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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 27.11.2008
Aktenzeichen: 4 S 659/08
Rechtsgebiete: GG, LBG


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
LBG § 98
Zur Frage, ob ein Lehrer verlangen kann, dass sein Dienstherr ihm einen räumlich abgegrenzten und sachgemäß ausgestatteten Arbeitsplatz an der Schule zur Verfügung stellt.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

4 S 659/08

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Arbeitszimmer

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 4. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg

am 27. November 2008

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 28. Januar 2008 - 3 K 1901/07 - wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert des Zulassungsverfahrens wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die von ihm genannten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) rechtfertigen aus den mit dem Antrag angeführten Gründen die Zulassung der Berufung nicht.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung sind nach der Rechtsprechung des Senats dann gegeben, wenn neben den für die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung sprechenden Umständen gewichtige, dagegen sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatsachenfragen bewirken, bzw. wenn der Erfolg des Rechtsmittels, dessen Eröffnung angestrebt wird, mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie der Misserfolg (vgl. Beschluss des Senats vom 25.02.1997 - 4 S 496/97 -, VBlBW 1997, 263). Dies ist bereits dann ausreichend dargelegt, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.06.2000 - 1 BvR 830/00 -, VBlBW 2000, 392, und Beschluss vom 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 -, BVerfGE 110, 77, 83), wobei alle tragenden Begründungsteile angegriffen werden müssen, wenn die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auf mehrere jeweils selbständig tragende Erwägungen gestützt ist (Meyer-Ladewig/Rudisile, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 124a RdNr. 125; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19.08.1997 - 7 B 261.97 -, Buchholz 310 § 133 <nF> VwGO Nr. 26, und Beschluss vom 11.09.2002 - 9 B 61.02 -, Juris). Das Darlegungsgebot des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO erfordert dabei eine substantiierte Auseinandersetzung mit der erstinstanzlichen Entscheidung, durch die der Streitstoff entsprechend durchdrungen oder aufbereitet wird. Dies kann regelmäßig nur dadurch erfolgen, dass konkret auf die angegriffene Entscheidung bezogen aufgezeigt wird, was im Einzelnen und warum dies als fehlerhaft erachtet wird. Eine Bezugnahme auf früheren Vortrag genügt dabei nicht (vgl. nur Senatsbeschluss vom 19.05.1998 - 4 S 660/98 -, Juris; Kopp/ Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 124a RdNr. 49 m.w.N.). Ausgehend hiervon werden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung mit dem Antragsvorbringen nicht hervorgerufen.

Das Verwaltungsgericht hat entschieden, dass aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn keine Ansprüche hergeleitet werden könnten, die über die Ansprüche hinausgingen, die im Gesetz selbst speziell und abschließend geregelt seien. Eine Regelung, wonach Lehrkräften ein Arbeitszimmer in der Schule zur Verfügung zu stellen sei, finde sich weder im Landesbeamtengesetz noch in sonst einer Rechtsvorschrift. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die weiten Grenzen des dem Gesetzgeber zustehenden Ermessens überschritten wären, weil ohne die begehrte Fürsorgeleistung eine unerträgliche Belastung der amtsangemessenen Lebensführung des Beamten einträte und dadurch die Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern beeinträchtigt würde. Bei Lehrern sei nicht von der dienstlichen Notwendigkeit erheblicher besonderer Kosten für ein Arbeitszimmer auszugehen. Neben dem häuslichen Bereich könnten Lehrer auch die Räumlichkeiten in der Schule nutzen. Büromaterial und Arbeitsmittel seien vom Schulträger zu beschaffen und den Lehrern kostenlos zur Verfügung zu stellen.

Der Kläger macht geltend, das Verwaltungsgericht habe übersehen, dass er keine finanzielle Leistung beantrage, die über eine spezielle und abschließende Regelung hinausgehe, sondern die - gesetzlich überhaupt nicht geregelte - Bereitstellung eines räumlich abgegrenzten und sachgemäß ausgestatteten Arbeitsplatzes an seiner Dienststelle. Jedenfalls dann, wenn der Beamte es ausdrücklich wünsche, sei der Dienstherr daher aus Gründen der Fürsorge verpflichtet, ein geeignetes und entsprechend den dienstlichen Erfordernissen ausgestattetes Dienstzimmer zur Verfügung zu stellen. Mit diesem Vorbringen vermag der Kläger nicht durchzudringen. Denn er übersieht, dass sich der geltend gemachte Anspruch auf Bereitstellung eines Arbeitsplatzes - mit der näher beschriebenen Ausstattung - an seiner Dienststelle allenfalls dann aus der Fürsorgepflicht herleiten ließe, wenn das dem Dienstherrn insoweit eingeräumte Ermessen in der Weise auf Null reduziert wäre, dass keine andere Entscheidung als die Gewährung der vom Beamten beanspruchten (Sach-)Leistung rechtmäßig wäre. Insoweit hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf verwiesen, dass sich Leistungsansprüche aus der Fürsorgepflicht allenfalls dann ergeben, wenn andernfalls die Fürsorgepflicht in ihrem Kern verletzt wäre. Den Wesenskern der Fürsorgepflicht können aber allenfalls unzumutbare Belastungen des Beamten berühren (BVerwG, Urteile vom 28.05.2003 - 2 C 28.02 -, ZBR 2003, 383, sowie vom 21.12.2000 - 2 C 39.99 -, BVerwGE 112, 308). Dass allein der Wunsch des Beamten, einen Arbeitsplatz an seiner Dienststelle zur Verfügung gestellt zu bekommen, hierfür nicht ausreichend ist, ist nicht ernstlich zweifelhaft. Keinen Erfolg hat auch der Einwand des Klägers, die auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 1983 gestützte Annahme des Verwaltungsgerichts, von der dienstlichen Notwendigkeit erheblicher besonderer Kosten für ein Arbeitszimmer sei nicht auszugehen, könne im Jahr 2006 nicht mehr aufrechterhalten werden. Denn das Bundesverwaltungsgericht hat in dem Beschluss vom 08.09.1983 - 2 B 148.82 - (DVBl 1984, 431) entschieden, dass für die häusliche Arbeit eines Oberstudienrats - ausgehend von einer Mehrzimmerwohnung nebst angemessener Ausstattung, für die die Dienstbezüge ausreichten - erfahrungsgemäß weder in räumlicher Hinsicht noch hinsichtlich der Ausstattung ein besonderer finanzieller Aufwand, insbesondere kein ausschließlich diesem Zweck dienendes Arbeitszimmer erforderlich sei. Die Richtigkeit dieser Annahme wird allein durch den Hinweis auf die ab 2007 entfallene Möglichkeit, für das vorhandene häusliche Arbeitszimmer einen Betrag von 1.250,-- EUR jährlich als Werbungskosten steuerlich absetzen zu können, nicht in Zweifel gezogen. Auch soweit der Kläger auf die gestiegene Unterrichtsverpflichtung, die verdichteten Lehrpläne und die zu bewältigende Informationsflut verweist, fehlt es an der erforderlichen Darlegung, dass dies zu unzumutbaren Kosten geführt hätte. Ob der Kläger in der Schule Räumlichkeiten nutzen könnte, wie das Verwaltungsgericht meint und der Kläger - unsubstantiiert - bestreitet, kann dahingestellt bleiben. Denn selbst wenn diese Möglichkeit nicht bestünde, hätte der Kläger darlegen müssen, dass hieraus eine unzumutbare Belastung resultierte. Dies leistet sein Zulassungsantrag nicht.

Soweit der Kläger des Weiteren geltend macht, die sachgerechte Erfüllung öffentlicher Aufgaben und der Schutz der Beamten vor übermäßiger Inanspruchnahme wäre nicht mehr gewährleistet, wenn einem Beamten kein Anspruch auf Bereitstellung eines Arbeitsplatzes an seiner Dienststelle zugestanden würde, verkennt er, dass die genannten Gesichtspunkte zwar vom Dienstherrn zu berücksichtigen sind, wenn er die Entscheidung zu treffen hat, ob und in welcher Form er seinen Beamten Dienstzimmer zur Verfügung stellt. Beanspruchen kann der Kläger einen Arbeitsplatzes an seiner Dienststelle aufgrund der Fürsorgepflicht aber nur dann, wenn er ohne diesen unzumutbar belastet wäre. Dies legt er mit seinem Zulassungsantrag nicht dar. Weder sein - ergänzender - Hinweis darauf, dass dienstliche Unterlagen aus Platzmangel teilweise zu Hause gelagert werden müssten, was bei Elternsprechtagen unter Umständen zu unnötigen Verzögerungen führe, noch seine Auffassung, dass die schülerbezogene Datenverarbeitung aus Sicherheitsgründen in dienstlichen Räumen und mit dienstlicher Hard- und Software mit entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen durchzuführen sei, zeigen eine unzumutbare Belastung auf, die nur durch die Bereitstellung des begehrten Arbeitsplatzes in der Schule behoben werden könnte.

Ferner rügt der Kläger, es sei nicht einzusehen, dass die Bereitstellung eines Dienstzimmers bei allen Beamten außer bei Lehrkräften als selbstverständlich angesehen werde. Insoweit liege ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vor. Hierzu hat das Verwaltungsgericht entschieden, die Ungleichbehandlung sei gerechtfertigt, weil die Lehrkräfte - anders als andere Beamte - nur zu einem Teil durch Anwesenheitspflichten in der Schule gebunden seien und insbesondere die Vor- und Nachbereitung nicht im Schulgebäude erledigen müssten. Dies vermag der Kläger mit seinem Vorbringen nicht zu erschüttern.

Schließlich rügt der Kläger, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Wegfall der steuerlichen Absetzbarkeit des häuslichen Arbeitszimmers einer Lehrkraft mangels gesetzlicher Normierung keinen Anspruch begründe, in der Schule ein Arbeitszimmer zur Verfügung gestellt zu bekommen. Er meint, dieser Anspruch folge aus dem Rechtsstaatsprinzip, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Grundsatz von Treu und Glauben, weil das Land als Steuerfiskus Vorteile aus der weggefallenen Absetzbarkeit des Arbeitszimmers ziehe und daher den Beamten, die zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten auf ein häusliches Arbeitszimmer angewiesen seien, eine Kompensation gewähren müsse. Auch damit vermag er jedoch nicht durchzudringen. Zum einen ist die Behauptung, aus den genannten Rechtsgrundsätzen lasse sich der von ihm geltend gemachte Anspruch herleiten, in keiner Weise näher begründet und genügt damit nicht den Anforderungen des Darlegungsgebots (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Zum anderen übersieht er, dass selbst dann, wenn eine Verpflichtung des Dienstherrn bestünde, die aus dem Wegfall der steuerlichen Absetzbarkeit des häuslichen Arbeitszimmers resultierenden Einbußen einer Lehrkraft zu kompensieren, sich daraus noch kein Anspruch auf Bereitstellung eines Arbeitsplatzes an seiner Dienststelle ergäbe. Denn in diesem Fall wäre dem Dienstherrn bei der Entscheidung, wie er die Kompensation vornehmen wollte, ein weites Ermessen eingeräumt. Neben dem vom Kläger begehrten Arbeitsplatz an seiner Dienststelle käme insoweit auch ein finanzieller Ausgleich in Betracht. Hiermit setzt sich der Kläger nicht näher auseinander.

2. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO kommt einer Rechtssache zu, wenn das erstrebte weitere Gerichtsverfahren zur Beantwortung von entscheidungserheblichen konkreten Rechtsfragen oder im Bereich der Tatsachenfragen nicht geklärten Fragen mit über den Einzelfall hinausreichender Tragweite beitragen könnte, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts höhergerichtlicher Klärung bedürfen. Die Darlegung dieser Voraussetzungen verlangt vom Kläger, dass er unter Durchdringung des Streitstoffes eine konkrete Rechtsfrage aufwirft, die für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird, und einen Hinweis auf den Grund gibt, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll (vgl. Beschluss des Senats vom 05.06.1997, VBlBW 1997, 420, m.w.N.).

Diesen Anforderungen genügt das Zulassungsvorbringen des Klägers schon deswegen nicht, weil er keine konkrete Rechtsfrage herausarbeitet und formuliert, die in einem Berufungsverfahren klärungsbedürftig wäre. Seinem Vorbringen lässt sich zwar entnehmen, dass er die Frage für grundsätzlich bedeutsam erachtet, "ob einem Lehrer ein Rechtsanspruch auf Bereitstellung eines Arbeitszimmers an der Schule" zusteht. In dieser Allgemeinheit würde sich die Frage in einem Berufungsverfahren aber nicht stellen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts für das Zulassungsverfahren beruht auf §§ 47 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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