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Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 17.02.2006
Aktenzeichen: 5 S 1848/05
Rechtsgebiete: GG, BauGB, BauNVO, LBO


Vorschriften:

GG Art. 2 Abs. 2 Satz 1
BauGB § 31 Abs. 1
BauNVO § 15 Abs. 1 Satz 2
LBO § 3 Abs.1 Satz 1
1. Gegen die Baugenehmigung zur Nutzung eines Gebäudes als (hier: türkisches) Konsulat kann ein Nachbar weder bauplanungsrechtlich im Rahmen einer erteilten Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB und des Rücksichtnahmegebots nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO noch bauordnungsrechtlich über § 3 Abs. 1 Satz 1 LBO erfolgreich einwenden, dass die Gefahr terroristischer Anschläge bestehe (vgl. auch Senatsbeschl. v. 22.06.2004 - 5 S 1263/04 - im vorläufigen Rechtsschutzverfahren).

2. Eine Aufhebung der Baugenehmigung kann der Nachbar auch nicht unter Berufung auf eine aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG abzuleitende staatliche Schutzpflicht verlangen.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

5 S 1848/05

Verkündet am 17.02.2006

In der Verwaltungsrechtssache

wegen erteilter Baugenehmigung

hat der 5. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schnebelt und die Richter am Verwaltungsgerichtshof Schefzik und Albers auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 16. Februar 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 25. Juli 2005 - 3 K 3540/04 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Beklagten vom 27.01.2004 zur Nutzungsänderung eines bisherigen (Post-)Betriebsgebäudes in ein (türkisches) Konsulat mit drei Betriebswohnungen.

Der Kläger ist Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft Bxxxxxxx-xxxstraße 1a - 1e auf dem Grundstück Flst.Nr. 12028/21 im Stadtgebiet der Beklagten und Eigentümer einer Wohnung. Östlich grenzt das Grundstück Flst.Nr. 12028/1 der Beigeladenen an. Die Grundstücke befinden sich im Geltungsbereich des Bebauungsplans "Nutzungsartfestsetzung" der Beklagten vom 09.10.1984, der ein Gewerbegebiet ausweist, in dem Nutzungen gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO nur ausnahmsweise zulässig sind.

Am 19.11.2003 beantragte die Beigeladene die Erteilung einer Baugenehmigung zur Nutzungsänderung eines auf dem Baugrundstück gelegenen Betriebsgebäudes in ein (türkisches) Konsulat mit drei Betriebswohnungen. Mit Schreiben vom 11.12.2003 erhob der Verwalter der Wohnungseigentümergemeinschaft im Rahmen der Angrenzeranhörung namens und in Vollmacht der Wohnungseigentümer Einwendungen gegen das Vorhaben, weil ein türkisches Konsulat - entgegen der bisherigen Nutzung als reines Verwaltungsgebäude ohne Publikumsverkehr - erfahrungsgemäß von sehr vielen Personen besucht werde und die Umnutzung auch geeignet sei, die Sicherheit der Anwohner - wegen der nicht auszuschließenden Gefahr von (Bomben- und Brand-)Anschlägen - zu gefährden; damit liege ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot vor.

Mit Bescheid vom 27.01.2004 erteilte die Beklagte antragsgemäß die Baugenehmigung unter Zurückweisung der erhobenen Einwendungen: Die Erteilung einer Ausnahme sei nach § 31 Abs. 1 BauGB gerechtfertigt; sicherheitstechnisch werde das Gelände als nahezu positiv eingestuft; die Erschließung erfolge nur von der Rintheimer Straße aus; auch sei davon auszugehen, dass ein Konsulat keine erheblichen Auswirkungen auf die umliegende Bebauung habe, so dass die Nachbarn nicht unzumutbar beeinträchtigt würden. Die Baugenehmigung enthält u. a. folgende Nebenbestimmungen:

Das gesamte Gelände des Konsulats ist mit einem nicht übersteigbaren Zaun zu umgeben. Diese Maßnahmen sind mit dem Amt für Bürgerservice und Sicherheit abzustimmen. Vorbehalten bleiben zusätzliche Anforderungen, die sich aus sicherheitlichen Belangen noch ergeben.

Innerhalb des Konsulatgeländes ist ein Parkplatz für Polizeifahrzeuge auszuweisen.

Gegen die am 02.02.2004 zugestellte Baugenehmigung legte der Kläger (neben weiteren Mitgliedern der Eigentümergemeinschaft) am 01.03.2004 Widerspruch ein.

Mit Beschluss vom 29.04.2004 - 3 K 953/04 - lehnte das Verwaltungsgericht Karlsruhe den Antrag eines Mitglieds der Eigentümergemeinschaft auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des gegen die Baugenehmigung vom 27.01.2004 eingelegten Widerspruchs ab. Die hiergegen erhobene Beschwerde wies der Senat mit Beschluss vom 22.06.2004 - 5 S 1236/04 - mit der Begründung zurück, dass ein Nachbar weder planungsrechtlich im Rahmen des § 31 Abs. 1 BauGB oder im Rahmen des Rücksichtnahmegebots nach § 15 Abs. 1 BauNVO noch bauordnungsrechtlich mit Blick auf § 3 Abs. 1 LBO gegen das genehmigte Vorhaben einwenden könne, dass die Gefahr terroristischer Anschläge bestehe.

Den vom Kläger aufrecht erhaltenen Widerspruch wies das Regierungspräsidium Karlsruhe mit Bescheid vom 24.09.2004 - zugestellt am 30.09.2004 - zurück: Die ausnahmsweise Zulassung einer Büronutzung - auch wenn es sich dabei um ein türkisches Generalkonsulat handele - sei nicht ermessensfehlerhaft, unabhängig davon, dass die planerische Festsetzung nicht den Schutz der Nachbarn in den angrenzenden Wohngebieten bezwecke. Das Rücksichtnahmegebot sei nicht verletzt; dem anwachsenden Publikumsverkehr werde mit großzügigen Warteräumen hinreichend begegnet; die Zufahrt zum Gebäude erfolge über die Rintheimer Straße; die Stellplätze (für Bedienstete) an der Grenze zum Grundstück des Klägers seien mit einer abschirmenden Begrünung zu versehen; zudem sei ein nicht übersteigbarer Zaun zu errichten; im Übrigen sei auf etwaige Störungen, die nicht durch eine bestimmungsgemäße Nutzung des Vorhabens verursacht würden, mit ordnungsrechtlichen Mitteln zu reagieren. Ein Verstoß gegen § 3 Abs. 1 LBO liege nicht vor. Auch die Gefahr eines möglichen terroristischen Anschlags auf das Gebäude begründe keine Verletzung von Nachbarrechten; insoweit könne allenfalls von einer abstrakten Gefahr durch Einwirkungen Dritter - und nicht durch eine bestimmungsgemäße Nutzung des Vorhabens - gesprochen werden, der nur mit Mitteln des Polizei- und Ordnungsrechts begegnet werden könne, aber nicht mit der Ablehnung der Baugenehmigung.

Am 29.10.2004 hat der Kläger (neben weiteren Mitgliedern der Wohnungseigentümergemeinschaft) Klage auf Aufhebung der Baugenehmigung der Beklagten vom 27.01.2004 und des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 24.09.2004 erhoben.

Mit Urteil vom 25.07.2005 hat das Verwaltungsgericht die Klage - dem Antrag der Beklagten folgend - abgewiesen und zur Begründung einer fehlenden Nachbarrechtswidrigkeit der angefochtenen Baugenehmigung zu Lasten des Klägers auf die im Eilverfahren ergangenen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts vom 29.04.2004 und des erkennenden Senats vom 22.06.2004 verwiesen. Ergänzend hat es ausgeführt: Entgegen dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 26.06.1997 - 2 ZS 97.905 - berge eine konsularische Nutzung in der Gefahr von Demonstrationen und Anschlägen kein Störpotential, das bei der Abwägung nachbarlicher Interessen im Rahmen einer nach § 31 Abs. 1 BauGB zu treffenden Ermessensentscheidung zu berücksichtigen sei. Das geltend gemachte Gefährdungspotential könne der bauplanungsrechtlichen Nutzung des Gebäudes nicht zugerechnet werden. Vielmehr würden die befürchteten Gefahren durch Dritte verursacht. Im Falle eines Anschlags realisierten sich auch keine Gefahren, die in der baulichen Anlage bzw. deren Nutzung, beispielsweise durch Materialien, latent vorhanden und somit nutzungsimmanent seien. Danach komme es nicht darauf an, ob die befürchteten Gefahren überhaupt einen Grad erreichten, bei dem eine unzumutbare Beeinträchtigung der Nachbarschaft zu bejahen wäre. Auch die "geringe Entfernung" des Konsulats zur Wohnung des Klägers sei nicht geeignet, die bodenrechtliche Relevanz der befürchteten Terrorgefahr zu begründen. Diese sei auch nicht im Rahmen eines Baugenehmigungsverfahrens im Sinne einer Gefahrenvorsorge zu berücksichtigen, da das Baugesetzbuch und die Landesbauordnung ein solches "Vorsorgeprinzip" nicht normierten. Ein Eingreifen auf Grund baurechtlicher Vorschriften setze das Vorliegen einer konkreten Gefahr voraus.

Gegen das am 08.08.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 01.09.2005 Berufung eingelegt und diese am 06.10.2005 begründet. In Wiederholung und Ergänzung seines bisherigen Vorbringens (im Widerspruchsverfahren, im Eilverfahren und im erstinstanzlichen Verfahren) macht der Kläger geltend: Bei der nach § 31 Abs. 1 BauGB zu treffenden Ermessensentscheidung über die beantragte Nutzungsänderung hätten die von ihm befürchteten Gefahren durch terroristische Anschläge als nachbarliche Interessen berücksichtigt werden müssen. Auf Grund der veränderten Weltsicherheitslage seien gerade diplomatische Vertretungen seit langem Ziel terroristischer Angriffe, wie beispielsweise der Handgranatenanschlag auf das türkische Konsulat in Düsseldorf am 17.04.2004 und der Bombenanschlag auf das britische Generalkonsulat in Istanbul am 20.11.2003 zeigten. Auch das Areal des im Stadtgebiet der Beklagten gelegenen Bundesgerichtshofs werde auf Grund der "aktuell erhöhten allgemeinen Gefährdungslage in Deutschland aus dem Bereich islamistischer Terror" weiterhin nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. In seinem Beschluss vom 26.06.1997 sei der Bayerische Verwaltungsgerichtshof davon ausgegangen, dass die Gefahren durch (terroristische) Anschläge im Rahmen des § 31 Abs. 2 BauGB grundsätzlich berücksichtigt werden müssten, auch wenn das Gericht aus damaliger Sicht angenommen habe, dass im Regelfall keine unzumutbare Belästigung der Nachbarschaft (dort eines reinen Wohngebiets durch ein Generalkonsulat) vorliege. Auch wenn die Gefahr terroristischer Anschläge nicht von der diplomatischen Vertretung selbst ausgehe, sei deren Vorhandensein doch die Ursache für die entstehenden Gefahren, die sich immer mehr konkretisierten. Die Gefahren seien also der umstrittenen Nutzung durchaus immanent. Insoweit entstehe mit der Ansiedlung einer diplomatischen Vertreten durchaus ein Nutzungskonflikt, der vom Ermessensprogramm bei der Ausnahmeerteilung nach § 31 Abs. 1 BauGB erfasst werde. Auch das Bauplanungsrecht selbst verlange die Berücksichtigung einer potentiellen Gefährdung der Bevölkerung. So sei nach § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB bei der Bauleitplanung die "Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung" ein abwägungsrelevanter Belang. Damit sollten solche Sachverhalte planerisch ausgeschlossen werden, die latent zu Unfällen neigten, vorrangig also Konstellationen, die Auswirkungen auf die Gesundheit nicht dauerhaft hätten, aber plötzlich in drohende Gefahrenlagen umschlagen und den Schaden sofort eintreten lassen könnten (z. B. Munitionslager). Eine Einengung des Sicherheitsbegriffs ergebe sich auch nicht aus der Spezialvorschrift des § 136 Abs. 3 Nr. 1 BauGB, da es hier um den Sonderfall städtebaulicher Sanierungsmaßnahmen gehe. Die Gefährdung seiner Sicherheit sei vergleichbar mit derjenigen in der Nachbarschaft eines explosionsgefährdeten Betriebs. So habe der erkennende Gerichtshof im Beschluss vom 27.02.1974 einen Bebauungsplan für nichtig erklärt, wenn ein explosionsanfälliger Betrieb, bei dessen bestimmungsgemäßer Nutzung ebenfalls keine Explosionsgefahr bestehe, nicht in der Abwägung berücksichtigt worden sei. Auch das genehmigte Konsulat weise ein vergleichbares nutzungsimmanentes Gefährdungspotential auf. Das Fehlen von Maßstäben für eine Trennung der umstrittenen konsularischen Nutzung von der benachbarten Wohnbebauung dürfe nicht zu seinen Lasten ausschlaggebend sein. Es gehe auch nur darum, seine (konkrete) Gefährdung zu berücksichtigen. Die geringe Entfernung zwischen dem Konsulat und seiner Wohnung führe gerade bei einem Terroranschlag wohl unstreitig zu einer erheblichen Gefährdung seiner Sicherheit und seines Eigentums. Auf das (sonstige) Polizeirecht könne - gerade vorliegend - nicht verwiesen werden, da es sich bei dem Konsulatsgelände um exterritoriales Gebiet handele. Die deutschen Sicherheitsbehörden hätten somit - ohne Einwilligung des Konsulats - keine Möglichkeit, innerhalb des umzäunten Bereichs polizeirechtlich einzuschreiten. Das zur Bewachung des Konsulats abkommandierte Polizeifahrzeug stehe daher auch außerhalb des umzäunten Grundstücks. Somit sei ein Rückgriff auf das Baurecht erforderlich, um für ihn als Nachbarn wirksamen Schutz zu erreichen. - Zudem könne er sich unmittelbar auf sein Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 GG berufen. Dieses gebiete, konkrete und abstrakte Gefahren für Leben und Gesundheit der Bevölkerung abzuwehren und im Sinne vorbeugender Gefahrenabwehr und - bei erheblichen Risiken - im Sinne der Gefahrenvorsorge und des Nachweltschutzes präventiv zu minimieren. So habe das Bundesverwaltungsgericht zu einer Baugenehmigung für ein atomares Zwischenlager festgehalten, das angesichts der Art und Schwere möglicher Gefahren bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie schon die entfernte Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts die Pflicht des Staates auslöse, sich schützend und fördernd von Leben und Gesundheit seiner Bürger zu stellen. Somit könne er einen auf Art. 2 Abs. 2 GG basierenden Nachbarschutz für sich beanspruchen; angesichts der aufgezeigten Häufung von Terroranschlägen liege ein Maß an Gefahrkonkretisierung vor, das eine Gefahrenvorsorge auch im Hinblick auf das Ausmaß der möglichen Schädigungen erforderlich mache; es handele sich vorliegend nicht um rein hypothetische Gefährdungen. - Auch die nachbarschützende Vorschrift des § 3 Abs. 1 Satz 1 LBO sei verletzt. Der Schutzbereich dieser Norm sei betroffen, da erst durch die Nutzung des Gebäudes als türkisches Konsulat eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung durch zu befürchtende Terroranschläge geschaffen werde. Nach der Relativitätsformel reiche schon die entfernte Eintrittswahrscheinlichkeit in den Fällen aus, in denen eine Gefahr für Leben oder Gesundheit bestehe. So liege es hier. Angesichts der sich häufenden Anschläge sei die davon ausgehende Gefahr auch hinreichend konkretisiert. Ausreichende Sicherungsmaßnahmen habe die Beklagte nicht ergriffen. Der Abstand zwischen seiner Wohnung und dem Konsulatsgebäude sei zu gering, um bei terroristischen Angriffen ausreichend Schutz zu gewähren. Fraglich sei auch, wie der nicht übersteigbare Zaun ausgestaltet werden solle. Auch auf die entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze vorgesehene abschirmende Begrünung (mit standortgerechten großkronigen Laubbäumen und Sträuchern) sei verzichtet worden. Im genehmigten Lageplan sei auch keine Zufahrtsmöglichkeit zu den Stellplätzen innerhalb des Sicherheitszaunes vorgesehen. Auch der Vorbehalt weiterer unbestimmter Anforderungen, die sich aus sicherheitlichen Belangen noch ergäben, sei nicht geeignet, ausreichend Schutz zu gewähren. An der Nähe des Konsulatsgebäudes zu seiner Wohnung könnten sämtliche (nachträgliche) Auflagen nichts ändern. Die Nutzung des benachbarten Gebäudes als türkisches Konsulat sei demnach als Bedrohung der öffentlichen Sicherheit u. a. der Nachbarschaft, zu der er gehöre, anzusehen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 25. Juli 2005 - 3 K 3540/04 - zu ändern und die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Beklagten vom 27. Januar 2004 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 24. September 2004 aufzuheben.

Die Beklage beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und verweist auf die im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ergangenen Entscheidungen.

Dem Senat liegen die Akten der Beklagten und des Regierungspräsidiums Karlsruhe vor. Hierauf sowie auf die Gerichtsakten des Eilverfahrens, des Klageverfahrens und des Berufungsverfahrens wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht gemäß § 124 Abs. 1 VwGO statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere fristgerecht begründete (§ 124a Abs. 3 Satz 1 und 2 VwGO) Berufung hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Beklagten vom 27.01.2004 und der bestätigende Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 24.09.2004 verletzen den Kläger nicht in seinen (Nachbar-)Rechten.

Bereits in seinem im vorläufigen Rechtsschutzverfahren eines weiteren Mitglieds der Eigentümergemeinschaft, der auch der Kläger angehört, ergangenen Beschluss vom 22.06.2004 - 5 S 1263/04 - hat der Senat die Auffassung vertreten, dass gegen die angefochtene Baugenehmigung vom 27.01.2004 zur Umnutzung des bisherigen (Post-)Betriebsgebäudes in ein türkischen Konsulat weder planungsrechtlich im Rahmen der erteilten Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB und des Rücksichtnahmegebots nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO noch bauordnungsrechtlich über § 3 Abs. 1 Satz 1 LBO erfolgreich eingewendet werden könne, dass die Gefahr terroristischer Anschläge bestehe. Hierzu hat der Senat ausgeführt:

"In planungsrechtlicher Hinsicht macht die Antragstellerin gegenüber der nach dem maßgeblichen Bebauungsplan "Nutzungsartfestsetzung" der Antragsgegnerin aus dem Jahr 1984 im Wege der Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB zugelassenen Nutzung geltend, dass die Gefahr von Terroranschlägen sowohl bei den nachbarlichen Interessen im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung nicht hinreichend berücksichtigt worden sei als auch einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO begründe. Dem hat das Verwaltungsgericht entgegengehalten, dass unter beiden rechtlichen Aspekten nur solche Störungen/Beeinträchtigungen beachtlich seien, die typischerweise bei der bestimmungsgemäßen Nutzung des genehmigten Vorhaben aufträten und von bodenrechtlicher Relevanz bzw. nach planungsrechtlichen Grundsätzen abwägungserheblich seien, was bei den befürchteten Terroranschlägen nicht der Fall sei. Dem folgt der Senat bei summarischer Prüfung (vgl. auch VG Berlin, Urt. v. 20.05.1999 - 13 A 245/98 - LKV 1999, 412). Das Beschwerdevorbringen der Antragstellerin rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Fehl geht zunächst deren Hinweis auf § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BauGB, wonach bei der Aufstellung der Bauleitpläne u. a. die "Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung" zu berücksichtigen ist. Zwar sollen damit solche Sachverhalte planerisch ausgeschlossen werden, die latent zu Unfällen neigen, d. h. plötzlich in eine drohende Gefahrenlage umschlagen oder den Schaden sofort eintreten lassen können. Es sollen also Gefahrenlagen vermieden werden, die aus zwei auf engem Raum kollidierenden Nutzungsarten folgen (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, RdNr. 119 zu § 1). Es muss sich um ein Sicherheitsrisiko handeln, das - wenn auch latent und trotz Einhaltung der gebotenen Sicherheitsstandards - in der bestimmungsgemäßen Nutzung des Vorhabens angelegt ist, wie dies etwa bei einem explosionsanfälligen Betrieb der Fall ist, der deshalb durch einen hinreichenden Abstand von einer Wohn- oder sonstigen schützenswerten Nutzung fernzuhalten ist. Dies in den Blick nehmend hat der beschließende Gerichtshof in der von der Antragstellerin zitierten Entscheidung vom 27.02.1974 - II 1346/72 - (BRS 28 Nr. 7) einen Bebauungsplan für ein reines Wohngebiet mit zehn- bzw. elfgeschossiger Bebauung für nichtig erklärt, weil der Gemeinderat ein ca. 900 m entfernt gelegenes Munitionslager bei der Abwägung nicht bedacht hatte. Mit einem solchermaßen nutzungsimmanenten - und damit bodenrechtlich relevanten - Gefährdungspotential ist die Gefahr terroristischer Anschläge (durch Dritte) auf ein türkisches Konsulat nicht vergleichbar. Auch die in § 136 Abs. 3 Nr.1 BauGB aufgelisteten Tatbestände zeigen, dass Einwirkungen der befürchteten Art (durch Dritte) nicht zu den städtebaulichen Merkmalen gehören, die der Gesetzgeber als für die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung relevant ansieht.

Die in der Baugenehmigung vom 27.01.2004 vorgesehenen "Sicherungsmaßnahmen", insbesondere die Errichtung eines 2,50 m hohen Zaunes, rechtfertigen im vorliegenden Zusammenhang aber gleichwohl nicht die Annahme, dass auch die Gefahr terroristischer Anschläge ein dem genehmigten Vorhaben zurechenbares "Störpotential" darstelle, dem städtebaulich zu begegnen wäre bzw. begegnet werden könnte. Allerdings hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (vgl. Beschl. v. 26.06.1997 - 2 ZS 97.905 - NVwZ-RR 1998, 619) die Auffassung vertreten, dass eine konsularische Nutzung mit der Gefahr von Demonstrationen und Anschlägen auch ein gewisses Störpotential berge, das Maßnahmen zur Sicherung des Gebäudes notwendig machen könne, dass derartige Störungen jedoch typischerweise nicht ein Ausmaß erreichten, das zu einer unzumutbaren Belästigung für die Nachbarschaft führen würde. Soweit damit die bodenrechtliche Qualität der Gefahr terroristischer Anschläge dem Grunde nach bejaht worden sein sollte, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Die Gefahr von Terroranschlägen ist kein Nutzungskonflikt, der mit dem genehmigten türkischen Konsulat im Verhältnis zur angrenzenden Wohnanlage mit der Wohnung der Antragstellerin ausgelöst und deshalb vom Ermessensprogramm bei der Ausnahmeerteilung nach § 31 Abs. 1 BauGB erfasst würde. Die von der Antragstellerin hervorgehobene "geringe Entfernung" zu ihrer Wohnung, bei der sich die befürchteten Gefahren viel eher realisierten und die einen wirksamen Schutz vor Terroranschlägen durch polizei- bzw. ordnungsrechtliche Maßnahmen unmöglich mache - erforderlich wäre eine Vergrößerung des Abstands -, rechtfertigt es ebenfalls nicht, zur "Kompensation" der vermeintlichen Unzulänglichkeit polizei- bzw. ordnungsrechtlicher Mittel die bodenrechtliche Relevanz der befürchteten Terrorgefahr zu bejahen. Abgesehen davon dürfte es auch keine Maßstäbe für eine "Trennung" der umstrittenen konsularischen Nutzung von der Wohnnutzung der Antragstellerin geben, um dieser aus städtebaulicher Sicht hinreichenden Schutz zu gewähren.

Für eine bodenrechtliche Einordnung des befürchteten Gefährdungspotentials kann sich die Antragstellerin auch nicht auf die (polizeirechtliche) Figur des sogenannten Zweckveranlassers berufen. Weder bezweckt noch billigt die Beigeladene mit der (Um-)Nutzung des betreffenden Gebäudes als türkisches Konsulat ein - in Form terroristischer Anschläge - polizeiwidriges Verhalten Dritter noch tritt ein solches als Folge der (Um-)Nutzung zwangsläufig ein (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 29.05.1995 - 1 S 442/95 - NVwZ-RR 1995, 663). Auch der zugrunde liegende Gedanke" führt - entgegen der Meinung der Antragstellerin - nicht zur Ermessensrelevanz der befürchteten Gefahr, weder grundsätzlich noch im Hinblick darauf, dass seit dem 11. September 2001 von einer gesteigerten Bedrohung diplomatischer Vertretungen und von einer "anderen Qualität" der Bedrohung, nämlich einer Gefahr für Leib und Leben, auszugehen sei. Diese die "Größenordnung" der Gefahr terroristischer Anschläge betreffenden Umstände ändern nichts an der fehlenden bodenrechtlichen Relevanz des befürchteten Gefährdungspotentials.

Aus dem gleichen Grund spielen die Befürchtungen der Antragstellerin auch bei der im Rahmen des Rücksichtnahmegebots nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO vorzunehmenden Interessenabwägung keine Rolle, so dass auch über diese Regelung kein Nachbarschutz zu Gunsten der Antragstellerin begründet werden kann.

In bauordnungsrechtlicher Hinsicht kann sich die Antragstellerin nicht auf § 3 Abs. 1 Satz 1 LBO berufen. Danach sind bauliche Anlagen - sowie Grundstücke, andere Anlagen und Einrichtungen i. S. von § 1 Abs. 1 Satz 2 LBO - so anzuordnen und zu errichten, dass die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, insbesondere Leben, Gesundheit oder die natürlichen Lebensgrundlagen, nicht bedroht werden und dass sie ihrem Zweck entsprechend ohne Missstände benutzbar sind. Als Grundnorm des Bauordnungsrechts stellt § 3 Abs. 1 Satz 1 LBO die allgemeinen und grundsätzlichen Anforderungen auf, die bauliche Anlagen erfüllen müssen. Das Verwaltungsgericht weist zutreffend darauf hin, dass die Vorschrift dem Schutz vor von der baulichen Anlage selbst ausgehenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung - dazu zählen insbesondere auch Leben und Gesundheit - dient, wobei sowohl auf den Baukörper als solchen wie auch auf die Bausubstanz in der ihr zugedachten Funktion abzustellen ist. Dass bei bestimmungsgemäßer Nutzung des Gebäudes als türkisches Konsulat keine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung droht, räumt die Antragstellerin selbst ein. Sie will aber auch in diesem Zusammenhang über die (polizeirechtliche) Figur des sogenannten Zweckveranlassers eine Zurechnung der befürchteten Gefahr vor Terroranschlägen zum genehmigten Vorhaben erreichen. Dieser Versuch muss aber im Bereich des § 3 Abs. 1 Satz 1 LBO (mindestens) genauso scheitern wie auf planungsrechtlicher Ebene im Rahmen der Erteilung einer Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB und im Rahmen des Rücksichtnahmegebots nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO. Im Übrigen setzt eine Bedrohung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung i. S. von § 3 Abs. 1 Satz 1 LBO eine konkrete Gefahr für diese Schutzgüter voraus (vgl. Sauter, Landesbauordnung für Baden-Württemberg , 3. Aufl., RdNr. 13 zu § 3). Insoweit hat die Antragstellerin im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 22.04.2004 aber selbst nur von einer "abstrakten Gefährdungslage" gesprochen, die durch die Ansiedlung des türkischen Konsulats in unmittelbarer Nachbarschaft zu ihrer Wohnung entstehe."

Hieran hält der Senat fest. Mit Blick auf das Berufungsvorbringen wird ergänzend angemerkt:

Dem Kläger mag einzuräumen sein, dass aus der städtebauliche Sanierungsmaßnahmen betreffenden (Spezial-)Vorschrift des § 136 Abs. 3 Nr. 1 BauGB, welche die "Sicherheit der in dem Gebiet wohnenden Menschen" in den Blick nimmt, wohl keine allgemein gültige Einengung des Begriffs der "Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung" i. S. des § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BauGB a. F. (= § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB n. F.) hergeleitet werden kann. Dies rechtfertigt es jedoch (umgekehrt) nicht, das geltend gemachte Sicherheitsrisiko bei - besonders gefährdeten - Botschaften oder Konsulaten als ein städtebaulich relevantes Sicherheitsrisiko einzustufen.

Fehl geht in diesem Zusammenhang der weitere, in der mündlichen Verhandlung nochmals bekräftigte Einwand des Klägers, dass die Fixierung des städtebaulichen Sicherheitsbegriffs auf vorhaben- bzw. nutzungsimmanente Risiken und Gefahren weder zwingend noch angemessen sei; aus der Sicht des Nachbarn spiele die Quelle einer möglichen Gefährdung keine Rolle; bedeutsam sei insoweit allein, wie wahrscheinlich eine Gefährdung sei, komme sie nutzungsimmanent von innen oder durch Dritte veranlasst von außen; auf Grund der - gerade neueren - Entwicklung der Weltsicherheitslage sei eine gestiegene Gefahr terroristischer Anschläge zu prognostizieren. Denn aus der Beschreibung und Feststellung eines möglichen Gefährdungstatbestands der beschriebenen Art allein folgt nicht, dass das Konfliktlösungsprogramm dem Städtebaurecht zu entnehmen wäre. Dieses nimmt die räumliche Zuordnung (Gliederung und Trennung) widerstreitenden baulicher Nutzungen in den Blick. Es gewährt auch einem Bauherrn Ansprüche und Berechtigungen. Deren Zurückdrängung wegen möglicher Gefährdungen der Nachbarschaft ist städtebaulich nur gerechtfertigt, wenn das in Rede stehende Gefährdungspotential dem Bauherrn bzw. der von ihm zu verantwortenden baulichen Nutzung auch zugerechnet werden kann. Das ist zwar immer auch dann noch der Fall, wenn auch eine nicht bestimmungsgemäße Nutzung deshalb Gefahren für die Nachbarschaft auslösen kann, weil der Nutzung selbst ein - in der Regel beherrschbares - Gefährdungspotential inne wohnt. Dementsprechend hat der Senat die Privilegierung eines Gefahrstofflagers der Bundeswehr im Außenbereich nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 Alt. 3 BauGB a. F. wegen der besonderen Zweckbestimmung des Vorhabens bejaht: Die Eigenschaft als Vorhaben der Landesverteidigung und die Funktion als nicht unwesentlicher Teil des militärischen Apparats begründeten eine gegenüber zivilen Objekten herausgehobene Gefahr von Sabotageakten wie auch von militärischen Angriffen; die Wahl des Standorts solcher Einrichtungen im Außenbereich weit ab oder jedenfalls nur am Rande von Siedlungsflächen verringere die Gefahr für die Zivilbevölkerung, durch gezielte Angriff auf solche militärische Einrichtungen in Mitleidenschaft gezogen zu werden (vgl. Senatsurt. v. 19.12.1997 - 5 S 2735/95 -). Ein solchermaßen zurechenbares Gefährdungspotential weist die hier umstrittene Nutzung als (türkisches) Konsulat nicht auf. Entsprechend hat der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung zutreffend darauf hingewiesen, dass bei einer bisherigen Nutzung des Gebäudes der Beigeladenen nicht zu Betriebs-, sondern zu Verwaltungszwecken die Unterbringung des (türkischen) Konsulats keine städtebaulich relevante Nutzungsänderung i. S. des § 29 Abs. 1 BauGB gewesen wäre, die in einem Baugenehmigungsverfahren einer planungsrechtlichen Beurteilung hätte zugeführt werden müssen. Insoweit genügt zur Begründung einer städtebaulichen Relevanz nicht allein der Hinweis, dass die Nutzung des Gebäudes als (türkisches) Konsulat die Ursache ("causa") für die befürchteten - sich immer mehr konkretisierenden - Gefährdungen sei. Deren fehlende städtebauliche Relevanz kann auch nicht mit dem Hinweis auf die geringe Entfernung der dem Kläger gehörenden Wohnung zum Konsulatsgebäude überspielt werden. Umgekehrt würde im vorliegenden Zusammenhang eine Schutzwürdigkeit des Klägers nicht dadurch gemindert, dass die Wohnungseigentumsanlage in einem als Gewerbegebiet ausgewiesenen Straßengeviert liegt, wie auch eine benachbarte gewerbliche Nutzung (unter Umständen mit Betriebsleiterwohnung) bei unterstellter städtebaulicher Relevanz des in Rede stehenden Gefährdungspotential nicht weniger schutzwürdig sein dürfte.

Danach bedarf keiner Erörterung, wo - sowohl bei der Würdigung nachbarlicher Interessen im Rahmen des § 31 Abs. 1 BauGB wie auch im Rahmen des Rücksichtnahmegebots nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO - die Schwelle für eine konkrete - und damit beachtliche - Gefahr der befürchteten Art anzusiedeln ist, um Situationen nur potentieller Gefährdungen auszuschließen. Anhaltspunkte hierfür dürften allerdings schwerlich sein, ob sich Anschläge im Hinblick auf Botschaften bzw. Konsulate des in Rede stehenden Staates bereits in anderen Ländern ereignet haben oder welches Ausmaß die Sicherheitsmaßnahmen haben, welche die Botschaft bzw. das Konsulat von sich aus ergreift und wodurch die eigene Gefährdungslage unterstrichen wird (so aber Wittinger in DVBl. 2006, 17). Weder die städtebauliche Relevanz dem Grunde nach noch eine Nachbarrechtswidrigkeit im konkreten Fall können von der Einschätzung der jeweiligen (wechselnden) Sicherheitslage abhängig sein.

Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf sein Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG berufen, wonach jeder das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit hat. Dieses höchstpersönliche Rechtsgut schützt den Nachbarn in nicht geringerem Maße als das durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentum vor nachteiligen Auswirkungen behördlich gestatteter Vorhaben in seiner Umgebung (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.05.1989 - 4 C 1.88 - BVerwGE 82, 61 = NVwZ 1989, 1163). Es kann dahinstehen, ob eine verwaltungsrechtliche Erlaubnis - wie die angefochtene Baugenehmigung - der öffentlichen Gewalt als Grundrechtseingriff zuzurechnen ist mit der Folge, dass Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG in seiner Eigenschaft als Abwehrrecht greift, oder ob das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit in seiner Schutzpflichtendimension betroffen zu sehen ist (vgl. Maunz/di Fabio, GG-Kommentar, Bd. 1, RdNr. 67 zu Art. 2). Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG normiert über Abwehrrechte hinaus objektiv-rechtliche Handlungsgebote an den Staat und seine Organe, das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit zu schützen und zu fördern. Insoweit folgen aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG staatliche Schutzpflichten. Die Schutzpflicht für das Leben gilt "umfassend", folglich auch für Konstellationen, in denen nicht unmittelbar der Staat, sondern Dritte die Lebensgefahren geschaffen haben - selbst für Naturkatastrophen, soweit deren Folgen durch staatliches Handeln präventiv beeinflusst werden können (vgl. Dreier/Schulze-Fielitz, Kommentar zum GG, RdNr. 76 zu Art. 2 m.w.N.). Die Schutzpflicht gilt auch für die körperliche Unversehrtheit. Bei der Erfüllung dieser grundrechtlichen Schutzpflichten kommt aber sowohl dem Gesetzgeber als auch der vollziehenden Gewalt ein weiterer Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu, der auch Raum lässt, konkurrierende öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen und der gerichtlich nur in begrenztem Umfang überprüfbar ist. Der mit einer staatlichen Schutzpflicht verbundene grundrechtliche Anspruch ist daher im Hinblick auf diese Gestaltungsfreiheit regelmäßig nur darauf gerichtet, dass die öffentliche Gewalt mögliche Vorkehrungen zum Schutz des betroffenen Grundrechts trifft, die nicht gänzlich ungeeignet und völlig unzulänglich sind. Nur unter ganz besonderen Umständen kann sich diese Gestaltungsfreiheit bei wesentlichen Eingriffen in Grundrechtsgüter in der Weise verengen, dass allein durch eine bestimmte Maßnahme der Schutzpflicht Genüge getan wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 28.02.2002 - 1 BvR 1676/01 - NJW 2002,1638 = DVBl. 2002, 614 sowie BVerwG, Beschl. v. 19.01.1996 - 11 B 90.95 - NJW 1996, 1297 = DVBl. 1996, 563 m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts).

Auch wenn bestimmte potentiell gefährliche Anlagen bzw. Situationen grundsätzlich die Schutzpflicht des Staates auslösen können, ist damit noch nicht gesagt, ab welchem Grad der Gefährdung - und mit welchem konkreten Inhalt - diese Schutzpflicht aktualisiert wird. Zwar ist auch die Vorsorge gegen Gefahren geboten, vor allem dann, wenn es um irreversible, flächendeckende oder sehr intensive Schadensmöglichkeiten geht. Es bedarf aber insofern besonderer Umstände, um aus einem nicht bereits gefahrträchtigen Risiko, einer Ungewissheit oder einer bloßen Besorgnis heraus eine - irgendwie geartete - Schutzpflicht anzuerkennen. Bei nicht unerheblichen, wissenschaftlich darstellbaren Risiken für hochrangige Rechtsgüter der Allgemeinheit liegt es näher, eine Schutzpflicht zu begründen als bei noch unspezifischen Besorgnissen im Hinblick auf eine Erhöhung des allgemeinen Lebensrisikos. Die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts werden nicht nur dann abgesenkt, wenn der Staat durch eine verwaltungsrechtliche Genehmigung der potentiell gefährlichen Anlage gleichsam eine Art Garantenstellung übernommen hat, sondern auch und gerade dann, wenn die Gefährdung einer Vielzahl von Menschen und die Ranghöhe der in Betracht kommenden Grundrechte dies gebieten (vgl. Maunz/di Fabio, a.a.O., RdNr. 90 und 91 zu Art. 2). Vorliegend ist jedoch zum einen (erneut) festzuhalten, dass es sich bei dem genehmigten Vorhaben nicht um eine nutzungsimmanent potentiell gefährliche Anlage handelt; insoweit kann im Rahmen von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht anderes gelten als im Rahmen des das Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG konkretisierenden Planungsrechts. Zum anderen ist mit den befürchteten terroristischen Anschlägen noch keine über eine unspezifische Besorgnis hinausgehende Gefährdungslage gegeben, die zudem als einzig mögliche Reaktion zur Erfüllung einer staatlichen Schutzpflicht gegenüber dem Kläger (als Nachbarn der umstrittenen konsularischen Nutzung) die Ablehnung der Baugenehmigung durch die Beklagte bzw. in einem nachfolgenden Nachbarrechtsstreit deren Aufhebung durch das Gericht erforderte. Eine derartige Verdichtung einer aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG abzuleitenden Schutzpflicht des Staates ist - entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Ansicht des Klägers - nicht schon aus Gründen des "Lückenschlusses" zu bejahen, wenn das Baurecht keinen Ansatz für einen Nachbarschutz bietet und die Mittel des Polizeirechts zum Schutz vor der befürchteten Gefahr für unzureichend gehalten werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der ständigen Praxis der Bausenate, die außergerichtlichen Kosten des notwendig beigeladenen Bauherrn, auch wenn dieser keinen Antrag gestellt hat, dem unterlegenen Nachbarn aufzubürden.

Mit Blick auf die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 26.06.1997 - 2 ZS 97.905 - ( a.a.O.) ist die Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

Beschluss

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß §§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 GKG auf 7.500,-- EUR festgesetzt (vgl. auch Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, Fassung 2004).

Der Beschuss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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