Rechtschutzbedürfnis besteht, ist mangels Darlegung entsprechend § 146 Abs. 5 Satz 3 VwGO nicht Gegenstand des Zulassungsverfahrens.
Die Annahme besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt voraus, dass der Rechtssache nicht nur allgemeine oder durchschnittliche Schwierigkeiten zukommen. Dieser Zulassungsgrund liegt vielmehr nur dann vor, wenn sich der konkret zu entscheidende Fall in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht von dem Spektrum der in verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu entscheidenden Streitfällen abhebt. Dies ist darzulegen. Hierzu gehört, dass in fallbezogener Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts die besonderen Schwierigkeiten ausdrücklich bezeichnet werden und ausgeführt wird, inwieweit sich diese von Verwaltungsstreitigkeiten durchschnittlicher Schwierigkeit abheben (vgl. Beschluss des Senats vom 19.05.1998 - 4 S 660/98 -, m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Die von der Beigeladenen angeführten besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache bestehen nach Vorstehendem nicht.
2. Der Antrag des Antragsgegners ist unzulässig.
Der am 11.10.2001 gestellte Antrag auf Zulassung der Beschwerde gegen den ihm am 10.09.2001 zugestellten Beschluss des Verwaltungsgerichts ist als selbständiger Zulassungsantrag unzulässig, weil er nicht innerhalb der Antragsfrist von zwei Wochen des § 146 Abs. 5 Satz 1 VwGO gestellt worden ist.
Als unselbständiger Anschlusszulassungsantrag ist der Antrag unstatthaft. Einen solchen Antrag, der nicht fristgebunden wäre, sieht das Gesetz nicht vor. Aufgrund des besonders ausgestalteten Verfahrens für die Zulassung von Berufung und Beschwerde, insbesondere hinsichtlich des innerhalb der nicht verlängerbaren Antragsfrist bestehenden Darlegungsgebots (§§ 124 a Abs. 1 Satz 4, 146 Abs. 5 Satz 3 VwGO), verbietet sich auch eine rechtsähnliche Anwendung der Vorschriften über die Anschlussberufung und die Anschlussrevision (§§ 127, 141 VwGO). Auch der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet es, kein Rechtsmittel zuzulassen, das nicht ausdrücklich im Gesetz vorgesehen ist (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 18.01.1999, NVwZ 2000, 213; BVerwGE 34, 351, zur Unzulässigkeit einer unselbständigen Anschlussbeschwerde im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 20.7.1998 - 7 S 1125/98 -).
Im Übrigen rechtfertigte der zusätzlich genannte Zulassungsgrund der Abweichung von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Hamburg die Zulassung der Beschwerde schon deshalb nicht, weil es sich bei dieser Entscheidung nicht um eine Entscheidung "des Oberverwaltungsgerichts" im Sinne der §§ 146 Abs. 4, 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO, also des für das Beschwerdeverfahren zuständigen Oberverwaltungsgerichts bzw. Verwaltungsgerichtshofs, hier des beschließenden Gerichtshofs, handelt.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat, der den Antrag einstimmig ablehnt, nach §§ 146 Abs. 6 Satz 2, 124 a Abs. 2 Satz 2 VwGO ab.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2 und 3, 159 Satz 1, 162 Abs. 3 VwGO, 100 ZPO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Zulassungsverfahren beruht auf §§ 14 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
Ende der Entscheidung
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