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Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 24.10.2001
Aktenzeichen: 4 S 848/01
Rechtsgebiete: SG, BBesG, SGB V
Vorschriften:
SG § 30 Abs. 1 | |
BBesG § 69 Abs. 2 | |
SGB V § 27 a Abs. 1 |
4 S 848/01
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss
In der Verwaltungsrechtssache
wegen
truppenärztlicher Versorgung, hier: Antrag auf Zulassung der Berufung,
hat der 4. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Riedinger und die Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Breunig und Wiegand
am 24. Oktober 2001
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 21. Februar 2001 - 10 K 3252/99 - wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert des Zulassungsverfahrens wird auf 8.000,- DM festgesetzt.
Gründe:
Der zulässige Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die von ihr genannten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) rechtfertigen aus den mit dem Antrag angeführten Gründen die Zulassung der Berufung nicht.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung sind nach der Rechtsprechung des Senats dann gegeben, wenn neben den für die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung sprechenden Umständen gewichtige, dagegen sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatsachenfragen bewirken, bzw. wenn der Erfolg des Rechtsmittels, dessen Eröffnung angestrebt wird, mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie der Misserfolg (vgl. Beschluss des Senats vom 25.02.1997, VBlBW 1997, 263). Dies ist bereits dann ausreichend im Sinne des § 124 a Abs. 1 Satz 4 VwGO dargelegt, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.06.2000, VBlBW 2000, 392). Ausgehend hiervon werden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung mit dem Antragsvorbringen nicht hervorgerufen.
Das Verwaltungsgericht dürfte zutreffend zu dem Ergebnis gelangt sein, dass der Klägerin der geltend gemachte Anspruch auf Einbeziehung der In-vitro-Fertilisation und der intracytoplasmatischen Spermainjektion (ICSI) in die ihr als Soldatin auf Zeit gemäß §§ 30 Abs. 1 SG, 69 Abs. 2 BBesG zustehende unentgeltliche truppenärztliche Versorgung nicht zusteht. Dabei kann in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht offen bleiben, ob nur solche Maßnahmen zur Beseitigung oder Linderung regelwidriger Abweichungen des Körper- oder Geisteszustandes eines Soldaten einen Anspruch auf truppenärztliche Versorgung begründen, die zugleich der Erhaltung oder Wiederherstellung seiner Wehrdienstfähigkeit und damit dem öffentlichen Interesse an der jederzeitigen Einsatzbereitschaft der Streitkräfte dienen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.03.1982 - 6 C 95/79 -, Buchholz 238.4 § 31 SG Nr. 16 = DÖV 1982, 915; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.10.1993 - 11 S 498/93 -, VGHBW-LS 1994, Beilage 3, B 8). Denn das Verwaltungsgericht dürfte zu Recht angenommen haben, dass die truppenärztliche Versorgung (§ 69 Abs. 2 BBesG) nur solche Maßnahmen umfasst, die zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit des Soldaten oder der Soldatin selbst erforderlich sind und dass bei der Klägerin selbst keine Krankheit im Sinne eines die Berechtigung zur truppenärztlichen Versorgung auslösenden regelwidrigen Zustands des Körpers oder Geistes, der der ärztlichen Behandlung bedarf, vorliegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.02.1982, BVerwGE 65, 87 = ZBR 1982, 157; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.10.1993, a.a.O.). Ursache der Kinderlosigkeit der Klägerin ist vielmehr unstreitig allein die bei ihrem Ehemann als regelwidriger Zustand bestehende sogenannte Oligospermie. Soweit die Klägerin in ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung auf die Beihilfevorschriften der Beklagten verweist, lässt sich daraus wegen der Unterschiedlichkeit der Regelungsgegenstände offensichtlich kein Anspruch auf unentgeltliche truppenärztliche Versorgung herleiten. Entgegen dem weiteren Antragsvorbringen der Klägerin liegt bei ihr wohl auch nicht deshalb eine der Behandlung bedürftige und zugängliche Krankheit vor, weil der unerfüllte Kinderwunsch die Ursache einer psychischen Belastung sei, die das Ausmaß einer Krankheit erreicht habe. Denn für das Vorliegen einer derartigen, bereits vom Verwaltungsgericht zutreffend verneinten psychisch bedingten Krankheit enthält auch das Antragsvorbringen der Klägerin über die bloße Behauptung hinaus keine greifbaren Anhaltspunkte.
Entgegen dem Antragsvorbringen der Klägerin geben auch die Regelungen im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung keine Hinweise, die den geltend gemachten Anspruch stützen könnten. Zwar umfassen nach § 27 a Abs. 1 SGB V die Leistungen der Krankenbehandlung unter bestimmten Voraussetzungen auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft. Die Beklagte weist aber zutreffend darauf hin, dass die Maßstäbe für einen Anspruch auf unentgeltliche truppenärztliche Versorgung wegen der Eigenständigkeit der jeweiligen gesetzlichen Regelungssysteme nicht aus der für die gesetzliche Krankenversicherung geltenden und darauf beschränkten Vorschrift des § 27 a SGB V hergeleitet werden könnten. Daher dürfte auch das hinsichtlich eines Anspruchs aus § 27 a Abs. 1 SGB V ergangene Urteil des Bundessozialgerichts vom 03.04.2000 - B 1 KR 40/00 R -, wonach der entsprechend den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung (BArbBl 1990, 21) praktizierte Ausschluss der ICSI aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung mit der in der gesetzlichen Bestimmung des § 27 a SGB V enthaltenen rechtspolitischen Grundentscheidung nicht vereinbar ist, keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils begründen.
Der Ausschluss der ICSI von der freien Heilfürsorge, wie er auch ausdrücklich in der Verwaltungsvorschrift (VwV) zu § 69 Abs. 2 BBesG in der derzeit geltenden Fassung vom 04.01.1999 (VMBl S. 37) angeordnet worden ist, verletzt schließlich nicht die Fürsorgepflicht der Beklagten gegenüber der Klägerin, so dass auch unter diesem Blickwinkel keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestehen. Wie das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 22.03.2001 (DVBl. 2001, 1214) unter Hinweis auf die erwähnten Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung auf die Klage einer Soldatin auf Zeit entschieden hat, umfasst die freie Heilfürsorge für Soldaten nicht Maßnahmen der künstlichen Befruchtung, die wegen eines nicht auszuschließenden Missbildungsrisikos in der medizinischen Fachwelt für bedenklich gehalten werden. Zu diesen Maßnahmen gehört nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts in Anlehnung an die derzeitigen Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen derzeit noch die ICSI. Das nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand nicht auszuschließende Risiko erhöhter Missbildungsgefahr bei Anwendung der ICSI rechtfertigt daher nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts den Ausschluss der freien Heilfürsorge bei dieser Methode der künstlichen Befruchtung. Es ist deshalb nicht fürsorgepflichtwidrig, wenn der Dienstherr es ablehnt, die Kosten einer ICSI zu übernehmen, solange keine gesicherten medizinischen Erkenntnisse über deren gesundheitliche Unbedenklichkeit vorliegen.
Nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO ist die Berufung zuzulassen, wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Die gerügte Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) stellt zwar einen der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmangel dar, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Die Rüge unzureichender Sachaufklärung erfordert indessen die substantiierte Darlegung, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hier in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären; weiter muss entweder dargelegt werden, dass bereits im erstinstanzlichen Verfahren, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.08.1997, NJW 1997, 3328, m.w.N.). Angesichts dieser Erfordernisse geht auch die Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht fehl. Soweit die Klägerin geltend macht, das Verwaltungsgericht hätte ermitteln müssen, ob die durch den unerfüllten Kinderwunsch bedingte psychische Belastung der Klägerin eine regelwidrige Abweichung des Körper- oder Geisteszustandes darstelle, wird nicht deutlich, was die sachkundig vertretene Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht daran gehindert hat, Anstöße zu der ihres Erachtens gebotenen weiteren Aufklärung etwa durch Stellung von Anträgen nach § 86 Abs. 2 VwGO zu geben. Ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat die Klägerin einen derartigen Beweisantrag jedoch nicht gestellt. Ferner wird aus dem Antragsvorbringen nicht erkennbar, inwieweit sich dem Verwaltungsgericht nach dem ihm im Zeitpunkt seiner Entscheidung unterbreiteten Sachverhalt auf der Grundlage seiner materiellen Rechtsauffassung eine weitere Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen. Insbesondere enthält auch das Antragsvorbringen keine greifbaren Anhaltspunkte für die Annahme, die Klägerin leide auf Grund ihrer Kinderlosigkeit an einer behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankung. Sollten sich die Angriffe der Klägerin in Wirklichkeit gegen die Sachverhaltswürdigung des Verwaltungsgerichts richten, bleibt die Verfahrensrüge schon deshalb ohne Erfolg, weil diese Würdigung nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzurechnen ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.08.1997, a.a.O.).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat, der den Antrag einstimmig ablehnt, nach § 124 a Abs. 2 Satz 2 VwGO ab.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts für das Zulassungsverfahren beruht auf §§ 14 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
Ende der Entscheidung
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