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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 10.02.2003
Aktenzeichen: 4 S 2782/01
Rechtsgebiete: SVG, BeamtVG


Vorschriften:

SVG § 43 Abs. 1
BeamtVG F. 1999 § 19 Abs.1
Nicht in allen Fällen, in denen zum Zeitpunkt der Eheschließung den Eheleuten eine lebensbedrohliche Erkrankung des Beamten bekannt war, muss der Versorgungszweck alleiniger oder überwiegender Zweck der Heirat sein.
4 S 2782/01

VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

In der Verwaltungsrechtssache

wegen

Witwenversorgung

hat der 4. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Riedinger und die Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Breunig und Wiegand

am 10. Februar 2003

beschlossen:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 11. Juli 2001 - 10 K 1477/00 - geändert. Der Bescheid der Wehrbereichsverwaltung V vom 18. November 1999 und deren Widerspruchsbescheid vom 25. April 2000 werden aufgehoben und die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin Witwengeld ab dem 01. August 1999 zu gewähren.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 4.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin, die Witwe eines Berufssoldaten im Range eines Stabsfeldwebels, begehrt die Gewährung von Witwengeld. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 11.07.2001 abgewiesen. Auf den Tatbestand des Urteils wird Bezug genommen. Mit ihrer durch am 03.01.2002 zugestellten Beschluss des Senats vom 27.12.2001 zugelassenen und am 22.01.2002 begründeten Berufung beantragt die Klägerin sinngemäß,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 11.07.2001 - 10 K 1477/00 - zu ändern, den Bescheid der Wehrbereichsverwaltung V vom 18.11.1999 und deren Widerspruchsbescheid vom 25.04.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin Witwengeld ab dem 01.08.1999 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Dem Senat liegen die Akten des Verwaltungsgerichts und der Beklagten vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird hierauf sowie auf die gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Akten des Senats Bezug genommen.

II.

Die Entscheidung ergeht nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss nach § 130 a VwGO. Der Senat hält die zugelassene und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Witwengeld ab dem 01.08.1999 in gesetzlicher Höhe zu.

Nach § 43 Abs. 1 SVG in Verb. mit § 19 Abs. 1 Satz 1 des Beamtenversorgungsgesetzes in der hier nach § 97 Abs. 1 SVG i.d.F. von Art. 2 Nr. 57 des Gesetzes vom 20.12.2001 (BGBl. I Seite 3926) maßgebenden, bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 16.03.1999 (BGBl. I Seite 322) - BeamtVG - erhält die Witwe eines Berufssoldaten Witwengeld. Dies gilt nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG nicht, wenn die Ehe mit dem Verstorbenen weniger als drei Monate gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, der Witwe eine Versorgung zu verschaffen. Hiernach steht der Klägerin der geltend gemachte Anspruch auf Witwengeld ab dem 01.08.1999 (§ 27 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG) zu.

Die am 27.04.1999 auf dem Standesamt Obrigheim geschlossene Ehe der Klägerin mit ihrem am 23.07.1999 verstorbenen Ehemann dauerte zwar weniger als drei Monate. Für diesen Fall vermutet das Gesetz eine "Versorgungsehe", erlaubt jedoch gleichzeitig der Witwe, diese Vermutung zu widerlegen. Die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe ist dabei entkräftet, wenn besondere, objektiv erkennbare Umstände vorliegen, wonach ein anderer Zweck der Eheschließung mindestens so wahrscheinlich ist wie der Versorgungszweck. Dazu genügt in der Regel - wenn auch nicht ausnahmslos -, dass die Witwe nachweist, dass unter den Beweggründen jedenfalls eines der Ehegatten die Versorgungsabsicht keine maßgebliche Bedeutung hatte. Ausschlaggebend ist insoweit nicht in jedem Falle, wie schwer der Beamte im Zeitpunkt der Eheschließung erkrankt war, denn nicht in allen Fällen, in denen der Beamte bei der Heirat schwer krank und dies den Eheleuten im Zeitpunkt der Eheschließung bzw. des Heiratsentschlusses bekannt ist, muss der Versorgungszweck alleiniger oder überwiegender Zweck der Heirat sein. Auch in diesen Fällen können andere "einigermaßen wirklichkeitsnahe" Beweggründe, etwa auch die konsequente Verwirklichung eines schon vor dem Auftreten der lebensbedrohlichen Erkrankung des Partners bestehenden Heiratsentschlusses, für die Heirat im Vordergrund stehen. (BVerwGE 25, 221; BVerwG, Beschluss vom 09.07.1971, Buchholz 232 § 123 BBG Nr. 7; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 28.03.1990 - 11 S 167/89 -; in diesem Sinne auch BayVGH, Urteil vom 01.12.1998, IÖD 1999, 174, m.w.N.).

Ausgehend hiervon hat Klägerin die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe widerlegt. Die Klägerin hat von Anfang an eingehend und widerspruchsfrei vorgetragen, dass zu ihrem verstorbenen Ehemann seit 1988 eine Beziehung bestanden habe, in der sie seit 1989 ehegleich zusammen gelebt und während deren sie auch ein Mehrfamilienhaus gemeinsam finanziert und gebaut hätten. Auch habe sie die Erziehung des 1979 geborenen Sohnes ihres Ehemannes aus erster Ehe seit 1989 mit übernommen. Schon seit 1990/1991 sei aus diesen Gründen beabsichtigt gewesen zu heiraten, wozu aber aus anfänglicher Zurückhaltung wegen beiderseits zuvor gescheiterter Ehen und späterer "Bequemlichkeit" zunächst keine weiteren konkreten Vorkehrungen getroffen worden seien, obwohl sie sich bereits am 24.12.1991 verlobt und Eheringe gekauft hätten. Erst nach einer schweren, aber überwundenen Erkrankung des Ehemanns der Klägerin (Lungenkrebsoperation Anfang 1998) hätten sie in Erkenntnis ihrer bisherigen Nachlässigkeit einen Heiratstermin im Herbst 1998 - der aber aufgrund einer schweren, eine stationäre Behandlung erfordernden Erkrankung nunmehr der Klägerin ab Oktober 1998 auf das Frühjahr 1999 habe verschoben werden müssen - fest ins Auge gefasst, wobei insbesondere auch ihr Ehemann großen Wert darauf gelegt habe, ihre Position als Eheleute gegenüber Dritten zu festigen, aber auch, dass die Klägerin und sein noch in Ausbildung befindlicher Sohn den gleichen Namen trügen, um die Personen- und Vermögenssorge der Klägerin zu stärken, falls er sich nicht mehr wie bisher um die Belange der Familie würde kümmern können. Dass es sich hierbei um "einigermaßen wirklichkeitsnahe" Beweggründe, die schon vor dem Auftreten der lebensbedrohlichen und später zum Tode führenden Erkrankung (inoperabler Nierenbeckentumor) des Ehemanns der Klägerin im Februar 1999 bestanden, handelt, steht für den Senat außer Zweifel. Der glaubhafte Vortrag der Klägerin zur Ernsthaftigkeit dieses seit langem ohne Versorgungsabsichten im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG bestehenden Heiratsentschlusses wird zudem durch den objektiven Umstand untermauert, dass sich die Klägerin und ihr Ehemann bereits in einem Erbvertrag vom 04.09.1991 zu gegenseitigen Vorerben sowie den Sohn des Ehemanns der Klägerin und den Neffen der Klägerin als Nacherben an dem gemeinsam errichteten und vermieteten Mehrfamilienhaus einsetzten und dessen Finanzierung vollständig durch gegenseitige Lebensversicherungen absicherten, wodurch nicht nur die langfristige Planung einer gemeinsamen Zukunft offen zutage trat, sondern ferner eine finanzielle Altersvorsorge für die im übrigen berufstätige Klägerin bereits gewährleistet war. Gegen die Annahme eines ausschließlichen oder überwiegenden Versorgungszwecks zum Zeitpunkt der Eheschließung spricht schließlich auch, dass weder im Jahre 1998 nach Auftreten des ebenfalls lebensbedrohlichen Lungenkrebses bei dem Ehemann der Klägerin, noch im Februar 1999 nach dessen weiterer schwerer Erkrankung eine Heirat wegen erkannter Sterbensgefahr überstürzt, etwa noch im Krankenhaus, vollzogen wurde, was aber nahegelegen hätte, wenn solche Absichten im Vordergrund gestanden hätten (vgl. zu einem solchen Fall: BVerwG, Urteil vom 18.04.1991, Buchholz 310 § 86 VwGO Nr. 230). Nach der Überzeugung des Senats stellte sich die Eheschließung am 27.04.1999 danach als konsequente Verwirklichung eines aus den genannten Gründen seit langem bestehenden und spätestens 1998 endgültig verfestigten, aber durch persönliche Schicksalsschläge in der Umsetzung weiter verzögerten Heiratsentschlusses dar, ohne dass es nunmehr der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen wäre, der Klägerin durch eine formelle Legalisierung der jahrelangen Beziehung eine Versorgung zu verschaffen, auch wenn den Eheleuten zum Zeitpunkt der Eheschließung die erst im Februar 1999 im Bundeswehrkrankenhaus Ulm festgestellte lebensbedrohliche Erkrankung des Ehemanns der Klägerin bekannt war, zumal da auch nach der ärztlichen Stellungnahme vom 19.09.1999 zum Zeitpunkt der Eheschließung mit einem so frühen Endpunkt dieser Krankheit grundsätzlich nicht zu rechnen war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Gründe der § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren beruht auf §§ 17 Abs. 3 Satz 2, 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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