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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 04.11.2002
Aktenzeichen: 4 S 2281/02
Rechtsgebiete: GG, LBG


Vorschriften:

GG Art. 33 Abs. 2
LBG § 34 Abs. 3
Ausnahmen von dem sog. Altersbeförderungsverbot sind nur in atypischen Ausnahmefällen zulässig.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

4 S 2281/02

In der Verwaltungsrechtssache

wegen

Beförderung,

hier: Antrag nach § 123 VwGO,

hat der 4. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Riedinger und die Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Breunig und Wiegand

am 04. November 2002

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 19. September 2002 - 8 K 3183/02 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser auf sich behält.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige, insbesondere innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO entsprechend den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO begründete Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt. Die Prüfung der mit der Beschwerde dargelegten Gründe ergibt keine andere Beurteilung (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO).

Nach der hier maßgebenden Regelung in § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Dazu sind nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO der durch die einstweilige Anordnung zu sichernde Anspruch (Anordnungsanspruch) und der Grund, weshalb die einstweilige Anordnung ergehen soll (Anordnungsgrund), glaubhaft zu machen, das heißt mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit darzutun. Dies ist dem Antragsteller auch mit den im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründen nicht gelungen.

Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass nach der durch die Vorgaben in § 34 Abs. 3 LBG maßgebenden Gesetzeslage, wonach eine Beförderung nicht innerhalb von drei Jahren vor Erreichen der Altersgrenze ausgesprochen werden soll, die Bewerbung des Antragstellers aufgrund der dadurch erfolgten gesetzlichen Einschränkung des Auswahlermessens im Sinne einer sachgerechten Vorauswahl unberücksichtigt bleiben konnte und auch musste (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.10.1980, ZBR 1981, 228; Beschluss des Senats vom 28.08.1975, RiA 1976, 98; Hess. VGH, Beschluss vom 20.08.2002 - 1 TG 1229/02 -; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 12.09.1990 - 1 W 150/90 -; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15.07.1981, ZBR 1981, 378). Die in Ausprägung des in Art. 33 Abs. 2 GG verankerten Leistungsgrundsatzes (vgl. BVerwGE 31, 345) nach § 34 Abs. 3 LBG vorgesehene dreijährige Beförderungssperre vor Erreichen der Altersgrenze dient dabei nicht nur dem Zweck, sog. Altersbeförderungen vorzubeugen, die nicht in erster Linie auf der Eignung des Beamten für das Beförderungsamt beruhen, sondern dazu dienen, ihm die ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus diesem Amt zukommen zu lassen, wie er auch § 5 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG zugrunde liegt. Der Gesetzgeber bringt mit ihr vielmehr auch seine Erwartung zum Ausdruck, dass der Beamte im Interesse des Dienstherrn und zum Nutzen der Allgemeinheit die ihm übertragenen Aufgaben des höher bewerteten Amtes noch für eine längere Zeitdauer wahrnehmen werde (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 20.08.2002 - 1 TG 1229/02 -; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15.07.1981, a.a.O.).

§ 34 Abs. 3 LBG ist als "Soll"-Vorschrift im verwaltungsrechtlichen Sinne ausgestaltet. Derartige Normen sind im Regelfall für die mit ihrer Durchführung betrauten Behörden rechtlich zwingend und verpflichten sie, grundsätzlich so zu verfahren, wie es im Gesetz bestimmt ist. Im Regelfall bedeutet das "Soll" ein "Muss". Nur bei Vorliegen von Umständen, die den Fall als atypisch erscheinen lassen, darf die Behörde anders verfahren als im Gesetz vorgesehen und den atypischen Fall nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden (ständige Rechtsprechung; vgl. BVerwGE 90, 275, m.w.N. aus seiner Rechtsprechung). Das durch eine Soll-Vorschrift eingeräumte Ermessen beschränkt sich dabei grundsätzlich auf die Frage, was im Ausnahmefall zu geschehen hat; ob ein atypischer Fall vorliegt, der eine solche Ermessensentscheidung ermöglicht und gebietet, ist dagegen als Rechtsvoraussetzung im Rechtsstreit von den Gerichten zu überprüfen und zu entscheiden (vgl. BVerwGE 90, 275; 78, 101). Dem entspricht auch die vom Ministerrat in seiner Sitzung vom 24.09.2002 zu § 34 Abs. 3 LBG vertretene Auffassung, wonach Ausnahmen von dem Altersbeförderungsverbot nur in besonders begründeten Einzelfällen erwogen werden können (vgl. die vom Antragsgegner vorgelegte Niederschrift über die Sitzung des Ministerrats am 24.09.2002, TOP 10).

Ausgehend hiervon kann ein atypischer Ausnahmefall aus den vom Antragsteller dargelegten Gründen nicht angenommen werden. Ein solcher könnte zwar vorliegen, wenn der Beamte den höherwertigen Dienstposten, auf dem eine Beförderung in ein höher bewertetes statusrechtliches Amt möglich gewesen wäre, schon längere Zeit vor Beginn der Frist des § 34 Abs. 3 LBG ausübte, aber wegen einer aus haushaltsrechtlichen Gründen angeordneten Stellenbesetzungssperre rechtzeitig vor Beginn der Frist nicht befördert werden konnte. Dieser Erwägung tragen die Verwaltungsvorschriften des Finanzministeriums zum Vollzug der Stellenbesetzungs- und Beförderungssperre vom 14.11.2000 (GABl. 2000 S. 428) auch ausdrücklich Rechnung. Eine solche Fallgestaltung ist vorliegend aber nicht gegeben. Dem Antragsteller wurde zwar sein seit dem 01.01.2000 nach Besoldungsgruppe A 16 + Z bewerteter Dienstposten des Vorstehers des Finanzamts Bruchsal bereits im Jahre 1986 übertragen. Seine Beförderung vor Beginn der Frist des § 34 Abs. 3 LBG scheiterte aber nicht daran, dass eine freie Planstelle zwar vorhanden gewesen wäre, der Antragsteller aber wegen einer Stellenbesetzungssperre nicht befördert werden konnte, sondern daran, dass bereits eine freie, aber erst nach Ablauf der neunmonatigen Besetzungssperrfrist besetzbare Planstelle vor Beginn der Frist nicht vorhanden war. Dieser in § 49 Abs. 1 LHO zum Ausdruck kommende allgemeine Grundsatz, dass ein höherwertiges statusrechtliches Amt nur mit der Einweisung in eine freie und damit grundsätzlich besetzbare Planstelle verliehen werden darf, steht aber beamtenrechtlichen Beförderungen auch sonst häufig entgegen, obwohl die betroffenen Beamten die dem höherwertigen statusrechtlichen Amt zugeordnete Funktion bereits längere Zeit ausüben, und kann mithin einen atypischen Ausnahmefall im Sinne des § 34 Abs. 3 LBG nicht begründen. Eine andere Betrachtungsweise ist im vorliegenden Fall auch nicht deshalb angezeigt, weil eine für die Beförderung des Antragstellers in Betracht kommende Planstelle nur wenige Tage nach Beginn der Frist des § 34 Abs. 3 LBG durch das altersbedingte Ausscheiden des bisherigen Stelleninhabers frei wurde. Die Annahme eines auf eng begrenzte Ausnahmen beschränkten und besonderen Härten Rechnung tragenden atypischen Falles kann nicht damit begründet werden, dass der atypische Fall seinerseits aus atypischen Gründen nicht rechtzeitig eingetreten sei.

Soweit der Antragsteller auch im Übrigen sein erstinstanzliches Vorbringen im Wesentlichen vertiefend wiederholt, hat sich hiermit bereits das Verwaltungsgericht ausführlich und zutreffend auseinandergesetzt, ohne dass das Beschwerdevorbringen eine andere Beurteilung rechtfertigen würde. Der Senat nimmt deshalb insoweit auf die Gründe des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Der Antragsteller hatte im Beschwerdeverfahren auch ausreichend Gelegenheit, die aus seiner Sicht maßgebenden Gesichtspunkte nochmals ausführlich darzulegen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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