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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 12.05.2003
Aktenzeichen: 5 S 2750/01
Rechtsgebiete: BauGB, BauNVO, LBO


Vorschriften:

BauGB § 31 Abs. 2
BauNVO § 15 Abs. 1
BauNVO § 23 Abs. 3
LBO § 65 Satz 1
Zum Anspruch des Nachbarn einer Reihenhauszeile auf baupolizeiliches Einschreiten im Falle der Errichtung einer ungenehmigten, über 40 m³ großen Holzhütte in der rückwärtigen, nicht überbaubaren Grundstücksfläche (Gartenzone).
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

5 S 2750/01

In der Verwaltungsrechtssache

wegen

Beseitigung eines Bauwerks

hat der 5. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Lutz und die Richter am Verwaltungsgerichtshof Schefzik und Albers auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 12. Mai 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 11. Juli 2001 - 10 K 63/01 - geändert.

Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Ablehnungsbescheids vom 15. Juni 2000 und des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Freiburg vom 07. Dezember 2000 verpflichtet, gegenüber dem Beigeladenen die Beseitigung der auf dem Grundstück Flst.Nr. 2071/2 ihrer Gemarkung errichteten Holzhütte anzuordnen.

Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen die Beklagte und der Beigeladene jeweils die Hälfte der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten des Klägers; im Übrigen tragen sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen trägt die Beklagte.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren durch den Kläger wird für notwendig erklärt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt ein bauaufsichtliches Einschreiten der Beklagten gegen den Beigeladenen.

Der Kläger ist Eigentümer des nördlich der Straße "Sonnenrain" gelegenen Grundstücks Flst.Nr. 2071/3, der Beigeladene Eigentümer des nördlich angrenzenden Grundstücks Flst.Nr. 2071/2. Beide Grundstücke sind Bestandteil einer Reihenhauszeile. Sie liegen im Geltungsbereich des Straßen- und Baufluchtenplans "Stockteil" aus dem Jahre 1958. Die letzte einschlägige Änderung des Bebauungsplans erfolgte mit Satzungsbeschluss vom 12.09.2000 dahingehend, dass Nebenanlagen nördlich der Straße "Sonnenrain" außerhalb der Baufenster unzulässig sind; ausnahmsweise sind Nebenanlagen in den rückwärtigen Gartenbereichen in den dafür ausgewiesenen Flächen zulässig, wobei deren Höhe maximal 2,20 m und deren Grundfläche maximal 10 m² betragen darf.

Am 21.10.1999 zeigte der Beigeladene den Bau einer Holzhütte mit Pultdach an, die nach den Plänen eine Grundfläche von 5,50 m x 3,50 m sowie eine Höhe von 1,80 m bis 2,20 m (Rauminhalt: 38,50 m³) haben sollte. Nach deren Errichtung im rückwärtigen Gartenbereich bat der Kläger erstmals am 28.03.2000 um Überprüfung des "Gartenhauses", dessen Beseitigung als baurechtswidrigen Zustand er mit Schreiben vom 05.04.2000 beantragte. Bei einer Baukontrolle am 10.04.2000 wurde festgestellt, dass das Gebäude zum Grundstück des Klägers einen Grenzabstand von 0,50 m aufweist und die hier errichtete Giebelseite 3,50 m lang ist, bei einer Traufhöhe von 2,05 m und einer Firsthöhe von 2,35 m (Fläche: 7,70 m²); die Breite des Gebäudes beträgt 5,50 m. Daraufhin teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 26.04.2000 mit, dass keine Veranlassung zum Eingreifen gesehen werde, da das Gebäude keine planungsrechtlichen Vorschriften verletze und auch in bauordnungsrechtlicher Hinsicht nach § 6 Abs. 1 Satz 2 LBO zulässig sei. Nachdem auch eine nochmalige Bitte des Klägers um Überprüfung (Schreiben vom 22.05.2000) keinen Erfolg zeitigte (Schreiben der Beklagten vom 26.05.2000), hielt der Kläger mit Schreiben vom 08.06.2000 seinen Antrag auf Beseitigung des Gebäudes aufrecht: Die Verletzung seiner Rechte sehe er vor allem darin, dass er vormals von seinem Wohnzimmerfenster oder seinem Balkon auf eine durchgehende Grünfläche geblickt habe und dieser Ausblick nunmehr durch die Hütte geprägt und gestört werde; sein Nachbargrundstück werde durch die Hütte regelrecht "erdrückt"; zudem handele es sich wegen Überschreitung des bei der Anzeige angegebenen Rauminhalts um ein genehmigungspflichtiges Vorhaben.

Mit Bescheid vom 15.06.2000 lehnte die Beklagte den Antrag ab: Zwar überschreite das Gebäude die verfahrensfreie Grenze um ca. 2,35 m³, doch folge aus dieser formellen Baurechtswidrigkeit allein kein Abwehrrecht des Klägers; bauordnungsrechtlich handele es sich um ein die Abmessungen des § 6 Abs. 1 Satz 2 LBO einhaltendes Nebengebäude; planungsrechtlich beurteile sich das Vorhaben nach dem nichtqualifizierten Straßen- und Baufluchtenplan "Stockteil" i.V.m. § 34 BauGB; es verstoße zumindest nicht gegen das allein nachbarschützende Rücksichtnahmegebot; angesichts seiner Größe, seines Abstands von ca. 7 m zum Wohngebäude und seiner nördlichen Lage zum Grundstück des Klägers habe es für diesen keine unzumutbaren Auswirkungen; selbst wenn nachbarschützende Vorschriften verletzt wären, läge keine Ermessensreduzierung in Richtung auf die begehrte Beseitigungsanordnung vor, da die tatsächlichen Auswirkungen für den Kläger nicht von hoher Intensität seien und keine Gefährdung eines wesentlichen Rechtsguts gegeben sei.

Mit seinem Widerspruch vom 28.06.2000 machte der Kläger ergänzend zum bisherigen Vorbringen geltend, dass sich das Nebengebäude wegen seiner Größe und seines Umfangs nicht i. S. von § 34 Abs. 1 BauGB einfüge, dass der Charakter der Siedlung deshalb nachteilig verändert werde und dass das Vorhaben auch nach der in Aufstellung befindlichen Änderung des Bebauungsplans nicht (mehr) zulässig sei. Weiter trug der Kläger mit Schreiben vom 26.10.2000 vor, dass das Gebäude den Charakter eines Blockhauses habe, das während der Sommermonate zu Freizeitzwecken (z. B. Grillveranstaltungen) genutzt werde und nicht mehr als Nebenraum i. S. von § 6 Abs. 1 Satz 2 LBO angesehen werden könne; zudem schließe eine gegen § 5 Abs. 6 Nr. 1 LBO verstoßende Terrasse an.

Den Widerspruch wies das Regierungspräsidium Freiburg mit Bescheid vom 07.12.2000, dem Kläger zugestellt am 11.12.2000, zurück. In den Gründen hieß es: Nach den Nutzungsangaben des Beigeladenen liege kein Verstoß gegen Bauordnungsrecht vor. Selbst wenn dies bei einer wohnlichen Ausstattung des Holzhäuschens wegen eines anderen Nutzungszwecks der Fall und somit ein Grenzabstand einzuhalten wäre, müsse dies nicht zwingend eine Beseitigungsanordnung zur Folge haben. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit seien bei der Ermessensbetätigung zunächst andere Mittel in Betracht zu ziehen. Auch ein Verstoß gegen Bauplanungsrecht liege nicht vor. Zwar widerspreche die Holzhütte den Festsetzungen der mittlerweile in Kraft getretenen Bebauungsplanänderung, doch sei sie bereits errichtet, so dass der Kläger hieraus für seine Nachbarrechtsposition nichts herleiten könne.

Am 10.01.2001 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Freiburg Klage erhoben mit dem Begehren, die Beklagte unter Aufhebung der ergangenen Bescheide zu verpflichten, gegenüber dem Beigeladenen die Beseitigung der Holzhütte anzuordnen, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, dem Beigeladenen die Nutzung der Holzhütte zu Aufenthaltszwecken zu untersagen. Er hat vorgetragen: Der Beigeladene habe die wegen eines Rauminhalts von 42,35 m³ erforderliche Baugenehmigung für die Hütte nicht eingeholt. Nach Art, Ausstattung und Nutzung der Hütte handele es sich nicht mehr um einen Geräteschuppen bzw. Nebenraum i. S. von § 6 Abs. 1 Satz 2 LBO. Der danach erforderliche Grenzabstand von 2,50 m werde mit lediglich 0,50 m nicht eingehalten, was ihn in seinen Rechten verletze. Auf Bestandkraft könne sich der Beigeladene nicht berufen. Die behördliche Ermessensbetätigung sei fehlerhaft, da eine Nachschau auf dem Baugrundstück zwecks Feststellung, dass es sich tatsächlich nicht um einen Nebenraum handele, nicht durchgeführt worden sei.

Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten und hat ergänzend zu den angefochtenen Bescheiden ausgeführt, dass die Hütte zum dauernden Aufenthalt weder bestimmt noch geeignet sei; es fehlten die erforderliche lichte Höhe, eine ausreichende Wärmeisolierung sowie eine Beheizung; auch bei Zugrun-delegung der letzten Bebauungsplanänderung liege kein Verstoß gegen eine nachbarschützende Festsetzung vor.

Der Beigeladene hat ebenfalls Klagabweisung beantragt und vorgetragen, dass die Hütte nur einen Rauminhalt von 40,61 m³ aufweise und lediglich zur Lagerung von Gartenmöbeln, Pflanzen und Geräten genutzt werde, zum wohnlichen Aufenthalt jedoch nicht geeignet sei.

Nach Einnahme eines Augenscheins hat das Verwaltungsgericht die Klage mit Urteil vom 11.07.2001 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Hauptantrag habe keinen Erfolg. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 65 Satz 1 LBO für den Erlass einer Beseitigungsanordnung seien zwar gegeben. Mit einem Rauminhalt von - unstreitig - mehr als 40 m³ sei das Vorhaben genehmigungspflichtig, aber ohne die erforderliche Baugenehmigung errichtet worden. Es sei auch materiell baurechtswidrig. Die Hütte verstoße zunächst gegen Bauplanungsrecht. Sie widerspreche in Standort und Größe den Festsetzungen des am 12.09.2000 geänderten Bebauungsplans über die Zulässigkeit von Nebenanlagen. Sie sei auch nach der vorausgegangenen Fassung des Bebauungsplans unzulässig gewesen, da sie in der nicht überbaubaren Grundstücksfläche errichtet worden sei. Allerdings sei die verletzte Vorschrift nicht nachbarschützend. Das Vorhaben widerspreche auch dem Bauordnungsrecht. Die nur 0,50 m von der Grenze zum Grundstück des Klägers errichtete Hütte genieße nicht das Abstandsflächenprivileg des § 6 Abs. 1 Satz 2 LBO, da sie keinen Nebenraum im Sinne dieser Regelung enthalte. Vielmehr könne ihr nach Größe, Grundfläche (ca. 20 m²), Aufteilung und Ausstattung (Stromanschluss, Deckenstrahler, wärmegedämmte Wände) die objektive Eignung als Aufenthaltsraum, in den sich der größere Raum binnen kurzer Zeit ohne weiteres umwandeln lasse, nicht abgesprochen werden. Dass die nach § 34 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO für Aufenthaltsräume erforderliche lichte Höhe von 2,30 m an keiner Stelle erreicht werde, stehe dem nicht entgegen, da sich die Hütte ohne Probleme betreten und zumindest in ihrem überwiegenden Teil auch begehen lasse. Das Gebäude müsse somit nach der nachbarschützenden Vorschrift des § 5 Abs. 7 Satz 2 und 3 LBO eine Abstandsfläche von mindestens 2 m einhalten. Gleichwohl habe die Behörde in ermessensfehlerfreier Weise das begehrte baupolizeiliche Einschreiten abgelehnt, da der Kläger durch die grenznahe Hütte allenfalls geringfügig beeinträchtig werde. Insbesondere liege nach Grenzlänge (3,50 m), Höhe (2,05 m bis 2,35 m) und Entfernung der Hütte zum Wohngebäude des Klägers (ca. 7 m) keine "erdrückende Wirkung" vor. Eine bloß optische Störung bedeute keine erhebliche Beeinträchtigung. Auch der Hilfsantrag sei unbegründet. Die Beklagte habe aus denselben Erwägungen auch ein Einschreiten nach § 65 Satz 2 LBO ablehnen dürfen. Zudem wäre eine reine Nutzungsuntersagung auch nicht geeignet, die geltend gemachte Nachbarrechtsverletzung zu beseitigen oder wenigstens zu mindern, da sich Besonnung, Belichtung und Belüftung nicht zu Gunsten des Klägers verbesserten.

Auf Antrag des Klägers hat der Senat mit Beschluss vom 18.12.2001 - 5 S 1951/01 -, zugestellt am 24.12.2001, die Berufung zugelassen. Auf den am 21.01.2002 gestellten Antrag des Klägers ist die Frist zur Begründung der Berufung bis 31.01.2002 verlängert worden. Am 24.01.2002 hat der Kläger die Berufungsbegründung eingereicht mit dem Antrag, das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 11. Juli 2001 - 10 K 63/01 - zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres Ablehnungsbescheids vom 15. Juni 2000 und des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Freiburg vom 07. Dezember 2000 zu verpflichten, gegenüber dem Beigeladenen die Beseitigung der auf dem Grundstück Flst.Nr. 2071/2 der Gemarkung der Beklagten errichteten Holzhütte zu verfügen, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, die Nutzung der Holzhütte zu Zwecken des Aufenthalts zu untersagen.

Der Kläger ist mit dem Verwaltungsgericht der Auffassung, dass die Holzhütte planungsrechtlich sowohl nach der im Zeitpunkt ihrer Errichtung maßgeblichen Fassung des Bebauungsplans wie auch nach der nunmehr geltenden Fassung vom 12.09.2000 unzulässig sei und in bauordnungsrechtlicher Hinsicht gegen § 5 Abs. 7 Satz 2 und 3 LBO verstoße, weil sie zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt und geeignet sei und damit keinen abstandsflächenprivilegierten Nebenraum i.S. von § 6 Abs. 1 Satz 2 LBO darstelle. Das danach eröffnete behördliche Ermessen für den Erlass einer Beseitigungsanordnung nach § 65 Satz 1 LBO sei auf Null reduziert, da die verletzte Abstandsflächenregelung nachbarschützend sei und der Beigeladene "schwarz" gebaut habe. Demgegenüber habe die Beklagte das ihr zustehende Ermessen nicht ausgeübt. Wegen der Unterschreitung der erforderlichen Abstandsfläche würden auch seine nachbarlichen Belange, insbesondere der Wohnfriede, erheblich beeinträchtigt, zumal die rückwärtigen Gartenteile der Reihenhaussiedlung angesichts ihres schmalen Zuschnitts ohnehin wenig Rückzugsmöglichkeiten böten. Da der Beigeladene "schwarz" gebaut habe, genieße er auch keinerlei Vertrauensschutz. Was die hilfsweise begehrte Nutzungsuntersagung angehe, so wäre diese allerdings nur unzureichend geeignet, die Beeinträchtigung seiner durch die Abstandsflächenvorschriften geschützten nachbarlichen Belange zu beseitigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Hütte in planungsrechtlicher Hinsicht für vereinbar mit der im Zeitpunkt der Errichtung maßgeblichen Fassung des Bebauungsplans "Stockteil", nach der eine rückwärtige Bebauung nicht ausgeschlossen sei. Jedenfalls wären keine nachbarschützenden Festsetzungen verletzt. Die Hütte sei auch bauordnungsrechtlich nicht zu beanstanden. In ihr befänden sich abstandsflächenprivilegierte Nebenräume i. S. von § 6 Abs. 1 Satz 2 LBO, da sie nicht im Zusammenhang mit dem Wohnbereich des Beigeladenen stehe. Die objektive Eignung des größeren Raumes als Aufenthaltsraum sei schon wegen der zu geringen lichten Höhe (im Mittel unter 2,10 m) sowie wegen der fehlenden Heizung und wegen des fehlenden Wärme- und Schallschutzes nicht gegeben. Eine subjektive Zweckbestimmung der Hütte als Aufenthaltsraum werde auch vom Kläger nicht behauptet. Dass die Hütte zu anderen Zwecken als zum Abstellen genutzt werde, sei auch bei der gerichtlichen Augenscheinseinnahme nicht festgestellt worden. Selbst bei Annahme eines Verstoßes gegen die Abstandsflächenvorschriften wäre das behördliche Ermessen nicht so weit reduziert, dass nur der Erlass der begehrten Beseitigungsanordnung eine fehlerfreie Entscheidung wäre. Eine Beeinträchtigung des Grundstücks des Klägers hinsichtlich Besonnung, Belichtung und Belüftung sei wegen der nördlichen Lage der Hütte, deren geringer Höhe und Tiefe sowie des Grenzabstands von 0,50 m nicht gegeben und vom Kläger auch nicht geltend gemacht worden. Vielmehr habe dieser allein optische Störungen beim Blick in den Garten und eine Störung des Wohnfriedens reklamiert. Die Gewährleistung eines Mindestmaßes an "Privatheit" und damit des Wohnfriedens sei aber nicht Aufgabe der Abstandsflächenvorschriften. Im Übrigen blieben die Auswirkungen der Hütte auf Besonnung, Belichtung und Belüftung auf Grund ihrer geringen Abmessung auch hinter denen baulicher Anlagen zurück, die nach § 5 Abs. 9 LBO ohne Abstandsfläche errichtet werden dürften. Für den Erlass einer - hilfsweise begehrten - Nutzungsuntersagung bestehe keine Veranlassung, da die Hütte nicht als Aufenthaltsraum genutzt werde. Bei einer dahin gehenden späteren Änderung der Zweckbestimmung könnte dann immer noch eine Nutzungsuntersagung erlassen werden.

Der Beigeladene stellt keinen Antrag. Er verteidigt das angefochtene Urteil und schließt sich der Haltung der Beklagten an.

Der Senat hat das Grundstück des Beigeladenen und die nähere Umgebung in Augenschein genommen; auf die hierüber gefertigte Niederschrift wird verwiesen.

Dem Senat liegen die einschlägigen Behördenakten vor. Hierauf sowie auf die Gerichtsakten des erstinstanzlichen Verfahrens und des Berufungsverfahrens wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach Zulassung statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere den Anforderungen des § 124a Abs. 6 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO a. F. genügende Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der mit dem Hauptantrag verfolgten Verpflichtungsklage stattgeben müssen. Denn der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf das begehrte baupolizeiliche Einschreiten gegenüber dem Beigeladenen.

Ein von einem Nachbarn geltend gemachter Anspruch gegen die Baurechtsbehörde auf Erlass einer Beseitigungsanordnung setzt zunächst voraus, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 65 Satz 1 LBO gegeben sind. Danach kann der teilweise oder vollständige Abbruch einer Anlage, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet wurde, angeordnet werden, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Die darin normierte behördliche Ermessensbetätigung kann der Nachbar allerdings nur dann beanspruchen, wenn das umstrittene Vorhaben zu seinen Lasten gegen eine nachbarschützende Vorschrift verstößt. Verbietet diese unzumutbare Beeinträchtigungen, so ist die Behörde bei derartigen Beeinträchtigungen in aller Regel zum Einschreiten gegen den baurechtswidrigen Zustand verpflichtet, es sei denn, es stehen ihr sachliche Gründe für eine Untätigkeit zur Seite (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 13.12.1991 - 3 S 2358/91 - VBlBW 1992, 148). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.

Zwischen den Beteiligten steht außer Streit, dass die zu beseitigende Hütte mit einem Rauminhalt von 42,35 m³ nicht mehr nach Nr. 1 des Anhangs zu § 50 Abs. 1 LBO verfahrensfrei ist und dass die danach erforderliche Baugenehmigung - mangels entsprechender Antragstellung durch den Beigeladenen - nicht vorliegt (formelle Illegalität).

Die Hütte ist auch in materieller, nämlich planungsrechtlicher Hinsicht seit ihrer Errichtung fortwährend zu Lasten des Klägers baurechtswidrig.

Seit der mit Satzungsbeschluss vom 12.09.2000 erfolgten Änderung des Bebauungsplans "Stockteil-Sonnenrain" der Beklagten ist die Hütte (schon) wegen ihrer Lage außerhalb der durch Baugrenzen festgesetzten überbaubaren Grundstücksfläche unzulässig. Dies gilt allerdings auch schon für den Zeitpunkt ihrer Errichtung im Frühjahr 2000. Maßgebend ist insoweit der Straßen- und Baufluchtenplan zum Bebauungsplan "Stockteil" der Beklagten aus dem Jahre 1958. (Die ersten beiden Änderungen bis 1966 betreffen nicht den hier interessierenden Planbereich nördlich der Straße "Sonnenrain".) Der Senat ist mit dem Verwaltungsgericht der Auffassung, dass auf Grund der zeichnerischen Darstellung einer weißen mit schwarzen Linien abgegrenzten Grundstücksfläche, in der Legende als "neue Bebauung" erläutert, und der zeichnerischen Darstellung des westlich anschließenden, rückwärtigen Grundstücksbereichs als grüne Fläche, in der Legende als "Vorgarten Grünfläche" erläutert, insoweit ebenfalls von der Festsetzung einer nicht überbaubaren Grundstücksfläche auszugehen ist. Nach § 8 Abs. 3e des Badischen Aufbaugesetzes vom 25.11.1949 (BadGVBl. 1950 S. 29) muss der Straßen- und Baufluchtenplan, der nach § 8 Abs. 2 dieses Gesetzes Bestandteil des Bebauungsplans ist, auch enthalten "die rückwärtigen Baugrenzen zur Erhaltung freier Hof- und Gartenflächen". Dieses Verständnis des Straßen- und Baufluchtenplans zum Bebauungsplan "Stockteil" aus dem Jahre 1958 wird bestätigt durch die Begründung zur Änderungsplanung vom 12.09.2000, wonach durch die neu festgesetzten Baugrenzen nördlich der Straße "Sonnenrain" die überbaubaren Grundstücksflächen zu den Gartenflächen hin um 2 m über den Bestand hinaus erweitert würden. Danach ist in planungsrechtlicher Hinsicht davon auszugehen, dass die Hütte seit ihrer Errichtung im Frühjahr 2000 fortwährend außerhalb der nach dem einschlägigen Bebauungsplan durch hintere Baugrenzen festgelegten überbaubaren Grundstücksfläche liegt.

Ob die damit erfolgte Festsetzung einer rückwärtigen Bauverbotsfläche nachbarschützende Wirkung (auch) zu Gunsten des jeweils benachbarten Eigentümers der Reihenhauszeile hat (vgl. hierzu OVG Bremen, Urt. v. 20.02.1996 - 1 BA 53/95 - BRS 58 Nr. 173), so dass sich der Kläger hierauf berufen könnte, kann dahinstehen. Gleiches gilt für die Frage, ob bei unterstellt fehlender Ausschlussregelung im Bebauungsplan - was allenfalls für die Altfassung gelten könnte - die Hütte nach § 23 Abs. 5 BauNVO zugelassen werden könnte.

Denn jedenfalls verstößt die Hütte zu Lasten des Klägers gegen das planungsrechtliche Rücksichtnahmegebot. Wäre die (genehmigungspflichtige) Hütte genehmigt worden, so folgte die Möglichkeit des Klägers, sich im Rahmen eines hiergegen eingeleiteten Nachbarrechtsstreits auf das planungsrechtliche Rücksichtnahmegebot zu berufen, je nach dem Inhalt der erteilten Baugenehmigung aus § 15 Abs. 1 BauNVO, aus § 31 Abs. 2 BauGB oder aus einer analogen Anwendung des § 15 Abs. 1 BauNVO unter Berücksichtigung der Interessenbewertung des § 31 Abs. 2 BauGB (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 06.10.1989 - 4 C 14.87 - BVerwGE 82, 343 = PBauE § 31 BauGB Nr. 5). Im vorliegenden Fall der Errichtung der Hütte ohne (erforderliche) Baugenehmigung kann für die Frage ihrer materiellen Nachbarrechtswidrigkeit nichts anderes gelten. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzuwägen ist, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.10.1993 - 4 C 5.93 - PBauE § 34 Abs. 1 BauGB Nr. 22).

Ausgehend hiervon hat der Senat nach der Augenscheinseinnahme im Rahmen der mündlichen Verhandlung die Überzeugung gewonnen, dass die vom Beigeladenen errichtete Hütte zu Lasten des Klägers gegen das Rücksichtnahmegebot verstößt. Ausgangspunkt hierfür ist die Erwägung, dass die Eigentümer von Reihenhausgrundstücken untereinander in besonderer Weise zu einer Art bodenrechtlicher Schicksalsgemeinschaft verbunden sind und daher grundsätzlich einer besonderen gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme unterliegen. Sie können im Allgemeinen davon ausgehen, dass bauliche Anlagen außerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche nur unter Beachtung der besonderen Schutzwürdigkeit der berechtigten Nachbarinteressen errichtet werden dürfen (vgl. auch Senatsurt. v. 14.08.1997 - 5 S 1252/96 - BauR 1998, 517 = BRS 59 Nr. 189). Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass es sich nicht um eine versetzte (gestaffelte), sondern - jedenfalls im Verhältnis zwischen Beigeladenem und Kläger - um eine auf einer Linie stehende Reihenhauszeile handelt. Ins Gewicht fällt ferner, dass sich die rückwärtige Bauverbotsfläche, die im Zeitpunkt der Errichtung der Hütte im Frühjahr 2000 durch die damals gültige Fassung des Bebauungsplans ausdrücklich als "Vorgarten Grünfläche" festgesetzt war, an die nach (Süd-)Westen ausgerichtete Wohnseite der Reihenhauszeile anschließt und damit einen erheblichen Einfluss auf die Wohnqualität hat. Der Kläger kann darauf vertrauen, dass der benachbarte Beigeladene nicht einseitig mit baulichen Anlagen aus der so begründeten Reihenhaus-Schicksalsgemeinschaft ausbricht und dabei die zugrunde liegende Zuordnung der Nutzungsbereiche "Wohnen" und "Garten" nicht in unverhältnismäßiger Weise zu seinen Lasten verschiebt. Hierbei ist weniger von Bedeutung, ob die Hütte bauordnungsrechtlich (noch) als Nebenraum einzustufen ist und somit die Abstandsflächenprivilegierung des § 6 Abs. 1 Satz 2 LBO genießt, so dass der Kläger aus tatsächlichen Gründen unter den Aspekten Besonnung, Belichtung und Belüftung seines Grundstücks grundsätzlich auch in bauplanungsrechtlicher Hinsicht nicht mehr an Rücksichtnahme verlangen könnte. Ins Gewicht fällt vielmehr die mit dem Vorhaben verbundene Verschiebung der Nutzungsbereiche. Bereits mit dem wintergartenähnlichen zweigeschossigen Anbau überschreitet das Wohngebäude des Beigeladenen die nach der Änderungsplanung vom 12.09.2000 neu festgesetzte rückwärtige Baugrenze. Durch die in geringem Abstand hierzu errichtete Hütte, die mit einer Breite von ca. 5,50 m an der nördlichen Grundstücksgrenze nur noch einen Durchgang von ca. 2,50 m belässt, wird - unterstützt durch den dazwischen aufgebrachten Terrassenbelag - der Eindruck einer baulichen Erweiterung praktisch bis in die Mitte der rückwärtigen Gartenzone hervorgerufen. Selbst wenn die Hütte nicht die nach § 34 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO für einen Aufenthaltsraum erforderliche lichte Höhe von 2,30 m erreicht, erscheint sie angesichts ihrer Größe (Grundfläche: 5,50 m x 3,50 m), Bauweise, Aufteilung und Ausstattung doch nicht als "echte" Gerätehütte, wie sie mittlerweile auch den Vorstellungen der Beklagten in der Änderungsplanung vom 12.09.2000 entspricht. Mit der Hütte ist ein verstärkter Aufenthalt von Personen auf dem davor liegenden, mit einem Terrassenbelag versehenen Bereich verbunden, der seinerseits unmittelbar an das Wohngebäude bzw. den wintergartenähnlichen Anbau anschließt. Damit wird eine Unruhe in die rückwärtige Gartenzone hineingetragen, die zu Lasten des Klägers die gebotene Rücksichtnahme auf das hier wegen der beengten räumlichen Gegebenheiten besonders sensible Nachbarrechtsverhältnis vermissen lässt. Eine solche "Zerstörung" der Gartenzone um fast die Hälfte ist dem Kläger angesichts der durch die Reihenhausbebauung ausgelösten besonderen nachbarlichen Nähe und der damit verbundenen Befriedungsfunktion der rückwärtigen Gartenfläche (Bauverbotsfläche) billigerweise nicht mehr zuzumuten.

Liegt wegen der geschilderten unzumutbaren Beeinträchtigung der nachbarlichen Interessen des Klägers ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot vor, so kann die Beklagte das begehrte baupolizeiliche Einschreiten ermessensfehlerfrei nur ablehnen, wenn ihr dafür sachliche Gründe zur Seite stünden (vgl. auch Sauter, Landesbauordnung für Baden-Württemberg. 3. Aufl., RdNr. 79 zu § 65). Solche hat die Beklagte jedoch nicht aufgezeigt; sie sind auch sonst nicht ersichtlich. Vielmehr schlägt umgekehrt für eine Ermessensverdichtung in Richtung auf den Erlass einer Beseitigungsanordnung Folgendes zu Buche: Hätte der Beigeladene - wie geboten - eine Baugenehmigung für die umstrittene Hütte beantragt, so wäre eine erteilte Baugenehmigung auf eine Nachbarklage des Klägers hin wegen Verstoßes gegen das planungsrechtliche Rücksichtnahmegebot - wie dargelegt - aufzuheben gewesen. In diesem Fall hätten Art. 14 Abs. 1 GG und der daran anknüpfende Folgenbeseitigungsanspruch im Rahmen des § 65 Satz 1 LBO für die Beklagte eine ermessensreduzierende Wirkung in Richtung auf den Erlass einer Beseitigungsanordnung entfaltet (vgl. BVerwG, Beschl. v. 09.02.2000 - 4 B 11.00 - BauR 2000, 1318). Der Kläger kann insoweit aber nicht deshalb schlechter stehen, weil der Beigeladene keine Baugenehmigung zur Errichtung der Hütte eingeholt und damit die Erhebung einer - erfolgreichen - Nachbarklage durch den Kläger vereitelt hat (vgl. auch Sauter, a.a.O., RdNr. 78 zu § 65). Hinzu kommt, dass - wie dargelegt - ein Verstoß gegen das planungsrechtliche Rücksichtnahmegebot vorliegt. Das materielle Bauplanungsrecht steht in seiner Beachtung und Durchsetzung grundsätzlich aber nicht zur Disposition des Landesgesetzgebers. Dies gilt auch für die Frage, ob und gegebenenfalls in welchen Grenzen die zuständige Behörde auch dann ein den Erlass einer Abbruchsanordnung betreffendes Entscheidungsermessen besitzt, wenn es sich um die Wahrung der nach Bundesrecht zu beurteilenden bauplanungsrechtlichen Zustände handelt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 17.04.1998 - 4 B 144.97 - BauR 1999, 735 = BRS 60 Nr. 169).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3, 159 Satz 1 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 1 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.

Beschluss

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß §§ 14 Abs. 1, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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