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Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 15.10.2004
Aktenzeichen: 5 S 2586/03
Rechtsgebiete: PBefG, VwVfG, BauGB


Vorschriften:

PBefG § 28 Abs. 1 Satz 2
VwVfG § 75 Abs. 1 Satz 1
BauGB § 31 Abs. 2
BauGB § 38 Satz 1
1. Durchschneidet die Trasse einer Straßenbahn, die allein dem innerörtlichen Verkehr dient, eine in einem Bebauungsplan festgesetzte Baugebietsfläche, müssen bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses die Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB vorliegen.

2. Grundzüge der Planung im Sinne von § 31 Abs. 2 BauGB sind nicht stets berührt, weil eine Baugebietsfläche um die Fläche für eine Straßenbahntrasse vermindert wird.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

5 S 2586/03

Verkündet am 15.10.2004

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Planfeststellung betreffend den Neubau der Straßenbahn Karlsruhe-Nordstadt/Heide

hat der 5. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schnebelt und die Richter am Verwaltungsgerichtshof Schefzik und Albers auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 14. Oktober 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Regierungspräsidiums Karlsruhe für den Neubau der Straßenbahn Karlsruhe-Nordstadt/Heide vom 20.10.2003.

Gegenstand des Plans ist eine 3,1 km lange zweigleisige, auf einem besonderen Bahnkörper geführte Straßenbahnstrecke. Mit ihr sollen Teile der Weststadt, der Nordstadt mit der Hardtwaldsiedlung sowie der Stadtteil Neureut/Heide erschlossen werden. Die Strecke beginnt westlich der Haltestelle Mühlburger Tor auf Höhe des Rathauses-West und schwenkt mit einem Radius von 27 m von der bestehenden Strecke in der Kaiserallee in nördlicher Richtung in die Grashofstraße ab. Anschließend führt sie im Rechtsbogen mit einem Radius von 150 m zur Hoffstraße. Hierbei wird die Südliche Hildapromenade gekreuzt und das mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück Flst.Nr. 5528/2 (xxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxx xx) überquert. Zwischen dem Forschungszentrum und dem Oberlandesgericht erreicht die Trasse die Hoffstraße und schwenkt dort mit einem Radius von 74 m in eine westliche Randlage zur Riefstahlstraße. Nach Überquerung der Moltkestraße führt sie entlang der Erzbergerstraße auf öffentlichen Grünflächen und schließlich durch den Weissdornweg bis zur Eissporthalle in Neureut/Heide.

Im verfügenden Teil des Planfeststellungsbeschlusses werden Befreiungen von Festsetzungen verschiedener Bebauungspläne, darunter von den Bebauungsplänen "Nutzungsartfestsetzung" vom 30.11.1984 und "Heide-Nord" vom 11.12.1979, erteilt. Der Beschluss umfasst ferner eine Reihe von Nebenbestimmungen. Im Kapitel Lärm und Erschütterungsschutz sind für einzelne Streckenabschnitte (ausnahmsweise) einzuhaltende Höchstgeschwindigkeiten festgelegt (Nr. 2.1); im Bereich des Grundstücks Flst.Nr. 5528/1 (xxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxx xx) sind ca. 100 m lange und 3 m hohe, begrünte Lärmschutzwände vorgesehen; weiter heißt es, sofern nach Inbetriebnahme der Strecke Kurvenquietschen auftrete und zu Beeinträchtigungen auf dem Grundstück 5528/1 führe, werde die Beigeladene die Wand auf Aufforderung um max. 1 m so erhöhen, dass die Grenzwerte eingehalten würden (Nr. 2.2); einer Reihe von Grundstückseigentümern werden passive Lärmschutzmaßnahmen zugesprochen (Nr. 2.4).

Der Kläger ist Testamentsvollstrecker über den Nachlass der Verstorbenen Frau Dr. K. Alleiniger testamentarischer (Vor-)Erbe ist Herr P.. Zum Nachlass gehört das Grundstück Flst.Nr. 5528/1. Es ist mit einem Wohnhaus nebst Atelier bebaut, liegt im Gebiet des Bebauungsplans "Nutzungsartfestsetzung" und ist als reines Wohngebiet festgesetzt. Von ihm werden 35 m² Gartenfläche für die Trasse in Anspruch genommen.

Dem Planfeststellungsbeschluss liegt folgendes Verfahren zugrunde: Nach Unterrichtung über den voraussichtlichen Untersuchungsrahmen für eine Umweltverträglichkeitsprüfung (Scoping-Verfahren) beantragte die Beigeladene am 02.04.2001 das Planfeststellungsverfahren. Dieses leitete das Regierungspräsidium Karlsruhe am folgenden Tag ein. Die Planunterlagen lagen vom 07.05.2001 bis zum 06.06.2001 nach vorausgegangener öffentlicher Bekanntmachung (am 27.04.2001) öffentlich aus. Vom 25.03.2002 bis zum 26.04.2002 wurden sie nach vorheriger öffentlicher Bekanntmachung (vom 15.03.2002) erneut mit einem Ergänzungsordner "Variante Weissdornweg" ausgelegt. Frau Dr. K. wurde mit Schreiben vom 08.06.2001 von der Anhörungsbehörde die Möglichkeit eingeräumt, die Planunterlagen nochmals in der Zeit vom 20.06.2001 bis 19.07.2001 einzusehen, weil möglicherweise im Zeitpunkt ihrer Einsichtnahme das maßgebliche Blatt des Grunderwerbsverzeichnisses gefehlt habe und sie deswegen möglicherweise ihre Betroffenheit insoweit nicht habe feststellen können. Sie erhob mit Schreiben vom 20.06.2001 und vom 01.08.2001 Einwendungen. Am 20.06.2002 und am folgenden Tag wurden die gegen den Plan erhobenen privaten Einwendungen sowie die Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belage und der anerkannten Naturschutzverbände erörtert. Am 15.05.2001 erteilte das Regierungspräsidium Karlsruhe der Beigeladenen die Genehmigung für den Bau, den Betrieb und die Linienführung gemäß §§ 2 und 9 PBefG, die mit Entscheidung vom 26.09.2003 ergänzt wurde. Die Stadt Karlsruhe befürwortete in ihrem Abschlussbericht vom 15.04.2003 als Anhörungsbehörde die geplante Streckenführung. Der Planfeststellungsbeschluss wurde am 20.10.2003 erlassen und den Prozessbevollmächtigten von Frau Dr. K. am 23.10.2003 zugestellt.

In ihm wird ausgeführt:

Als Alternative zur planfestgestellten Trasse komme die "optimierte Variante 1a" in Betracht. Diese biege hinter der Haltestelle Mühlburger Tor ebenfalls in die Grashofstraße ein und verlaufe jenseits der Südlichen Hildapromenade in östlicher Seitenlage durch die Stabelstraße. Nördlich der Justizvollzugsanstalt führe sie durch den Garten der Pädagogischen Hochschule. Vor Erreichen der Moltkestraße müsse ihr ein ehemaliges Bahnwärterhäuschen weichen, sodann schwenke sie in die Erzbergerstraße ein. Die Kurvenradien betrügen dabei 70 m bis 80 m. Eine Haltestelle könne entweder in der Stabelstraße zwischen dem Verwaltungsgericht und der Justizvollzugsanstalt oder erst in der Erzbergerstraße (als Haltestelle Kunstakademie) eingerichtet werden. Bei dieser Variante gingen deutlich mehr Pkw-Parkplätze verloren. Auch müsse die Stabelstraße wegen des Verlusts des derzeit prägenden Baumbestands vollständig neu gestaltet werden. Das Stadtbild werde auch durch die anschließende Querung des Gartens der Pädagogischen Hochschule und den Abbruch des ehemaligen Bahnwärterhäuschens beeinträchtigt. Insgesamt seien die Auswirkungen beider Varianten auf das Wohn- und Arbeitsumfeld und das Stadtbild freilich durchaus vergleichbar. Aus schalltechnischer Sicht sei die Variante 1a insgesamt ungünstiger. Auch beim Ansatz einer Geschwindigkeit von nur 20 km/h bzw. 30 km/h mit einer Haltestelle in der Stabelstraße müssten insbesondere die Gebäude xxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxx x, xx xxx xx sowie xxxxxxxxxx x mit deutlich höheren Beurteilungspegeln rechnen. Ins Gewicht falle dabei vor allem die Überschreitung des Grenzwerts von 49 dB(A) nachts um bis zu 7 dB(A) und selbst tags bis zu 2 dB(A). Bei der planfestgestellten Streckenführung komme es dagegen zu maximalen Überschreitungen von bis zu 3 dB(A) nachts. Dabei könnten die betroffenen Gebäude xxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxx x xxx xx und deren Außenwohnbereiche mittels Lärmschutzwänden rechts und links der Strecke wirksam geschützt werden. Bei der Variante 1a seien solche aktiven Lärmschutzmaßnahmen für die Gebäude xxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxx x, xx xxx xx und xxxxxxxxxx x nicht zu verwirklichen. Hier könnten die Grenzwerte zwar durch eine Lärmschutzwand mit einer Höhe zwischen 2,50 m und 6 m ebenfalls eingehalten werden; deren Errichtung sei jedoch unverhältnismäßig. Das Stadtbild würde durch sie massiv beeinträchtigt. Es müssten hierfür private Grundstücke in Anspruch genommen werden. Die Lärmschutzwand müsse durchgehend ausgeführt werden, was den Einbau mechanischer, automatischer Tore für Garagenzufahrten und Eingängen erfordere. Insgesamt wäre dafür ein erheblicher finanzieller Mehraufwand nötig. Gleichzeitig spreche einiges dafür, dass eine solche Lärmschutzwand für die Anwohner nicht zumutbar sei. Es komme folglich nur der Einbau schallgedämmter Fenster in Betracht. Der hierdurch bewirkte Lärmschutz sei von geringerer Qualität. Selbst wenn beide Streckenführungen unter Umweltgesichtspunkten als gleichwertig zu beurteilen wären, würden abgesehen vom aufwändigen aktiven Lärmschutz unverhältnismäßige Mehrkosten gegen die Variante 1a sprechen. Schließlich sei die Variante 1a auch bei einem Fahrzeitvergleich ungünstiger. Je nach Lage der Haltestelle würde sich die Fahrzeit auf Hin- und Rückfahrt bezogen um 18 Sekunden bis 28 Sekunden verlängern.

Ein Entschädigungsanspruch nach § 74 Abs. 2 Satz 3 LVwVfG lasse sich nicht mit der "Verinselung" des Anwesens begründen. Die negative Veränderung der Situation des Grundstücks sei freilich bei der Abwägung der öffentlichen und privaten Belange mit erheblichem Gewicht zu berücksichtigen, jedoch nicht mit der im Verkehrswertgutachten vom 15.11.2002 angegebenen Wertminderung von 35 Prozent. Eine Ausführung der oberen 1,50 m bei einer 4 m hohen Lärmschutzwand in "Klarglas" komme nicht in Betracht. Ein Anspruch auf Übernahme des Grundstücks bestehe nicht.

Frau Dr. K. hat am 27.11.2003 Klage erhoben. Sie ist am 13.01.2004 verstorben. Der Kläger beantragt als Testamentsvollstrecker für ihren Rechtsnachfolger,

den Planfeststellungsbeschluss des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 20. Oktober 2003 aufzuheben, hilfsweise festzustellen, dass er rechtswidrig ist und nicht vollzogen werden darf,

hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, über aktiven Lärmschutz für das Grundstück Flst.Nr. 5528/1 der Gemarkung Karlsruhe neu zu entscheiden und dabei die Rechtsauffassung des Gerichts zu beachten,

hilfsweise den Beklagen zu verpflichten, über eine Entschädigung neu zu entscheiden und dabei die Rechtsauffassung des Gerichts zu beachten.

Er trägt vor:

Durch die Inanspruchnahme seines Grundstücks mit einer Teilfläche sei der Erbe in seinem Eigentum betroffen. Beeinträchtigt werde im Übrigen der gesamte der Terrasse zugewandte Außenwohnbereich mit der unteren Terrasse im Garten und der oberen Terrasse auf dem Atelier. Durch den Wegfall der Bäume auf den angrenzenden Grundstücken werde das Kleinklima nachteilig beeinflusst. Das Grundstück gerate in eine Insellage, die durch die vorgesehene Schallschutzmauer verschärft werde. Diese werde wie eine Einmauerung wirken. Die Lärmsituation ändere sich erheblich.

Die Auswahl der planfestgestellten Trasse sei fehlerhaft, insbesondere soweit sie gegen die Variante 1a getroffen worden sei. Aus schalltechnischer Sicht sei diese Variante insgesamt nicht ungünstiger als die planfestgestellte Trasse. Der schalltechnischen Beurteilung hätten zu hohe Geschwindigkeiten zugrunde gelegen, die vor einer Haltestelle in der Stabelstraße nicht erreicht würden. Effektive aktive Lärmschutzmaßnahmen zu Gunsten der Gebäude xxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxx x, xx xxx xx und xxxxxxxxxx x seien unmöglich. Fehlerhaft habe das Regierungspräsidium zu Lasten der Variante 1a nicht geprüft, ob die Lärmgrenzwerte mit passiven Schallschutzmaßnahmen erreicht werden könnten. Zu Unrecht sei es davon ausgegangen, dass passiver Lärmschutz in Form von schallgedämmten Fenstern nur einen geringeren Lärmschutz bewirke. Bei der Variante 1a werde der Außenbereich der erwähnten Grundstücke schon durch die Wohngebäude abgeschirmt. Sie belasse den Anwohnern Rückzugsmöglichkeiten auf dem Grundstück; sie könnten die Fenster auf der von der Straße abgewandten Seite ohne Lärmbeeinträchtigung öffnen, während bei der planfestgestellten Trasse der Lärm von beiden Seiten komme. Der Straßenverkehrslärm in der Stabelstraße würde nicht deutlich zunehmen. Die schalltechnische Berechnung lasse insoweit nicht erkennen, ob berücksichtigt worden sei, dass bei einer Haltestelle in der Stabelstraße etwa 100 Parkplätze entfielen. Das Regierungspräsidium habe auch nicht geprüft, inwieweit hier verkehrsbeschränkende Maßnahmen in Betracht kämen.

Für die Variante 1a seien die Mehrkosten zu hoch angesetzt worden. Gegen die Variante 1a sprächen auch weder der Wegfall des ehemaligen Bahnwärterhäuschens noch die Querung des Gartens der Pädagogischen Hochschule, weil auf dem betreffenden Grundstück entsprechend einem Vorschlag für die Neugestaltung des Quartiers eine Solitärbebauung entstehen solle.

Rechtswidrig sei der Planfeststellungsbeschluss auch wegen der ausgesprochenen Befreiung von der Festsetzung eines reinen Wohngebiets nach dem Bebauungsplan "Nutzungsartfestsetzung". Die Grundzüge der Planung würden berührt. Die Straßenbahntrasse diene allein der Erschließung der Nordstadt, die nicht im Geltungsbereich des Bebauungsplans liege.

Der Lärmschutz sei unzureichend geregelt. Nach den schalltechnischen Berechnungen sei davon auszugehen, dass im Bereich des Grundstücks des Klägers Kurvenquietschen auftreten könne. Um die Lärmgrenzwerte einzuhalten, sei zum Anwesen des Klägers eine Schallschutzwandhöhe von 4 m erforderlich. Der Planfeststellungsbeschluss sehe jedoch nur eine Wandhöhe von 3 m mit einer Option vor, die Wand um 1 m zu erhöhen. Frau Dr. K. habe sich zwar gegen eine 4 m hohe Mauer ausgesprochen, jedoch angeregt, dass bei einer Erhöhung der Lärmschutzwand um 1 m dieser Teil in durchsichtigem Material auszuführen sei. Die durchsichtige Ausführung der Wand auf den letzten 1 m bis 1,5 m hätte erhebliche Vorteile. Nachteilig sei, dass der Erbe eine Überschreitung der Grenzwerte beim Kurvenquietschen nachweisen müsse.

Zu Unrecht habe das Regierungspräsidium es abgelehnt, eine Entschädigung dem Grunde nach für die Beeinträchtigung des Restgrundstücks zu gewähren.

Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt unter Verweis auf das Vorbringen der Beigeladenen und auf den Planfeststellungsbeschluss ergänzend vor, es treffe nicht zu, dass der Kläger ein Nachweisrisiko für die Erhöhung der Lärmschutzwand trage.

Die Beigeladene trägt vor:

Die Einwände des Klägers gegen die Auswahl der planfestgestellten Trasse seien nicht begründet. Der vom Betrieb der Straßenbahn ausgehende Lärm sei bei der planfestgestellten Trasse besser zu bewältigen. Die Lärmsituation in der Stabelstraße würde sich bei der Variante 1a deutlich verschlechtern. Vergleichbare Beeinträchtigungen ergäben sich bei der planfestgestellten Trasse nicht, da diese im Grünzug westlich der Riefstahlstraße verlaufe. Die Angaben des Klägers zu Mehrkosten der Variante 1a seien nicht nachvollziehbar. Außerdem sei das Kostenargument beim Variantenvergleich nicht entscheidend herangezogen worden, sondern nur ergänzend für den Fall, dass beide Varianten im Hinblick auf die Umweltschutzgüter als gleichwertig zu beurteilen wären. Für die Abwägung erheblich seien ferner die kürzere Fahrzeit auf der planfestgestellten Trasse und der Erhalt des denkmalgeschützten ehemaligen Bahnwärterhäuschens und des Lehrgartens der Pädagogischen Hochschule gewesen.

Die im Planfeststellungsbeschluss ausgesprochene Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans "Nutzungsartfestsetzung" sei möglicherweise nicht erforderlich und ggf. jedenfalls rechtmäßig. Es handele sich um einen nicht qualifizierten Plan ohne Vorgaben für die Lage, den Verlauf und die Dimensionierung der örtlichen Verkehrsflächen. Dementsprechend könne die Neutrassierung örtlicher Verkehrsflächen von vornherein gar nicht in Widerspruch zu den Festsetzungen dieses Plans geraten. Jedenfalls sei die Befreiung mit den Grundzügen dieser Planung unschwer vereinbar, weil das Vorhaben der örtlichen Erschließung diene.

Die Lärmproblematik sei fehlerfrei behandelt. Der Kläger werde durch den Vorbehalt, dass eine Erhöhung der Lärmschutzwand vorzunehmen sei, wenn nach Inbetriebnahme der Strecke Kurvenquietschen auftrete und dies zu Beeinträchtigungen auf seinem Grundstück führe, nicht überfordert. Eine erdrückende Wirkung der Wand sei nicht zu besorgen, zumal diese begrünt werden solle und sich bereits jetzt eine immerhin 2 m hohe Mauer an der Grundstücksgrenze befinde. Das Regierungspräsidium habe im Planfeststellungsbeschluss zutreffend deutlich gemacht, dass ein Entschädigungsanspruch nach § 74 Abs. 2 Satz 3 LVwVfG nicht bestehe. Sonstige Entschädigungsfragen seien nicht Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses, sondern gegebenenfalls in einem nachfolgenden Enteignungsverfahren zu klären.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die dem Senat vorliegenden einschlägigen Plan- und Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger der als Testamentsvollstrecker im eigenen Namen die Abwehrrechte aus dem Eigentum des Erben am Grundstück Flst.Nr. 5528/1 geltend macht, kann die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 20.10.2003 oder die Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit nicht verlangen; denn dieser Beschluss verletzt den Erben von Frau Dr. K. nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Ihm steht auch kein Anspruch auf Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses um Maßnahmen des Lärmschutzes oder eine Entschädigungsregelung zu (§ 113 Abs. 5 VwGO).

Rechtsgrundlage für den Planfeststellungsbeschluss sind §§ 28 und 29 PBefG i.V.m. §§ 72 ff. LVwVfG. Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 2 PBefG sind bei der Planfeststellung die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einschließlich der Umweltverträglichkeit im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Die gerichtliche Kontrolle ist insoweit darauf beschränkt, ob eine Abwägung überhaupt stattgefunden hat, ob in sie an Belangen eingestellt worden ist, was nach Lage der Dinge einzustellen war, ob die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange richtig erkannt und ob der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange in einer Weise vorgenommen worden ist, die zu ihrer objektiven Gewichtigkeit in einem angemessenen Verhältnis steht. Das Abwägungsgebot wird nicht dadurch verletzt, dass die Planfeststellungsbehörde bei der Abwägung der verschiedenen Belange dem einen den Vorzug einräumt und sich damit notwendigerweise für die Zurücksetzung eines anderen entscheidet. Nach § 29 Abs. 8 PBefG sind Mängel der Abwägung der von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind; erhebliche Mängel bei der Abwägung oder eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften führen nur dann zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, wenn sie nicht durch Planergänzung oder durch ein ergänzendes Verfahren behoben werden können; die §§ 45 und 46 VwVfG und die entsprechenden landesrechtlichen Bestimmungen bleiben unberührt.

1. Ohne Abwägungsfehler hat sich das Regierungspräsidium für die planfestgestellte Trasse und gegen die Variante 1 a entschieden. Gegen die Variantenauswahl im Übrigen hat der Kläger substantiierte Einwendungen im Klageverfahren nicht geltend gemacht. Bei der Wahl zwischen der Variante 1a und der planfestgestellten Variante hat das Regierungspräsidium deren Vor- und Nachteile im Wesentlichen zutreffend bewertet. Seine Entscheidung, die planfestgestellte Variante sei vorzugswürdig, ist auch im Ergebnis nicht fehlerhaft.

Das Regierungspräsidium hat die Variante 1a vor allem unter Lärmschutzgesichtspunkten als wesentlich ungünstiger beurteilt als die planfestgestellte Variante. Dies ist nicht zu beanstanden.

Den vom Sachverständigen ermittelten Beurteilungspegeln gemäß Anlage II zur Schalltechnischen Stellungnahme "S 9" vom 08.09.2003 liegen die Annahme zugrunde, dass in der Stabelstraße ein Rasengleis verlegt und eine Haltestelle angelegt wird mit der Folge, dass die Straßenbahn dort nur eine (durchschnittliche) Geschwindigkeit von 30 km/h statt sonst 40 km/h erreicht. Unter diesen Annahmen werden bei der Variante 1a die Grenzwerte gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 der 16. BImSchV für reine Wohngebiete von 59 dB(A) tags und 49 dB(A) nachts an den Gebäuden xxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxx x, xx xxx xx und xxxxxxxxxx x tags um bis zu 1 dB(A) und nachts um bis zu 7 dB(A) überschritten.

Der Sachverständige war nicht gehalten, wegen der Haltestelle in der Stabelstraße von einer noch niedrigeren durchschnittlichen Geschwindigkeit auszugehen. Nach seinen nicht in Zweifel stehenden Angaben in der mündlichen Verhandlung ist nach der von ihm zu Grunde gelegten Richtlinie zur Berechnung der Schallimmissionen von Schienenwegen - Ausgabe 1990 - Schall 03 das Vorhandensein einer Haltestelle nicht eigens zu berücksichtigen. Dass unmittelbar vor und hinter der Haltestelle geringere Geschwindigkeiten gefahren werden, fällt wegen der Brems- bzw. Beschleunigungsvorgänge von Straßenbahnen und wegen der an Haltestellen zusätzlich auftretenden Betriebsgeräusche nicht ins Gewicht. Dass diese pauschalierende Betrachtung, bei der die beurteilten Streckenabschnitte nicht weiter unterteilt werden, methodisch fehlerhaft wäre, hat der Kläger nicht dargelegt und ist auch sonst nicht ersichtlich.

Die Auffassung des Regierungspräsidium, für die genannten Gebäude kämen aktive Lärmschutzmaßnahmen letztlich nicht in Frage, ist nicht zu beanstanden. Der Kläger selbst hält solche Maßnahmen sogar von vornherein aus Verkehrssicherheitsgründen für ausgeschlossen. Zu Recht hat das Regierungspräsidium auch angenommen, dass der allein in Betracht kommende passive Lärmschutz für die genannten Gebäude weniger günstig wäre, weil dadurch Außenwohnbereiche nicht geschützt werden können und weil die Wohnqualität geringer ist; schließlich müssen Lärmschutzfenster zur Einhaltung der Grenzwerte geschlossen bleiben. Soweit der Kläger der Auffassung ist, das Regierungspräsidium habe bei der Abwägung die konkrete örtliche Situation nicht berücksichtigt, vermag dem der Senat nicht zu folgen. Es trifft zwar zu, dass der jeweilige Außenwohnbereich der in Frage stehenden Anwesen bei der Variante 1a durch die an der Stabelstraße bzw. entlang der Südlichen Hildapromenade stehenden Häuser vor Lärm geschützt ist. Jedoch können auch bei der planfestgestellten Trasse mittels aktiver Lärmschutzmaßnahmen die Grenzwerte in den Außenwohnbereichen sicher eingehalten werden, wie sich aus Anlage I.1 der schallschutztechnischen Stellungnahme "S 9" vom 08.09.2003 ergibt. Im Übrigen ist für den Vergleich der jeweiligen Lärmbeeinträchtigung wesentlich, dass diese bei der Variante 1a an der der Trasse zugewandten Fassade der Häuser stark und durch aktive Schutzmaßnahmen nicht zu mindern ist, während bei der planfestgestellten Variante die Lärmgrenzwerte mittels aktiver Maßnahmen eingehalten werden können. Schließlich war das Regierungspräsidium nicht gehalten, in diesem Zusammenhang die Kosten des passiven Lärmschutzes im Falle der Variante 1a zu ermitteln und den Kosten für aktiven Lärmschutz im Falle der planfestgestellten Variante gegenüberzustellen. Kostenerwägungen hat es vielmehr, wie noch auszuführen ist, zutreffend erst im Rahmen der Gesamtabwägung angestellt und dabei als nachrangig behandelt.

Das Regierungspräsidium hat gegen die Variante 1a weiter angeführt, auch an dem Gebäude xxxxxxxxxxxx xx werde es zu Überschreitungen der Grenzwerte kommen, die nicht mit aktiven Lärmschutzmaßnahmen zu verhindern seien. Dies ergibt sich aus dem einschlägigen schalltechnischen Gutachten und ist angesichts der in diesem Bereich engen Kurvenführung ohne Weiteres nachvollziehbar.

Fehlerhaft ist es auch nicht, dass das Regierungspräsidium die Zunahme der Lärmbeeinträchtigung für Anwohner der Stabelstraße in den Häusern x bis xx als Nachteil bewertet hat. Zutreffend hat es dabei zu Grunde gelegt, dass die Zunahme der Beurteilungspegel um bis zu 2 dB(A) nicht zu einem Anspruch der Anwohner auf aktive Lärmschutzmaßnahmen (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der 16. BImSchV) führt, aber gleichwohl spürbar ist, zumal die Beurteilungspegel für die genannten Gebäude durch die Verlegung der Straße nach Westen nahe an bzw. knapp über den Grenzwerten liegen (Schalltechnische Stellungnahme "S8" vom 12.06.2003, Anlage VI.2). Dies ist auch ohne Weiteres nachvollziehbar, weil bei der Variante 1a die 6 m breite Stabelstraße bei Aufnahme der Straßenbahngleise um etwa 2,5 m näher an die Wohnbebauung heranrückt. Im Wesentlichen entkräftet hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung die Annahme des Klägers, die Beurteilungspegel seien insoweit zu hoch angesetzt, weil der Wegfall von Stellplätzen und damit von Parksuchverkehr in der Stabelstraße nicht berücksichtigt sei: Bei der Berechnung der Beurteilungspegel ist er von einer Abnahme des Verkehrs gegenüber dem Prognose-Nullfall von 1600 Kfz/24 h auf 1450 Kfz/24 h ausgegangen. Das Verkehrsaufkommen, das durch 100 Stellplätze zusätzlich entsteht und das bei der Variante 1a entfallen würde, hat er mit 300 Kfz/24 h angenommen, woraus sich eine Erhöhung des Beurteilungspegels im Prognose-Nullfall von allenfalls 0,77 dB(A) ergibt (siehe auch die mit Schriftsatz der Beigeladenen übergebene Stellungsnahme des Sachverständigen vom 12.10.2004). Die Anordnung einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h in der Stabelstraße im Planfeststellungsbeschluss führt nicht zu niedrigeren Beurteilungspegeln; denn diese Geschwindigkeit hat der Sachverständige ohnehin seiner Berechung der Beurteilungspegel zu Grunde gelegt. Damit bleibt es insgesamt bei einer, wenn auch nicht allzu schwerwiegenden, Zunahme der Beurteilungspegel des Straßenverkehrs für die erwähnten Gebäude. Diesen plausiblen Darlegungen ist der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht substantiiert entgegengetreten.

Wollte man gleichwohl davon ausgehen, dass das Regierungspräsidium die Erhöhung der Beurteilungspegel für den Straßenverkehrslärm in der Stabelstraße wegen der fehlenden Berücksichtigung des Wegfalls von Stellplätzen fehlerhaft eingeschätzt hat, wäre dieser Mangel gemäß § 29 Abs. 8 Satz 1 PBefG nicht erheblich. Denn es gäbe jedenfalls keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass das Regierungspräsidium in Kenntnis der nur graduell anderen Bewertung dieses Belangs die Variante 1a als vorzugswürdig bewertet hätte. Auch im Falle der Berücksichtigung einer geringeren Straßenlärmbeeinträchtigung für die Anwohner der Stabelstraße bliebe die zusammenfassende Beurteilung im Ergebnis zutreffend, dass die Variante 1a weniger umweltverträglich sei als die planfestgestellte Variante.

Im Übrigen lässt der Planfeststellungsbeschluss erkennen, dass das Regierungspräsidium seine Variantenauswahl nicht allein maßgebend mit dem bei der planfestgestellten Trasse insgesamt günstigeren Lärmschutz begründet hat. Zusätzlich hat es den bei der Variante 1a eintretenden größeren Verlust an öffentlichen Stellplätzen berücksichtigt. Die städtebaulichen Auswirkungen der Varianten hat es letztlich als etwa gleich bewertet. Den Flächenverlust bei der planfestgestellten Trasse hat es zwar mit nur 40 m² angenommen; dabei hat es jedoch ersichtlich zu Grunde gelegt, dass die Beigeladene im Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses das Grundstück Flst.Nr. 5528/2 bereits erworben hatte. Gegen die Variante 1a hat es zutreffend angeführt, das ihr das Bahnwärterhäuschen (xxxxxxxxxxxx xx), ein Kulturdenkmal, weichen müsste. Dem hat der Kläger zuletzt nur noch entgegen gehalten, dieses ginge über kurz oder lang ohnehin verloren, weil verschiedene Planungen für diesen Bereich bestünden, und es werde auch von den Denkmalschutzbehörden nicht als unbedingt erhaltenswert angesehen, weil es in Karlsruhe noch mehrere ähnliche Bahnwärterhäuschen gebe. Letzteres mag zwar zutreffen, ändert aber nichts an der substantiiert nicht in Zweifel gezogenen Kulturdenkmaleigenschaft gemäß § 2 Abs. 1 DSchG. Dass die vom Kläger angesprochenen Planungen so konkret seien, dass mit dem Abbruch des Bahnwärterhäuschens alsbald zu rechnen wäre, hat er nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich. Gegen die Variante 1a hat das Regierungspräsidium weiter angeführt, dass sich die Fahrzeit je nach Lage der Haltestelle auf einer Strecke von nur 600 m um 18 Sekunden bzw. 28 Sekunden verlängere. Dieser betriebstechnische Belang hat erhebliches Gewicht. In ihm schlägt sich vor allem nieder, dass die Strecke bei der Variante 1a engere Kurvenradien aufweist.

Danach kommt es nicht darauf an, ob für die planfestgestellte Variante auch weitere Gesichtspunkte sprechen und ob diese - unausgesprochen - auch der Auswahlentscheidung des Regierungspräsidiums zugrunde liegen (vgl. auch Verfahrensunterlagen, Band B, Variantendiskussion Stabelstraße, ergänzende Darstellung vom 05.12.2002). Beachtlich erscheint dem Senat insoweit insbesondere die geringere Verkehrssicherheit der Variante 1a: Die erforderliche schräge Querung des Ökumeneplatzes und der Moltkestraße ("schleifender Schnitt") schafft zusätzliche Gefahren für alle Verkehrsteilnehmer, insbesondere für Radfahrer. Länger und gefährlicher wäre auch der Fußweg von einer Haltestelle in der Stabelstraße zu den östlich der Riefstahlstraße gelegenen öffentlichen Bildungseinrichtungen (Musikhochschule, Konservatorium). Daraus folgt auch eine schlechtere Erschließungswirkung.

Offenbleiben kann auch, ob der nur einzelne Posten berücksichtigende Kostenvergleich der Varianten im einzelnen fehlerfrei ist und ob insoweit eine Bilanzierung sämtlicher Kosten der beiden Varianten erforderlich gewesen wäre. Denn das Regierungspräsidium hat seine Erwägungen zur Kostenfrage ausdrücklich nur für den Fall angestellt, dass die Varianten "im Hinblick auf Umweltschutzgüter" als gleichwertig zu beurteilen wären, was nicht der Fall ist. Im Übrigen erscheint die zusammenfassende Bewertung, die planfestgestellte Variante sei kostengünstiger als die Variante 1a, nach den Planunterlagen nachvollziehbar (Verfahrensunterlagen, Ordner B, Kostengegenüberstellung der Varianten 1a und 1b vom 18.12.2002).

2. Rechtswidrig ist der Planfeststellungsbeschluss auch nicht deshalb, weil die Trasse das im Bebauungsplan "Nutzungsartfestsetzung" der Stadt Karlsruhe vom 30.11.1984 in dem Straßengeviert Südliche Hildapromenade - Stabelstraße - Hoffstraße - Riefstahlstraße zwischen Südlicher Hildapromenade und Hoffstraße festgesetzte reine Wohngebiet durchschneidet. Insoweit hat das Regierungspräsidium gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 75 RdNr. 76) im Planfeststellungsbeschluss ohne Rechtsfehler eine Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB ausgesprochen.

Durchschneidet die Trasse einer Straßenbahn, die allein dem innerörtlichen Verkehr dient, eine in einem Bebauungsplan festgesetzte Baugebietsfläche, müssen bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses die Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB vorliegen. Zwar sind nach § 38 Satz 1 Halbs. 1 BauGB auf Planfeststellungsverfahren und sonstige Verfahren mit den Rechtswirkungen der Planfeststellung für Vorhaben von überörtlicher Bedeutung die §§ 29 ff BauGB nicht anzuwenden, wenn die Gemeinde beteiligt wird. Um ein überörtliches Vorhaben handelt es sich bei der Planfeststellung einer Straßenbahnlinie, die allein dem innerörtlichen Verkehr dient, jedoch nicht (vgl. Runkel, in: Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, § 38 Rdnrn. 37, 152). Der Anwendbarkeit von §§ 29 ff. BauGB steht auch nicht entgegen, dass nach § 28 Abs. 3 Satz 2 PBefG die Planfeststellung zusätzlich durchzuführen ist, soweit von Festsetzungen des Bebauungsplans abgewichen werden soll. Denn diese Vorschrift bezieht sich allein auf Ergänzungen eines planersetzenden Bebauungsplans gemäß § 29 Abs. 3 Satz 1 PBefG (Ronellenfitsch, in: Marschall/Schroeter/Kastner, FStrG 5. Aufl., Rdnr. 213) und regelt im Übrigen nicht die Anwendbarkeit der §§ 29 ff. BauGB, die sich allein aus § 38 Satz 1 Halbs. 1 BauGB ergibt. Die im Ergebnis abweichende Entscheidung des Senats vom 03.07.1998 (- 5 S 1/98 - BRS 60 Nr. 13) ist noch auf der Grundlage der bis zum 31.12.1997 geltende Fassung von § 38 BauGB ergangen.

Die Beigeladene hält die ausgesprochene Befreiung für entbehrlich, weil die Festsetzungen des Bebauungsplans "Nutzungsartfestsetzung" dem Vorhaben nicht entgegen stünden. Es handele sich um einen einfachen Bebauungsplan, der keine öffentlichen Verkehrsflächen festsetze. Damit schließe er in den festgesetzten Wohngebieten öffentliche Verkehrsflächen nicht aus.

Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Die Festsetzung der Gebietsart im Bebauungsplan "Nutzungsartfestsetzung" erfasst jeweils nur das Innere einzelner Straßengevierte. Insoweit wird gemäß § 1 Abs. 2 BauNVO für einzelne Flächen die Art der baulichen Nutzung im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauNVO bestimmt. In den Baugebieten gemäß § 1 Abs. 2 BauNVO ist die Anlage von (privaten) Verkehrsflächen nur soweit zulässig, wie sie der jeweils zulässigen Nutzung zugeordnet werden können (vgl. auch § 12 BauNVO). Öffentliche Verkehrsflächen sind gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauNVO eigens auszuweisen. Aus dem Umstand, dass die Stadt Karlsruhe die (vorhandenen) öffentlichen Verkehrsflächen nicht in den Bebauungsplan "Nutzungsartfestsetzung" einbezogen hat und auch sonst keine öffentlichen Verkehrsflächen vorsieht, kann - ungeachtet der Frage, ob dies zulässig wäre - nicht gefolgert werden, sie habe die Anlage öffentlicher Verkehrsflächen in den festgesetzten Baugebieten zulassen wollen. Vielmehr spricht alles dafür, dass sie eine zusätzliche Ausweisung öffentlicher Verkehrsflächen angesichts der vorhandenen ausreichenden Erschließung der Grundstücke in den Straßengevierten für nicht erforderlich gehalten hat.

Indes liegen die Voraussetzungen für die ausgesprochene Befreiung vor. Grundzüge der Planung im Sinne von § 31 Abs. 2 BauGB (vgl. BVerwG, Beschl. v. 05.03.1999 - 4 B 5.99 - Buchholz 406.11 § 31 BauGB Nr. 39 = NVwZ 1999, 1110) sind nicht stets berührt, wenn eine Baugebietsfläche um die Fläche für eine Straßenbahntrasse vermindert wird. Der räumliche Umgriff eines Baugebiets ist nicht ohne Weiteres ein Grundzug der Planung. Der Senat entnimmt dem Bebauungsplan "Nutzungsartfestsetzung" keine Anhaltspunkte dafür, dass das planerische Grundkonzept auch die räumliche Unversehrtheit der jeweiligen Straßengevierte, insbesondere des hier betroffenen Straßenquartiers umfasst. Solche Anhaltspunkte ergeben sich auch nicht aus der vorhandenen Bebauung und Nutzung des Straßengevierts. Dagegen ist es ein Grundzug der Planung, dass in den ausgewiesenen Baugebieten keine unverträglichen Nutzungen ermöglicht werden. Mit einem reinen Wohngebiet unvereinbar ist die Straßenbahntrasse jedoch nicht. Die nach § 2 der 16. BImSchV maßgeblichen Lärmgrenzwerte werden eingehalten. Ob es darüber hinaus erforderlich wäre, dass die Straßenbahn der Erschließung des Baugebiets selbst dient, kann offen bleiben. Denn dies ist bei der gebotenen großräumigen Betrachtung offensichtlich der Fall.

Für diese Beurteilung spricht im Übrigen auch, dass ansonsten die Planfeststellung eines Vorhabens von nur örtlicher Bedeutung im Sinne von § 38 Abs. 1 Halbs. 1 BauGB in Bebauungsplangebieten außerhalb der festgesetzten öffentlichen Verkehrsflächen regelmäßig ausgeschlossen und der Vorhabenträger deshalb auf eine Änderung des Bebauungsplans bzw. der Bebauungspläne angewiesen wäre. Dies entspräche ersichtlich nicht dem Willen des Gesetzgebers, der das Instrument des Bebauungsplans ersatzweise anstelle der Planfeststellung vorsieht (§ 28 Abs. 3 Satz 1 PBefG).

Schließlich ist die Abweichung vom Bebauungsplan städtebaulich vertretbar und unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar.

3. Auch die Entscheidungen des Regierungspräsidiums Karlsruhe zum Lärmschutz des Anwesens des Klägers sind nicht zu beanstanden. Mit den vorgesehenen aktiven Schutzmaßnahmen gemäß § 41 Abs. 1 BImSchG ist sichergestellt, dass die Beurteilungspegel die nach § 2 der 16. BImSchV maßgeblichen Immissionsgrenzwerte für Verkehrsgeräusche auf dem Anwesen des Klägers nicht überschreiten. Soweit er einwendet, die im Planfeststellungsbeschluss festgesetzte Höhe der Lärmschutzwand von 3 m sei möglicherweise nicht ganz ausreichend, ist dies zwar richtig. Mit diesem Einwand setzt er sich aber in Widerspruch zu dem vom Regierungspräsidium berücksichtigten Wunsch der früheren Eigentümerin, die Mauer möglichst auf eine Höhe von 3 m zu begrenzen und sie nur bei tatsächlicher Überschreitung der Grenzwerte um 1 m zu erhöhen. Einen Anspruch hierauf regelt der Planfeststellungsbeschluss auch in der Nebenbestimmung Nr. 2.2 im Kapitel über den Lärm- und Erschütterungsschutz. Besondere Anforderungen an den Nachweis werden darin dem Kläger nicht gestellt. Insbesondere bedarf es zur erforderlichen Feststellung, dass Kurvenquietschen auftritt - nur dann kann es zu einer Überschreitung der Grenzwerte kommen - und zu Beeinträchtigungen auf dem Grundstück des Klägers führt, nicht der Einholung eines Sachverständigengutachtens.

Soweit der Kläger eine transparente Ausführung der Lärmschutzwand auf den letzten 1 m bis 1,5 m verlangt, steht ihm ein solcher Anspruch nicht zu. Der Beigeladenen kann nicht aufgegeben werden, die Schallschutzmauer in einer Weise auszuführen, die nach dem einschlägigen Regelwerk nicht empfohlen wird (Schall 03, Ausgabe 1990, Anm. zu Nr. 7.1), weil die ausreichende Absorption des Schalls aus vom Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegten Gründen dann nicht gewährleistet ist.

4. Im Übrigen hat das Regierungspräsidium insbesondere unter Würdigung des eingeholten Verkehrswertgutachtens die erheblichen nachteiligen Auswirkungen der Trasse einschließlich der notwendigen Lärmschutzmauer auf das Grundstück xxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxx xx erkannt und bei der Abwägung im gebotenem Umfang berücksichtigt. Zu Recht hat es dabei der Lärmschutzmauer keine erdrückende und damit unzumutbare Wirkung beigemessen.

5. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass im Planfeststellungsbeschluss eine Entschädigung für die Minderung des Verkehrswerts des nach Abtrennung einer Teilfläche von 35 m² verbleibenden Restgrundstücks geregelt wird. Eine Entscheidung hierüber ist ggf. nach den Bestimmungen des Landesenteignungsgesetzes zu treffen. Zutreffend wird im Planfeststellungsbeschluss ausgeführt, dass insoweit kein Anspruch nach § 74 Abs. 2 Satz 3 LVwVfG besteht, weil ein Entschädigungsanspruch nach dieser Vorschrift ausschließlich ein Ersatz für untunliche Schutzvorkehrungen nach Absatz 2 Satz 2 LVwVfG, nicht aber ein Entschädigungsanspruch für jegliche durch ein Vorhaben ausgelöste Nachteile ist (BVerwG, Urt. v. 24.05.1996 - 4 A 39.95 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 39 = NJW 1997, 142).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Beschluss

Der Streitwert des Verfahrens wird gemäß § 25 Abs. 2 und § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG a. F. auf 10.000 EUR festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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