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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 24.03.2009
Aktenzeichen: 4 S 2569/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 133
Erklärt der Dienstherr hinsichtlich eines besoldungsrechtlichen Anspruchs des Beamten den Verzicht auf die Einrede der Verjährung, ist nach den Gesamtumständen der Erklärung zu prüfen, ob der Verzicht auch für den Fall gelten soll, dass bereits Verjährung eingetreten ist (hier verneint).
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

4 S 2569/07

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Besoldung

hat der 4. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg am 24. März 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 10. November 2004 - 11 K 1997/04 -, soweit dieses nicht durch Beschluss des Senats vom 06. November 2007 - 4 S 2742/06 - für unwirksam erklärt worden ist, wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt für den Zeitraum vom 01.08.1994 bis zum 31.12.1999 die Gewährung eines Zuschusses zur Ergänzung ihrer Dienstbezüge nach § 4 der Zweiten Verordnung über besoldungsrechtliche Übergangsregelungen nach Herstellung der Einheit Deutschlands (Zweite Besoldungs-Übergangsverordnung - 2. BesÜV -) in der Fassung der Bekanntmachung vom 02.06.1993 (BGBl I S. 779) und mit Wirkung ab dem 01.07.1991 ergänzt durch Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften der Lehrerbesoldung vom 23.08.1994 (BGBl I S. 2186) sowie der zum 25.11.1997 in Kraft getretenen Vierten Besoldungsübergangs-Änderungsverordnung vom 17.11.1997 (BGBl I S. 2713) - 2. BesÜV a.F.

Die Klägerin wurde mit Verfügung der Oberfinanzdirektion Rostock vom 24.07.1992 mit Wirkung vom 01.08.1992 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zur Zollanwärterin ernannt und in die Laufbahn des mittleren Grenzzolldienstes eingestellt. Für die Dauer des zweijährigen Vorbereitungsdienstes war sie dem Hauptzollamt Stralsund zugeordnet. Die Laufbahnausbildung erfolgte bei Dienststellen im Beitrittsgebiet und im Altbundesgebiet. Am 20.07.1994 legte die Klägerin die Laufbahnprüfung beim Bildungszentrum der Bundesverwaltung in Plessow (Brandenburg) ab. Anschließend wurde sie mit Verfügung der Oberfinanzdirektion Rostock vom 30.06.1994 mit Wirkung zum 01.08.1994 unter Verleihung der Eigenschaft einer Beamtin auf Probe zur Zollassistentin zur Anstellung ernannt und aus dienstlichen Gründen an das Hauptzollamt Neubrandenburg - Zollamt Pomellen versetzt.

Am 03.01.2000 beantragte die Klägerin, ihr rückwirkend ab dem 01.01.1996 vorenthaltene Bezüge auf der Basis von 100% der Besoldung nach dem Bundesbesoldungsgesetz und den Vorschriften der Bundesbesoldungsordnung zu gewähren. Zur Begründung verwies sie auf den Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 21.12.1999 (- 2 K 3149/98 -, ZBR 2000, 176), das die Übergangsregelung nach § 73 BBesG für verfassungswidrig halte. Mit Bescheid vom 06.03.2000 lehnte die Oberfinanzdirektion Hamburg den Antrag ab, weil die maßgebliche Bezügehöhe in der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung, die auf der Grundlage des § 73 BBesG erlassen worden sei, geregelt sei; diese Regelungen seien verfassungsgemäß. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Oberfinanzdirektion Hamburg mit Widerspruchsbescheid vom 18.11.2003 unter Verweis auf die beiden Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 12.02.2003 (- 2 BvL 3/00 -, BVerfGE 107, 218 und - 2 BvR 709/99 -, BVerfGE 107, 257) zurück. Gegen diesen Widerspruchsbescheid erhob die Klägerin keine Klage.

Mit Schreiben vom 22.01.2004 legte die Klägerin gegen die Festsetzung ihrer Dienstbezüge Widerspruch ein und beantragte einen ruhegehaltfähigen Zuschuss in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen den Bezügen nach § 2 Abs. 1 der 2. BesÜV a.F. und den bei gleichem Amt für das bisherige Bundesgebiet geltenden Dienstbezügen gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV (i.d.F. bis zum 24.11.1997) zu zahlen sowie die sich hieraus ergebenden Nachzahlungsbeträge mit 5% über dem Basiszinssatz jeweils ab monatlicher Fälligkeit zu verzinsen. Sie machte geltend, ihre fachliche Qualifikation habe sie zu 75% im bisherigen Bundesgebiet (Lübeck und Sigmaringen) erworben und die Laufbahnprüfung in Plessow und in Sigmaringen sei gemäß der Laufbahnausbildungs- und Prüfungsordnung für den mittleren Zolldienst einheitlich. Des Weiteren verwies sie auf Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 13. und 19.11.2003 (2 BvR 1883/99 und 2 BvR 538/00).

Mit Widerspruchsbescheid vom 14.04.2004 wies die Oberfinanzdirektion Hamburg den Widerspruch als unbegründet zurück: § 4 Abs. 1 der 2. BesÜV a.F. regele die Gewährung eines Zuschusses zur Ergänzung der Dienstbezüge von Beamten, Richtern und Soldaten im Beitrittsgebiet, die lediglich einen Anspruch auf abgesenkte Besoldung gemäß § 73 BBesG i.V.m. § 2 der 2. BesÜV hätten. § 4 Abs. 1 der 2. BesÜV in der bis zum 24.11.1997 geltenden Fassung habe einen Rechtsanspruch auf den Zuschuss gewährt, wenn die Befähigungsvoraussetzungen im bisherigen Bundesgebiet erworben worden seien, was bei der Klägerin nicht für den gesamten Vorbereitungsdienst und die Laufbahnprüfung zutreffe.

Am 27.05.2004 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Greifswald Klage erhoben und beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 14.04.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie ab 01.08.1994 einen Zuschuss zur Ergänzung ihrer Dienstbezüge gemäß § 4 Abs. 1 der 2. BesÜV in der bis zum 24.11.1997 geltenden Fassung zu zahlen. Mit Beschluss vom 13.07.2004 hat sich das Verwaltungsgericht Greifswald für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren an das zuständige Verwaltungsgericht Karlsruhe verwiesen. Dieses hat mit Urteil vom 10.11.2004 die Klage abgewiesen und zur Begründung darauf abgestellt, die Klägerin erfülle nicht die Tatbestandsvoraussetzungen von § 4 Abs. 1 der 2. BesÜV a.F., da sie einen - wenn auch geringen - Teil ihres fachbezogenen Vorbereitungsdienstes im Beitrittsgebiet abgeleistet habe, in dem sie (auch) als Beamtin auf Widerruf ernannt gewesen sei; eine Beamtin werde aber nach Sinn und Zweck der Zuschussregelung nicht aus dem bisherigen Bundesgebiet gewonnen, wenn die Ausbildung - wie hier - aus dienstlichen Gründen nicht in vollem Umfang im Beitrittsgebiet habe absolviert werden können.

Im Rahmen des von der Klägerin eingeleiteten Berufungszulassungsverfahrens hat die Beklagte im Hinblick auf die beim Bundesverwaltungsgericht anhängigen vergleichbaren Verwaltungsrechtssachen mit Schriftsatz vom 17.08.2005 das Ruhen des Verfahrens beantragt und zugleich "den Verzicht auf die Einrede der Verjährung" erklärt. Mit Beschluss vom 18.08.2005 - 4 S 2999/04 - hat der Senat gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 251 ZPO das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Mit Schriftsatz vom 14.11.2006 hat die Beklagte unter Wiederanruf des Verfahrens mitgeteilt, auf der Grundlage des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.06.2006 - 2 C 14.05 - (ZBR 2006, 347) habe auch die Klägerin Anspruch auf Zahlung des Zuschusses gemäß § 4 der 2. BesÜV; für die Zeit vom 01.01.2000 bis zum 30.04.2004 werde der Zuschuss nachgezahlt; der Anspruch auf Zuschuss für die Zeit vor dem 01.01.2000 sei demgegenüber verjährt. Soweit die Beklagte sich verpflichtet hat, der Klägerin den Zuschuss nach § 4 der 2. BesÜV a.F. nachzuzahlen, haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt, für den darüber hinausgehenden Zeitraum vom 01.08.1994 bis zum 31.12.1999 hat die Klägerin ihren Antrag auf Zulassung der Berufung aufrecht erhalten. Mit Beschluss vom 06.11.2007 - 4 S 2742/06 -, zugestellt am 12.11.2007, hat der Senat nach teilweiser Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache das Verfahren eingestellt, das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 10.11.2004 - 11 K 1997/04 - für unwirksam erklärt, soweit damit die Klage auf Nachzahlung eines Zuschusses nach § 4 der 2. BesÜV für die Zeit vom 01.01.2000 bis zum 30.04.2004 abgewiesen wurde, und im Übrigen die Berufung gegen das Urteil zugelassen.

Mit der am 10.12.2007 begründeten Berufung beantragt die Klägerin sinngemäß,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 10. November 2004 - 11 K 1997/04 -, soweit dieses nicht durch Beschluss des Senats vom 06. November 2007 - 4 S 2742/06 - für unwirksam erklärt worden ist, zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Widerspruchsbescheids der Oberfinanzdirektion Hamburg vom 14.04.2004 zu verurteilen, an sie einen Zuschuss zur Ergänzung der Dienstbezüge gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV für den Zeitraum vom 01.08.1994 bis zum 31.12.1999 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Sie macht geltend: Ihr stehe für die Zeit ab ihrer Verbeamtung auf Probe am 01.08.1994 ein Anspruch auf Zuschuss nach § 4 Abs. 1 der 2. BesÜV a.F. zur Ergänzung ihrer Dienstbezüge zu. Die im Schriftsatz vom 14.11.2006 von der Beklagten erstmals erhobene Einrede der Verjährung für ihre Ansprüche vor dem 01.01.2000 stehe dem nicht entgegen. Sie habe sich bereits mit Schreiben vom 03.01.2000 gegen ihre abgesenkten Bezüge gewendet. Gegen den hierauf ergangenen ablehnenden Bescheid vom 06.03.2000 habe sie mit Schreiben vom 23.03.2000 Widerspruch eingelegt. Jedenfalls dieser Widerspruch habe die Verjährung von Besoldungsansprüchen ab dem Jahr 1996 unterbrochen. Zwar habe sie nicht ausdrücklich die Zahlung eines Zuschusses gemäß § 4 der 2. BesÜV a.F. beantragt, sondern unter Bezugnahme auf den Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichts Dresden eine Angleichung an die Besoldung West verlangt. Jedoch könne dieses Ziel nicht nur durch eine Beseitigung der Absenkung der Dienstbezüge, sondern auch durch den Zuschuss gemäß § 4 der 2. BesÜV a.F. erreicht werden. Weiter sei die Beklagte mit ihrer Verjährungseinrede präkludiert, weil sie diese erstmals im Berufungszulassungsverfahren erhoben habe und dies auf Nachlässigkeit beruhe. Es sei der Beklagten auch deshalb verwehrt, sich auf Verjährung zu berufen, weil diese mit Erklärung vom 17.08.2005 auf die Einrede der Verjährung verzichtet habe. Eine Einschränkung dahingehend, dass auf die Einrede der Verjährung lediglich für den Fall verzichtet werde, dass Ansprüche verjährten, weil die Verjährung wegen der Ruhestellung des hiesigen Verfahrens weiterlaufe, lasse sich dem Wortlaut der Erklärung nicht entnehmen. Es würde zudem die Sorgfaltsanforderung an die verobjektivierte Empfängersicht überstrapazieren, wollte man verlangen, dass ein objektiver Empfänger bei einer Erklärung eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn stets berücksichtigen müsse, dass im Zweifel ein öffentlich-rechtlicher Dienstherr nur das erkläre, wozu er im Binnenverhältnis verpflichtet sei. Auch wenn die Erklärung der Beklagten letztlich unter Berücksichtigung des Grundsatzes der sparsamen Haushaltsführung nicht gewollt gewesen sei, ändere dies nichts daran, dass diese Erklärung schlicht den Inhalt gehabt habe, die Beklagte verzichte auf die Einrede der Verjährung. Die Beklagte habe ferner ihren Antrag vom 03.01.2000, ihr rückwirkend ab dem 01.01.1996 vorenthaltene Bezüge auf der Basis von 100% der Besoldung nach dem Bundesbesoldungsgesetz und den Vorschriften der Bundesbesoldungsordnung zu gewähren, nicht umfassend bestandskräftig abgelehnt. Nach eigener Aussage der Beklagten habe sie sich mit einer etwaigen Zuschussberechtigung nach Maßgabe der 2. BesÜV nicht befasst. Aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.06.2006 (a.a.O.) ergebe sich aber, dass die Beklagte bezogen auf den damaligen Zeitpunkt die Verpflichtung gehabt habe, ihr damaliges Begehren umfassend zu verstehen. Sie habe auch nicht aus freien Stücken die Bestandskraft der diesbezüglich ergangenen ablehnenden Bescheide herbeigeführt, sondern unter dem Eindruck der durch die Beklagte erfolgten fehlerbehafteten Hinweise gehandelt, wonach allein wegen der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit der Ost-Besoldung insgesamt ihr Begehren auf "West-Besoldung" keinen Erfolg haben könne. Das Verhalten der Beklagten sei pflichtwidrig gewesen, ihr Begehren allein mit Blick auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Ost-Besoldung zu überprüfen. Wegen dieser Pflichtwidrigkeit sei es der Beklagten zudem verwehrt, sich auf die Bestandskraft eines etwaigen Bescheids zu berufen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor: Die Verjährung des geltend gemachten Anspruchs der Klägerin sei nicht durch deren (Erst-)Antrag vom 03.01.2000 auf rückwirkende Anhebung ihrer Besoldung auf Westniveau unterbrochen worden. Zwar habe der Widerspruch der Klägerin vom 23.03.2000 gegen den ablehnenden Bescheid nach § 210 BGB a.F. die Verjährung der Ansprüche zunächst unterbrochen. Jedoch habe die Klägerin gegen den Widerspruchsbescheid vom 18.11.2003 keine Klage erhoben, so dass Ansprüche für die Zeit vor dem 01.01.2000 verjährt seien, da nach Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 3 EGBGB i.V.m. § 210 BGB a.F. die durch den Widerspruch eingetretene Unterbrechung der Verjährung mangels Klageerhebung als nicht erfolgt gelte. Weiter sei sie mit der Erhebung der Verjährungseinrede nicht präkludiert. § 531 ZPO werde durch § 128 VwGO verdrängt. Im Übrigen sei nach überwiegender Meinung die erstmalige Erhebung der Verjährungseinrede im Berufungsverfahren zulässig, wenn die der Einrede zu Grunde liegenden Tatsachen unstreitig seien. Selbst wenn man annähme, dass § 531 ZPO allgemein im Verwaltungsprozess anwendbar sei, wäre die Einrede der Verjährung dennoch zuzulassen, da die unterbliebene Geltendmachung der Einrede vor dem Verwaltungsgericht nicht auf einer Nachlässigkeit beruhe. Bis zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung am 10.11.2004 hätten weder auf ihrer Seite noch auf Seiten des Verwaltungsgerichts Zweifel daran bestanden, dass die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs nicht vorgelegen hätten. Sie dürfe sich auch - trotz des Verzichts im Schriftsatz vom 17.08.2005 - auf die Einrede der Verjährung berufen. Bei der Verzichtserklärung handele es sich um eine auslegungsbedürftige und auch auslegungsfähige Prozesserklärung. Der Verzicht auf die Einrede der Verjährung sei ausdrücklich nur im Zusammenhang mit der Ruhestellung des Verfahrens bis zum Abschluss der "Musterverfahren" vor dem Bundesverwaltungsgericht erfolgt. Es sei damit objektiv erkennbar, dass der Verzicht auf die Einrede der Verjährung nur insoweit erfolgt sei, als die Ansprüche der Klägerin durch die Ruhestellung des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts hätten verjähren können. Dass ihre Erklärung auch einen Verzicht auf die Einrede der Verjährung gegenüber Ansprüchen umfasse, die schon lange vor Ruhestellung des Verfahrens bzw. der Abgabe der Erklärung vom 17.08.2005 verjährt gewesen seien, lasse sich daraus nicht ableiten. Nach dem Grundsatz der sparsamen Haushaltsführung sei sie grundsätzlich verpflichtet, gegenüber Besoldungsansprüchen die Einrede der Verjährung geltend zu machen. Der erhobene Verjährungseinwand stelle auch deshalb keine unzulässige Rechtsausübung dar, weil der vorangegangene ablehnende Bescheid vom 06.03.2000 (auf den Antrag der Klägerin vom 03.01.2000 hin) sowie der hierzu ergangene Widerspruchsbescheid vom 18.11.2003 bestandskräftig geworden seien. Zwar sei es für sie damals nicht erkennbar gewesen, dass das Begehren der Klägerin auch vor dem Hintergrund einer etwaigen Zuschussberechtigung nach § 4 der 2. BesÜV a.F. hätte geprüft werden müssen, die Klägerin habe sich aber dafür entschieden, die ablehnenden Bescheide bestandskräftig werden zu lassen und auch in der Folgezeit bis zum Jahr 2006 keinen Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 VwVfG gestellt. Ein Versagen der Berufung auf die Verjährung würde dazu führen, dass nicht nur die Bestandskraft des Verwaltungsakts vom 06.03.2000 und die Vorschriften der §§ 48 ff. VwVfG umgangen würden, sondern auch die Vorschriften über das Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 VwVfG.

Dem Senat liegen die einschlägigen Akten der Beklagten vor. Hierauf sowie auf die Gerichtsakten des erstinstanzlichen Verfahrens und des Berufungsverfahrens wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).

In dem durch den Senatsbeschluss vom 06.11.2007 - 4 S 2742/06 - zugelassenen Umfang ist die Berufung der Klägerin statthaft und auch sonst zulässig; insbesondere ist sie gemäß § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO fristgerecht und in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO genügenden Weise begründet worden.

Die Berufung hat aber in der Sache keinen Erfolg. Der angefochtene Widerspruchsbescheid der Oberfinanzdirektion Hamburg vom 14.04.2004 ist hinsichtlich des im Berufungsverfahren allein noch streitgegenständlichen Zeitraums vom 01.08.1994 bis zum 31.12.1999 im Ergebnis rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten. Der Klägerin steht für diesen Zeitraum jedenfalls kein durchsetzbarer Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung eines Zuschusses zur Ergänzung ihrer Dienstbezüge gemäß § 4 der 2. BesÜV a.F. zu. Hierbei kann offen bleiben, ob ein Anspruch der Klägerin für einen Teil dieses Zeitraums bereits wegen des ablehnenden Bescheids der Beklagten vom 06.03.2000 sowie deren Widerspruchsbescheids vom 18.11.2003 nicht besteht, mit denen über den Antrag der Klägerin vom 03.01.2000, ihr rückwirkend ab dem 01.01.1996 vorenthaltene Bezüge auf der Basis von 100% der Besoldung nach dem Bundesbesoldungsgesetz und den Vorschriften der Bundesbesoldungsordnung zu gewähren, mangels Klageerhebung bestandskräftig abschlägig entschieden wurde. Denn ein Anspruch der Klägerin für den hier maßgeblichen Zeitraum ist insgesamt verjährt (hierzu unter 1.) und die Beklagte hat die Einrede der Verjährung mit Schriftsatz vom 17.08.2005 im Berufungszulassungsverfahren auch rechtswirksam erhoben (hierzu unter 2.).

1. Gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 EGBGB in der Fassung des Art. 2 des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001 (BGBl I S. 3138) i.V.m. § 197 BGB in der bis zum 01.01.2002 geltenden Fassung (a.F.) galt für Ansprüche auf "Besoldungen", die vor dem 01.01.2002 bestanden haben, noch eine Verjährungsfrist von vier Jahren, die gemäß § 201 BGB a.F. mit dem Schluss des Jahres begann, in dem der Anspruch entstanden ist. Danach war der Anspruch der Klägerin im Jahre 2004, als sie die (Nach-)Zahlung des ruhegehaltfähigen Zuschusses nach § 2 Abs. 1 der 2. BesÜV beantragt hatte, für die Zeit vor dem 01.01.2000 verjährt. Daran hat sich durch die Neuregelung der Verjährungsvorschriften durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts nichts geändert.

Auch der Antrag der Klägerin vom 03.01.2000 sowie ihr Widerspruch vom 23.03.2000 gegen den Bescheid der Beklagten vom 06.03.2000 über die Ablehnung einer rückwirkenden Gewährung vorenthaltener Bezüge auf der Basis von 100% Prozent der Besoldung nach dem Bundesbesoldungsgesetz und den Vorschriften der Bundesbesoldungsordnung ab dem 01.01.1996 führen zu keinem anderen Ergebnis. Die Klägerin hat damit zwar zunächst eine Verjährungsunterbrechung bewirkt, diese ist aber nach § 210 Satz 1 BGB a.F. wieder entfallen, da sie nach Ergehen des Widerspruchsbescheids vom 18.11.2003 keine Klage erhoben hat. § 210 Satz 1 BGB a.F. ist vorliegend auch hinsichtlich des Wegfalls der Verjährungsunterbrechung einschlägig, da nach Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 3 EGBGB das Bürgerliche Gesetzbuch in der vor dem 01.01.2002 geltenden Fassung anzuwenden ist, wenn - wie hier - nach Ablauf des 31.12.2001 ein Umstand eintritt, bei dessen Vorliegen nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in der vor dem 01.01.2002 geltenden Fassung eine vor dem 01.01.2002 eintretende Unterbrechung der Verjährung als nicht erfolgt gilt.

2. Die Beklagte konnte nach §§ 128, 128a VwGO auch noch im Berufungs(zulassungs)verfahren erstmals die Einrede der Verjährung erheben. Angesichts dieser eigenständigen verwaltungsprozessualen Vorschriften kommt eine entsprechende Anwendung der zivilprozessualen Regelung über die Zulassung neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel im Berufungsverfahren nach § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO i.V.m. § 173 VwGO nicht in Betracht (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, Kommentar, 65. Auflage 2007, § 531 RdNr. 19); danach kann dahinstehen, ob eine Zulassung der Verjährungseinrede nicht auch nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO möglich wäre.

Die Beklagte ist an der Ausübung der Verjährungseinrede auch nicht durch einen Verzicht gehindert. Zwar ist allgemein anerkannt, dass auch nach Eintritt der Verjährung auf die Einrede der Verjährung wirksam verzichtet werden kann (vgl. etwa Grothe in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Auflage, 2006, § 202 RdNr. 13 m.w.N.). Doch ist die Erklärung der Beklagten im Schriftsatz vom 17.08.2005, sie verzichte auf die Einrede der Verjährung, nicht (auch) in diesem (weitergehenden) Sinne zu verstehen. Bei der Feststellung des Inhalts einer Verzichtserklärung (§ 133 BGB) sind sämtliche Begleitumstände mit zu berücksichtigen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 15.01.2002 - X ZR 91/00 -, NJW 2002, 1044). Da der Dienstherr nicht nur berechtigt, sondern nach dem Grundsatz der sparsamen Haushaltsführung grundsätzlich auch verpflichtet ist, gegenüber Besoldungs- und Versorgungsansprüchen die Einrede der Verjährung geltend zu machen (vgl. BVerwG, Urteile vom 15.06.2006, a.a.O. und vom 25.11.1982 - 2 C 32.81 -, BVerwGE 66, 256), muss sich aus den Gesamtumständen seiner Erklärung eindeutig ergeben, dass ein Verzicht auf die Einrede der Verjährung auch für den Fall gelten soll, dass bereits Verjährung eingetreten ist (vgl. OLG Celle, Urteil vom 07.12.2005 - 3 U 141/05 -, juris). Das trifft - entgegen der Auffassung der Klägerin - für die umstrittene Verzichtserklärung der Beklagten nicht zu. Diese steht erkennbar im Zusammenhang mit dem im selben Schriftsatz zunächst gestellten Antrag auf Ruhen des Verfahrens und hat augenscheinlich zum Ziel, auch der Klägerin die Möglichkeit zu eröffnen, das Ruhen des Verfahrens zu beantragen, ohne befürchten zu müssen, die Beklagte werde im weiteren Prozessverlauf die Verjährung jener - bisher unverjährten - Ansprüche geltend machen, bei denen während der Ruhensphase Verjährung eingetreten ist. Demgegenüber sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, die Beklagte habe - entgegen ihren grundsätzlichen haushaltsrechtlichen Bindungen - der Klägerin darüber hinaus eine günstige(re) Rechtsposition dadurch verschaffen wollen, dass sie auch gegenüber bereits verjährten Besoldungsansprüchen - wie den streitgegenständlichen - auf die Einrede der Verjährung verzichte.

Die Erhebung der Verjährungseinrede stellt sich auch nicht als unzulässige Rechtsausübung dar. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn der Dienstherr bei Ansprüchen auf beamtenrechtliche Bezüge die Einrede der Verjährung erhebt. Die Verjährungseinrede des Dienstherrn kann nur ausnahmsweise unter den besonderen Umständen des Einzelfalls als Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB entsprechend) rechtsmissbräuchlich sein. Für den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung gegenüber der Verjährungseinrede muss ein nach Art und Dauer qualifiziert fehlerhaftes Verhalten des Dienstherrn vorliegen, das zwar nicht immer schuldhaft zu sein braucht, das aber unter gebotener Berücksichtigung der gesamten Umstände des jeweiligen Einzelfalls die Verjährungseinrede als gegen Treu und Glauben verstoßend und damit als unzulässig erscheinen lässt. Dieses "qualifizierte Fehlverhalten" des Dienstherrn muss den anspruchsberechtigten Gläubiger veranlasst haben, verjährungsunterbrechende Schritte zu unterlassen. Auch sonst kann die Verjährungseinrede Treu und Glauben widersprechen, wenn der Dienstherr durch sein Handeln beim Gläubiger den Eindruck erweckt hat, er werde leisten, so dass verjährungsunterbrechende Schritte nicht notwendig seien (vgl. BVerwG, Urteile vom 26.01.1966 - VI C 112.63 -, BVerwGE 23, 166, vom 09.07.1973 - VIII C 4.73 -, BVerwGE 42, 353, und vom 25.11.1982 - 2 C 32.81 -, BVerwGE 66, 256; Urteil des Senats vom 10.02.1993 - 4 S 2407/92 -, ZBR 1994, 287).

Nach diesen Rechtsgrundsätzen ist der Beklagten die Einrede der Verjährung nicht verwehrt, denn ein Sachverhalt, der den Dienstherrn dergestalt wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben hinderte, die Verjährungseinrede geltend zu machen, ist hier im Hinblick auf die gesamten Umstände nicht gegeben. Insbesondere genügt insoweit nicht schon der Hinweis der Klägerin, die Beklagte habe auf ihren Antrag vom 03.01.2000 hin ihr Begehren auf Angleichung ihrer Bezüge an die Besoldung in den alten Bundesländern nicht (auch) unter dem Gesichtspunkt des § 4 der 2. BesÜV a.F. geprüft, und dieses pflichtwidrige Verhalten habe dazu geführt, dass sie die ablehnenden Bescheide habe bestandskräftig werden lassen. Allein deren Rechtswidrigkeit und das angeführte Prüfungsdefizit begründen nicht das (erforderliche) "qualifizierte Fehlverhalten" des Dienstherrn, das dessen Berufung auf die Verjährung treuwidrig machte (vgl. Beschluss des Senats vom 17.01.2006 - 4 S 1179/05 -).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Gründe der §§ 127 BRRG, 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.

Beschluss vom 24. März 2009

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gem. §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG auf 19.204,73 EUR festgesetzt.

Der Streitwert für das Verfahren erster Instanz wird gemäß §§ 25 Abs. 2 Satz 2, 13 Abs. 2 GKG a.F. unter Abänderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts auf 32.171,89 EUR festgesetzt.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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