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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 22.03.2005
Aktenzeichen: 5 S 316/05
Rechtsgebiete: GG, VwGO, GVG, BGB


Vorschriften:

GG Art. 14 Abs. 3 Satz 4
GG Art. 34 Satz 3
VwGO § 40 Abs. 2 Satz 1
GVG § 17 Abs. 2 Satz 2
GVG § 17a Abs. 2 Satz 1
GVG § 17a Abs. 4 Satz 3
BGB § 280 Abs. 1
BGB § 839
1. Die abdrängende Sonderzuweisung zu den ordentlichen Gerichten gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 VwGO gilt entsprechend für Ansprüche auf Erfüllung eines Vergleichsvertrags, in dem im Wesentlichen Ansprüche geregelt werden, für die nach dieser Vorschrift ausschließlich der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben ist (wie OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.07.1983 - 9 U 176/82 - VBlBW 1984, 320).

2. Dies gilt auch für Ansprüche aus Verschulden bei der Anbahnung oder dem Abschluss eines solchen Vergleichsvertrags.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

5 S 316/05

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Folgen des Straßenbaus u. a.

hier: Verweisung an das Landgericht Rottweil

hat der 5. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schnebelt und die Richter am Verwaltungsgerichtshof Schefzik und Albers

am 22. März 2005

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 12. Januar 2005 - 10 K 4116/04 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Satz 1 des Tenors des angefochtenen Beschlusses lautet: "Der Verwaltungsrechtsweg ist unzulässig."

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die weitere Beschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die gemäß § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG i.V.m. § 146 Abs. 1, § 147 VwGO zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht den Verwaltungsrechtsweg für die Klage verneint und den Rechtsstreit an das örtlich und sachlich zuständige Landgericht Rottweil verwiesen. Soweit sich das Verwaltungsgericht im Tenor des angefochtenen Beschlusses für "sachlich unzuständig" erklärt hat, ist dieser dahin zu fassen, dass der Verwaltungsrechtsweg für unzulässig erklärt wird (§ 17a Abs. 2 Satz 1 GVG).

Mit seinen Klaganträgen verfolgt der Kläger drei voneinander unabhängige Begehren. Der Klagantrag zu 1 ist darauf gerichtet festzustellen, dass die beklagte Gemeinde verpflichtet ist, ihn für die Inanspruchnahme von Teilflächen (insgesamt 181 m²) seines Grundstücks Flst.Nr. 54 gemäß dem Bebauungsplan "Auchtweide I" vom 14.04.1969 für öffentliche Verkehrsflächen (als Teile der Straßen "Wiesenweg" und "Im Wiesengrund") zu entschädigen. Der zweite Klagantrag zielt darauf festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Schadensersatz dafür zu leisten, dass sie ihn mehrfach bei der Veräußerung seiner Grundstücke Flst.Nrn. 47 und 54 behindert hat. Mit dem dritten Klagantrag erstrebt der Kläger, die Beklagte zu verurteilen, mit ihm einen Vergleichsvertrag über eine Entschädigung für Risse und andere Schäden an seinem an der Ortsdurchfahrt der B 294 stehenden Wohn- und Geschäftshaus (Alpirsbacher Straße xx) zu schließen; dabei führt der Kläger die Gebäudeschäden auf den Ausbau der B 294 im Jahr 1986 zurück.

Das Verwaltungsgericht hat den Verwaltungsrechtsweg für jedes dieser Klagebegehren verneint und zusammenfassend zutreffend ausgeführt, dass für Amtshaftungsansprüche wie auch für vermögensrechtliche Ansprüche aus enteignungsgleichem oder enteignendem Eingriff ausschließlich die ordentlichen Gerichte zuständig sind. Im Einzelnen ergibt sich dies aus Folgendem:

Der Klagantrag zu 1 zielt auf eine Entschädigung für einen enteignungsgleichen bzw. enteignenden Eingriff. Dass die Entscheidung über einen solchen Anspruch - wie im Falle eines Anspruchs auf Übernahme der betroffenen Flächenen oder im Falle einer Enteignungsentschädigung (§ 12 Abs. 2 und 3 StrG, Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG; vgl. auch §§ 40, 217 BauGB) und anders als im Falle eines Ausgleichsanspruchs wegen einer Inhaltsbestimmung des Eigentums (§ 40 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 VwGO; vgl. Senatsurt. v. 17.12.2004 - 5 S 1914/03 -) - den ordentlichen Gerichten zugewiesen ist (§ 40 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 Alt. 1 oder 3 VwGO), steht nicht in Frage. Mit dem Klagantrag zu 2 macht der Kläger ersichtlich einen Amtshaftungsanspruch gemäß Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB geltend. Für diesen ist ebenfalls der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben (Art. 34 Satz 3 GG, vgl. auch § 40 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 Alt. 3 VwGO). An dieser Beurteilung der Klaganträge zu 1 und 2 ändert der Umstand nichts, dass der Kläger sein Begehren jeweils im Gewand eines Feststellungsantrags verfolgt. Zu Recht hat das Verwaltungs-gericht insoweit davon abgesehen, die Anträge des Klägers dahin auszule-gen, er beantrage anstelle der Feststellung von Entschädigungsansprüchen die Feststellung der Rechtswidrigkeit von Amtshandlungen, bzw. auf eine ent-sprechende Antragstellung hinzuwirken. Denn solche im Verwaltungsrechts-weg zu verfolgenden Feststellungsanträge wären, wie das Verwaltungsge-richt zutreffend ausgeführt hat, mangels Feststellungsinteresse nicht sach-dienlich. Mit seinem dritten Klagantrag verfolgt der Kläger ebenfalls Amtshaftungsansprüche. Indem er Schäden an seinem an der Ortsdurchfahrt der B 294 stehenden Wohn- und Geschäftsgebäude geltend macht, erhebt er nicht etwa im Verwaltungsrechtsweg zu verfolgende Ansprüche auf Ausgleich einer Inhalts- und Schrankenbestimmung (vgl. § 74 Abs. 2 Satz 3 bzw. § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG und hierzu BVerwG, Urt. v. 22.05.1987 - 4 C 17-19.84, BVerwGE 77, 295). Solche Ansprüche wären nämlich gegen den Bund als Träger der Straßenbaulast auch für die Ortsdurchfahrt (§ 5 FStrG) bzw. gegen das Land als Träger der im Rahmen der Auftragsverwaltung für die Bundes-fernstraßen zuständigen Behörde zu richten. Der Kläger ist vielmehr der Ansicht, die Beklagte habe amtspflichtwidrig auf die zuständige Straßenbehörde des Landes eingewirkt, die Fahrbahn der Ortsdurchfahrt zu verbreitern mit der Folge, dass der Gehweg vor seinem Wohn- und Geschäftshaus nur noch 30 cm schmal sei, und den Bordstein abzusenken.

Der im Ergebnis zutreffenden Beurteilung des Verwaltungsgerichts hält der Kläger allein entgegen, er stütze sein Begehren "jedenfalls" auf eine Haftung der Beklagten aus "culpa in contrahendo". Er verweist insoweit auf eine "Vergleichsvereinbarung", die die Beklagte mit Schreiben vom 25.04.2002 bestätigt, jedoch nicht erfüllt habe. Er ist der Auffassung, die darin aufgeführten Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche seien öffentlich-rechtlicher Natur; das Verwaltungsgericht hätte auf eine entsprechende Antragstellung hinwirken müssen; auf jeden Fall wäre eine Leistungsklage aus der erwähnten Vereinbarung zulässig gewesen.

Sofern der Kläger mit diesem Vorbringen zum Ausdruck bringen will, er mache auch Erfüllungsansprüche aus der erwähnten Vereinbarung geltend, was allerdings wohl nur unter der Voraussetzung einer Klagerweiterung - als Klagänderung nach § 91 VwGO - zulässig wäre, würde dies den Verwaltungsrechtsweg (gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO) nicht begründen.

Der Senat kann offen lassen, ob dies schon daraus folgt, dass der behauptete Erfüllungsanspruch des Klägers von vornherein als völlig aussichtslos erscheint und von ihm insbesondere nur mit dem Ziel erhoben wird, den ansonsten nicht gegebenen Verwaltungsrechtsweg doch beschreiten zu können (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 12.03.1993 - 8 S 2554/92 - BWGZ 1993, 272; vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 30.04.2002 - 4 B 72.01 - NJW 2002, 2894). Dafür spricht Einiges: Weder dürften die Erklärungen der Beteiligten verbindlich sein noch der gesetzlichen Form entsprechen. So beinhalten die allein vom Bürgermeister der Beklagten unterschriebenen "Verhandlungsergebnisse" vom 25.04.2002, in denen auf "per Handschlag" getroffene mündliche Vereinbarungen vom 17.04.2002 Bezug genommen wird, wohl wie jene auch nur Absichtserklärungen und keine einen Vertragsschluss unmittelbar herbeiführenden Willenserklärungen. Dies dürfte auch darin zum Ausdruck kommen, dass in Nr. 7 die notarielle Beurkundung der Vereinbarungen vorbehalten bleibt, was im Übrigen wegen der Übertragung von Teilflächen des Grundstücks Flst.Nr. 54 gemäß Nr. 3 auch erforderlich wäre.

Jedenfalls ist der Senat der Auffassung, dass die abdrängende Sonderzuweisung des § 40 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 VwGO auch für Ansprüche auf Erfüllung eines Vergleichsvertrags gilt, in dem im Wesentlichen Ansprüche geregelt werden, für die nach dieser Vorschrift ausschließlich der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben ist (so auch OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.07.1983 - 9 U 176/82 - VBlBW 1984, 320 m.w.N.; a.A. Ehlers, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 40 Rdnr. 539). Denn eine vergleichsweise Regelung solcher Ansprüche ändert nichts daran, dass es sich ihrer Natur nach um solche handelt, die der Gesetzgeber nach der genannten Vorschrift gerade den ordentlichen Gerichten zuweisen wollte, um jedenfalls insoweit einen einheitlichen Rechtsweg für diese Ansprüche und für Ansprüche aus Enteignung und Amtshaftung (gemäß Art. 14 Abs. 3 Satz 4 und Art. 34 Satz 3 GG) zu begründen. Dieser Auslegung von § 40 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 VwGO steht nicht entgegen, dass die Sonderzuweisung an die ordentlichen Gerichte nicht für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten gilt, die auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen. Denn die insoweit vorgenommene Rückausnahme von der Sonderzuweisung an die ordentlichen Gerichte soll nur sicherstellen, dass der nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnete Verwaltungsrechtsweg für Streitigkeiten über Wirksamkeit und Inhalt jeglicher öffentlich-rechtlicher Verträge auch für Streitigkeiten über Folgen und Leistungsstörungen aller Art einschließlich von Schadensersatzpflichten gegeben ist (BT-Drucks. 7/910 S. 97). Zum Ausdruck kommt darin aber gerade nicht der Wille des Gesetzgebers, dass der ordentlichen Gerichtsbarkeit zugewiesene Rechtsstreitigkeiten den Verwaltungsgerichten auch dann "rückübertragen" seien, wenn sie um der Rechtssicherheit willen vergleichsweise vertraglich geregelt werden. Eine solche Auslegung würde dem in § 40 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 VwGO verfolgten und auch in der Rechtsprechung als maßgeblich erachteten Zweck zuwiderlaufen, über verschiedene Ansprüche aus demselben Lebenssachverhalt möglichst in einem und demselben Rechtsweg zu entscheiden (vgl. auch BVerwG, Urt. v. 30.04.2002 - 4 B 72.01 - a.a.O.). Diese Beurteilung dürfte im Übrigen im Zweifel auch dem Willen der am Abschluss eines solchen Vergleichsvertrags Beteiligten entsprechen (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.01.1990 - 4 C 21.89 - BVerwGE 84, 257).

Soweit der Kläger Schadensersatzansprüche wegen eines Verschuldens der Beklagten bei der Anbahnung der Vereinbarung (öffentlich-rechtlicher "culpa in contrahendo"; vgl. § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2 und § 280 Abs. 1 BGB) geltend macht, gilt letztlich dasselbe. Auch insoweit kann dahinstehen, ob solche Ansprüche für den Rechtsweg außer Betracht bleiben müssen, weil sie offensichtlich aussichtslos sind und der Kläger mit ihrer Geltendmachung allein erstrebt, doch den Verwaltungsrechtsweg beschreiten zu können. Denn auch insoweit muss maßgeblich sein, ob die Ansprüche, die Gegenstand aufgenommener Vertragsverhandlungen waren, solche sind, deren Beurteilung der Gesetzgeber gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 VwGO den ordentlichen Gerichten zugewiesen hat. Nicht einschlägig ist somit in solchen Fällen die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach für einen Anspruch aus Verschulden bei der Anbahnung oder dem Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist, wenn er neben einem Erfüllungsanspruch geltend gemacht wird und damit im Sachzusammenhang mit einem Anspruch auf Erfüllung besteht, während der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben ist, wenn der Anspruch aus "culpa in contrahendo" auf Gründen beruht, die typischerweise auch Gegenstand eines Amtshaftungsanspruchs sein können (BVerwG, Beschl. v. 30.04.2002 - 4 B 72.01 - a.a.O.; Urt. v. 29.05.1973 - VII C 2.72 - Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 125; Dötsch, Rechtsweg bei Ansprüchen aus öffentlich-rechtlicher culpa in contrahendo, NJW 2003, 1430).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die weitere Beschwerde ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 17a Abs. 4 Satz 5 GVG).

Der Festsetzung eines Streitwerts bedarf es nicht, da für das Beschwerdeverfahren eine Festgebühr von 50,- EUR bestimmt ist (Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum GKG).

Der Beschluss ist nicht anfechtbar.

Ende der Entscheidung

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