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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 29.10.2003
Aktenzeichen: 5 S 138/03
Rechtsgebiete: BauGB, BauNVO


Vorschriften:

BauGB § 31 Abs. 2
BauGB § 33
BauNVO § 15 Abs. 1
1. Eine Baugenehmigung oder ein Bauvorbescheid, die gemäß § 33 BauGB im Vorgriff auf einen künftigen Bebauungsplan erteilt worden sind, sind auf die Klage eines Nachbarn nicht schon deshalb aufzuheben, weil es an der materiellen Planreife fehlt. Erfolg hat eine Nachbarklage vielmehr nur dann, wenn das Vorhaben gegen nachbarschützende Vorschriften eines Vorgängerbebauungsplans verstößt bzw. sich bei einer gebotenen Beurteilung nach §§ 34 und 35 BauGB als rücksichtslos erweist.

2. Zur nachbarschützenden Wirkung einer Bauverbotsfläche im rückwärtigen Bereich von Doppelhausgrundstücken (hier verneint).

3. Das Gebot der Rücksichtnahme ist nicht stets zu Lasten des Eigentümers eines mit einer Doppelhaushälfte bebauten Grundstücks verletzt, wenn im rückwärtigen Gartenbereich des Nachbarn unter Verstoß gegen eine festgesetzte Bauverbotsfläche eine Bebauung mit einem Zweifamilienhaus zugelassen wird (Abgrenzung zu Senatsurt. v. 20.05.2003 - 5 S 2750/01 -).


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

5 S 138/03

Verkündet am 29.10.2003

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Bauvorbescheids

hat der 5. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schnebelt, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Albers und die Richterin am Verwaltungsgericht Schiller auf Grund der mündlichen Verhandlung am 23. Oktober 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufungen der Beigeladenen wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 08. November 2002 - 3 K 4103/01 - geändert.

Auch die Klage des Klägers (vormalig Kläger zu 1) wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Von den Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht trägt er seine außergerichtlichen Kosten ganz sowie die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Beklagten und der Beigeladenen jeweils zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen einen der Beigeladenen zu 1 erteilten Bauvorbescheid für die Errichtung eines Zweifamilienhauses.

Die Beigeladene zu 1 ist Eigentümerin des Grundstücks Flst.Nr. 6830/1 der Gemarkung der Beigeladenen zu 2. Das Grundstück ist im vorderen, etwa 5 m breiten Bereich entlang der Wxxxxxxxxxstraße mit einer Garage bebaut und umfasst ansonsten den Gartenbereich des ehemals ungeteilten Grundstücks Flst.Nr. 6830. Jenes Grundstück (Wxxxxxxxxxstraße xx) ist etwa 13,5 m breit. Der Kläger ist Eigentümer der im Westen an die beiden Grundstücke anschließenden Flurstücke Nr. 6831/1 (Wxxxxxxxxxstraße xx) und Nr. 6831. Auf dem zuerst genannten etwa 11 m breiten Flurstück und dem früher der Beigeladenen zu 1 gehörenden Grundstück Flst.Nr. 6830 wurde 1948 ein "Doppelsiedlungsgebäude" errichtet. An beide Haushälften wurde im Laufe der Zeit im rückwärtigen Bereich angebaut.

Alle genannten Grundstücke liegen im Geltungsbereich des vom Regierungspräsidium Nordwürttemberg am 05.02.1954 genehmigten Bebauungsplans "Wxxxxxxxxx", der in diesem Bereich für die rückwärtigen Grünflächen ein Bauverbot festsetzt. Ein solches Bauverbot war auch schon im Ortsbauplan "Wxxxxxxxxx", genehmigt durch Erlass des Innenministeriums vom 02.12.1949, enthalten.

Die Beigeladene zu 1 beantragte im Jahre 1993 zunächst erfolglos eine Teilungsgenehmigung für das damalige Grundstück Flst.Nr. 6830. Nachdem der Gemeinderat der Beigeladenen zu 2 eine Änderung des Bebauungsplans "Wxxxxxxxxx" mit dem Ziel, die erwähnte Festsetzung einer Bauverbotsfläche aufzuheben, beschlossen hatte, erteilte das Landratsamt Böblingen der Beigeladenen zu 1 die Teilungsgenehmigung am 16.11.1993. In der Folge stellte die Beigeladene zu 2 das Bebauungsplanverfahren mangels öffentlichen Interesses ein. Einen im Dezember 1994 gestellten Antrag der Beigeladenen zu 1 auf Erteilung eines Bauvorbescheids für ein Zweifamilienhaus auf dem Grundstück Flst.Nr. 6830/1 lehnte das Landratsamt am 14.02.1995 mit der Begründung ab, die Bindungswirkung der Teilungsgenehmigung sei entfallen, da die Beigeladene zu 2 den Bebauungsplan nicht mehr ändern wolle und sie zudem ihr Einvernehmen versagt habe. Daraufhin machte die Beigeladene zu 1 gegenüber der Beigeladenen zu 2 Entschädigungsansprüche in Höhe von 360.000,-- DM geltend. Nunmehr beschloss der Gemeinderat der Beigeladenen zu 2 einen neuen Bebauungsplan "Wxxxxxxxxx" aufzustellen. Der Planentwurf sah u.a. auf dem Grundstück Flst.Nr. 6830/1 eine überbaubare Grundstücksfläche vor.

Auf erneuten Antrag der Beigeladenen zu 1 vom 07.03.1998 im Einvernehmen mit der Beigeladenen zu 2 erteilte das Landratsamt der Beigeladenen zu 1 am 09.09.1998 einen Bauvorbescheid für die Errichtung eines Zweifamilienhauses auf dem Grundstück Flst.Nr. 6830/1. Nach den Bauvorlagen soll das Haus im Abstand von etwa 2,50 m bis 3,50 m von der Grenze zum Flurstück Nr. 6831 entfernt mit einer Breite von 12 m, einer Giebelhöhe von etwa 8 m und einer Traufhöhe von etwa 3,80 m errichtet werden. Die rechtzeitig vorgebrachten Einwendungen des Klägers wies das Landratsamt zurück.

Am 08.06.1999 beschloss der Gemeinderat der Beigeladenen zu 2 den Bebauungsplan. Der Satzungsbeschluss wurde am 13.08.1999 öffentlich bekannt gemacht.

Mit Widerspruchsbescheid vom 06.10.1999 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch des Klägers mit der Maßgabe zurück, dass der Nachweis über die Einhaltung der Abstandsflächen nicht Gegenstand des Bauvorbescheids sei. Zur Begründung führte es aus, das Vorhaben entspreche den Festsetzungen des zwischenzeitlich in Kraft getretenen Bebauungsplans "Wxxxxxxxxx".

Der Kläger hat am 04.11.199 Klage erhoben. Mit rechtskräftigem Normenkontrollurteil vom 27.07.2001 (5 S 2534/99) hat der Senat den Bebauungsplan "Wxxxxxxxxx" vom 08.06.1999 wegen eines Verstoßes gegen § 1 Abs. 3 BauGB für nichtig erklärt mit der Begründung, Anlass für die Aufstellung des Bebauungsplans seien allein der fortbestehende Bauwunsch der Beigeladenen zu 1, die von ihr geltend gemachte Entschädigungsforderung und die Erkenntnis gewesen, dass diese Forderung wohl begründet sei.

Mit Urteil vom 08.11.2002 hat das Verwaltungsgericht Stuttgart den angefochtenen Bauvorbescheid und den diesbezüglichen Widerspruchsbescheid auf die Klage des Klägers aufgehoben, die Klage eines weiteren Nachbarn jedoch abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt: Gegenstand des Bauvorbescheids sei die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines Bauvorhabens auf dem Grundstück Flst.Nr. 6830/1 und darüber hinaus auch die konkrete Zulässigkeit der Errichtung eines Zweifamilienwohnhauses mit den sich aus den Bauvorlagen im Einzelnen ergebenden Maßen. Der Kläger sei jedenfalls mit seinen Einwendungen gegen die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nicht ausgeschlossen. Bei Stellung des Antrags auf Erteilung des Bauvorbescheids habe die Teilungsgenehmigung keine Bindungswirkung mehr gehabt. Die bauplanerische Zulässigkeit des Vorhabens richte sich, nachdem der Bebauungsplan "Wxxxxxxxx" vom 08.06.1999 nichtig sei, nach dem Bebauungsplan "Wxxxxxxxxx" aus dem Jahr 1954. Dieser sei wirksam. Die Beigeladene zu 2 habe ihn nicht etwa mit dem Beschluss über den Bebauungsplan "Wxxxxxxxxx" vom 08.06.1999 aufgehoben. Er sei ordnungsgemäß ausgefertigt: Seine Festsetzungen seien hinreichend bestimmt. Dies gelte insbesondere für die Festsetzung eines Bauverbots für den hier maßgeblichen rückwärtigen Bereich. Der Ortsbauplan übernehme auch nicht etwa nur nachrichtlich die Bauverbotsfläche aus dem Ortsbauplan "Wxxxxx-xxx" von 1949, die allerdings mangels Bestimmtheit unwirksam sei. Die Festsetzung einer hinteren Bauverbotsfläche habe zu Gunsten des Klägers nachbarschützende Wirkung. Der Sache nach handele es sich um eine Baugrenze. Baugrenzen hätten regelmäßig drittschützende Wirkung zu Gunsten des an derselben Grundstücksseite liegenden Nachbarn. Je nach Grundstückssituation könne ihnen auch sonst nachbarschützende Wirkung zukommen. Dies sei durch Auslegung zu ermitteln. Hierbei sei insbesondere von Bedeutung, ob die Nachbarn durch die Festsetzung im Sinne eines Austauschverhältnisses rechtlich derart verbunden seien, dass sie gesteigerter gegenseitiger Rücksichtnahme verpflichtet seien oder eine Schicksalsgemeinschaft bildeten, aus der keiner der Beteiligten ausbrechen dürfe. Dies sei insbesondere bei der Festsetzung einer hinteren Baugrenze auf Grundstücken mit einer Doppelhaus- oder Reihenhausbebauung gegeben, wie sie auch hier vorliege. Daran ändere die spätere Teilung des Grundstücks Flst.Nr. 6830 nichts. Eine Befreiung von der festgesetzten Bauverbotsfläche könne der Beigeladenen zu 1 nicht erteilt werden, weil dadurch Grundzüge der Planung berührt würden. Schließlich könne dem Kläger nicht entgegen gehalten werden, dass sein Rechtsvorgänger eine Garage und einen eingeschossigen Anbau in der Bauverbotsfläche errichtet habe. Diese untergeordneten Gebäude seien mit dem Bauvorhaben der Beigeladenen zu 1 nicht zu vergleichen. Zudem habe diese ebenfalls in der Bauverbotsfläche eine Garage, einen Anbau und ein Gartenhaus mit überdachtem Sitzplatz errichtet.

Sofern auch der Bebauungsplan "Wxxxxxxxx" von 1954 unwirksam oder die in ihm enthaltene Festsetzung einer Bauverbotsfläche nicht nachbarschützend sei, verstoße der Bauvorbescheid jedenfalls zu Lasten des Klägers gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Bei der Bewertung der Interessen der Beteiligten könne nicht unberücksichtigt bleiben, dass das Vorhaben der Beigeladenen zu 1 offensichtlich unzulässig sei. Es füge sich weder nach der Bauweise noch nach der überbaubaren Grundstücksfläche in die Eigenart der näheren Umgebung ein und rufe bodenrechtlich beachtliche und nur im Rahmen einer Bauleitplanung gegebenenfalls ausgleichsfähige Spannungen hervor. Außerdem habe es eine negative Vorbildwirkung im Hinblick auf eine ungeordnete Bebauung auf den bisher unbebauten rückwärtigen Grundstücksflächen. Eine vergleichbare Hinterlandbebauung gebe es in diesem Bereich nicht. Der Wert des Grundstücks des Klägers und der Wohnwert des darauf errichteten Gebäudes würden durch das Vorhaben ganz erheblich gemindert, auch wenn dessen Terrassen- und Freifläche nach Norden ausgerichtet sei. Außerdem könne der Kläger den rückwärtigen Bereich seines Grundstücks nicht bebauen.

Die Beigeladenen haben gegen das ihnen am 27. bzw. am 28.11.2002 zugestellte Urteil die darin zugelassene Berufung am 20. bzw. 23.12.2002 eingelegt und sie nach jeweils erfolgter Fristverlängerung am 07.03.2003 bzw. 10.04.2003 begründet. Sie beantragen,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 08. November 2002 - 3 K 4103/01 - zu ändern und auch die Klage des Klägers abzuweisen.

Die Beigeladene zu 1 trägt vor: Das Verwaltungsgericht übersehe, dass die durch die Doppelhausbebauung begründete Lebens- und Schicksalsgemeinschaft nur den Bereich betreffe, in welchem die Gebäude miteinander verbunden seien, nicht aber die rückwärtigen Grundstücksflächen. Seinerzeit seien nur deshalb rückwärtige Bauverbotsflächen festgesetzt worden, um Erschließungsaufwand einzusparen oder zu vermeiden. Es gebe keine Vermutung dahin, dass die Festsetzung einer Bauverbotszone zugleich nachbarschützende Wirkung habe. Wer, wie der Kläger, selbst gegen die Festsetzungen des Bebauungsplans verstoßen habe, könne ähnliche Verstöße durch den Nachbarn nicht abwehren. Dem stehe der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegen. Im Übrigen würden die Belange des Klägers hinsichtlich Besonnung, Belichtung und Belüftung durch die Einhaltung der landesrechtlichen Abstandsvorschriften gewahrt.

Die Beigeladene zu 2 trägt ferner vor: Die Festsetzung einer Bauverbotsfläche sei nicht zugunsten des Klägers nachbarschützend. In mehreren Entscheidungen habe der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg einer vom betreffenden Nachbargrundstück seitlich abgewandten Baugrenze mit anschließender Bauverbotsfläche alten Rechts in der Regel keine nachbarschützende Wirkung zugunsten des benachbarten Schrägliegers beigemessen. Das Verwaltungsgericht habe insoweit übersehen, dass die Bebauungspläne der Beigeladenen zu 2 eine Doppelhausbebauung nicht vorschrieben und dass in diesem Baugebiet auch keine Doppelhäuser vorherrschten. Vor allem habe das Verwaltungsgericht übersehen, dass die Teilung des früheren Grundstücks Flst.Nr. 6830 bestandskräftig und insoweit eine unterstellte rechtliche Schicksalsgemeinschaft für die Doppelhausgrundstücke in Bezug auf das abgeteilte Grundstück Flst.Nr. 6830/1 aufgehoben sei. Das Vorhaben verstoße auch nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Der Baukörper sei vom Gebäude des Klägers mehr als 10 m entfernt. Die Grenzabstände würden eingehalten. Im Übrigen sei die angestrebte Hinterlandbebauung auch gemäß § 34 BauGB rechtmäßig, weil das nördlich des Baugrundstücks gelegene Grundstück Flst.Nr. 6829 ebenfalls mit einem Wohnhaus bebaut sei. Insoweit liege eine Hinterliegerbebauung in Bezug auf den Fxxxxxxweg vor. Der Kläger sei auch deshalb weniger schutzwürdig, weil die Wohnräume in seinem Haus nach Süden orientiert seien. Das Vorhaben halte im Übrigen die gebotenen Abstandsflächen ein. Rücksichtslos könne das Vorhaben der Beigeladenen zu 1 zu Lasten des Klägers auch deshalb nicht sein, weil es einem Plangeber grundsätzlich freistehe, eine Wohnbebauung in zweiter Reihe zuzulassen. Lediglich an der Grenze angebaute Anbauten an Doppelhaushälften, die zu einem Scheuklappeneffekt bei dem angrenzenden Doppelhausgrundstück führten, verstießen ab einem bestimmten Umfang gegen das Gebot der Rücksichtnahme.

Der Beklagte stellt keinen Antrag.

Der Kläger beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Er verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts. Nach seiner Auffassung kommt es nicht darauf an, dass der Bebauungsplan "Wxxxxxxxx" von 1954 eine Doppelhausfestsetzung nicht vorschreibe und dass im Baugebiet Doppelhäuser nicht vorherrschten. Entscheidend sei allein, dass bei Erlass des Bebauungsplans im Jahre 1954 ein Doppelhaus vorhanden gewesen sei. Auf die Aufteilung der Räumlichkeiten im Haus des Klägers komme es nicht an. Es spreche alles dafür, dass die Festsetzung der rückwärtigen Bauverbotszone in diesem Bereich zu dem Zweck erfolgt sei, Spannungen zu vermeiden bzw. zu bewältigen. Im Übrigen zeige auch die weitere Entwicklung der Bebauung, dass sie vorrangig auf den damaligen Grundstücken Flst.Nrn. 6842 und 6372/6 beabsichtigt gewesen sei und dass ansonsten ein Grün- und Erholungsbereich erhalten werden sollte.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einnahme eines Augenscheins; die Feststellungen sind in der Niederschrift enthalten, auf die verwiesen wird. Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die dem Senat vorliegenden Behörden- und Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthaften Berufungen sind auch im Übrigen zulässig. Insbesondere haben die Beigeladenen sie den Erfordernissen des § 124a Abs. 3 VwGO entsprechend begründet.

Die Berufungen sind auch begründet. Zu Unrecht hat das Verwaltungsgericht der zulässigen Klage stattgegeben und den angefochtenen Bauvorbescheid aufgehoben. Denn dieser ist zwar rechtswidrig, verletzt den Kläger aber nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bauvorbescheids vom 09.09.1998. Auf einen späteren Zeitpunkt käme es nur an, wenn sich die Rechtslage nachträglich zu Gunsten der Beigeladenen zu 1 verändert hätte (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.08.2002 - 4 C 5.01 - Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 352 = NVwZ 2003, 86). Dies ist jedoch ersichtlich nicht der Fall. Insbesondere ist das Vorhaben nicht nach dem am 13.08.1999 bekannt gemachten Bebauungsplan "Wxxxxxxxxx" vom 08.06.1999 zu beurteilen; denn diesen hat der Senat mit seinem Normenkontrollurteil vom 27.07.2001 (5 S 2534/99) rechtskräftig mit Allgemeinverbindlichkeit (§ 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO) für nichtig erklärt.

Zum mithin maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Bauvorbescheids lagen die Voraussetzungen des § 33 BauGB nicht vor. Denn damals war nicht anzunehmen, dass das Vorhaben den künftigen Festsetzungen des Bebauungsplans "Wxxxxxxxx" nicht entgegenstand (§ 33 Abs. 1 Nr. 2 BauGB). Der Planentwurf sah zwar auf dem Grundstück der Beigeladenen zu 1 eine überbaubare Grundstücksfläche vor, deren Grenzen das Vorhaben nicht überschritt. Die Festsetzung überbaubarer Grundstücksflächen im rückwärtigen Bereich der vorhandenen Bebauung konnte aber aus den Gründen, die im Normenkontrollurteil des Senats 27.07.2001 ausgeführt sind, nicht wirksam werden. Es war absehbar, dass der Plan in dieser Gestalt nicht in Kraft treten würde. Der Planung fehlte somit die für die Erteilung einer Baugenehmigung oder eines Bauvorbescheids erforderliche sogenannte materielle Planreife (vgl. Dürr, in: Brügelmann, BauGB, § 33 Rdnr. 7).

Dass der Beklagte den Bauvorbescheid gleichwohl gemäß § 33 BauGB erteilt hat, verletzt den Kläger jedoch nicht in seinen Rechten. Eine Baugenehmigung oder ein Bauvorbescheid, die gemäß § 33 BauGB im Vorgriff auf einen künftigen Bebauungsplan erteilt worden sind, sind auf die Klage eines Nachbarn nicht schon deshalb aufzuheben, weil es an der materiellen Planreife fehlt. Erfolg hat eine Nachbarklage vielmehr nur dann, wenn das Vorhaben gegen nachbarschützende Vorschriften eines Vorgängerbebauungsplans verstößt bzw. sich bei einer gebotenen Beurteilung nach §§ 34 und 35 BauGB als rücksichtslos erweist.

Das Verwaltungsgericht ist ohne Weiteres davon ausgegangen, dass die Frage, ob ein Nachbar im Falle der Erteilung einer Baugenehmigung bzw. eines Bauvorbescheids im Vorgriff auf einen künftigen Bebauungsplan bei fehlender Planreife in eigenen Rechten verletzt ist, allein anhand der Festsetzungen eines vorhandenen wirksamen Bebauungsplans bzw. nach §§ 34 und 35 BauGB zu beurteilen ist (so auch OVG Münster, Beschl. v. 15.02.1991 - 11 B 2659/90 - NVwZ 1992, 278; Stock, in: Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, § 33 Rdnr. 67). Dafür spricht, dass sich der Nachbarschutz bei einer Baugenehmigung, die im Blick auf einen später im gerichtlichen Verfahren als nichtig erkannten Bebauungsplan erteilt worden ist, ungeachtet der Umstände, welche die Nichtigkeit des Bebauungsplans begründen, nach den Festsetzungen eines Vorgängerbebauungsplans bzw. nach §§ 34 und 35 BauGB richtet. Es wäre nicht systemgerecht, wenn dies bei der Erteilung einer Baugenehmigung im Vorgriff auf einen absehbar nichtigen bzw. später als nichtig erkannten Plan gemäß § 33 BauGB anders wäre.

Zum selben Ergebnis gelangt man jedoch auch dann, wenn die Frage des Nachbarschutzes in Fällen der vorliegenden Art vorrangig nach § 33 BauGB zu beurteilen wäre. Es entspricht insoweit zunächst allgemeiner Auffassung, dass sich ein Nachbar auf eine Verletzung einer künftigen Festsetzung des Bebauungsplans berufen kann, soweit diese nachbarschützend ist (vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 24.02.1992 - 3 S 3026/91 - VBlBW 1992, 295). Dagegen wird die Frage uneinheitlich beantwortet, ob eine nach § 33 BauGB erteilte Baugenehmigung schon deshalb Nachbarrechte verletzt, weil es an der materiellen Planreife, etwa wegen absehbaren erheblichen Fehlern in der Abwägung, fehlt. So hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, eine Verletzung des drittschützenden (BVerwG, Urt. v. 24.09.1998 - 4 CN 2.98 - BVerwGE 107, 215) Abwägungsgebots begründe noch keine Rechtsverletzung bei Erteilung der Baugenehmigung nach § 33 BauGB (BVerwG, Beschl. v. 28.07.1994 - 4 B 94.94 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 124 = NVwZ 1995, 598 = PBauE § 33 BauGB Nr. 1; a.A. Dürr a.a.O. Rdnr. 20 m.w.N.; OVG Berlin, Urt. v. 19.04.1991 - 2 B 11.88 - BRS 52 Nr. 170). In einer jüngeren Entscheidung hat es freilich einen Aufhebungsanspruch einer Nachbargemeinde in Bezug auf eine nach § 33 BauGB zu beurteilende Baugenehmigung für ein Factory Outlet Center bejaht, obwohl diesbezüglich (nur) ein Fehler im Abwägungsvorgang gegeben war (BVerwG, Urt. v. 01.08.2002 - 4 C 5.01 - a.a.O.). Der Senat kann offen lassen, welcher Auffassung insoweit zu folgen wäre. Denn könnte sich ein Nachbar auf eine fehlende materielle Planreife von vornherein nicht berufen, hätte seine Klage gegen eine nach § 33 BauGB erteilte Baugenehmigung bzw. einen Bauvorbescheid schon deshalb keinen Erfolg. Auch wenn er sich auf die fehlende materielle Planreife uneingeschränkt oder eingeschränkt berufen könnte, etwa soweit seine Belange absehbar fehlerhaft abgewogen werden, hätte seine Klage, wie bei der Erteilung einer Baugenehmigung aufgrund eines nichtigen Bebauungsplans, nur Erfolg, wenn die Baugenehmigung bzw. der Bauvorbescheid auch auf der Grundlage eines Vorgängerbebauungsplans bzw. gemäß §§ 34, 35 BauGB rechtswidrig wären und ihn insoweit in eigenen Rechten verletzten.

Der angefochtene Bauvorbescheid verstößt nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des qualifizierten Bebauungsplans "Wxxxxxxxxx" aus dem Jahr 1954 und erweist sich auch bei einer ergänzenden Beurteilung nach § 34 BauGB (§ 30 Abs. 3 BauGB) nicht als rücksichtslos gegenüber dem Kläger.

Dass der Bebauungsplan "Wxxxxxxxxx" aus dem Jahr 1954 wirksam, insbesondere den Anforderungen der Rechtsprechung gemäß ausgefertigt und hinsichtlich der Festsetzung von Bauverbotsflächen hinreichend bestimmt ist, hat das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil überzeugend ausgeführt. Neue Gesichtspunkte haben die Beteiligten insoweit nicht vorgetragen.

Der Bauvorbescheid verstößt gegen die Festsetzung einer Bauverbotsfläche auf dem Grundstück Flst.Nr. 6830/1. Rechtmäßig ist er auch nicht deshalb, weil der Beklagte eine Befreiung von dieser Festsetzung hätte aussprechen können. Insoweit fehlt es schon deshalb an einer Befreiungslage, weil die Befreiung einen Grundzug der Planung berühren würde (§ 31 Abs. 2 BauGB). Es würde sich nicht etwa um eine bloße Korrektur der Planung von minderem Gewicht handeln, die sich aus Anlass der Verwirklichung des Plans ergäbe und die im Interesse der Einzelfallgerechtigkeit und der Wahrung der Verhältnismäßigkeit zu erteilen wäre, weil das Vorhaben den Festsetzungen des Bebauungsplans zwar widerspräche, sich aber mit den planerischen Vorstellungen gleichwohl in Einklang bringen ließe (BVerwG, Beschl. v. 05.03.1999 - 4 B 5.99 - Buchholz 406.11 § 31 BauGB Nr. 39 = NVwZ 1999, 1110; Senatsbeschl. v. 09.12.2002 - 5 S 1985/02 - BauR 2003, 348).

Mangels tatsächlich erteilter Befreiung beurteilt sich der Nachbarschutz zwar nicht unmittelbar nach § 31 Abs. 2 BauGB, sondern entsprechend § 15 Abs. 1 BauNVO. Er darf jedoch, wenn eine Baugenehmigung bzw. ein Bauvorbescheid unter Abweichung von den Festsetzungen eines Bebauungsplans erteilt worden ist, nicht hinter dem nach dieser Vorschrift gewährten Nachbarschutz zurückbleiben (BVerwG, Urt. v. 06.10.1989 - 4 C 14.87 - BVerwGE 82, 343 = NVwZ 1990, 555 = PBauE § 31 BauGB Nr. 5; BVerwG, Beschl. v. 08.07.1998 - 4 B 64.98 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 153 = NVwZ-RR 1999, 8 = PBauE § 31 BauGB Nr. 18).

Auf Nachbarschutz kann sich der Kläger danach nicht schon etwa deshalb berufen, weil die Festsetzung der Bauverbotsfläche auf dem Grundstück der Beigeladenen auch zu seinem Schutz getroffen worden wäre. Vielmehr ist die Festsetzung der Bauverbotsfläche nach altem württembergischen Recht (vgl. Art. 11 Abs. 4 Württ. BauO v. 28.07.1910), welche der Sache nach einer rückwärtigen Baugrenze nach § 23 Abs. 3 BauNVO entspricht, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts allein im öffentlichen Interesse getroffen worden. Etwas anderes ergibt sich weder aus dem Plan selbst noch aus den dem Senat vorliegenden Unterlagen des Aufstellungsverfahrens (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 4.10.1983 - 5 S 933/83 - BauR 1984, 52 = BRS 40 Nr. 182). Darauf, dass Baugrenzen unter Umständen regelmäßig nachbarschützende Wirkung haben, kann sich der Kläger nicht berufen; denn dies gilt grundsätzlich nur für Baugrenzen zugunsten des an derselben Grundstücksseite liegenden Nachbarn, weil nur dies dem für den Nachbarschutz typischen Austauschverhältnis gerecht wird (Senatsurt. v. 01.02.1999 - 5 S 2507/96 - BRS 62 Nr. 97 = PBauE § 23 BauNVO Nr. 8; VGH Bad.-Württ., v. 23.7.1991 - 8 S 1606/91 - NVwZ 1992, 496 = PBauE § 23 BauNVO Nr. 1). Etwas anderes gilt hier nicht deshalb, weil die Gebäude Wxxxxxxxxxstraße xx und xx in Doppelhausbauweise errichtet sind und ihr rückwärtiger Bereich seit jeher als Garten diente. Allein aus diesen Umständen kann nicht gefolgert werden, dass die Beigeladene zu 2 Gemeinde mit der Festsetzung einer Bauverbotszone im rückwärtigen Bereich auch ein Austauschverhältnis dergestalt begründen wollte, dass sich jeder Nachbar auf diese Festsetzung berufen könnte. Zu Recht weisen die Beigeladenen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass im Bebauungsplan "Wxxxxxxxxx" aus dem Jahr 1954 nicht etwa eine Doppelhausbebauung festgesetzt worden ist mit der Folge, dass insoweit ein nachbarschaftliches Austauschverhältnis begründet wäre, auf Grund dessen die beiden "Haushälften" in verträglicher und abgestimmter Weise aneinander gebaut sein müssen (BVerwG, Urt. v. 24.02.2000 - 4 C 12.98 - BVerwGE 110, 355 = NVwZ 2000, 1055 = PBauE § 22 BauNVO Nr. 12). Der Bebauungsplan geht lediglich von der vorhandenen Bebauung aus. Es kann auch nicht angenommen werden, der Gemeinderat der Beigeladenen zu 2 habe die vorgefundene Doppelhausbebauung aufgenommen und deshalb, wie das Verwaltungsgericht meint, eine rückwärtige Bauverbotszone auch zur Vermeidung städtebaulicher Spannungen nicht zuletzt mit Blick auf die Betroffenheit der anderen Grundstückseigentümer festgesetzt. Vielmehr erfasst diese Festsetzung mehr oder weniger den gesamten rückwärtigen Bereich der Grundstücke entlang der Wxxxxxxxxxstraße, des Fxxxxxxwegs und der sonstigen im Plangebiet gelegenen Straßen gleichermaßen, ungeachtet, ob dort eine Doppel- oder (häufiger) Einzelhausbebauung vorhanden bzw. möglich war. Auch die Umstände des Einzelfalls legen es nicht nahe, dass der Gemeinderat der Beigeladenen zu 2 der Festsetzung der Bauverbotszone ausnahmsweise eine nachbarschützende Wirkung zum seitlichen Nachbarn beimessen wollte. Dies käme allenfalls bei einer engen Reihen- bzw. Doppelhausbebauung in Betracht (vgl. OVG Bremen, Urt. v. 20.02.1996 - 1 BA 53/95 - BRS 58 Nr. 173; offen gelassen im Senatsurt. v. 20.05.2003 - 5 S 2750/01 -). Eine solche liegt hier aber bei Grundstücksbreiten von etwa 11 m bzw. 13,5 m nicht vor.

Auch das im Gebot der Würdigung nachbarlicher Interessen (§ 31 Abs. 2 BauGB) enthaltene Gebot der Rücksichtnahme gibt dem Kläger keinen Anspruch auf Aufhebung des angefochtenen Bauvorbescheids. Insoweit kann der Nachbar umso mehr an Rücksichtnahme verlangen, je empfindlicher seine Stellung durch eine an die Stelle der im Bebauungsplan festgesetzten Nutzung tretende andersartige Nutzung berührt werden kann. Umgekehrt braucht derjenige, der die Befreiung in Anspruch nehmen will, umso weniger Rücksicht zu nehmen, je verständlicher und unabweisbarer die von ihm verfolgten Interessen sind. Dabei haben die Interessen der Beteiligten ein unterschiedliches Gewicht, je nach dem, ob es um ein Vorhaben geht, das den Festsetzungen eines Bebauungsplans entspricht, also nur ausnahmsweise gemäß § 15 Abs. 1 BauNVO unzulässig sein kann, oder ob es um ein Vorhaben geht, das von den Festsetzungen abweicht, also nur ausnahmsweise über eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB zulässig sein kann. Wer sich auf den Bebauungsplan berufen kann, hat bei der Interessenabwägung grundsätzlich einen gewissen Vorrang. Diese unterschiedlichen Anforderungen sind auch zu beachten, wenn die Baugenehmigungsbehörde von dem Vorhaben widersprechenden Festsetzungen nicht ausdrücklich befreit hat, sondern ohne Befreiung eine objektiv rechtswidrige Baugenehmigung erteilt. Sofern eine fehlerhafte Berücksichtigung nachbarlicher Interessen bei Erteilung einer Befreiung zu einer Verletzung von Rechten des Nachbarn führt, gilt dies ebenso, wenn die Baugenehmigung bei gleicher Sachlage entgegen den Festsetzungen des Bebauungsplans ohne die erforderliche Befreiung erteilt wird (BVerwG, Urt. v. 06.10.1989 - 4 C 14.87 a.a.O.).

Bei der hiernach gebotenen Interessenabwägung hat das Interesse der Beigeladenen zu 1 an der Verwirklichung ihres Bauvorhabens nur geringes Gewicht. Besondere städtebaulich beachtliche Gründe, dieses Vorhaben in einer als Erholungs- und Ruhebereich gedachten Bauverbotszone zu errichten, hat sie nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich. Dies allein führt aber noch nicht dazu, dass für den Kläger die Schwelle der Unzumutbarkeit überschritten ist. Vielmehr kommt es darauf an, wie empfindlich seine städtebaulich geschützten Interessen durch das Vorhaben beeinträchtigt werden. Nach Auffassung des Senats reichen die gesamten Umstände des Falles nicht aus, das gegen die Festsetzung einer Bauverbotsfläche verstoßende Vorhaben als unzumutbar für den Kläger zu beurteilen.

Dem Kläger ist das Vorhaben der Beigeladenen zu 1 freilich nicht schon deshalb zuzumuten, weil, wie die Beigeladene zu 2 als "Kontrollüberlegung" ausgeführt hat, die Beigeladene zu 2 ohne Abwägungsfehler eine verdichtete Bebauung in diesem Bereich durch Bebauungsplan festsetzen könnte; dabei kann offen bleiben, ob dies noch möglich wäre, jedenfalls hat der Senat die Nichtigerklärung des Bebauungsplans "Wxxxxxxxxx" aus dem Jahr 1999 allein auf einen Verstoß gegen § 1 Abs. 3 BauGB gestützt. Denn es macht für die Bewertung der nachbarlichen Interessen einen Unterschied, ob die Baurechtsbehörde unter Verstoß gegen die Festsetzungen eines Bebauungsplans eine Baugenehmigung erteilt, obwohl die Voraussetzungen für eine Befreiung nicht vorliegen, oder ob eine Gemeinde sich bei der Aufstellung oder Änderung eines Bebauungsplans im Wege der Abwägung zulässigerweise über nachbarliche Interessen am Fortbestand einer Festsetzung hinwegsetzt.

Andererseits vermag der Senat - anders als bei einer engen Reihenhausbebauung mit einer Grundstücksbreite von 8 m oder weniger (vgl. Senatsurt. v. 20.05.2003 - 5 S 2750/01 -) - auch nicht anzunehmen, dass die Eigentümer von mit Doppelhaushälften bebauten Grundstücken bzw. hiervon abgetrennter rückwärtiger Gartengrundstücke dergestalt in besonderer Weise zu einer bodenrechtlichen Schicksalsgemeinschaft verbunden sind, dass sie grundsätzlich einer besonderen gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme unterliegen mit der Folge, dass ein Eigentümer die bauliche Zuordnung der Bereiche "Wohnen" und "Garten" nicht zu Lasten des anderen in unverhältnismäßiger Weise verschieben darf.

Zuzumuten ist dem Kläger die Bebauung des Grundstücks der Beigeladenen zu 1 mit einem Zweifamilienwohnhaus gemäß den eingereichten Bauvorlagen deshalb, weil die Nutzung seiner Flurstücke, insbesondere des rückwärtigen Flurstücks Nr. 6831, nach Auffassung des Senats nicht wesentlich eingeschränkt wird. Im Hinblick auf Besonnung, Belichtung und Belüftung ist das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot nicht verletzt, zumal das Vorhaben den Abstandsflächenvorschriften genügen dürfte (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.01.1999 - 4 B 128.98 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 159 = NVwZ 1999, 879 = PBauE § 34 Abs. 1 BauGB Nr. 52). Sofern sich der Kläger gegen zusätzliche Einsichtsmöglichkeiten auf seine Grundstücke wendet, hat dieser Belang vergleichsweise geringes Gewicht (BVerwG, Urt. v. 06.10.1989 - 4 C 14.87 - a.a.O.). Soweit es dem Kläger um den Erhalt der Ruhe- und Erholungszone im rückwärtigen Bereich geht, muss er sich, jedenfalls in gewissem Umfang, entgegenhalten lassen, dass er durch den etwa 7,5 m tiefen Anbau an seine Doppelhaushälfte, der in die Bauverbotszone hineinreicht, selbst bereits zu einer nicht unerheblichen Beunruhigung des rückwärtigen Bereichs beigetragen hat. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts unerheblich ist im Rahmen der hier zu treffenden Abwägung, dass der Wert des Grundstücks des Klägers durch das Bauvorhaben maßgeblich gemindert würde. Es gibt keinen allgemeinen Rechtssatz des Inhalts, dass der Einzelne einen Anspruch darauf hat, vor jeglicher Wertminderung bewahrt zu werden. Nur soweit, wie ein Nachbar aus städtebaulichen Gründen Rücksichtnahme verlangen kann, schlägt auch der Gesichtspunkt der Wertminderung zu Buche (BVerwG, Beschl. v. 13.11.1997 - 4 B 195.97 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 189 = BRS 59 Nr. 177 = PBauE § 34 Abs. 1 BauGB Nr. 42). Schließlich ist für die hier vorzunehmende Abwägung auch unerheblich, dass der Kläger sein rückwärtiges (kleineres) Flurstück aus den im Normenkontrollurteil des Senats vom 27.07.2001 angeführten Gründen selbst dann voraussichtlich nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten bebauen könnte, wenn die Beigeladene zu 2 hier eine überbaubare Grundstücksfläche festsetzen würde. Umstände, die das Vorhaben ansonsten, auch bei einer ergänzenden Beurteilung nach § 34 BauGB als rücksichtslos erscheinen lassen, sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 und § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.

Beschluss

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 25 Abs. 2, § 14 Abs. 1 Satz 1 und § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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