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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 27.07.2001
Aktenzeichen: 5 S 1093/00
Rechtsgebiete: BauGB, BauNVO


Vorschriften:

BauGB § 31 Abs. 1
BauNVO § 8 Abs. 1
BauNVO § 8 Abs. 3 Nr. 2
BauNVO § 15 Abs. 1 Satz 1
1. Zur planungsrechtlichen Unzulässigkeit eines Seniorenpflegeheims nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO, das in einem unter der Geltung der Baunutzungsverordnung 1977 ausgewiesenen Gewerbegebiet als ausnahmsweise zulässige Anlage für soziale Zwecke genehmigt worden ist.

2. Der Eigentümer eines im Gewerbegebiet gelegenen Grundstücks kann unter Berufung auf § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO die Zulassung eines Seniorenpflegeheims auf dem Nachbargrundstück abwehren, selbst wenn in Folge verfügter Schallschutzmaßnahmen eine Unzulässigkeit des Vorhabens nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO nicht gegeben sein sollte.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

5 S 1093/00

In der Verwaltungsrechtssache

wegen

erteilter Baugenehmigung

hat der 5. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Lutz und die Richter am Verwaltungsgerichtshof Schefzik und Harms auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 26. Juli 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 01. Dezember 1999 - 3 K 5267/97 - werden zurückgewiesen.

Die Beklagte und die Beigeladene tragen die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Kläger jeweils zur Hälfte; ihre eigenen außergerichtlichen Kosten tragen sie selbst.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger, Mitglieder einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts ("Ramtel Carree"), wenden sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Nutzungsänderung eines Teils eines Bürokomplexes in ein Seniorenpflegeheim.

Die Kläger sind seit 06.04.1995 (Mit-)Eigentümer des Grundstücks Böblinger Straße 25 auf Gemarkung der Beklagten, auf dem ein dreigeschossiges Büro-und Lagergebäude steht und eine Spedition betrieben wird; mit Bescheid vom 16.01.1997, der mittlerweile verlängert wurde, erteilte die Beklagte den Klägern antragsgemäß die Baugenehmigung für den Einbau einer Schreinerei im Erdgeschoss des Gebäudes und mit Bescheid vom 23.12.1997 die Baugenehmigung für die veränderte Ausführung der Büros im 1. und im 2. Obergeschoss, für den Einbau eines Fitness-Studios im 1. Obergeschoss sowie für die veränderte Ausführung der Tiefgarage. Die Beigeladene ist Eigentümerin des (nord-)östlich angrenzenden Grundstücks Böblinger Straße 27. Beide Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans "Gewerbegebiet Ramtel II" der Beklagten vom 04.02.1981, in Kraft getreten am 19.02.1982. Der Plan weist die Grundstücke sowie weitere Flächen zwischen der nördlich verlaufenden L 1141 (Neue Ramtelstraße) und der Böblinger Straße und eine in deren Einmündungsbereich südlich hiervon gelegene Fläche als Gewerbegebiet aus; unter Nr. I.1.1 der textlichen Festsetzungen ist bestimmt, dass Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter ausnahmsweise zugelassen werden können (§ 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO).

Nördlich des Plangebiets verläuft die L 1141, die Leonberg mit Stuttgart verbindet. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindet sich ein Wohngebiet. Westlich des Plangebiets schließt das Gebiet des Bebauungsplans "Gewerbegebiet Ramtel I" an. Südlich des Plangebiets auf der dem Grundstück der Beigeladenen gegenüberliegenden Seite der Böblinger Straße grenzt ein Landschaftsschutzgebiet an. (Nord-)Östlich des Plangebiets im Anschluss an das Grundstück der Beigeladenen beginnt eine Wiesenlandschaft.

Unter dem 05.04.1994 erteilte die Beklagte der Beigeladenen für das Grundstück Böblinger Straße 27 eine Baugenehmigung zur Errichtung eines Bürokomplexes mit einer Geschossfläche von 12.751 m². Da die Beigeladene nicht genügend Mieter fand, wurden die Bauarbeiten nach Fertigstellung des Rohbaus eingestellt. Bei der Suche nach alternativen Nutzungskonzepten fand die Beigeladene mit der DSK Deutsche Seniorenförderung und Krankenpflege e.V. einen Interessenten für die Anmietung des westlichen Teils des Gebäudekomplexes. Unter dem 30.11.1995 beantragte die Beigeladene die Genehmigung zur Änderung der Nutzung dieses Gebäudeteils in ein Seniorenpflegeheim. Die Firma M., damals noch im Liegenschaftskataster als Eigentümerin des (Nachbar-)Grundstücks der Kläger eingetragen, erhob im Rahmen der Angrenzerbenachrichtigung am 21.12.1995 Einwendungen, die sie als Vertreterin der im Grundbuch als Eigentümer eingetragenen Kläger mit Schreiben vom 05.02.1996 unter Hinweis auf die planungsrechtliche Unzulässigkeit des Seniorenpflegeheims in einem Gewerbegebiet begründete.

Mit Bescheid vom 26.03.1996 erteilte die Beklagte der Beigeladenen, gestützt auf § 31 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO 1977, die Baugenehmigung zum "Umbau des Bürogebäudes Böblinger Straße 27" und zur "Umnutzung des westlichen Gebäudeteils (Achsen 1 bis 12) in ein Seniorenpflegeheim für die Betreuung dauerhaft Pflegebedürftiger i.S. der 3. Pflegestufe des Pflegegesetzes". Die Einwendungen der Kläger wurden zurückgewiesen. Unter "Bedingungen" heißt es:

"Die Baugenehmigung für das Pflegeheim wird unter der Bedingung erteilt, daß durch geeignete bauliche Maßnahmen die von der Brüssau Bauphysik GmbH im Schreiben vom 06.02.1996 geforderten Schalldämmaße für Massivfassaden- und Fensterflächen im gesamten Pflegebereich eingehalten werden. Dazu sind vor Baufreigabe der Fassaden von der Brüssau Bauphysik GmbH geprüfte und freigegebene Fassadendetailpläne über Brüstungen - Stürze - Stützen - Fenster usw. einschließlich des rechnerischen Nachweises für den Schallschutz der Genehmigungsbehörde vorzulegen.

Vor Inbetriebnahme des Pflegeheimes ist durch Vorlage von Meßergebnissen der Genehmigungsbehörde die Einhaltung der zulässigen Innenraumpegel von tagsüber 30 dB(A) und nachts von 25 dB(A) nachzuweisen (VDI-Richtlinie 3744 - Schallschutz bei Krankenhäusern und Sanatorien)."

Ferner wurden behördliche Stellungnahmen - u.a. des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamtes Stuttgart vom 01.02.1996 - zum Bestandteil der Baugenehmigung erklärt.

Am 24.04.1996 erhob die Firma M. Widerspruch, der noch begründet werde. Daraufhin beantragte die Beigeladene unter dem 30.04.1996 die Anordnung des Sofortvollzugs. Mit Schreiben vom 03.05.1996 bat die Beklagte die Firma M. um Klarstellung, in wessen Namen der Widerspruch erhoben worden sei. Mit Schreiben vom 08.05.1996 teilte die Firma M. mit, dass sie namens der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts "Ramtel Carree" gehandelt habe; beigefügt waren eine von den Klägern unterschriebene Vollmacht vom 02.02.1996 und eine notarielle Vollmachtsurkunde vom 19.04.1988 über die Bevollmächtigung von Herr Sch., dem Unterzeichner des Widerspruchsschreibens vom 24.04.1996, durch die Firma M. Diese begründete mit Schreiben vom 08.08.1996 namens und in Vollmacht der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts "Ramtel Carree" den Widerspruch: Das Pflegeheim sei als Wohngebäude zu qualifizieren und deshalb in einem Gewerbegebiet unzulässig; selbst als Anlage für soziale/gesundheitliche Zwecke wäre es nicht ausnahmsweise genehmigungsfähig, jedenfalls folge seine planungsrechtliche Unzulässigkeit aus § 15 Abs. 1 BauNVO. Mit Bescheid vom 14.05.1996 ordnete die Beklagte die sofortige Vollziehung der Baugenehmigung vom 26.03.1996 an. Dem Aussetzungsbegehren der Kläger gab das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Beschluss vom 14.11.1996 - 3 K 3831/96 - statt; auf die Beschwerden der Beklagten und der Beigeladenen änderte der Senat mit Beschluss vom 03.02.1997 - 5 S 3357/96 - diese Entscheidung und lehnte die Aussetzungsanträge auf Grund einer nicht an den Erfolgsaussichten der Widersprüche der Kläger orientierten Interessenabwägung ab. Nachdem laut einem Sachverständigengutachten "zum am Bau erreichten Schallschutz bzw. den in den Pflegeräumen auftretenden Lärm-Immissionspegeln Oktogon Leonberg" vom 11.04.1997 bei Messungen an drei Tagen (am 20.03.1997, am 08.04.1997 und am 09.04.1997) in willkürlich ausgewählten Räumen (mit Fenstern der Schallschutzklassen 3, 4 und 5) im Erdgeschoss, im 1. Obergeschoss und im 2. Obergeschoss festgestellt worden war, dass der Immissionspegel von tags 30 dB(A) und nachts 25 dB(A) nicht überschritten wird, wurde das Pflegeheim im Mai 1997 in Betrieb genommen.

Mit gleichlautenden Bescheiden vom 06.08.1997 wies das Regierungspräsidium Stuttgart die Widersprüche der Kläger zurück.

Am 04.09.1997 haben die Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben und Aufhebung der Baugenehmigung vom 26.03.1996 und der Widerspruchsbescheide vom 06.08.1997 begehrt. Zur Begründung haben sie im Wesentlichen geltend gemacht: Das Pflegeheim mit 203 Pflegeplätzen wirke derart prägend auf das verhältnismäßig schmale Gewerbegebiet ein, dass dessen Gebietstypik gesprengt werde. Das Pflegeheim sei keine ausnahmsweise zulässige Anlage für soziale/gesundheitliche Zwecke und verstoße auch gegen § 15 Abs. 1 Satz 1 und 2 BauNVO. Auf Grund der Nachbarschaft des Pflegeheims und daraus drohenden immissionsschutzrechtlichen Abwehransprüchen habe ihr gewerblich genutztes Grundstück nicht mehr den Wert eines Grundstücks in einem uneingeschränkten Gewerbegebiet.

Mit Urteil vom 01.12.1999 hat das Verwaltungsgericht den Anfechtungsklagen stattgegeben. In den Gründen heißt es im Wesentlichen: Das genehmigte Vorhaben verstoße gegen die nachbarschützende Festsetzung des gültigen Bebauungsplans "Gewerbegebiet Ramtel II" über die Art der baulichen Nutzung. Die Beklagte hätte keine Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO 1977 erteilen dürfen. Zwar sei die Erteilung einer Ausnahme nicht nach § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauNVO 1977 ausgeschlossen. Auch sei nach der maßgebenden Fassung der Baunutzungsverordnung 1977 das Seniorenpflegeheim nicht als - unzulässiges - Wohnbauvorhaben im Rechtssinne anzusehen, sondern als Anlage für soziale/gesundheitliche Zwecke. Doch sprenge das Pflegeheim bei der gebotenen abstrakt-typisierenden Betrachtungsweise den Rahmen (Zweck) eines Gewerbegebiets, der durch die Regelungen des § 8 Abs. 1 und 2 BauNVO vorgegeben sei und an den sich auch Vorhaben halten müssten, die nach § 8 Abs. 3 BauNVO ausnahmsweise zugelassen werden könnten. Die auf Dauer untergebrachten Pflegebedürftigen seien keineswegs weniger schutzwürdig als Personen, die "wohnten". Ein Pflegeheim, das - wie vorliegend - nach seinem Volumen etwa ein Drittel der Fläche des gesamtem uneingeschränkten Gewerbegebiets erfasse, nehme diesem Gebiet den ihm nach dem Bebauungsplan zukommenden Nutzungszweck. Den Pflegebedürftigen könne generell die Nachbarschaft zu einer emissionsträchtigen gewerblichen Nutzung nicht zugemutet werden. Die Eigentümer benachbarter Gewerbegrundstücke müssten sich ihrerseits die Nachbarschaft unvereinbarer Nutzungen nicht aufzwingen lassen und eine damit verbundene Entwertung ihrer Gewerbegrundstücke nicht hinnehmen. In einem Gewerbegebiet seien nur solche Gewerbebetriebe aller Art zulässig, die in Einklang mit der von der Baunutzungsverordnung vorausgesetzten typischen Funktion des Gebiets stünden und nicht anderen Baugebieten ausdrücklich oder nach ihrer allgemeinen Zweckbestimmung zugewiesen seien. Auf die Bewahrung der Gebietsart habe der im Plangebiet gelegene Nachbar einen Schutzanspruch, der über das Rücksichtnahmegebot hinausgehe. Der Nachbar könne verlangen, dass eine Ausnahme von der Gebietsfestsetzung rechtsfehlerfrei erteilt werde. Er müsse sich nicht mit einer durch Immissionsschutzauflagen "maßgeschneiderten" Baugenehmigung begnügen. Bei der vom Senat im vorläufigen Rechtsschutzverfahren angedeuteten Auffassung werde im Hinblick auf den Nachbarschutz unklar, was eine Ausnahme von einer Befreiung unterscheide. Der Respekt vor dem Träger der Planungshoheit gebiete es, unter Ausnahmen vom Bebauungsplan nur solche gebietstypischen Bauvorhaben fallen zu lassen, die keiner (neuen) Bewertung unter dem Gesichtspunkt der Bauleitplanung bedürften. Durch die konkrete Ausgestaltung der Baugenehmigung würden ihre geschützten nachbarlichen Interessen nicht wirklich abgedeckt. Der Wert einer Gewerbegebietsausweisung werde im Grundstücksverkehr auch dadurch bestimmt, dass Interessenten an einem Gewerbegrundstück wüssten, welche Nutzungen und Emissionen typischerweise zulässig seien; die Nachbarschaft eines derartigen Grundstücks zu einer immissionsempfindlichen Nutzung entziehe einer regelmäßigen Bewertung aber die Grundlage. Die Behauptung der Kläger, ihr Grundstück verliere durch das umstrittene Vorhaben erheblich an Wert, sei nicht widerlegt.

Auf die Anträge der Beklagten und der Beigeladenen hat der Senat mit Beschluss vom 12.05.2000 - 5 S 448/00 - die Berufungen zugelassen.

Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 01. Dezember 1999 - 3 K 5267/97 - zu ändern und die Klagen abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor: Das Verwaltungsgericht gehe von unrichtigen Tatsachen aus. Der Gebäudekomplex der Beigeladenen werde nicht vollständig, sondern nur zu ca. zwei Drittel als Pflegeheim genutzt; im übrigen Teil des Gebäudes finde Büronutzung statt. Das Pflegeheim nehme auch weit weniger als ein Drittel des festgesetzten uneingeschränkten Gewerbegebiets in Anspruch. Das gewerblich genutzte Grundstück der Kläger werde durch die Nachbarschaft des Pflegeheims keinen Wertverlust erleiden; es spreche sogar mehr dafür, dass sich der Wert des Grundstücks erhöhe, wenn in der Nachbarschaft eine weniger störende Nutzung verwirklicht werde. Im Übrigen müssten die Kläger schon jetzt durch die Wohnbebauung in der Nachbarschaft jenseits der L 1141 Einschränkungen in der Grundstücksnutzung hinnehmen. Auch in rechtlicher Hinsicht könne dem Verwaltungsgericht nicht gefolgt werden. Die Auffassung, § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO 1977 lasse schon dem Grunde nach nur Anlagen für soziale/gesundheitliche Zwecke zu, die bei abstrakt-typisierender Betrachtungsweise ihren angemessenen Standort in einem Gewerbegebiet hätten, finde im Wortlaut der Vorschrift keine Stütze. Auch die systematische Auslegung spreche dagegen. Die gebotene Einschränkung von Anlagen für soziale/gesundheitliche Zwecke in einem Gewerbegebiet gegenüber den hier allgemein zulässigen Anlagen sei dadurch sichergestellt, dass sie nur ausnahmsweise zulässig seien. Bei der Zulassung einer Ausnahme folge die einzelfallbezogene Steuerung über § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO. Von Bedeutung sei ferner, dass vorliegend § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO 1977 einschlägig sei. Nach der hierzu ergangenen Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs sei es ausgeschlossen gewesen, Altenpflegeheime (für Schwerstpflegebedürftige) städtebaulich als Wohngebäude einzustufen; vielmehr seien diese als Anlagen für soziale/gesundheitliche Zwecke zu qualifizieren. Die als Reaktion auf die Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs erfolgte Einfügung eines Absatzes 4 in die Regelung des § 3 BauNVO 1990 sei auf Bebauungspläne aus der Zeit vor Inkrafttreten der Baunutzungsverordnung 1990 nicht anwendbar. Fehle es - wie vorliegend - an Erkenntnisquellen aus dem Planaufstellungsverfahren, aus denen geschlossen werden könnte, dass die Gemeinde mit der Festsetzung eines Gewerbegebiets zugleich ein Altenpflegeheim habe ausschließen wollen, obwohl die Ausnahmen nach § 8 Abs. 3 BauNVO 1977 Bestandteil des Bebauungsplans geworden seien, so sei regelmäßig davon auszugehen, dass nach dem Willen des Ortsgesetzgebers ein Altenpflegeheim im Gewerbegebiet ausnahmsweise zugelassen werden könne. Anlagen für soziale/gesundheitliche Zwecke seien in mehreren Baugebieten allgemein oder ausnahmsweise zulässig; sie könnten damit nicht einem anderen Baugebiet ausdrücklich oder nach ihrer allgemeinen Zweckbestimmung zugewiesen werden; eine abstrakt-generelle Typisierung finde nicht statt. Es sei zwar zutreffend, dass Pflegebedürftige grundsätzlich nicht weniger schutzwürdig seien als Personen, die wohnten. Doch lasse sich der Schutz der Pflegebedürftigen über § 15 Abs. 1 BauNVO sicherstellen. Dabei könnten Anlagen für soziale/gesundheitliche Zwecke selbst dann ausnahmsweise in einem Gewerbegebiet zugelassen werden, wenn daneben ein emissionsträchtiges Gewerbe betrieben werde. Nicht gefolgt werden könne der Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die allgemein zulässigen Anlagen nach § 8 Abs. 2 BauNVO den Rahmen vorgäben, an den sich auch die nach § 8 Abs. 3 BauNVO "ausnahmsweise" zulässigen Anlagen halten müssten. Zwingende Voraussetzung für die Zulassung einer Ausnahme nach § 8 Abs. 3 BauNVO sei der funktionale Zusammenhang mit den Hauptnutzungsarten des § 8 Abs. 2 BauNVO nicht, wie die ausnahmsweise Zulassung auch von Anlagen für kirchliche Zwecke belege. Für das Erfordernis einer bereits tatbestandlichen Einschränkung des § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO könne das Verwaltungsgericht nicht darauf verweisen, dass sonst - insbesondere mit Blick auf den Nachbarschutz - unklar werde, was die Ausnahme von der Befreiung unterscheide. Denn bei der Ausnahme von einer nachbarschützenden Festsetzung sei es möglich, dass weitergehender Nachbarschutz als nach Maßgabe des Rücksichtnahmegebots in Betracht komme. Auf die vom Bundesverwaltungsgericht entwickelte "Typenlehre" zur Einschränkung der in einem Gewerbegebiet allgemein zulässigen Gewerbebetriebe könne sich das Verwaltungsgericht nicht berufen. Diese Grundsätze gälten nicht, wenn es um die Auslegung der Ausnahmetatbestände des § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO gehe. Diesen sei gemeinsam, dass der Rahmen der im Gewerbegebiet allgemein zulässigen Nutzungen verlassen werde. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis sei gewahrt; an der gewerblichen Prägung des Plangebiets ändere sich durch die Zulassung des Seniorenpflegeheims nichts. Ein Widerspruch zur Eigenart des Baugebiets i. S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO liege nicht vor; insoweit seien auch die Flächen des eingeschränkten Gewerbegebiets bei der Bewertung zu berücksichtigen. Gerade die Größe des umstrittenen Vorhabens führe im Übrigen dazu, dass es seinen angemessenen Standort in einem Gewerbegebiet finde. In einem allgemeinen Wohngebiet oder in einem reinen Wohngebiet dürfte das Vorhaben auf Grund seiner typischen Störwirkungen durch Anliefervorgänge sowie den Zu- und Abfahrtsverkehr nicht gebietsverträglich sein. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO liege nicht vor. Den Klägern drohten keine immissionsschutzrechtlichen Abwehransprüche seitens der Beigeladenen, da in den Innenräumen des Pflegeheims die für Sanatorien und Krankenhäuser geltenden Richtwerte der VDI-Richtlinie 3744 eingehalten würden. Darüber hinaus seien die Kläger in ihrer Grundstücksnutzung bereits jetzt durch die Wohnbebauung auf der gegenüberliegenden Straßenseite der L 1141 eingeschränkt.

Die Beigeladene vertritt den gleichen rechtlichen Standpunkt wie die Beklagte und meint ergänzend: Das Ausmaß (Volumen) und das Erscheinungsbild des Pflegeheims könnten den Charakter des Gewerbegebiets nicht beeinflussen; äußerlich habe sich gegenüber dem auf Grund der Baugenehmigung vom 05.04.1994 errichteten Bürokomplex nichts geändert; die Änderungen beträfen nur die interne Aufteilung der Räume und deren Nutzung und bezögen sich nur auf ca. zwei Drittel des genehmigten Bürokomplexes; das gesamte Gewerbegebiet sei wenigstens zehnmal so groß. Von für die Pflegebedürftigen unzumutbaren immissionsträchtigen Nutzungen seitens der Kläger könne nicht ausgegangen werden. Die Auflagen zur Baugenehmigung vom 26.03.1996 orientierten sich an den Lärmwerten der L 1141, die weit höher seien als die im Gewerbegebiet überhaupt zulässigen Lärmimmissionen. Durch ein Sachverständigengutachten sei nachgewiesen, dass ein Innenpegel von tags 30 dB(A) und nachts 25 dB(A) eingehalten werde. Wenn demgemäß durch entsprechende Schallschutzmaßnahmen am Pflegeheim sichergestellt sei, dass weit höhere Lärmimmissionen, als sie in einem Gewerbegebiet überhaupt zulässig seien, die Pfleglinge nicht beeinträchtigen könnten, so könne auch keine Rede davon sein, eine lärmträchtige Nutzung des Gewerbegebiets sei für sie unzumutbar. Die Behauptung der Kläger, ihr Gewerbegrundstück verlöre wegen des benachbarten Pflegeheims an Wert, entbehre jeder Grundlage. Insoweit habe das genehmigte Pflegeheim keine anderen Auswirkungen als die Wohnbebauung jenseits der L 1141. Das umstrittene Vorhaben trete auch nicht in Widerspruch zur Eigenart des Gewerbegebiets. Dieses werde maßgeblich geprägt durch die Behinderteneinrichtung nebst Gärtnerei, durch Geschäfts- und Bürogebäude einschließlich Betriebswohnungen sowie durch nicht störende Gewerbebetriebe. Das Pflegeheim passe geradezu ideal an den genehmigten Standort. Für eine Nachbarrechtswidrigkeit gegenüber den Klägern sei auf Grund der verfügten Schallschutzmaßnahmen nichts ersichtlich. Seit der Inbetriebnahme des Pflegeheims im Mai 1997 sei es zu keinen Konflikten mit der gewerblichen Nutzung auf dem Grundstück der Kläger gekommen.

Die Kläger beantragen,

die Berufungen zurückzuweisen.

Sie führen im Wesentlichen aus: Sie hätten einen (Abwehr-)Anspruch auf Wahrung der Gebietsart, der durch die angefochtene Baugenehmigung verletzt werde. Das 203 Plätze umfassende Pflegeheim (auf ca. 8.500 m² Geschossfläche von insgesamt 12.751 m² Geschossfläche des gesamten Gebäudekomplexes) sei auf Grund seines Umfangs und seiner immissionssensiblen Nutzung mit der Zweckbestimmung eines Gewerbegebiets nicht (mehr) vereinbar und deshalb nicht (mehr) eine ausnahmsweise zulässige Anlage für soziale/gesundheitliche Zwecke i.S. des § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO 1977. Es sei anerkannt, dass sich die Zulässigkeit eines Vorhabens in einem Baugebiet nicht allein nach der Einordnung in eine bestimmte Begriffskategorie, sondern auch nach der Zweckbestimmung des jeweiligen Baugebiets richte oder richten könne. Dies gelte nicht nur für die allgemein zulässigen Anlagen im Sinne des jeweiligen Absatzes 2 der §§ 2 ff. BauNVO, sondern auch für die (nur) ausnahmsweise zulässigen Anlagen i.S. des jeweiligen Absatzes 3. Deshalb seien in einem Gewerbegebiet als Ausnahme nur Anlagen für soziale/gesundheitliche Zwecke zulässig, die "gebietsverträglich" seien. Dies sei bei jedwedem typischen Pflegeheim - zumal der vorliegenden Größe und Prägung - auf Grund der wohnähnlichen Nutzung bei abstrakt-typisierender Betrachtungsweise nicht mehr der Fall, da - uneingeschränkte - Gewerbegebiete auch der Unterbringung von Gewerbebetrieben dienten, die das Wohnen wesentlich störten. Eine Wohnnutzung sei in einem Gewerbegebiet aber nur nach Maßgabe des § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO (funktionale Beziehung zum Gewerbebetrieb) ausnahmsweise zulässig. Bekanntermaßen würden u.a. Pflegeanstalten als noch immissionsempfindlicher eingestuft als reine Wohngebiete. Jedenfalls sei das genehmigte Pflegeheim nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO unzulässig, da es wegen seines Umfangs und seiner Funktionsweise der Eigenart des Baugebiets (Gewerbegebiets) widerspreche. Eine andere Auslegung führte letztlich zu einer Aushöhlung des in der Rechtsprechung anerkannten Anspruchs auf Erhaltung der Gebietsart. Bei typisierender Betrachtungsweise störe in einem Gewerbegebiet ein Pflegeheim der vorliegenden Art die gewerblichen Betriebe, die nicht (mehr) gebietsentsprechend geführt werden könnten. Jedenfalls wäre das Pflegeheim, weil dessen Fenster geöffnet werden könnten, unzumutbaren Lärmbeeinträchtigungen ausgesetzt und deshalb den gewerbetreibenden Klägern nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO nicht mehr zumutbar. Es genüge nicht, wenn nur in den Innenräumen des Pflegeheims die geltenden Grenzwerte bei ständig geschlossenen Fenstern - was nicht angeordnet sei - eingehalten werden könnten. Im Übrigen gebe es auch eine genehmigte Außenanlage, wo sich ebenfalls pflegebedürftige Personen aufhalten könnten; der Bauantrag beziehe sich nicht nur auf Schwerstpflegebedürftige. Die verfügten Nebenbestimmungen zur angegriffenen Baugenehmigung seien nicht geeignet, eine gebietsverträgliche Anlage "herbeizuführen".

Dem Senat liegen die einschlägigen Behördenakten vor; hierauf sowie auf die Gerichtsakten des Klage- und des Berufungsverfahrens, des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens und der verwaltungsgerichtlichen Verfahren 3 K 5081/96 und 3 K 5250/96 wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die - zugelassenen - Berufungen sind nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Baugenehmigung der Beklagten vom 26.03.1996 und die sie bestätigenden Widerspruchsbescheide des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 06.08.1997 zu Recht aufgehoben.

I. Die Klagen sind zulässig.

Dass die Kläger gegen die Baugenehmigung vom 26.03.1996 mit Schreiben der sie vertretenden Firma M. vom 24.04.1996 fristgerecht und wirksam Widerspruch eingelegt haben, hat der Senat bereits in dem im Eilverfahren ergangenen Beschluss vom 03.02.1997 - 5 S 3357/96 - BRS 59, 237 dargelegt; hierauf wird verwiesen, zumal die Beklagte und die Beigeladene diese Problematik im Hauptsacheverfahren nicht mehr neu und/oder in Auseinandersetzung mit dem Senatsbeschluss vom 03.02.1997 aufgegriffen haben.

II. Die Klagen sind begründet.

Die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 26.03.1996 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger dadurch in ihren (Nachbar-)Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Beurteilung der - allein umstrittenen - planungsrechtlichen Zulässigkeit des genehmigten Vorhabens richtet sich gemäß § 30 Abs. 1 BauGB nach den Festsetzungen des qualifizierten Bebauungsplans "Gewerbegebiet Ramtel II" der Beklagten vom 04.02.1981, in Kraft getreten am 19.02.1982. Bedenken gegen die Gültigkeit des Bebauungsplans sind im Klageverfahren weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich; die im Eilverfahren zunächst aufgeworfene Frage der ordnungsgemäßen Ausfertigung des Bebauungsplans hat der Senat im Beschluss vom 03.02.1997 bejaht.

Der Bebauungsplan weist den Bereich, in dem die benachbarten Grundstücke der Kläger und der Beigeladenen liegen, als Gewerbegebiet (§ 8 BauNVO 1977) aus. Die Festsetzung von Baugebieten durch Bebauungsplan hat kraft Bundesrecht grundsätzlich nachbarschützende Wirkung; der Eigentümer eines im Plangebiet gelegenen Grundstücks hat (als Nachbar) einen Schutzanspruch auf die Bewahrung der Gebietsart, der über das Rücksichtnahmegebot hinausgeht; der nachbarliche Abwehranspruch wird grundsätzlich bereits durch die Zulassung eines mit der Gebietsfestsetzung unvereinbaren Vorhabens ausgelöst, weil hierdurch das nachbarschaftliche Austauschverhältnis gestört und eine Verfremdung des Gebiets eingeleitet wird; es kommt nicht darauf an, dass das baugebietswidrige Vorhaben im Einzelfall auch zu einer tatsächlich spürbaren und nachweisbaren Beeinträchtigung des Nachbarn führt (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 16.09.1993 - 4 C 28.91 - BVerwGE 94, 151 = NJW 1994, 1546 = DVBl. 1994, 284 = PBauE § 1 Abs. 6 BauGB Nr. 28).

Es ist daher zunächst (objektiv-rechtlich) zu prüfen, ob das genehmigte Vorhaben der im Bebauungsplan festgesetzten Gebietsart "Gewerbegebiet" widerspricht. Dabei werden die bauplanerischen Festsetzungen ergänzt durch die Regelungen der Baunutzungsverordnung in der im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan geltenden Fassung; im vorliegenden Fall ist daher auf die Baunutzungsverordnung 1977 abzustellen. Nach deren § 1 Abs. 3 Satz 2 werden durch die Festsetzung eines Baugebiets die Vorschriften der §§ 2 bis 14 BauNVO 1977 Bestandteil des Bebauungsplans, soweit nicht auf Grund der Absätze 4 bis 9 etwas anderes bestimmt wird.

Nach § 8 Abs. 1 BauNVO 1977 dienen Gewerbegebiete vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben. Dass das genehmigte Seniorenpflegeheim nicht zu den gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BauNVO 1977 allgemein zulässigen Anlagen gehört, steht zwischen den Beteiligten außer Streit.

Nach § 8 Abs. 3 BauNVO 1977 können in einem Gewerbegebiet ausnahmsweise zugelassen werden Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter (Nr. 1) sowie Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke (Nr. 2). Die Beklagte hat das umstrittene Vorhaben ausdrücklich als Anlage für soziale/gesundheitliche Zwecke gemäß § 31 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO 1977 zugelassen. In dieser Gestalt ist die Baugenehmigung vom 26.03.1996 Streitgegenstand des Verfahrens. Zwar kann die Beklagte die Erteilung der Baugenehmigung (Ausnahme) für das Pflegeheim grundsätzlich auf § 31 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO 1977 stützen, doch ist das genehmigte Vorhaben nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO unzulässig.

Die Erteilung einer Ausnahme ist nicht nach § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauNVO 1977 ausgeschlossen. Danach kann im Bebauungsplan festgesetzt werden, dass alle oder einzelne Ausnahmen, die in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 9 BauNVO vorgesehen sind, nicht Bestandteil des Bebauungsplans werden. Dass mit der Regelung unter Nr. I.1.1. der textlichen Festsetzungen zum Bebauungsplan "Gewerbegebiet Ramtel II" nicht zugleich eine - wie erforderlich ausdrückliche - Ausschlussregelung i.S. des § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauNVO 1977 für Ausnahmen nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO 1977 liegt, hat der Senat bereits in seinem im Eilverfahren ergangenen Beschluss vom 03.02.1997 - wenn auch nur auf Grund einer summarischen Prüfung - entschieden; hieran hält der Senat fest, zumal diese Frage von den Beteiligten im Berufungsverfahren nicht (mehr) thematisiert worden ist.

Die Beklagte ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei dem Seniorenpflegeheim um eine Anlage für soziale/gesundheitliche Zwecke i.S. des § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO 1977 handelt. Dieser Einordnung hat der Senat bereits im Eilbeschluss vom 03.02.1997 auf der Basis der Maßgeblichkeit der Baunutzungsverordnung 1977 - in Abgrenzung zu einer ebenfalls in Betracht kommenden Qualifizierung des Seniorenpflegeheims als Wohngebäude -zugestimmt. Dies steht in Einklang mit der Rechtsprechung des 3. Senats des erkennenden Gerichtshofs im Urteil vom 17.05.1989 - 3 S 3650/88 - (VBlBW 1989, 378), wonach Altenpflegeheime - anders als Altenwohnheime und in der Regel auch Altenheime - vor der Novellierung der Baunutzungsverordnung im Jahre 1990 (vgl. die hier eingeführte Regelung des § 3 Abs. 4 BauNVO 1990) keine Wohngebäude, sondern Anlagen für soziale/gesundheitliche Zwecke sind. Nicht erforderlich ist, dass die ausnahmsweise zulässigen Anlagen i. S. des § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO 1977 gegenüber den nach § 8 Abs. 2 BauNVO 1977 allgemein zulässigen Anlagen eine "dienende" Funktion haben müssen (vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 24.11.1993 - 1 B 133/93 - BRS 55 Nr. 62; ferner Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, RdNr. 28 zu § 8 BauNVO, König/Roeser/Stock, BauNVO, RdNr. 49 zu § 8 sowie Jäde/Dirnberger/Weiss, BauGB und BauNVO, 2. Aufl., RdNr. 14 zu § 8; a.A. wohl Knaup/Stange, BauNVO, 8. Aufl., RdNr. 49 zu § 8).

Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts ist nicht schon der Anwendungsbereich des § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO 1977 von vornherein auf solche - wenn auch "selbständige" - Anlagen (hier für soziale/gesundheitliche Zwecke) beschränkt, die ihren "angemessenen Standort" in einem Gewerbegebiet finden, sich also bereits bei abstrakt-typisierender Betrachtungsweise als "gewerbegebietstypisch" bzw. "gewerbegebietsverträglich" erweisen (offengelassen im Senatsbeschl. v. 29.08.1991 - 5 S 1990/91 - NVwZ 1992, 591). Wie das Verwaltungsgericht berufen sich auch die Kläger zur Begründung dieser Auffassung auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.04.1992 - 4 C 43.89 - (BVerwGE 90, 140 = NVwZ 1993, 773 = PBauE § 8 BauNVO Nr. 2), wonach im Gewerbegebiet nur solche Gewerbebetriebe aller Art (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO) zulässig sind, die im Einklang mit der von der Baunutzungsverordnung vorausgesetzten typischen Funktion dieses Gebiets stehen und nicht anderen Baugebieten ausdrücklich oder nach ihrer allgemeinen Zweckbestimmung zugewiesen sind; Beherbergungsbetriebe, in denen gewohnt wird oder die wohnähnlich genutzt werden, sind danach im Gewerbegebiet unzulässig (ähnlich BVerwG, Urt. v. vom 24.09.1992 - 7 C 7.92 - NVwZ 1993, 987 = DVBl. 1993, 111). Im Hinblick darauf, dass § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO 1977 Anlagen für soziale/gesundheitliche Zwecke in einem Gewerbegebiet eben nur als Ausnahmen zulässt, kann eine solche Zielrichtung auf dieser Ebene (noch) nicht gefordert werden. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO 1977 besagt gerade, dass das Gewerbegebiet ausnahmsweise auch anderen als gewerblichen Zwecken dient bzw. dienen kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.09.1992 - 7 C 7.92 - a.a.O.).

Allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht im Beschluss vom 15.07.1996 - 4 NB 23.96 - (NVwZ-RR 1997, 9 = DÖV 1997, 31 = PBauE § 4 BauNVO Nr. 12) entschieden, dass ein Gartenbaubetrieb, der wegen seiner Größe oder seiner Arbeitsweise mit der Zweckbestimmung des Wohngebiets nicht vereinbar sei, nicht unter § 4 Abs. 3 Nr. 4 BauNVO, also die Ausnahmeregelung bei allgemeinen Wohngebieten, falle. Unter Hinweis auf das Urteil vom 29.04.1992 - 4 C 43.89 - (a.a.O. zur Unzulässigkeit eines Beherbergungsbetriebs in einem Gewerbegebiet) hat es das Bundesverwaltungsgericht als geklärt angesehen, das sich die Zulässigkeit eines bestimmten Vorhabens innerhalb eines Baugebiets der Baunutzungsverordnung nicht allein nach der Einordnung des Vorhabens in eine bestimmte Begriffskategorie, sondern auch nach der Zweckbestimmung des jeweiligen Baugebiets richte oder richten könne. Doch hat das Bundesverwaltungsgericht in jenem Verfahren bereits begrifflich das Vorliegen eines Gartenbaubetriebs i.S. des § 4 Abs. 3 Nr. 4 BauNVO verneint, weil die zugeordnete Fläche die Größe eines landwirtschaftlichen Betriebs erreiche, der auch nach der Baunutzungsverordnung einen eigenen Anlagentyp darstelle und aus diesem Grund nicht ausnahmsweise in einem allgemeinen Wohngebiet nach § 4 Abs. 3 Nr. 4 BauNVO zugelassen werden könne.

Das Verwaltungsgericht hat im vorliegenden Zusammenhang ferner gemeint, dass die in dem Seniorenpflegeheim auf Dauer untergebrachten Personen keinesfalls weniger schutzbedürftig seien als Personen, die "wohnten"; Einrichtungen für solche Personen gehörten nach derzeitigem Planungsrecht (vgl. § 3 Abs. 4 BauNVO 1990) in Wohngebiete; diese - nur klarstellende -Wertentscheidung des Gesetzgebers lasse es nicht zu, derartige Seniorenpflegeheime in Gewerbegebieten unterzubringen. Damit hat das Verwaltungsgericht jedoch außer Acht gelassen, dass der Beurteilung das Planungsrecht im Zeitpunkt des Erlasses des Bebauungsplans im Jahre 1981 und damit - wie bereits ausgeführt - die Baunutzungsverordnung in der damals geltenden Fassung 1977 zugrunde zu legen ist. Insoweit bestand aber in der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.05.1989 - 3 S 3650/88 - a.a.O.) und in der Literatur (vgl. die Nachweise bei Lemmel in: Baurecht-Aktuell, Festschrift für Felix Weyreuter, 1993, 273,. 281) Einigkeit darüber, dass (Alten-)Pflegeheime städtebaulich nicht als Wohngebäude, sondern als Anlagen für soziale/gesundheitliche Zwecke anzusehen sind. Es geht daher nicht an, die Unzulässigkeit der ausnahmsweisen Errichtung eines Seniorenpflegeheims als Anlage für soziale/gesundheitliche Zwecke in einem auf der Grundlage der Baunutzungsverordnung 1977 festgesetzten Gewerbegebiet bereits auf der Ebene des § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO 1977 unter Rückgriff auf die Wertentscheidung des Normgebers des § 3 Abs. 4 BauNVO 1990 zu begründen.

Eine Einschränkung für die ausnahmsweise Zulassung des umstrittenen Seniorenpflegeheims als Anlage für soziale/gesundheitliche Zwecke bereits im Rahmen des § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO 1977 ergibt sich allein daraus, dass - bei der nach § 31 Abs. 1 BauGB zu treffenden Ermessensentscheidung -das dem Institut der Ausnahme wesenseigene Regel-Ausnahme-Verhältnis gewahrt bleiben muss (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 18.01.1995 - 3 S 3153/94 - VBlBW 1996, 24). Auch diesen Aspekt hat das Verwaltungsgericht - wenn auch in anderem Zusammenhang - angesprochen und gemeint, dass ein Pflegeheim, das wie das vorliegende etwa ein Drittel des gesamten (uneingeschränkten) Gewerbegebiets einnehme, diesem Gebiet seinen Nutzungszweck nehme und den Bebauungsplan in seinen Grundzügen verändere. Dem vermag der Senat so nicht zu folgen. Nach den Angaben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung beträgt die überbaubare Grundstücksfläche des gesamten Gewerbegebiets "Ramtel II" ca. 28.000 m², davon entfallen ca. 26.500 m² auf das uneingeschränkte Gewerbegebiet und ca. 1.500 m² auf den Bereich des eingeschränkten Gewerbegebiets im nordwestlichen Teil des Plangebiets an der L 1141; die überbaubare Fläche des Grundstücksteils mit dem Seniorenpflegeheim beläuft sich auf ca. 2.950 m²; ca. 50 v.H. der Nutzfläche des Seniorenpflegeheims dienen nicht unmittelbar der Unterbringung der Pflegebedürftigen, sondern sind "Nebenflächen". Danach kann nicht davon gesprochen werden, dass mit dem umstrittenen Vorhaben die gewerbliche Nutzung im Plangebiet in einem Maße zurückgedrängt würde, dass das Regel-Ausnahme-Verhältnis nicht mehr gewahrt wäre.

Die Unzulässigkeit des genehmigten Seniorenpflegeheims folgt jedoch aus § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO. Diese Vorschrift gilt auch dann, wenn ein Vorhaben im Wege der Ausnahme gemäß § 31 Abs. 1 BauGB zugelassen worden ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.10.1989 - 4 C 14.87 - DÖV 1990, 205 = DVBl. 1990, 364 = PBauE § 31 BauGB Nr. 5). Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO sind die in den §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Im Urteil vom 16.09.1993 - 4 C 28.91 - (a.a.O) hat das Bundesverwaltungsgericht davon gesprochen, dass Vorhaben, die nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprächen, dadurch gegen das drittschützende Gebot der Rücksichtnahme gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO verstießen. Diese Vorschrift dient dem Schutz der Nachbarschaft vor Störungen durch Bauvorhaben, die zwar grundsätzlich nach §§ 2 bis 14 BauNVO zulässig wären, aber wegen der besonderen Verhältnisse des konkreten Vorhabens der Eigenart des betreffenden Baugebiets widersprechen (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.10.1989 - 4 C 14.87 - a.a.O.). Widerspruch bedeutet nicht nur Abweichung, sondern verlangt einen "Missgriff"; das Vorhaben muss einen nicht nur unwesentlichen Gegensatz zu der - auf Grund der tatsächlichen Verhältnisse möglicherweise modifizierten - planerischen Zielsetzung bilden und sozusagen zu einer faktischen Gebietsumwandlung ("umkippen") führen (vgl. Knaup/Stange, BauNVO, 8. Aufl., RdNr. 21 zu § 15). Eine derartige Diskrepanz zur Eigenart des Gewerbegebiets "Ramtel II" dürfte mit Blick auf die ersten drei Kriterien des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO zwar nicht gegeben sein. Insbesondere dürfte es - was die Anzahl angeht - durch das Vorhaben nicht zu einer Dominanz nur ausnahmsweise zulässiger Anlagen unter Zurückdrängung der ein Gewerbegebiet prägenden Hauptnutzungen kommen.

Das umstrittene Vorhaben widerspricht jedoch nach seiner Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets, weil es sich mit Blick auf seine Störanfälligkeit und die daraus resultierende Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit nicht mit den sonstigen Nutzungen des Gewerbegebiets verträgt. § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO setzt als Korrekturvorschrift einen atypischen Sachverhalt voraus. Dieser kann dadurch begründet sein, dass ein Vorhaben zwar nach § 8 Abs. 3 BauNVO 1977 (noch) zulassungsfähig ist, gleichwohl aber den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen (§ 1 Abs. 5 BauGB) zuwider laufen würde. Die in § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO 1977 genannte Nutzungsart "Anlagen für soziale/gesundheitliche Zwecke" ist begrifflich zu weit gefasst; die Unterart, zu der das umstrittene Vorhaben gehört, ist im Hinblick auf die durch die allgemeine Zweckbestimmung vorgegebene bzw. wesentlich geprägte Eigenart des Gewerbegebiets atypisch (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 04.05.1988 - 4 C 34.86 - DÖV 1988, 839 = DVBl. 1988, 848 = BRS 48 Nr. 37 = PBauE § 6 BauNVO Nr. 1). § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO bezweckt eine einzelfallbezogene "Feinabstimmung", indem er Anlagen und Nutzungen, die nach der "Grobabstimmung" der §§ 2 bis 14 BauNVO (noch) zulässig wären, unter den genannten Voraussetzungen für nicht genehmigungsfähig erklärt. Auch diese Vorschrift dient also der Aufrechterhaltung der jeweiligen gebietstypischen Prägung (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.09.1992 - 7 C 7.92 - a.a.O.).

Aus der die Eigenart des Baugebiets in erster Linie festlegenden normativen Regelung des § 8 Abs. 1 BauNVO 1977 (i.V.m. § 8 Abs. 2 BauNVO 1977) ergibt sich, dass keine allgemeine Wohnnutzung zulässig ist, da diese sich im Hinblick auf ihre Schutzwürdigkeit nicht mit einem Gewerbegebiet verträgt. Allgemein gilt, dass Nutzungen, die nach dem Leitbild einer geordneten städtebaulichen Entwicklung den für ein Gewerbegebiet typischen Nachteilen oder Belästigungen nicht ausgesetzt sein sollen, in diesem Gebiet nicht zulässig sind. Bauleitpläne sollen nämlich im Rahmen einer geordneten städtebaulichen Entwicklung gemäß § 1 Abs. 5 Satz 1 BauGB auch dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.04.1992 - 4 C 43.89 - a.a.O.). Im Verhältnis zu den Baugebieten der §§ 2 bis 7 BauNVO - auch in der Fassung 1977 - kommt einem Gewerbegebiet nicht die Funktion zu, dass in ihm - abgesehen von dem nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO zulässigen Wohnen als notwendige Ergänzung der gewerblichen Nutzung - gewohnt wird. Zwar ist das umstrittene Seniorenpflegeheim - wie bereits erwähnt - nach dem im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan geltenden Planungsrecht nicht als Wohngebäude einzustufen. Es ist aber gleichwohl ein Gebäude, in dem pflegebedürftige Menschen für einen regelmäßig längeren Zeitraum (mittlere Verweildauer: ca. 2 Jahre) untergebracht sind, so dass ihnen die von der gewerblichen Nutzung ausgehenden typischen Belästigungen (zumindest) in gleicher Weise und in gleichem Maße nicht zuzumuten sind. In seiner Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit unterscheidet sich das umstrittene Vorhaben nicht von einer gewöhnlichen Wohnnutzung. Es ist wie diese mit dem Charakter eines Gewerbegebiets nicht vereinbar. Von der Forderung nach der so verstandenen "Gebietverträglichkeit" mit einem Gewerbegebiet sind nicht deshalb Abstriche zu machen, weil das Pflegeheim über die Ausnahmevorschrift des § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO 1977 zugelassen worden ist. Vielmehr bedürfen (gerade) auch ausnahmsweise zulässige Anlagen einer Überprüfung am Maßstab des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO. Dies gilt insbesondere für Anlagen für soziale/gesundheitliche Zwecke, die in allen Baugebieten entweder allgemein (§§ 4 bis 7 BauNVO) oder ausnahmsweise (§§ 2, 3, 8 und 9 BauNVO) zulässig und wegen der begrifflichen Weite sehr vielgestaltig sind (vgl. zur Zulässigkeit eines Krisenzentrums der ambulanten Drogenhilfe als Anlage für soziale/gesundheitliche Zwecke in einem Kerngebiet BVerwG, Beschl. v. 06.12.2000 - 4 B 4.00 -).

Denkbar wäre allenfalls, dass das Baugebiet auf Grund seiner besonderen tatsächlichen Entwicklung eine atypische Eigenart aufweist, zu der das umstrittene Vorhaben nicht in Widerspruch stünde. Ob das Pflegeheim als ein nach seiner Zweckbestimmung in einem Gewerbegebiet gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO unzulässiges Vorhaben wegen einer atypischen Eigenart des Baugebiets gleichwohl zugelassen werden könnte, kann dahinstehen. Denn das Baugebiet "Ramtel II" weist - wie in der mündlichen Verhandlung anhand eines Übersichtsplans mit den Beteiligten erörtert - keine solche atypische Beschaffenheit auf. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die südlich der Böblinger Straße gegenüber dem Büroteil des Gebäudekomplexes der Beigeladenen gelegene Behindertenwerkstatt und -werkhalle; letztere hat die Beklagte unter der Geltung des Bebauungsplans "Gewerbegebiet Ramtel II" nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO genehmigt. Das zugehörige Behindertenwohnheim ist nicht im Plangebiet untergebracht, sondern befindet sich im Gebiet des westlich anschließenden Bebauungsplans "Ramtel I" in einem als Mischgebiet ausgewiesenen Nutzungsbereich. Die vorhandenen gewerblichen Nutzungen im Baugebiet "Ramtel II" belegen dessen Charakter als "normales" Gewerbegebiet.

Die Beklagte spricht in der Baugenehmigung vom 26.03.1996 selbst von einer typischerweise wohl gegebenen besonderen Störempfindlichkeit eines Pflegeheims in unmittelbarer Nachbarschaft zur westlich angrenzenden zulässig betriebenen Spedition, die im vorliegenden Fall aber wegen der verfügten Nebenbestimmung zum Schallschutz, die - wie durch Gutachten belegt -eingehalten werden könne, zu vertreten sei. Diese Sichtweise ist nicht zulässig. Sie vermengt die Sätze 1 und 2 des § 15 Abs. 1 BauNVO. Die Unzulässigkeit eines nach der "Grobabstimmung" der §§ 2 bis 14 BauNVO zulässigen Vorhabens nach § 15 Abs. 1 BauNVO kann sich einmal daraus ergeben, dass es - wie hier - nach seiner Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widerspricht (Satz 1), oder daraus, dass es unzumutbaren Belästigungen oder Störungen ausgesetzt wird (Satz 2). Folgt die Unzulässigkeit eines Vorhabens aus § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO, so bleibt es bei diesem planungsrechtlichen Befund, selbst wenn durch Nebenbestimmungen zur Baugenehmigung eine Unzulässigkeit des Vorhabens auch nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO verhindert werden kann (vgl. Ziegler in Brügelmann, BauGB, RdNr. 113 zu § 15 BauNVO). Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob mit den in der Baugenehmigung vom 26.03.1996 verfügten Schallschutzmaßnahmen zur Einhaltung eines Innenraumpegels im Pflegeheim von tags 30 dB(A) und nachts 25 dB(A) - was nach dem Messgutachten vom 11.04.1997 der Fall ist -gewährleistet ist, dass die Insassen des Pflegeheims keinen unzumutbaren (Lärm-)Immissionen seitens der gewerblichen Nutzung auf dem Grundstück der Kläger (derzeit: Spedition) ausgesetzt sind, so dass die Kläger nicht mit entsprechenden immissionsschutzrechtlichen Abwehransprüchen durch die Beigeladene rechnen müssen. Mit dem Abstellen nur auf die "Beherrschbarkeit" der vom Gewerbegrundstück der Kläger ausgehenden (Lärm-)Immissionen mittels technischer Auflagen zum Betrieb des Pflegeheims (i. S. des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO) kann dessen grundsätzlicher planungsrechtlicher Widerspruch zum Gewerbegebiet "Ramtel II" (i. S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO) nicht beseitigt werden.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1, 162 Abs. 3 VwGO, 100 Abs. 1 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.

Beschluss

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß §§ 13 Abs. 1 Satz 1, 14 Abs. 1 und 2 GKG auf 100.000,-- DM festgesetzt.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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