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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 11.04.2003
Aktenzeichen: 5 S 2299/01
Rechtsgebiete: VwGO, NatSchG


Vorschriften:

VwGO § 43 Abs. 1
VwGO § 47 Abs. 1
NatSchG § 22 Abs. 1 Nr. 3
NatSchG § 60 Abs. 2 Satz 1
NatSchG § 60 Abs. 2 Satz 2
NatSchG § 60 Abs. 3
1. Zur Weiterführung eines Normenkontrollverfahrens nach Außerkrafttreten der angegriffenen Rechtsvorschrift (hier: zeitlich befristete naturschutzrechtliche Sicherstellungsverordnung).

2. Zum Erfordernis der Schutzwürdigkeit eines einstweilig sichergestellten Landschaftsteils (hier: Teilbereich der Moränenlandschaft des Wurzacher Beckens).

3. Einer einstweiligen Sicherstellung nach § 60 Abs. 2 Satz 1 NatSchG kann im Regelfall nicht der Einwand einer unzulässigen "Verhinderungsplanung" entgegen gehalten werden.

4. Ein Verstoß des Normgebers gegen die Verpflichtung aus § 60 Abs. 3 NatSchG zur Aufhebung einer Sicherstellungsverordnung kann nicht im Wege der verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle nach § 47 Abs. 1 VwGO geltend gemacht werden.

5. Zu den Voraussetzungen für den Erlass einer Verlängerung der Sicherstellungsverordnung nach § 60 Abs. 2 Satz 2 NatSchG.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

5 S 2299/01

In der Normenkontrollsache

wegen

Verordnung über die einstweilige Sicherstellung des Landschaftsschutzgebietes " Langholz"

hat der 5. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Lutz und die Richter am Verwaltungsgerichtshof Schefzik, Albers, Schenk und Rieger auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 10. April 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Der Antrag wird abgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Antragstellerin wendet sich gegen die - inzwischen außer Kraft getretene - Verordnung des Landratsamts Ravensburg über die einstweilige Sicherstellung des Landschaftsschutzgebiets "Langholz" vom 08.10.1999 (künftig: Sicherstellungsverordnung).

Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks Flst.Nr. 44/2 auf Gemarkung Dietmanns der Stadt Bad Wurzach. Das im Außenbereich gelegene Grundstück wird intensiv landwirtschaftlich als Grünland und für den Maisanbau genutzt. Es wird im Süden von der von Dietmanns in Richtung Osten nach Rupprechts führenden K 7922 und im Westen vom "Schachenwald" begrenzt; nach Norden und Osten schließen sich weitere landwirtschaftlich genutzte Flächen an. Westlich der Ortslage von Dietmanns beginnt das als Naturschutzgebiet ausgewiesene und mit einem Europa-Diplom versehene "Wurzacher Ried", das sich nach Südwesten fortsetzt. Unter dem Grundstück der Antragstellerin lagern umfangreiche Kiesvorkommen, die vom Geologischen Landesamt in der Lagerstättenpotentialkarte vom 15.06.1998 als abbauwürdig eingestuft sind.

Nach Zurücknahme eines ersten ca. 19 ha betreffenden Abbaugesuchs im Jahre 1997 beantragte die Antragstellerin am 01.09.1999 unter Vorlage eines umfassenden Rekultivierungskonzepts die Erteilung einer bau- und naturschutzrechtlichen Genehmigung für den Abbau von Kies auf einer Fläche von ca. 8 ha mit einem Volumen von ca. 1.200.000 m³ (Abbauzeit ca. 14 Jahre). Im Zusammenhang mit diesem - zu verhindernden - Abbauvorhaben und mit Empfehlungen des Europarates zur Verlängerung des Europa-Diploms für das "Wurzacher Ried" im Jahre 1999 kam es zu Überlegungen hinsichtlich der Ausweisung eines Landschaftsschutzgebiets "Wurzacher Becken". Mit Schreiben vom 14.09.1999 an das Landratsamt Ravensburg unterbreitete Dipl.-Biologe L.-E. Abgrenzungsvorschläge für eine "kleine Lösung" wie auch für eine - von der Behörde favorisierte - "große Lösung", in der auch der Landschaftsteil mit dem Grundstück der Antragstellerin enthalten war; ferner entwickelte er einen "Zielkatalog" für eine Sicherstellungsverordnung u.a. mit dem Ziel der Erhaltung des ungestörten quartärgeologischen Formenschatzes in der Umgebung des "Wurzacher Rieds", der seine Entstehungsgeschichte dokumentiert. Nachdem der erste Entwurf einer Sicherstellungsverordnung für das Landschaftsschutzgebiet "Wurzacher Becken" vom 01.10.1999 noch eine Fläche von ca. 13.000 ha umfasste, erließ das Landratsamt Ravensburg am 08.10.1999 für einen nur noch ca. 840 ha großen, auch das Grundstück der Antragstellerin umfassenden Bereich die umstrittene Sicherstellungsverordnung, die am 16.10.1999 öffentlich bekannt gemacht wurde. Schutzzweck sind nach deren § 3 der Erhalt des quartärgeologischen Formenschatzes nordöstlich des "Wurzacher Rieds" (Nr. 1) sowie der Erhalt der Sichtbeziehung rund um das Naturschutzgebiet "Wurzacher Ried" (Nr. 2); der Erlaubnis bedürfen nach § 5 Abs. 2 Nr. 4 Abbau, Entnahme oder Einbringen u.a. von Kies oder die Veränderung der Bodengestalt auf andere Weise.

Mit Bescheid vom 21.03.2000 lehnte das Landratsamt Ravensburg die beantragte Kiesabbaugenehmigung ab, weil das Vorhaben einen nach § 11 NatSchG unzulässigen Eingriff in Natur und Landschaft darstelle, nicht mit den schutzbedürftigen Bereichen für den Abbau oberflächennaher Rohstoffe und den Bereichen zur Sicherung von Rohstoffvorkommen nach dem Regionalplan Bodensee-Oberschwaben 1996 übereinstimme und auch dem Schutzzweck der inzwischen in Kraft getretenen Sicherstellungsverordnung widerspreche, mit der auch den Empfehlungen des Europarats für eine Verlängerung des Europa-Diploms für das "Wurzacher Ried" Rechnung getragen werden solle. Hiergegen legte die Antragstellerin unter Hinweis auf den Privilegierungstatbestand des § 35 Abs. 1 BauGB Widerspruch ein.

Mitte des Jahres 2000 erstellte Dipl.-Biologe L.-E. eine Würdigung für das Landschaftsschutzgebiet "Moränenlandschaft des Wurzacher Beckens" auf den Gemarkungen der Städte/Gemeinden Bad Wurzach, Bad Waldsee, Wolf-egg und Leutkirch. Mit Schreiben vom 29.06.2000 lud das Landratsamt Ravensburg die genannten Kommunen sowie die Kreisbauernverbände Ravensburg und Leutkirch zu einer Informationsveranstaltung am 14.09.2000, auf der die geplante Schutzgebietsausweisung und die zugrunde liegende fachliche Würdigung vorgestellt und die Bildung einer Arbeitsgruppe beschlossen wurden.

Am 19.10.2000 fand eine Informationsveranstaltung für die Obmänner der Ortsvereine des Bauernverbands der vier betroffenen Kommunen statt. In der Folgezeit kam es zu mehreren Sitzungen der eingesetzten Arbeitsgruppe, beginnend am 14.12.2000. Der Verordnungsentwurf wurde wiederholt im Hinblick auf die Belange der Landwirtschaft und die Grenzziehung in Abgleich mit dem Flächennutzungsplan geändert. Am 23.01.2001 fand eine Besprechung mit der Antragstellerin über deren Kiesabbauvorhaben statt. Mit gesonderten Schreiben des Landratsamts Ravensburg vom 05.06.2001 wurden einerseits die Träger öffentlicher Belange, darunter auch die Naturschutzbeauftragten, die höhere Naturschutzbehörde, der BUND sowie die Staatlichen Forstämter, und andererseits der Bauernverband Wangen, die Ämter für Landwirtschaft, Landschafts- und Bodenkultur Leutkirch und Ravensburg, der Kreisbauernverband und der Landesbauernverband - diese nochmals - zum geplanten Landschaftsschutzgebiet "Moränenlandschaft des Wurzacher Beckens" angehört. Mit weiterem Schreiben vom 06.06.2001 erhielten auch die vier betroffenen Kommunen nochmals Gelegenheit zur Äußerung.

Mit Schreiben vom 26.07.2001 bzw. 27.07.2001 begrüßten der BUND bzw. der Landesnaturschutzverband die geplante Unterschutzstellung. Innerhalb der bis 15.10.2001 verlängerten Äußerungsfrist gingen zahlreiche Stellungnahmen der beteiligten Träger öffentlicher Belange ein. Mit Schreiben vom 02.10.2001 stimmte die Stadt Bad Waldsee unter näher beschriebenen Maßgaben der geplanten Schutzgebietsausweisung zu. Die Stadt Bad Wurzach teilte mit Schreiben vom 18.10.2001 mit, dass der Gemeinderat dem geplanten Landschaftsschutzgebiet u.a. wegen einer befürchteten Beeinträchtigung der gemeindlichen Entwicklungsmöglichkeiten nicht zugestimmt habe.

Unter dem 17.09.2001 erließ das Landratsamt Ravensburg die Verordnung zur Verlängerung der Verordnung zur einstweiligen Sicherstellung des Landschaftsschutzgebiets "Langholz" vom 08.10.1999 um ein Jahr. Diese wurde im Amtsblatt der Stadt Bad Wurzach vom 06.10.2001 öffentlich bekannt gemacht.

Mit Bescheid vom 26.09.2001 wies das Regierungspräsidium Tübingen den Widerspruch der Antragstellerin gegen die Ablehnung der beantragten bau-und naturschutzrechtlichen Genehmigung zurück: Das (privilegierte) Abbauvorhaben sei nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB unzulässig, da ihm Belange des Natur- und Landschaftsschutzes, zu denen auch die Sicherstellungsverordnung gehöre, entgegenstünden; in die hierdurch geschützten Landschaftsformen würde der geplante Kiesabbau irreparabel eingreifen; die betreffende Schotterfläche zwischen den Moränenwällen (Doppel-Endmorä-nen) gehörten zum zu schützenden quartärgeologischen Formenschatz nordöstlich des "Wurzacher Rieds"; das Abbauvorhaben stelle auch einen unzulässigen Eingriff im Sinne der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung dar. Über die hiergegen von der Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Sigmaringen erhobene Verpflichtungsklage (Az: 4 K 1586/01) ist bisher nicht entschieden.

Am 16.10.2001 hat die Antragstellerin das Normenkontrollverfahren eingeleitet. Sie beantragt nunmehr,

festzustellen, dass die Verordnung des Landratsamts Ravensburg über die einstweilige Sicherstellung des Landschaftsschutzgebiets "Langholz" vom 08. Oktober 1999 nichtig war,

hilfsweise festzustellen, dass die genannte Verordnung am 16. Oktober 2000 außer Kraft getreten ist bzw. nach dem 16. Oktober 2000 nichtig war,

hilfsweise festzustellen, dass die Verordnung des Landratsamts Ravensburg vom 17. September 2001 über die Verlängerung der genannten Sicherstellungsverordnung nichtig war.

Sie macht geltend: Auch nach Außerkrafttreten der Sicherstellungsverordnung am 16.10.2002 sei der Normenkontrollantrag zulässig (geblieben). Ihre normbedingte subjektive Rechtsverletzung i. S. des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO sei bereits in der Vergangenheit eingetreten und dauere noch an, da die Ablehnung der beantragten Kiesabbaugenehmigung allein auf die Sicherstellungsverordnung gestützt gewesen sei. Selbst wenn sie mit ihrem gerichtlichen Verpflichtungsbegehren Erfolg haben sollte, werde sie jedenfalls für den Verzögerungszeitraum Amtshaftungsansprüche geltend machen. Deren Vorbereitung diene die begehrte Feststellung. Die Sicherstellungsverordnung sei von Anfang an nichtig gewesen, da es sich mit Blick auf den von ihr beabsichtigten Kiesabbau um eine ausschließliche Verhinderungsplanung gehandelt habe und die Schutzwürdigkeit des Gebiets nicht gegeben gewesen sei. Die Einbeziehung auch des Bereichs "Langholz" in das geplante Landschafts-schutzgebiet sei ausgehend vom Schutzzweck nicht erforderlich gewesen. Die Eigenart der schützenswerten Formation des "Wurzacher Beckens" ende an dessen Rand, d.h. auf dem Kamm der ersten das Becken umgebenden Hügel-und Moränenkette. Im Nordosten und Norden verlaufe diese auf Gemarkung Dietmanns in etwa an der Oberkante des zweiten der insgesamt drei Moränenwälle. Das nördlich hiervon liegende "Langholz" sei deshalb topografisch-geomorphologisch nicht mehr Bestandteil des Beckens. Auch die Sichtbeziehungen rund um das "Wurzacher Becken" erfassten nicht (mehr) das "Langholz", insbesondere nicht (mehr) den Bereich des geplanten Kiesabbaus. Die Ebene zwischen Dietmanns und Rupprechts stelle sich insgesamt als leichte Senke dar, die vom "Wurzacher Ried" aus nicht (mehr) einsehbar sei. Das "Langholz" sei als ebenes landwirtschaftlich genutztes Gelände weder eigenartig noch vielfältig noch schön i. S. des § 22 Abs. 1 Nr. 3 NatSchG. Hierfür komme es auf den durchschnittlichen Beobachter an und nicht auf einen Biologen oder Geologen, der die Landschaft mit seinen spezifischen Kenntnissen interpretiere und hierbei ihre Entstehungsgeschichte miteinbeziehe. Die Sicherstellungsverordnung sei auch deshalb von Anfang an nichtig gewesen, weil es bei ihrem Erlass - mangels Schutzwürdigkeit - an einer vorläufigen (fachlichen) Würdigung gefehlt habe. Das Schreiben des Gutachters L.-E. vom 14.09.1999 zeige lediglich den möglichen Geltungsbereich eines Landschaftsschutzgebiets auf. Selbst der ca. ein Jahr später vorgelegte Entwurf einer ausführlichen Würdigung gehe auf den Bereich "Langholz" nicht ein. Aus der als Alternative vorgeschlagenen "kleinen Lösung" ohne das "Langholz" lasse sich der Umkehrschluss ableiten, dass eine Unterschutzstellung des peripheren Gebiets zum damaligen Zeitpunkt nicht begründbar gewesen sei. Dies werde auch durch das spätere "Nachgeben" des Landratsamts Ravensburg durch Herausnahme peripherer Bereiche aus dem geplanten Landschaftsschutzgebiet belegt. Einziger Grund für die Einbeziehung des "Langholzes" sei die Verhinderung ihres Kiesabbauvorhabens gewesen. Jedenfalls sei die Sicherstellungsverordnung formell rechtswidrig gewesen, weil sie gemäß § 60 Abs. 3 NatSchG mangels rechtzeitiger Einleitung der Öffentlichkeitsbeteiligung spätestens nach einem Jahr hätte aufgehoben werden müssen. Insbesondere genüge die Informationsveranstaltung vom 14.09.2000 nicht den Voraussetzungen des § 59 Abs. 1 NatSchG, wonach der Verordnungsentwurf den berührten Behörden, öffentlichen Planungsträgern und den Gemeinden sowie den betroffenen land- und forstwirtschaftlichen Berufsvertretungen zur Stellungnahme zuzuleiten sei. Denn an der Informationsveranstaltung vom 14.09.2000 seien lediglich die Vertreter der vier betroffenen Kommunen und der landwirtschaftlichen Verbände beteiligt gewesen, wobei auch noch unzureichendes Material vorgelegen habe. Auch der spätere behördliche Schriftverkehr belege, dass das Landratsamt Ravensburg den Unterschied zwischen informellen (politischen) Vorgesprächen und einer förmlichen Verfahrenseinleitung nach § 59 NatSchG zu spät erkannt habe. Mit Schreiben vom 05.06.2001 seien eine Reihe von Trägern öffentlicher Belange selbst nach Auffassung des Landratsamts Ravensburg erstmals nach § 59 Abs. 1 NatSchG angehört worden. Im Übrigen sei unstreitig die öffentliche Auslegung des Verordnungsentwurfs nach § 59 Abs. 2 NatSchG nicht innerhalb der Jahresfrist - und noch nicht einmal bis zum Außerkrafttreten der Sicherstellungsverordnung - erfolgt. § 60 Abs. 3 NatSchG verweise aber auf den gesamten § 59 NatSchG und damit auch auf das Verfahren nach Abs. 2, nicht nur auf das Verfahren nach Abs. 1. - Damit habe es auch an einer Si-cherstellungsverordnung gefehlt, die nach § 60 Abs. 2 Satz 2 NatSchG hätte verlängert werden können. Zudem seien nach dieser Vorschrift für eine Verlängerung besondere Umstände erforderlich, die hier nicht erkennbar seien. Insbesondere genügten insoweit politische Widerstände in der Region gegen eine Schutzgebietsausweisung nicht. Auch die Größe des geplanten Schutzgebiets sei nicht ungewöhnlich. Die Gründe für eine notwendige Verlängerung lägen vielmehr in der fehlenden (fachlichen) Vorarbeit und in der unstrukturierten Verfahrensführung seitens des Landratsamts Ravensburg. Die Einleitung des Verfahrens sei überstürzt nur zu dem Zweck erfolgt, ihr Kiesabbauvorhaben zu verhindern. Das Landratsamt Ravensburg habe deshalb auch die aufkommenden Widerstände gegen die geplante Schutzgebietsausweisung zu vertreten. Schließlich komme eine Verlängerung nur in Betracht, wenn nach dem Verfahrensstand das Unterschutzstellungsverfahren innerhalb eines weiteren Jahres abgeschlossen werden könne. Auch davon sei nicht auszugehen gewesen, wie die vielfachen Änderungen des Geltungsbereichs und der Schutzbestimmungen der geplanten Schutzgebietsverordnung zeigten.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Er erwidert: Der Hauptantrag und die Hilfsanträge seien bereits unzulässig, da die Sicherstellungsverordnung mittlerweile außer Kraft getreten sei. § 47 Abs. 1 VwGO gehe vom Regelfall einer noch gültigen Rechtsnorm aus. Die in der Rechtsprechung anerkannten Ausnahmen, wonach die Fortführung eines eingeleiteten Normenkontrollverfahrens bei berechtigtem Interesse zulässig sei, lägen hier nicht vor. Eine präjudizielle Wirkung des angestrebten Normenkontrollurteils sei nicht erkennbar. Allein durch das Bestehen der Sicherstellungsverordnung habe die Antragstellerin keinen Nachteil erlitten. Der angekündigte Amtshaftungsprozess rechtfertige keine andere Beurteilung. Die Ablehnung der beantragten Kiesabbaugenehmigung sei nicht ausschließlich und tragend mit der Sicherstellungsverordnung begründet gewesen. Die Antragstellerin habe auch nichts dafür vorgetragen, dass ein Amtshaftungsprozess nicht offensichtlich aussichtslos erschiene. - Die Sicherstellungsverordnung sei materiell rechtmäßig gewesen. In ein Schutzgebiet könnten auch Landschaftsteile einbezogen werden, die für sich betrachtet weniger wertvoll seien, aber im Gesamtzusammenhang mit dem Schutzzweck stünden. Die Formen rund um das "Wurzacher Becken" prägten nicht nur die Landschaft insgesamt, sondern bedingten auch eine besonders reichhaltige naturräumliche Ausstattung und Artenvielfalt. In diesem Bereich liege das Grundstück der Antragstellerin. Dabei werde nicht bestritten, dass auch Sekundärbiotope z.B. in alten Kiesgruben wertvolle Lebensräume darstellen könnten. Dem Schutzzweck des Landschaftsschutzgebiets liege insbesondere der Erhalt der geomorphologischen Formen des "Wurzacher Beckens" zugrunde. Insoweit stelle gerade auch die Fläche bei Dietmanns eine Besonderheit dar. Nur bei Erhalt dieser leichten Senke zwischen zwei Moränenrücken könne die Abfolge der eiszeitlichen Umformungen weiter in der Landschaft erkannt werden. Sichtbeziehungen gebe es zwar nicht zwischen dem "Wurzacher Ried" und dem Gelände der Antragstellerin, wohl aber zum gesamten Kies enthaltenden Bereich nördlich von Dietmanns. Für eine einstweilige Sicherstellung seien die Vorlage einer gutachterlichen Würdigung und eine abschließende Prüfung der Schutzwürdigkeit wie im eigentlichen Unterschutzstellungsverfahren (noch) nicht erforderlich. Die Behörde müsse sich lediglich über die Schutzwürdigkeit ein Bild gemacht haben. Insoweit lägen beim Landratsamt Ravensburg schon seit vielen Jahren Erkenntnisse über die Bedeutung des "Wurzacher Beckens" vor. Dessen Entstehungsgeschichte sei seit Anbeginn Diskussionsgegenstand mit dem Europarat anlässlich der Verleihung des Europa-Diploms für das "Wurzacher Ried" gewesen. Unschädlich sei, dass die einstweilige Sicherstellung nur einen Teil des geplanten gesamten Landschaftsschutzgebiets betreffe, nämlich den Bereich, dem wegen des Kiesabbauvorhabens der Antragstellerin besondere und aktuelle Gefahren drohten. - Es lägen auch keine Verfahrensfehler vor. § 60 Abs. 3 NatSchG verlange nicht den Abschluss des Unterschutzstellungsverfahrens innerhalb eines Jahres, sondern nur dessen Einleitung nach § 59 Abs. 1 NatSchG. Dies sei mit der Informationsveranstaltung vom 14.09.2000 ordnungsgemäß geschehen, zu der alle vier betroffenen Gemeinden und die landwirtschaftlichen Berufsvertreter geladen gewesen seien. Dabei seien die Beteiligten mittels Übergabe eines Verordnungsentwurfs und einer Übersichtskarte sowie durch Vorstellung der fachlichen Würdigung zum geplanten Landschaftsschutzgebiet informiert worden. Zudem seien eine Arbeitsgruppe gebildet und weitere Veranstaltungen durchgeführt worden. Bei Ausweisung großer Landschaftsschutzgebiete habe sich in den letzten Jahren eine solche Vorgehensweise besser bewährt als das Versenden von Verordnungsentwürfen und Karten. Im behördlichen Schriftwechsel, insbesondere mit dem Ministerium Ländlicher Raum, sei es ausschließlich um die Frage der - unstreitig nicht stattgefundenen - Bürgerbeteiligung im Rahmen der öffentlichen Auslegung nach § 59 Abs. 2 NatSchG gegangen, nie aber um den Verfahrensbeginn nach § 59 Abs. 1 NatSchG. Bei einem Landschaftsschutzgebiet der vorliegenden Größenordnung, das zudem mehrere Gemeinden betreffe, könne das Verfahren nur in enger Absprache mit den Kommunen erfolgen, da nur diese über ihre baulichen Entwicklungsvorstellungen Bescheid wüssten. Diese Abstimmung habe bei der Veranstaltung am 14.09.2000 stattgefunden. Das Unterschutzstellungsverfahren sei damit innerhalb der Jahresfrist des § 60 Abs. 3 NatSchG eingeleitet worden. Damit habe die Behörde die Ernsthaftigkeit des Unterschutzstellungsverfahrens dokumentiert. - Es hätten auch besondere Umstände i. S. des § 60 Abs. 2 Satz 2 NatSchG für eine Verlängerung der Sicherstellungsverordnung vorgelegen. Es handele sich um ein besonders langwieriges Verfahren. Die Abstimmung mit den betroffenen Gemeinden sei sehr zeitaufwändig (gewesen). Allein die Stadt Bad Wurzach sei mit neun Ortschaften betroffen, die alle angehört werden müssten. In vielen Bereichen müsse die genaue Abgrenzung vor Ort erfolgen. Insgesamt seien 18 Ortslagen abzugrenzen gewesen. Auch die berufsständischen Vertretungen hätten einen umfassenden Informations-und Diskussionsbedarf gehabt. Politische Widerstände seien nichts Ungewöhnliches, hätten aber einen Verfahrensabschluss innerhalb des letzten Jahres gleichwohl erwarten lassen. Das Unterschutzstellungsverfahren werde weiter betrieben; da es sehr umfangreich sei, werde aber eine angemessene Zeit benötigt.

Dem Senat liegen die einschlägigen Behördenakten vor. Hierauf sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Normenkontrollverfahren hat weder mit dem Hauptantrag (1.) noch mit einem der Hilfsanträge (2. und 3.) Erfolg.

1. Der zunächst unproblematisch nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 4 AGVwGO statthafte und auch sonst, insbesondere im Hinblick auf die erforderliche Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, zulässige Normenkontrollantrag dürfte nicht allein deshalb unstatthaft geworden sein, weil die angegriffene Sicherstellungsverordnung durch Zeitablauf am 16.10.2002 (nach vorheriger Verlängerung um ein weiteres Jahr) außer Kraft getreten ist. Zwar geht § 47 Abs. 1 VwGO vom Regelfall einer noch gültigen Norm als Gegenstand eines Normenkontrollantrag aus. Ein solcher Antrag kann allerdings auch gegen eine bereits aufgehobene Rechtsvorschrift zulässig sein, wenn in der Vergangenheit liegende Sachverhalte noch nach ihr zu entscheiden sind oder wenn während des zulässigen Normenkontrollverfahrens eine auf kurzfristige Geltung angelegte Norm wegen Zeitablaufs außer Kraft getreten ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.06.2001 - 6 CN 1.01 - NVwZ-RR 2002, 152 unter Verweis auf BVerwG, Beschl. v. 02.09.1983 - 4 N 1.83 - BVerwGE 68, 12 = PBauE § 14 Abs. 1 BauGB Nr. 2). Von letzterem dürfte hier auszugehen sein, da es sich bei einer Sicherstellungsverordnung nach § 60 Abs. 2 Satz 1 NatSchG - auch im Falle einer Verlängerung um ein weiteres Jahr nach § 60 Abs. 2 Satz 2 NatSchG - um eine "auf kurzfristige Geltung angelegt Norm" handeln dürfte. Der Normenkontrollantrag ist dann sachdienlich - wie geschehen - auf die Feststellung zu richten, dass die Sicherstellungsverordnung vom 08.10.1999 nichtig war. Die Statthaftigkeit dieses Begehrens bedarf jedoch ebenso wenig einer abschließenden Entscheidung wie die Frage, ob die Antragstellerin das wohl weiter zu fordernde berechtigte Interesse an der Feststellung der Ungültigkeit der außer Kraft getretenen Sicherstellungsverordnung damit hinreichend dargetan hat, dass sie nach ihrer Darstellung beabsichtigt, einen - unter Umständen vom Ausgang des beim Verwaltungsgericht Sigmaringen anhängigen Verpflichtungsbegehrens auf Erteilung der beantragten Kiesabbaugenehmigung abhängigen - Amtshaftungsprozess gegen den Antragsgegner zu führen, wenn eventuell auch nur wegen eines Verzögerungsschadens.

Der Hauptantrag ist jedenfalls unbegründet. Die Sicherstellungsverordnung vom 08.10.1999 war nicht wegen Widerspruchs zu höherrangigem Recht ungültig.

Rechtsgrundlage für den Erlass der Sicherstellungsverordnung war § 60 Abs. 2 Satz 1 NatSchG. Danach kann die zuständige Behörde zur einstweiligen Sicherung von Schutzgebieten oder Schutzgegenständen Eingriffe in Natur und Landschaft sowie in Lebensgemeinschaften von Tieren und Pflanzen auf die Dauer von höchstens zwei Jahren durch Rechtsverordnung oder Einzelanordnung untersagen, wenn zu befürchten ist, dass durch Eingriffe der beabsichtigte Schutzzweck gefährdet würde. Im vorliegenden Fall diente die Verordnung der einstweiligen Sicherstellung eines Teilbereichs ("Langholz") des geplanten Landschaftsschutzgebiets "Moränenlandschaft des Wurzacher Beckens" i.S. des § 22 NatSchG. Zuständig für den Erlass der Sicherstellungsverordnung war daher das Landratsamt Ravensburg (§ 58 Abs. 3 NatSchG). Weitere verfahrensrechtliche Vorgaben enthält das Gesetz nicht. Insbesondere waren weder eine Beteiligung der Träger öffentlicher Belange noch eine öffentliche Auslegung eines Entwurfs der Sicherstellungsverordnung erforderlich, wie dies § 59 Abs. 1 und 2 NatSchG für den Erlass der beabsichtigten Schutzgebietsausweisung selbst vorschreibt. Insofern werden von der Antragstellerin auch keine verfahrensrechtlichen Bedenken erhoben.

Die Antragstellerin zieht vielmehr allein die materielle Rechtmäßigkeit der Sicherstellungsverordnung in Zweifel. Sie macht in diesem Zusammenhang zunächst allgemein geltend, dass es sich um eine ausschließliche Verhinderungsplanung gehandelt habe; Ziel der Sicherstellungsverordnung sei erklärtermaßen allein gewesen, ihr Kiesabbauvorhaben zu verhindern. Das ist insoweit zutreffend, als das geplante Schutzgebiet "Moränenlandschaft des Wurzacher Beckens" mit einer Fläche von 13.000 ha weitaus größer ist als das lediglich ca. 840 ha große Gebiet der umstrittenen Sicherstellungsverordnung, die gerade auf den Landschaftsteil beschränkt war, in dem akut das Kiesabbauvorhaben der Antragstellerin zur Genehmigung anstand, das verhindert werden sollte. § 60 Abs. 2 Satz 1 NatSchG setzt aber für den Erlass einer Sicherstellungsverordnung gerade die Befürchtung voraus, dass durch Eingriffe - einen solchen stellt das Abbauvorhaben der Antragstellerin unzweifelhaft dar - der beabsichtigte Schutzzweck beeinträchtigt würde. Eine solche Beeinträchtigung des beabsichtigten (wesentlichen) Schutzzwecks, der insbesondere auf die Erhaltung des aus der klimatisch-geologischen Entwicklung hervorgegangenen Mosaiks aus reliefbedingten Landschaftsstrukturen (Moränenkuppen und -rücken, unterschiedlich steile Taleinschnitte, einzelne Toteislöcher und teilweise anmoorige Senken und Rinnen, Schichtquellbereiche) gerichtet ist (vgl. § 2 des Entwurfs der Landschaftsschutzverordnung "Moränenlandschaft des Wurzacher Beckens"), drohte aktuell nur durch das Abbauvorhaben der Antragstellerin. Es ist gerade Sinn einer einstweiligen Sicherstellung, mit ihren Verbotstatbeständen den landschaftlichen status quo vorläufig zu erhalten (vgl. Senatsurt. v. 18.05.1982 - 5 S 1496/81 -). Auch ein "Durchgriff" auf die beabsichtigte Schutzgebietsausweisung selbst hilft der Antragstellerin im vorliegenden Zusammenhang nicht weiter. Mit dem Vorwurf, es handele sich um eine reine "Verhinderungsplanung", bringt die Antragstellerin einen Begriff ins Spiel, mit dem im Bauplanungsrecht die Erforderlichkeit eines Bebauungsplans i. S. des § 1 Abs. 3 BauGB in Zweifel gezogen werden kann, der im Naturschutzrecht so aber nicht zum Tragen kommt. Während es beim Erlass eines Bebauungsplans - dem als vergleichbares Sicherungsinstrument eine Veränderungssperre nach § 14 BauGB zuzuordnen wäre - um eine echte planerische Entscheidung zur Gestaltung und Ordnung der zukünftigen baulichen und sonstigen Nutzung von Grundstücken geht, ist die Ausweisung eines (Landschafts-)Schutzgebiets trotz des in § 2 BNatSchG enthaltenen Abwägungsgebots in erster Linie eine den vorhandenen naturräumlichen Zustand "festschreibende" Entscheidung, die dessen Schutz und Erhaltung dient und hierzu Verbote und Erlaubnisvorbehalte (§ 22 Abs. 2 NatSchG) normiert. Auch bei der Schutzgebietsausweisung selbst geht es also gerade um die Kontrolle und insbesondere die Verhinderung schutzzweckwidriger Handlungen und Maßnahmen.

Ferner wendet die Antragstellerin ein, dass bei Erlass der Sicherstellungsverordnung keine vorläufige naturschutzfachliche Würdigung (jedenfalls für den hier in Rede stehenden Landschaftsteil) vorgelegen habe. Das ist insofern richtig, als die Behörde den Auftrag an Dipl.-Biologen L.-E. zur Erstellung einer Würdigung erst im Oktober 1999 erteilt und dieser die Würdigung erst im Juni 2000 vorgelegt hat. Zwar hat Dipl.-Biologe L.-E. dem Landratsamt Ravensburg mit Schreiben vom 14.09.1999 zwei Abgrenzungsvorschläge für ein Landschaftsschutzgebiet unterbreitet, nämlich eine "kleine Lösung" und eine auch den Bereich "Langholz" mit dem Grundstück der Antragstellerin umfassende "große Lösung". Dieses Schreiben enthielt auch einen "Zielkatalog", wobei unter Nr. 8 aufgeführt ist: "Erhaltung des ungestörten quartärgeologischen Formenschatzes in der Umgebung des Wurzacher Rieds, der seine Entstehungsgeschichte dokumentiert". Eine - auch nur vorläufige - natur-schutzfachliche Würdigung im eigentlichen Sinne enthält das Schreiben vom 14.09.1999 nicht. Das Vorliegen einer solchen Würdigung ist jedoch nicht Rechtmäßigkeitsvoraussetzung einer Sicherstellungsverordnung, da deren Er-lass noch keine abschließende Prüfung der Schutzwürdigkeit des betroffenen Landschaftsteils voraussetzt (vgl. Senatsurt. v. 15.04.1983 - 5 S 1541/82 - NuR 1984, 147).

Eine andere Beurteilung ist auch dann nicht gerechtfertigt, wenn man verlangen wollte, dass dem in Rede stehenden Landschaftsteil - gemessen an dem beabsichtigten Schutzzweck der Gebietsausweisung - zumindest im Sinne einer Offensichtlichkeit nicht jegliche Schutzwürdigkeit abzusprechen ist. Zunächst folgt aus dem Umstand, dass Dipl.-Biologe L.-E. in seinem Schreiben vom 14.09.1999 auch eine "kleine Lösung" zur Schutzgebietsabgrenzung vorgeschlagen hat, nicht sozusagen im Sinne eines Umkehrschlusses zwingend, dass der hiervon nicht erfasste Bereich "Langholz" mit dem Grundstück der Antragstellerin nicht die erforderliche Schutzwürdigkeit aufweist. Dementsprechend wendet die Antragstellerin in der Sache auch nur ein, dass die schutzwürdige Formation des "Wurzacher Beckens" an dessen Rand, nämlich auf dem Kamm der ersten das Becken umgebenden Hügel- und Moränenkette, ende und dass das nördlich hiervon liegende "Langholz" deshalb topografisch-geomorphologisch nicht mehr Bestandteil des Beckens sei; auch die Sichtbeziehungen rund um das "Wurzacher Becken" erfassten nicht (mehr) das "Langholz", insbesondere nicht (mehr) den Bereich des geplanten Kiesabbaus, da sich die Ebene zwischen den Gemarkungen Dietmanns und Rupprechts insgesamt als leichte Senke darstelle. Demgegenüber hat Herr M. (Lehrer und Geologe) als fachkundige Auskunftsperson sowohl in seiner dem Schriftsatz des Landratsamts Ravensburg vom 19.12.2001 als Anlage beigefügten Stellungnahme (Teil 1 und Teil 2) wie auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat anschaulich die Entstehung des "Wurzacher Beckens" während der Riss-Eiszeit erläutert: Bildung des äußeren Moränenkranzes (Endmoränen-Doppelwall) durch den sich u.a. bis zur Höhe von Rupprechts vorschiebenden "Rotlobus", eine Zunge des östlichen Rheingletschers, in einer ersten Phase und - nach einer wärmeren Zwischenzeit bei abermaligem Absinken der Durchschnittstemperaturen - Bildung der Moräne u.a. bei Dietmanns in einer zweiten Phase (Welle) unter Einlagerung von Schuttmaterial in das seit der ersten Phase definitiv umgrenzte "Wurzacher Becken". Dass der hiervon betroffene und von der einstweiligen Sicherstellung erfasste Bereich zwischen Dietmanns (Phase 2) und Rupprechts (Phase 1) danach geologisch wie geomorphologisch Bestandteil des riss-eiszeitlich angelegten "Wurzacher Beckens" ist, hat auch die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung nicht mehr angezweifelt. Weshalb diese Eigenart der "Moränenlandschaft des Wurzacher Beckens" nicht i. S. des § 22 Abs. 1 Nr. 3 NatSchG durch eine Schutzgebietsausweisung - und eine korrespondierende Sicherstellungsverordnung - soll erhalten werden können, vermag der Senat nicht zu erkennen. Hierfür ist unerheblich, wie deutlich die Moränenformationen in der Landschaft von verschiedenen Standpunkten aus wahrnehmbar sind, ob es Blickbeziehungen vom "Wurzacher Ried" selbst zur Senke zwischen Dietmanns und Rupprechts mit dem Grundstück der Antragstellerin gibt und ob diese Senke selbst - für sich betrachtet - eigenartig oder vielfältig i. S. von § 22 Abs. 1 Nr. 3 NatSchG ist, wie dies die Antragstellerin in Abrede stellt. Dass dem einstweilig sichergestellten Landschaftsteil nicht jegliche Schutzwürdigkeit abgesprochen werden kann, belegen auch die Empfehlungen des Europarats für die Verlängerung des Europa-Diploms "Wurzacher Ried" 1999. Nach deren Nr. 5 sollten das "Wurzacher Ried" und die bewaldeten Moränenhügel als "einzigartige unteilbare Landschaft" behandelt und jegliche kurzzeitigen Verunstaltungen oder andauernden Eingriffe (wie Abbaustellen) vermieden werden. Damit trägt die geplante Schutzgebietsausweisung auch dieser europarechtlichen "Vorgabe" Rechnung. Somit war der betreffende Landschaftsteil auch taugliches Substrat der umstrittenen Sicherstellungsverordnung.

2. Mit dem ersten Hilfsantrag will die Antragstellerin festgestellt haben, dass die - rechtmäßig erlassene - Sicherstellungsverordnung jedenfalls am 16.10.2000 außer Kraft getreten bzw. nach diesem Zeitpunkt nichtig gewesen ist.

Wollte man den Hauptantrag für unstatthaft oder mangels berechtigten Feststellungsinteresses jedenfalls für unzulässig erachten, so wäre dies aus dem gleichen Grund auch der erste Hilfsantrag. Indes bedarf diese Frage auch im vorliegenden Zusammenhang keiner abschließenden Entscheidung. Denn die mit dem ersten Hilfsantrag begehrte Feststellung kann die Antragstellerin auch sonst in statthafter Weise nicht im verwaltungsgerichtlichen Normenkontrollverfahren nach § 47 Abs. 1 VwGO erreichen.

Die Antragstellerin stützt ihr Begehren auf § 60 Abs. 3 NatSchG. Danach ist die einstweilige Sicherstellung aufzuheben, sofern nicht innerhalb eines Jahres seit ihrer Bekanntgabe das Verfahren nach § 59 NatSchG eingeleitet worden ist. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Regelung tritt eine einstweilige Sicherstellung - auch wenn sie in der Form einer Rechtsverordnung erlassen worden ist - bei nicht rechtzeitiger Einleitung des Verfahrens nach § 59 NatSchG nicht automatisch außer Kraft. Vielmehr löst die Verfahrensverzögerung (lediglich) die Verpflichtung des Normgebers aus, die Sicherstellungsverordnung, deren Weitergeltung unberührt bleibt, aufzuheben. Durch die Anordnung (nur) einer Aufhebungspflicht des Normgebers bringt das Gesetz deutlich zum Ausdruck, dass die Sicherstellungsverordnung in ihrem Bestand "an sich" unberührt bleibt, auch wenn das Verfahren der Unterschutzstellung nach § 59 NatSchG nicht innerhalb eines Jahres seit ihrem Erlass eingeleitet worden ist. Es bedarf somit einer konstitutiven Aufhebungsverordnung als actus contrarius (zur insoweit durchaus vergleichbaren Regelung des § 17 Abs. 4 BauGB über die Außerkraftsetzung einer Veränderungssperre vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, RdNr. 62 zu § 17, Gaentzsch, BauGB, RdNr. 8 zu § 17, Jäde in Jäde/Dirnberger/Weiss, BauGB/BauNVO, 2. Aufl., RdNr. 3 zu § 17; a. A. wohl BayVGH, Urt. v. 24.07.1990 - 1 N 89.02 827 - BauR 1991, 60 und Lemmel in Berliner Kommentar zum BauGB, 3. Aufl., RdNr. 15 zu § 17). Führt ein Verstoß des Normgebers gegen die Verpflichtung aus § 60 Abs. 3 NatSchG zum Erlass einer Aufhebungsverordnung danach nicht automatisch zum Außerkrafttreten und damit zur Ungültigkeit der Sicherstellungsverordnung, so kann ein solcher Verstoß prozessual auch nicht im Wege eines Normenkontrollantrags nach § 47 Abs. 1 VwGO geltend gemacht werden. Ein prozessuales Vakuum entsteht dadurch nicht. Die Statthaftigkeit einer - durch § 47 Abs. 1 VwGO nicht ausgeschlossenen -Normerlassklage in Gestalt einer Feststellungsklage nach § 43 VwGO ist in der Rechtsprechung anerkannt (vgl. zuletzt BVerwG, Urt. v. 04.07.2002 - 2 C 13.01 - DÖV 2003, 123).

Soweit die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung in diesem Zusammenhang geltend gemacht hat, dass sie zunächst im Schriftsatz vom 06.03.2003 unter Nr. 2 die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Nichtaufhebung der Sicherstellungsverordnung durch den Normgeber nach dem 16.10.2000 beantragt habe, ist sie darauf hingewiesen worden, dass (auch) ein solcher auf § 43 VwGO gestützter Klageantrag in einem Normenkontrollverfahren nicht - auch nicht hilfsweise oder kumulativ - gestellt werden könnte.

3. Mit dem zweiten Hilfsantrag will die Antragstellerin festgestellt haben, dass jedenfalls die Verordnung vom 17.09.2001 über die Verlängerung der Sicherstellungsverordnung um ein weiteres Jahr nichtig bzw. ungültig war. Dieses Begehren ist - seine Statthaftigkeit/Zulässigkeit unterstellt (s.o.) - jedenfalls unbegründet.

Rechtsgrundlage für die umstrittene Verlängerungsverordnung war § 60 Abs. 2 Satz 2 NatSchG. Danach kann, wenn besondere Umstände es erfordern, die Frist einer einstweiligen Sicherstellung - die nach § 60 Abs. 2 Satz 1 NatSchG höchstens zwei Jahre beträgt - bis zu einem weiteren Jahr verlängert werden. Die besonderen Umstände für eine Verlängerung der Sicherstellungsverordnung hat der Antragsgegner zu Recht darin gesehen, dass das geplante, ca. 13.000 ha große Landschaftsschutzgebiet in insgesamt 18 Ortslagen von insgesamt vier Kommunen abzugrenzen (vgl. die Besprechung vom 12.11.2000) und mit den städtebaulichen Entwicklungsvorstellungen insbesondere der am meisten betroffenen Stadt Bad Wurzach abzustimmen war und ist, deren Gemeinderat sich in der Sitzung vom 14.09.2001 gegen die vorgesehene Schutzgebietsausweisung ausgesprochen hat (vgl. das Einwendungsschreiben der Stadt Bad Wurzach vom 08.10.2001). Ferner sollte das Verfahren zur Ausweisung des Landschaftsschutzgebiets parallel laufen mit den beiden Verfahren zur Änderung bzw. Fortschreibung des Regionalplans bzw. des Flächennutzungsplans, damit die Möglichkeit bestehe, Vorschläge und Anregungen zu den jeweiligen Verfahren gegenseitig zu berücksichtigen und zu verzahnen (vgl. die Sitzung der eingesetzten Arbeitsgruppe vom 02.03.2001 und den dabei festgelegten weiteren Terminplan für Besprechungen hierzu sowie das Ergebnisprotokoll vom 12.10.2001 über eine Besprechung der Auswirkungen des geplanten Landschaftsschutzgebiets auf den Regionalplan bzw. den Teilregionalplan "Oberflächennahe Rohstoffe" und auf den Flächennutzungsplan). Schließlich bestand auch mit Blick auf die Belange der betroffenen Landwirtschaft erheblicher Diskussions- und Abstimmungsbedarf, wie etwa die Informationsveranstaltung vom 19.10.2000 für die Obmänner der Ortsvereine des Bauernverbands der vier betroffenen Gemeinden und die auf Grund einer Besprechung am 14.11.2000 im Interesse der Landwirtschaft angeregten zahlreichen Änderungen des Entwurfs der Landschaftsschutzverordnung belegen.

Selbst wenn man für die Verlängerung einer einstweiligen Sicherstellung nach § 60 Abs. 2 Satz 2 NatSchG weiter verlangen wollte, dass nach dem Verfahrensstand das Unterschutzstellungsverfahren innerhalb eines weiteren Jahres abgeschlossen werden kann, wäre insoweit ein Rechtsmangel der Verlängerungsverordnung nicht festzustellen. Auch wenn man mit der Antragstellerin davon ausginge, dass die Informationsveranstaltung vom 14.09.2000 (noch) nicht als förmliche Einleitung des Verfahrens nach § 59 Abs. 1 NatSchG durch Beteiligung der Träger öffentlicher Belange sowie der forst- und landwirtschaftlichen Berufsvertretungen angesehen werden kann, ist dieser Verfahrensschritt jedenfalls mit den beiden Schreiben des Landratsamts Ravensburg vom 05.06.2001 an die Träger öffentlicher Belange einerseits sowie an den Bauernverband Wangen, die Ämter für Landwirtschaft, Landschafts- und Bodenkultur Leutkirch und Ravensburg, den Kreisbauernverband und den Landesbauernverband andererseits sowie mit dem behördlichen Schreiben vom 06.06.2001 an die vier betroffen Kommunen (mit jeweils verlängerter Äußerungsfrist bis 15.10.2001) eingeleitet worden. Im Zeitpunkt des Erlasses der Verlängerungsverordnung bestand trotz der aufgezeigten Komplexität der geplanten Schutzgebietsausweisung und der noch ausstehenden öffentlichen Auslegung des Verordnungsentwurfs (nebst Karte) für die Dauer eines Monats (§ 59 Abs. 2 NatSchG) keine Veranlassung anzunehmen, dass das Unterschutzstellungsverfahren nicht innerhalb eines Jahres (ab dem 16.10.2001) abgeschlossen werden könne. Dass dies dann doch nicht der Fall war und die Landschaftsschutzverordnung selbst im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat noch nicht erlassen war, ist unerheblich. Maßgebend ist der Verfahrensstand der geplanten Schutzgebietsausweisung im Zeitpunkt der Entscheidung über eine Verlängerung der Sicherstellungsverordnung.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.

Beschluss

Der Streitwert des Verfahrens wird gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG auf 25.000,-- EUR festgesetzt.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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