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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 21.11.2001
Aktenzeichen: 6 S 1067/01
Rechtsgebiete: BVFG, BVFG/1993


Vorschriften:

BVFG § 4 Abs. 2
BVFG a.F. § 6
BVFG § 100 Abs. 4
BVFG/1993 § 6
1. Bei Personen, die vor dem 1.7.1990 eine Übernahmegenehmigung erhalten haben, beurteilt sich die Frage, ob sie den Status eines Spätaussiedlers erworben haben, gemäß § 100 Abs. 4 BVFG alternativ nach den materiellrechtlichen Kriterien des § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG i.V.m. § 6 BVFG a.F. oder des § 4 BVFG (im Ergebnis ebenso: BVerwG, Urteil vom 2.11.2000 - 5 C 1.00 -, DVBl. 2001, S. 493 <Leitsatz> zu § 100 Abs. 4 BVFG; Urteil vom 18.3.1999 - 5 C 1.99 - und Beschluss vom 14.1.1997 - 9 B 439.96 - zu § 100 Abs. 5 BVFG; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24.10.1994 - 22 E 465/94 - zu § 100 Abs. 4).

2. Die Herabstufung der Anforderungen an die Vermittlung des Bestätigungsmerkmals der Sprache in den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.10.2000 (insbesondere 5 C 44.99, Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 94) erstreckt sich nicht auf § 6 BVFG in der vor dem 1.1.1993 geltenden Fassung.

3. Zu den Begriffen "Benachteiligungen" und "Nachwirkungen von Benachteiligungen" im Sinne des § 4 Abs. 2 BVFG (wie BVerwG, Urteil vom 3.3.1998 - 9 C 3.97 -, BVerwGE 106, S. 191 f. = Buchholz 412.3 § 4 BVFG Nr. 3).


6 S 1067/01

VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

In der Verwaltungsrechtssache

wegen

Spätaussiedlerbescheinigung

hat der 6. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schwäble, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Ecker und die Richterin am Verwaltungsgericht Schikora auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 14. November 2001

am 21. November 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 7. April 2000 - 18 K 6018/98 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BVFG.

Die Klägerin ist am 13.7.1971 in Cristuru Secuiesc (Kristur/Siebenbürgen) geboren und war dort bis zu ihrer Aussiedlung wohnhaft. Sie ist evangelischen Glaubens und seit 1999 deutsche Staatsangehörige. Von 1974 bis 1977 besuchte sie in einem ungarischen Kindergarten die deutschsprachige Abteilung, von 1978 bis 1988 Schulen mit ungarischer Unterrichtssprache und Deutschunterricht in der 9. und 10. Klasse. Von 1988 bis 1990 war sie auf einer Berufsschule im Temeschburg für eine Ausbildung als Friseurin. Die Klägerin ist seit dem 11.4.1992 mit dem am 11.1.1959 in Kristur geborenen, gleichfalls evangelischen, ungarischen Volkszugehörigen XXXXXXXXXXXX XXXXXXXXXXXX verheiratet, der sich ebenfalls in Deutschland aufhält.

Der Vater der Klägerin ist der am 9.6.1938 in Neustadt/Kreis Hermannstadt geborene, evangelische XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX, ihre Mutter die am 6.12.1943 in Reps/Kreis Kronstadt geborene, ebenfalls evangelische ungarische Volkszugehörige XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX. Der Vater der Klägerin siedelte am 10.9.1977 im Besitz einer Übernahmegenehmigung des Bundesverwaltungsamtes Köln vom 12.2.1975 allein in die Bundesrepublik Deutschland über. Am 9.12.1977 erteilte ihm das Landratsamt Ravensburg einen Vertriebenenausweis A. Die am 14.7.1963 geschlossene Ehe der Eltern wurde am 31.7.1981 geschieden. Der Vater ist seit 15.1.1982 in zweiter Ehe verheiratet; aus der Ehe der Eltern ging eine weitere Tochter, die am 28.2.1965 in Kristur geborene XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX hervor. Die Schwester der Klägerin befindet sich seit 21.8.1986 im Bundesgebiet; am 18.11.1986 stellte das Landratsamt Böblingen ihr einen Vertriebenenausweis A aus.

Bereits am 12.2.1975 hatte das Bundesverwaltungsamt Köln auf Antrag ihres Vaters vom 7.10.1974 die Übernahme der Klägerin genehmigt. Nachdem der Vater der Klägerin am 3.7.1992 den Nachtrag ihres Ehemannes in die Übernahmegenehmigung beantragt hatte, wies das Bundesverwaltungsamt darauf hin, im Hinblick auf das neue Aussiedleraufnahmegesetz sei ein Aufnahmeantrag zu stellen. Daraufhin stellte der Vater der Klägerin als Bevollmächtigter für die Klägerin und ihren Ehemann am 31.3.1993 Aufnahmeanträge. Im Aufnahmeantrag der Klägerin ist unter den Rubriken "Volkszugehörigkeit" und "Muttersprache" "Deutsch", in der Rubrik "jetzige Umgangssprache in der Familie" "Deutsch-Ungarisch" eingetragen. Weiter heißt es, die Klägerin könne die deutsche Sprache verstehen und sprechen; unter der Rubrik "Schreiben" findet sich kein Eintrag. Unter "Pflege des deutschen Volkstums" ist vermerkt, die Klägerin habe zwei Jahre einen privaten Kindergarten besucht und sei seit 1.1.1992 Mitglied des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien. Zu ihrer Sprache gab die Klägerin selbst an, deutsch und ungarisch ab ihrem 1. Lebensjahr und rumänisch ab ihrem 7. Lebensjahr gesprochen zu haben. Deutsch habe sie von ihrem Vater und in einem privaten Kindergarten (zwei Jahre und sechs Monate) gelernt. Im engsten Familienkreis werde jetzt häufig sowohl deutsch als auch ungarisch gesprochen. Als Grund für ihre Aussiedlung gab sie "Familienzusammenführung" an und führte auf die Frage nach Nachteilen aus, mit dem Demokratisierungsprozess in Rumänien seien die Benachteiligungen der Minderheiten nicht beendet; alle besseren Positionen würden von rumänischen Volkszugehörigen besetzt, auch seien die Schulen nur nach außen deutsch, tatsächlich aber verlaufe der Unterricht zu 80 % in rumänischer Sprache. Im täglichen Leben werde man immer wieder darauf hingewiesen, dass man in Rumänien lebe und rumänisch zu denken, zu reden und zu handeln habe. Wenn man einen deutschen Gottesdienst besuchen wolle, müsse man große Strecken zurücklegen. Die Möglichkeit, Deutscher zu bleiben und die Kinder als Deutsche zu erziehen, sei gering. - Schließlich wurde im Rahmen des Aufnahmeverfahrens am 24.5.1993 im Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in Hermannstadt ein Sprachtest durchgeführt. Hierbei wurde festgehalten, dass die Klägerin in Deutsch alles versteht, fließend deutsch spricht und deutsch schreibt; Deutsch sei Muttersprache.

Unter dem 13.4.1995 erteilte das Bundesverwaltungsamt in Köln der Klägerin einen Aufnahmebescheid als Spätaussiedlerin, in welchen ihr Ehemann gemäß § 7 Abs. 2 BVFG einbezogen war. Am 13.10.1995 reisten die Klägerin und ihr Ehemann aus Rumänien aus und am 14.10.1995 in die Bundesrepublik Deutschland ein.

Am 31.10.1995 beantragte die Klägerin beim Landratsamt Böblingen die Erteilung einer Spätaussiedlerbescheinigung gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 BVFG. Im Ergänzungsblatt 1 umschrieb sie ihre Muttersprache als Deutsch-Ungarisch, die Umgangssprache innerhalb der Familie als Deutsch-Ungarisch und außerhalb der Familie als Ungarisch-Rumänisch. Sie sei seit 26.2.1993 Mitglied im Demokratischen Forum der Deutschen in Rumänien. Als Grund für ihre Aussiedlung gab sie "Familienzusammenführung" an. Die Frage nach Benachteiligungen auf Grund deutscher Volkszugehörigkeit und die Frage nach Leidensdruck auf Grund von Nachwirkungen früherer Benachteiligungen verneinte sie. Das deutsche Volkstum sei innerhalb der Familie von ihrem Vater und ihren Großeltern gepflegt worden; die Feiertage (Weihnachten, Ostern) seien nach deutschem Brauch gefeiert worden. Sie habe darüber hinaus die Kirche in der naheliegenden Stadt Schässburg besucht. Sie verstehe hinsichtlich der deutschen Sprache "fast alles" und beherrsche ein "einfaches Gespräch", darüber hinaus könne sie deutsch schreiben. Ausweislich eines schriftlich abgefassten Lebenslaufes habe ihr Vater, der 1977 in die Bundesrepublik ausgesiedelt sei, die Familie mehrmals jährlich besucht und finanziell unterstützt. Sie habe, als sie 13 Jahre alt gewesen sei, zum ersten Mal ihren Vater in Deutschland besuchen können. Ihre Großeltern väterlicherseits hätten sie gleichfalls mehrmals besucht. Weitere Besuche bei ihrem Vater seien 1987, 1988, 1990 und 1993 erfolgt. Sie habe 1993 kirchlich geheiratet. Weiter wurden Bescheinigungen der reformierten Kirchengemeinde in Kristur bezüglich Taufe, Konfirmation und Heirat der Klägerin und ihrer Verwandten mütterlicherseits und väterlicherseits, Bescheinigungen des Kindergartens in Kristur, des dortigen Theoretischen Gymnasiums, einer Lehrerin dieses Gymnasiums zum Deutschunterricht und zur deutschen Volkszugehörigkeit der Klägerin und eine Kopie eines am 8.12.1995 von diesem Gymnasium ausgestellten Matrikelblatts vorgelegt, in welchem ihre Volkszugehörigkeit mit Deutsch angegeben ist.

In einem Aktenvermerk vom 31.10.1995 hielt der Sachbearbeiter des Landratsamts Böblingen zu den Sprachkenntnissen der Klägerin fest, dass sie die deutsche Sprache verstehe und für ein einfaches Gespräch ausreichend deutsch spreche; sie habe nicht alles verstanden, und die Satzstellung sei des öfteren nicht richtig gewesen. Man merke ihr bei der Unterhaltung an, dass Deutsch nicht die Muttersprache sei. Weiter ist in der Antragsniederschrift der Klägerin vom 31.10.1995 vermerkt, dass die Eltern seit 1977 getrennt lebten und der Vater im gleichen Jahr nach Deutschland gegangen sei. Danach habe sie zusammen mit ihrer ungarischen Mutter und ihrer Schwester, die 1986 ins Bundesgebiet gekommen sei, in Rumänien gelebt. Sie sei nicht früher ausgereist, weil sie erst eine Ausbildung in Rumänien habe machen wollen. Als Kind habe sie den deutschen Kindergarten und danach die ersten vier Klassen in einer rumänischen Schule besucht. Später habe sie in eine Schule gewechselt, in der die Hauptfächer in Ungarisch unterrichtet worden seien. Unterrichtssprache auf dem Gymnasium sei Ungarisch und Rumänisch gewesen. In dieser Zeit habe sie auch wöchentlich drei bis vier Stunden fremdsprachlichen Deutschunterricht gehabt. Ihr Vater habe sie zweimal jährlich besucht. Seit vier Jahren habe er einen Betrieb in Rumänien und sei deshalb monatlich nach Rumänien gekommen. Sie habe jedes Mal Kontakt zu ihm gehabt. Sie sei auch des öfteren, nämlich 1984, 1987, 1988, 1990 und 1993, in Deutschland gewesen. Ihre deutschen Sprachkenntnisse habe sie von der Schule und einer Privatlehrerin, bei der sie 1990/1991 Unterricht gehabt habe. Sie habe sich mit ihrer Mutter in der ungarischen Sprache und mit ihrem Vater deutsch/ungarisch unterhalten. In Kristur hätten keine deutschen Familien gelebt. Dort seien überwiegend ungarische Volkszugehörige gewesen. Es habe dort keine deutschen Vereine gegeben. Sie und ihr Ehemann seien seit 1993 Mitglied im Demokratischen Forum in Schässburg.

Unter dem 28.3.1996 trug die Klägerin ergänzend vor, nachdem die rumänischen Behörden von ihrem Ausreisewunsch Kenntnis erhalten hätten, sei ihr etwa drei Monate später von der Wohngemeinschaft der Mietvertrag mit der Begründung gekündigt worden, sie hätten einen Ausreiseantrag gestellt; die Wohnung sei zum privaten Verkauf freigegeben worden. Auch beruflich habe sie Probleme bekommen; ihr Stammplatz als Friseurin sei ihr gekündigt worden, und sie habe lediglich als Aushilfe weiterarbeiten können. Dies sei aus demselben Grund erfolgt. Mit finanzieller Hilfe ihres Vaters habe sie die Zeit bis zur Ausreise bewältigen können.

Während des Verwaltungsverfahrens erklärte eine Cousine der Klägerin schriftlich, dass sie sich mit der Klägerin anlässlich von Besuchskontakten, die auch nach der Ausreise des Vaters in die Bundesrepublik nicht abgebrochen seien, immer in deutscher Sprache unterhalten habe. Ein weiterer Zeuge gab schriftlich an, der Klägerin auf Wunsch ihres Vaters zwei Doppelstunden wöchentlich Privatunterricht in deutscher Sprache erteilt zu haben. Ein Onkel der Klägerin teilte schriftlich mit, dass diese ihn vor seiner Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland 1990 immer wieder besucht habe. Umgangssprache sei Deutsch gewesen. Schließlich erklärte der Vater der Klägerin, dass er anlässlich eines Besuches bei seinen Eltern im Bundesgebiet den Entschluss gefasst habe, zu bleiben. Er habe dies getan, weil seine Frau sich geweigert habe, mit den Kindern und ihm nach Deutschland auszureisen. Seine Frau habe unter keinen Umständen einer Ausreise seiner beiden Töchter zustimmen wollen. Sie habe dies damit begründet, dass diese bei ihrer Volljährigkeit selbst über ihre Ausreise entscheiden sollten. Seine beiden Töchter hätten sowohl bei der Volkszählung als auch in der Schule als deutsche Volkszugehörige gegolten. In der Heimatregion habe es keine deutschen Schulen gegeben. Die Klägerin habe einen privaten deutschen Kindergarten besucht und zudem privat Deutschunterricht erhalten. Zu seiner Verwandtschaft aus seiner Heimatgemeinde Neithausen hätten er und seine Kinder immer ein sehr enges Verhältnis gehabt. Dieses sei auch nach seiner Ausreise in die Bundesrepublik bestehen geblieben. Seine Töchter hätten die dortige Verwandtschaft auch in seiner Abwesenheit besucht. Die Klägerin habe keineswegs eine nur ungarische Erziehung genossen; vielmehr sei ein Großteil ihrer Erziehung auf Grund des Umgangs mit Verwandten deutsch im sächsischen Rahmen gewesen. Zwischen 1981 und 1990 hätten seine Töchter sechs Mal die Sommerferien bei ihm verbracht, und er habe sie ungefähr achtzehn Mal besucht. Er habe den Unterhalt und die Ausbildung bezahlt. Die ganze Familie habe darauf gewartet, dass die Klägerin in ihrer Mitte sein könne.

Mit Bescheid vom 3.7.1996 lehnte das Landratsamt Böblingen den Antrag der Klägerin auf Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung im Wesentlichen mit der Begründung ab, die Klägerin habe ihre deutsche Volkszugehörigkeit nicht glaubhaft dargelegt. Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BVFG lägen nicht vor. Es fehle an einer Prägung zum deutschen Volkstum, denn die objektiven Bestätigungsmerkmale Sprache, Erziehung und Kultur seien nicht feststellbar. Sie habe der ungarischen Sprache als Mutter- und Umgangssprache eindeutig den Vorzug gegeben. Allein die Tatsache, dass die christlichen Feiertage von Verwandten der Klägerin nach deutscher Art gefeiert worden seien, lasse nicht auf eine hinreichende Erziehung in deutscher Tradition und deutschem Volkstumsbewusstsein schließen. Die Klägerin habe nicht erwähnt, dass auch sie mit deutschen Sitten und Gebräuchen aufgewachsen sei. Eine Anerkennung als Spätaussiedlerin scheitere auch daran, dass sie keine Benachteiligungen oder Nachwirkungen früherer Benachteiligungen auf Grund deutscher Volkszugehörigkeit glaubhaft gemacht habe.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 7.8.1996 unter anderem mit der Begründung Widerspruch ein, sie sei bis zu ihrem 7. Lebensjahr in Rumänien mit ihrem Vater zusammen gewesen. Nach seiner Ausreise seien ihr die Bestätigungsmerkmale von ihren Cousinen und Cousins aus Neithausen, von denen einige erst 1990 in die Bundesrepublik ausgereist seien, vermittelt worden; zu ihnen habe sie eine enge Beziehung gehabt. Sie habe sich in ihrem Herkunftsland auch immer bei Volkszählungen und in der Schule zur deutschen Nationalität bekannt. - Eine im Rahmen des Widerspruchsverfahrens eingeholte Auskunft beim Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in Hermannstadt zur Frage des Nationalitätenbekenntnisses der Klägerin anlässlich der Volkszählung 1992 ergab, dass sie sich zur Nationalität "Germania" bekannt und ihre Muttersprache als "Ungarisch" bezeichnet hatte.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19.11.1998 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch der Klägerin zurück und führte hierzu unter anderem aus, auf Grund des bei ihr in Anwendung des sogenannten "Günstigkeitsprinzips" des § 100 Abs. 4 BVFG zum Tragen kommenden § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG sei zu prüfen, ob sie deutsche Volkszugehörige im Sinne des § 6 BVFG a.F. sei. Dass die Klägerin in der Schule als deutsche Volkszugehörige registriert gewesen sei, könne nicht als Äußerung ihres eigenen Willens angesehen werden, denn die Eintragung sei zumindest nach den Angaben der Eltern, wenn nicht automatisch nach dem Vater erfolgt. Auch die anlässlich der Volkszählung im Jahre 1992 gemachte Angabe der Klägerin, sie sei deutscher Volkszugehörigkeit, lasse eine andere Beurteilung nicht zu. Denn das erforderliche Bekenntnis müsse bei Erreichen der Volljährigkeit abgegeben werden. Außerdem stehe die Angabe bei der Volkszählung in engem zeitlichem Zusammenhang mit den Ausreisebemühungen der Klägerin. Auch Indizien, namentlich Merkmale im Sinne des § 6 BVFG, die mittelbar hinreichend für eine Überlieferung der volksdeutschen Bekenntnislage sprächen, lägen nicht vor. Angesichts der frühen Trennung der Eltern und auf Grund der Tatsache, dass sie überwiegend bei ihrer ungarischen Mutter aufgewachsen sei, könne nicht davon ausgegangen werden, dass die deutsche Sprache Muttersprache oder überwiegend gebrauchte Umgangssprache gewesen sei, auch wenn sie neben der ungarischen Sprache deutsche Sprachkenntnisse erworben und die deutsche Sprache gebraucht habe. Die Klägerin habe zudem auch keine konkreten Angaben dazu gemacht, inwieweit sie das deutsche Volkstum gepflegt habe. Darüber hinaus sei sie auch nicht deutsche Volkszugehörige gemäß § 6 BVFG n.F. Es fehle an der Vermittlung bestätigender Merkmale. Schließlich habe sie auch keine Benachteiligungen im Sinne von § 4 Abs. 2 BVFG glaubhaft gemacht. Die Schwierigkeiten am Arbeitsplatz und mit der Mietwohnung würden nur behauptet. Sie stünden nach eigenen Angaben auch im Zusammenhang mit den Aussiedlungsbemühungen und seien nicht wegen ihrer angeblichen deutschen Volkszugehörigkeit erfolgt.

Am 11.12.1998 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben mit dem Antrag, den Beklagten zur Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung zu verpflichten. Zur Begründung wurde vorgetragen, sie sei mit einer Übernahmegenehmigung eingereist. Damit sei gemäß § 100 Abs. 4 BVFG § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG anzuwenden mit der Folge, dass es auf Benachteiligungen nicht ankomme. Im Übrigen sei die deutsche Sprache im Verhältnis zu ihrem Vater die überwiegend gebrauchte Sprache gewesen und sei es bis heute. Sie spreche deutsch wie eine Muttersprache. Die ihr vorgehaltenen Satzbauschwierigkeiten bei ihrer Einreise seien beim Dialekt der Banater Schwaben üblich. Zwar habe sich die Mutter überwiegend um die Erziehung gekümmert. Nachdem diese aber davon überzeugt gewesen sei, dass die deutsche Sprache und eine Erziehung im deutschen Sinne auch für die Kinder gut seien, habe sie es gestattet, dass der Vater erheblichen Einfluss ausübe. - Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung gehört; wegen ihrer Angaben wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Mit Urteil vom 7.4.2000 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Zwar komme die Regelung des § 100 Abs. 4 BVFG zum Tragen, weil die Klägerin im Besitz einer vor dem 1.7.1990 ausgestellten Übernahmegenehmigung sei. Allerdings falle sie nicht unter die Regelung des § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG. Denn sie sei nicht innerhalb der dort genannten Stichtagsvoraussetzungen - vor dem 1.7.1990 oder danach im Wege des Aufnahmeverfahrens vor dem 1.1.1993 - in die Bundesrepublik eingereist, sondern erst am 14.10.1995. Auch sei die Formulierung in § 100 Abs. 4 BVFG "bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen" nicht dahin zu interpretieren, dass die in § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG genannten Stichtage unbeachtlich seien. § 100 Abs. 4 BVFG regle vielmehr die Rechtsfolgen einer vor dem 1.7.1990 erteilten Übernahmegenehmigung dahin, dass im Hinblick auf den Zeitpunkt der Einreise in das Bundesgebiet entweder bei Einreise vor dem 1.1.1993 die Regelung des § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG oder bei Einreise nach dem 31.12.1992 diejenige des § 4 BVFG Anwendung finde. Gerade die klare Abschichtung nach Stichtagen in § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG einerseits und in § 4 BVFG andererseits enthalte eine abschließende Regelung darüber, wer zum Personenkreis der Vertriebenen nach altem Recht und zu dem der Spätaussiedler nach neuem Recht zähle. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass § 100 Abs. 4 BVFG diese Abgrenzung auch hinsichtlich der Stichtagsregelung habe modifizieren wollen. § 100 Abs. 4 BVFG wolle vielmehr eine klare Regelung für solche Personen schaffen, die im Besitz einer vor dem 1.7.1990 ausgestellten Übernahmegenehmigung seien, aber zu einem späteren Zeitpunkt in das Bundesgebiet eingereist seien. Der Umstand, dass das neue Kriegsfolgenbereinigungsgesetz nur noch ein Aufnahmeverfahren vorsehe, solle diesen Personen nicht zum Nachteil gereichen; für sie solle dieses Erfordernis nicht gelten. Die übrige Systematik des § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG einerseits und des § 4 BVFG andererseits solle erhalten bleiben. Nachdem die Klägerin am 14.10.1995 in das Bundesgebiet eingereist sei, finde auf sie § 4 Abs. 2 BVFG Anwendung. Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 BVFG seien nicht erfüllt. Denn sie sei nicht deutsche Volkszugehörige im Sinne des § 6 BVFG und habe auch Benachteiligungen oder Nachwirkungen früherer Benachteiligungen auf Grund deutscher Volkszugehörigkeit nicht glaubhaft machen können. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Klägerin von ihrem Vater bestätigende Merkmale im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BVFG vermittelt worden seien. Ausweislich ihrer Angaben habe sie die deutsche Sprache durch Privatunterricht während ihrer Schulzeit gelernt. Soweit sie darüber hinaus in Rumänien Kontakt zu ihren deutschen Verwandten gehalten und sich mit diesen in deutscher Sprache unterhalten und Kontakt mit ihrem Vater - anfangs zweimal jährlich, später monatlich - gehabt habe, habe dies allenfalls der weiteren Einübung der Sprache gedient. Hingegen sei hierin keine Vermittlung der deutschen Sprache durch Verwandte oder durch den Vater erkennbar. Entsprechend habe die Klägerin ihre Muttersprache und ihre Umgangssprache innerhalb der Familie im Antragsformular wegen Spätaussiedlerbescheinigung als "Deutsch-Ungarisch" bezeichnet. Bei der Volkszählung im Jahre 1992 in Rumänien habe sie angegeben, ihre Muttersprache sei "Ungarisch". Vor diesem Hintergrund trete die Angabe im Aufnahmeantrag von 1993, ihre Muttersprache sei Deutsch, zurück. Wäre Deutsch nämlich tatsächlich ihre Muttersprache, hätte sie dies durchgehend angegeben, weil dann ein innerer Bezug ausschließlich zu dieser Sprache vorhanden gewesen wäre. Bestätigt werde die Einschätzung, wonach die Klägerin die deutsche Sprache nicht als Muttersprache spreche und empfinde, durch die weitere Angabe, ihre Mutter, eine ungarische Volkszugehörige, habe wenig deutsch gekonnt und ein entsprechendes Einüben dieser Sprache schließlich eingestellt, nachdem die Eltern sich - im Jahre 1975 - getrennt hätten. Vor dem Hintergrund, dass die Klägerin bei der Mutter aufgewachsen und ihren Vater lediglich sporadisch gesehen habe, sei ohne weiteres davon auszugehen, dass sie tatsächlich mit der ungarischen Sprache aufgewachsen sei. Die gelegentlichen Kontakte zum Vater und den deutschsprachigen Verwandten hätten schon in zeitlicher Hinsicht eine muttersprachliche Verfestigung der deutschen Sprache bei der Klägerin nicht bewirken können. Sonstige bestätigende Merkmale im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BVFG seien nicht hinreichend erkennbar. Es fehle an Anhaltspunkten für eine deutsche Erziehung oder ein sie vorwiegend prägendes deutsches kulturelles Umfeld. Die Klägerin selbst habe angegeben, hinsichtlich der religiösen Feste habe es im Hinblick auf die ebenfalls evangelische Religionszugehörigkeit ihrer Mutter keine Unterschiede gegeben. Gegen eine vornehmlich deutsche Erziehung spreche ferner, dass der volksdeutsche Vater sich von der Familie bereits getrennt habe, als sie vier Jahre alt gewesen sei, und in der Folgezeit lediglich besuchsweise bei der Familie in Rumänien gewesen sei. Dementsprechend sei die Klägerin bei ihrer ungarischen Mutter aufgewachsen, die nach eigenen Angaben die deutsche Sprache kaum beherrscht habe und somit auch nicht deutsche Kultur und Erziehung habe vermitteln können. Eine Prägung zum deutschen Volkstum sei schließlich auch nicht durch Vermittlung des Familienschicksals erfolgt. Insoweit habe die Klägerin angegeben, der Krieg sei in der Familie kein Thema gewesen. Im Zusammenhang mit der Enteignung der Großeltern, die eine Molkerei besessen hätten, seien sie, die Kinder, lediglich durch die Erzählung fasziniert gewesen, der Chauffeur der Großeltern sei als Analphabet zum Bürgermeister des Dorfes gemacht worden. Im Übrigen - hierauf komme es nicht mehr an - liege wohl auch ein Bekenntnis der Klägerin im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BVFG nicht vor. Sowohl ihre bei der Volkszählung 1992 gemachte Angabe, der deutschen Nationalität anzugehören, als auch ihr Beitritt zum Demokratischen Forum der Deutschen in Rumänien 1992 stünden im engen zeitlichen Zusammenhang mit ihren Ausreisebemühungen und seien insofern nicht hinreichend aussagekräftig, wobei die diesbezügliche Angabe bei der Volkszählung noch dadurch relativiert werde, dass sie zugleich ihre Muttersprache als Ungarisch bezeichnet habe. Schließlich könne sie sich auch nicht auf § 4 Abs. 2 BVFG berufen; insoweit werde auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen.

Am 29.6.2000 hat die Klägerin die Zulassung der Berufung beantragt. Mit Beschluss vom 15.5.2001 hat der Senat die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils zugelassen. Zur Begründung der Berufung (diese ging innerhalb der Monatsfrist des § 124a Abs. 3 Satz 1 VwGO beim Senat ein) macht sie unter Bezugnahme auf ihr bisheriges Vorbringen nochmals geltend, sie sei gemäß der hier anzuwendenden Vorschrift des § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG deutsche Volkszugehörige. Sie spreche fließend Deutsch und habe diese Sprachkenntnisse von ihrem deutschen Vater vermittelt bekommen. Sie habe mit diesem nicht nur überwiegend, sondern sowohl vor der Scheidung als auch nach seinem Verlassen des Herkunftsgebietes ausschließlich Deutsch gesprochen. Dieser habe ihr die Sprachkenntnisse durch Konversation und durch Finanzierung entsprechender Schulen derart vermittelt, dass sie Deutsch wie eine Muttersprache spreche. Da sie mit ihrem Vater nur Deutsch gesprochen habe, sei auch das Merkmal des Gebrauchs der deutschen Sprache als überwiegend gebrauchte Umgangssprache im familiären Bereich erfüllt. Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 7.4.2000 - 18 K 6018/98 - zu ändern, den Bescheid des Landratsamts Böblingen vom 3.7.1996 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 19.11.1998 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihr eine Spätaussiedlerbescheinigung gemäß § 15 Abs. 1 BVFG auszustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung nimmt er im Wesentlichen auf seinen bisherigen Vortrag Bezug.

Der Senat hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 14.11.2001 angehört; wegen ihrer Angaben im Einzelnen wird auf die Sitzungsniederschrift nebst Anlage verwiesen. Außerdem nimmt der Senat auf die Gerichtsakte - 6 S 1067/01 -, auf die BVFG-Akten des Landratsamts Böblingen bezüglich der Klägerin und ihrer Schwester, auf die BVFG-Akte des Landratsamts Ravensburg bezüglich ihres Vaters, auf die BVFG-Akte des Landratsamts Reutlingen bezüglich ihrer Großmutter väterlicherseits, auf die Übernahme- und Aufnahmeakten des Bundesverwaltungsamtes, auf die Widerspruchsakte des Regierungspräsidiums Stuttgart und auf die Gerichtsakte des Verwaltungsgerichts Stuttgart Bezug, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Verpflichtungsklage der Klägerin im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Ausstellung der begehrten Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BVFG; die angefochtenen Bescheide sind mithin rechtmäßig.

Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BVFG setzt die begehrte Bescheinigung die Spätaussiedlereigenschaft des Antragstellers voraus. Die Klägerin ist jedoch keine Spätaussiedlerin.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist allerdings die Spätaussiedlereigenschaft der Klägerin nicht ausschließlich nach dem seit dem 1. Januar 1993 geltenden Recht zu beurteilen. Vielmehr kann die Klägerin auf der Grundlage von § 100 Abs. 4 BVFG verlangen, dass der Beurteilung ihres Begehrens alternativ auch das bis zum 31.12.1992 geltende Recht (im folgenden: - BVFG a.F. -) zugrunde gelegt wird. Das Bundesverwaltungsamt Köln hat am 12.2.1975 unter dem Az. Nr. III 4-34 123 - Liste Ru 12296 - die Übernahme der Klägerin in das Bundesgebiet genehmigt. Nach § 100 Abs. 4 BVFG sind Personen, die vor dem 1.7.1990 eine Übernahmegenehmigung des Bundesverwaltungsamtes erhalten haben, bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Nr. 3 oder des § 4 auch dann Spätaussiedler, wenn ihnen kein Aufnahmebescheid nach § 26 erteilt wurde. § 100 Abs. 4 BVFG und der insoweit rechtsgleichen Vorschrift des § 100 Abs. 5 BVFG liegt die Vorstellung des Gesetzgebers zugrunde, dass es unbillig wäre, den Erwerb der Spätaussiedlereigenschaft bei einem Verlassen des Aussiedlungsgebiets nach dem 31.12.1992 allein vom Vorliegen der dann an sich maßgebenden Voraussetzungen des seit dem 1. Januar 1993 geltenden Rechts abhängig zu machen. Sie gewähren deshalb Vertrauensschutz in der Weise, dass der Spätaussiedlerstatus auch dann entsteht, wenn diejenigen Voraussetzungen vorliegen, die seinerzeit vor Erteilung eines Aufnahmebescheides bzw. einer Übernahmegenehmigung, die gemäß § 105c BVFG in der Fassung des Aussiedleraufnahmegesetzes vom 28.6.1990 (BGBl. I, S. 1247) schon damals einem vor dem 1.1.1993 erteilten Aufnahmebescheid gleichstand, mit positivem Ergebnis geprüft worden sind, nämlich die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG mit Ausnahme der dort im 1. Halbsatz angeführten Stichtage (vgl. BVerwG, Urteil vom 2.11.2000 - 5 C 1.00 -, DVBl. 2001, S. 493 <Leitsatz> zu § 100 Abs. 4 BVFG; Urteil vom 18.3.1999 - 5 C 1.99 - und Beschluss vom 14.1.1997 - 9 B 439.96 - zu § 100 Abs. 5 BVFG; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24.10.1994 - 22 E 465/94 - zu § 100 Abs. 4; vgl. auch Begründung des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes, BTDrs. 12/3212 zu § 100, S. 27 f.). Auf Grund dieses Regelungszweckes setzen aber § 100 Abs. 4 und Abs. 5 BVFG entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts gerade das Verlassen des Aussiedlungsgebiets nach dem 31.12.1992 voraus. Für eine Erstreckung dieser Normen auf Personen, die das Aussiedlungsgebiet vor dem 1.1.1993 verlassen haben, bestand zu keiner Zeit ein Bedürfnis (vgl. Urteil des Senats vom 19.4.1999 - 6 S 420/97 -, ESVGH 49, S. 209 f.; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20.12.1993 - 22 A 1259/93 -). Denn die Unbilligkeit, die durch § 100 Abs. 4 und Abs. 5 BVFG vermieden werden soll, träte ohne diese Vorschriften nur bei den Personen ein, die das Aussiedlungsgebiet nach dem 31.12.1992 verlassen haben und daher nach BVFG in der seit 1.1.1993 maßgeblichen Fassung zu beurteilen sind. Bei Personen, die vor dem 31.12.1992 ausgesiedelt sind und auf die daher das BVFG a.F. anzuwenden ist (vgl. § 100 Abs. 1 BVFG), ist eine solche Unbilligkeit, die § 100 Abs. 4 und Abs. 5 BVFG ausschließen wollen, nicht zu erkennen. Vielmehr haben gerade diese Personen noch einen Anspruch auf Ausstellung eines Vertriebenenausweises nach altem Recht, oder es ist zumindest, wenn der Vertriebenenausweis nicht bis zum 31.12.1993 beantragt wurde, auf Ersuchen einer Behörde nach § 100 Abs. 2 Satz 3 BVFG die Vertriebeneneigenschaft festzustellen, wobei innerhalb dieses Verfahrens BVFG a.F. anzuwenden ist (vgl. zu alldem § 100 Abs. 2 BVFG). Da die Klägerin - wie dargelegt - im Besitz einer Übernahmegenehmigung ist, kann sie auf Grund des ihr durch § 100 Abs. 4 BVFG eröffneten Wahlrechts verlangen, dass die Beurteilung, ob sie deutsche Volkszugehörige ist und damit den Status einer Spätaussiedlerin erworben hat, auch nach den materiellen Kriterien des alten Rechts, insbesondere § 6 BVFG a.F., vorgenommen wird. Der Umstand, dass das Bundesverwaltungsamt der Klägerin unter dem 13.4.1995 zusätzlich noch einen Aufnahmebescheid erteilt hat (vgl. zur Notwendigkeit eines Aufnahmebescheides: OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24.10.1994, a.a.O. ), steht der Anwendung von § 100 Abs. 4 BVFG nicht entgegen. Denn der Vertrauensschutz, welcher der Klägerin zuzubilligen ist, findet seine Grundlage in der bereits zuvor erteilten Übernahmegenehmigung.

Der Anspruch der Klägerin auf Erteilung einer Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BVFG beurteilt sich daher wahlweise danach, ob bei ihr die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG mit Ausnahme der im 1. Halbsatz angeführten Stichtage i.V.m. § 6 BVFG a.F. (1.) oder die Voraussetzungen des § 4 BVFG (2.) vorliegen. Beides ist nicht der Fall.

1. Die Klägerin erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG i.V.m. § 6 BVFG a.F. Die Klägerin hat Rumänien 1995 nicht als deutsche Staatsangehörige verlassen; sie wurde nach eigenen Angaben erst nach ihrer Aussiedlung (1999) eingebürgert. Die Klägerin ist aber auch nicht deutsche Volkszugehörige im Sinne des § 6 BVFG a.F.

Nach § 6 BVFG a.F. ist deutscher Volkszugehöriger, wer sich in seiner Heimat zum deutschen Volkstum bekannt hat, sofern dieses Bekenntnis durch bestimmte Merkmale wie Abstammung, Sprache, Erziehung oder Kultur bestätigt wird. Da die Klägerin 1971 geboren ist, konnte sie sich im maßgeblichen Zeitpunkt des Einsetzens der Vertreibungsmaßnahmen - in Rumänien, insbesondere auch in Siebenbürgen, der Tag des Umsturzes (23.8.1944; vgl. Urteil des Senats vom 26.3.1999 - 6 S 431/97 -, VGH BW-Ls 1999, Beilage 6, B 6 m.w.N.) - nicht selbst zum deutschen Volkstum bekennen. Mithin kommt es - stellvertretend für ihr eigenes Bekenntnis - auf das Bekenntnis ihrer Eltern an. Da die Mutter der Klägerin unstreitig ungarische Volkszugehörige ist, kann nur an den Vater angeknüpft werden; bei ethnisch gemischten Familien ist zudem noch entscheidend, wer jeweils prägender Elternteil war. Der Vater ist 1938 geboren und konnte sich deshalb bei Einsetzen der Vertreibungsmaßnahmen gleichfalls noch nicht zum deutschen Volkstum bekennen. Deshalb ist auf die 1903 und 1907 geborenen Großeltern väterlicherseits abzustellen. Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass beide Großelternteile deutsche Volkszugehörige waren und dass die Bekenntnislage der Familie in der Zeit unmittelbar vor Beginn der allgemeinen Verfolgungs- und Vertreibungsmaßnahmen deutsch war, nachdem ihnen vom Landratsamt Reutlingen am 19.2.1974 Vertriebenenausweise A ausgestellt wurden und ihre deutsche Volkszugehörigkeit zu keinem Zeitpunkt bestritten wurde (vgl. zur Indizwirkung der Ausweiserteilung: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 12.4.1994 - 6 S 2630/93 -). Dem im maßgeblichen Zeitpunkt noch bekenntnisunfähigen, "frühgeborenen" Vater der Klägerin, dem das Landratsamt Ravensburg am 9.12.1977 einen Vertriebenenausweis A ausstellte, wird die volksdeutsche Bekenntnislage seines Elternhauses nach formalen Kriterien zugerechnet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.1.1991 - 9 B 247.90 -, Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 65; Urteile vom 21.6.1988 - 9 C 282.86 - und vom 23.2.1988 - 9 C 41.87 -, Buchholz a.a.O., Nr. 56 u. 54). Hieraus allein kann die Klägerin jedoch noch nicht ihre Vertriebeneneigenschaft ableiten. Vielmehr muss zum stellvertretenden Bekenntnis ihrer Großeltern väterlicherseits nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.11.1996 - 9 C 158.95 -, Buchholz, a.a.O., Nr.86; Urteil vom 15.5.1990 - 9 C 51.89 -, Buchholz, a.a.O., Nr. 64 und Urteil vom 2.12.1986 - 9 C 6.86 -, Buchholz, a.a.O., Nr. 47) die auf Grund dieses Bekenntnisses entstandene volksdeutsche Bekenntnislage in der Familie hinzutreten; hierbei handelt es sich um das innerhalb der Familie hervorgetretene Bewusstsein und den Willen der Eltern oder des prägenden Elternteils, Deutscher zu sein und keinem anderen Volkstum anzugehören (subjektive Seite des Bekenntnisses). Handelt es sich - wie hier - um Ausweisbewerber, die nach Beginn der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen geboren und somit "Spätgeborene" sind, ist die volkstumsmäßige Prägung der Familie - anders als bei "Frühgeborenen" - regelmäßig nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Eheschließung der Eltern oder der Zeit danach bis zur Selbstständigkeit des Spätgeborenen zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.2.1988 - 9 C 41.87 -, Buchholz, a.a.O., Nr. 54; Urteil vom 15.5.1990, a.a.O.).

In Fällen der vorliegenden Art kann ein solcher Bekenntniszusammenhang grundsätzlich nicht stillschweigend unterstellt werden; vielmehr bedarf es - ebenso wie im Zusammenhang des Bekenntnisses nach § 6 BVFG a.F. selbst - der Feststellung hinreichend konkreter Tatsachen (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 26.5.1976 - VIII C 35.75 -, Buchholz, a.a.O., Nr. 31). Die zur Feststellung des Bekenntniszusammenhangs erforderlichen Tatsachen können unterschiedlicher Art sein. Sie können so beschaffen sein, dass sie unmittelbar positiv ergeben, das spätgeborene Kind sei in die subjektive Bekenntnislage des volksdeutschen Elternteils hineingewachsen und habe sich mit dessen Volkstumsbewusstsein identifiziert. Das kann aber nur unter besonderen Umständen der Fall sein, nämlich dann, wenn sich ein aus einer bestimmten Situation ergebendes konkretes aktives Einwirken des volksdeutschen Elternteils auf das Kind feststellen lässt, das bei diesem hinsichtlich seines Volkstums zu einem bis zur Selbstständigkeit fortwirkenden Schlüsselerlebnis geführt hat (unmittelbar feststellbare Überlieferung, vgl. BVerwG, Urteile vom 15.5.1990 und vom 2.12.1986, a.a.O.).

Lässt sich eine Überlieferung deutschen Volkstums nicht unmittelbar feststellen, kommt es darauf an, ob in der Person des Spätgeborenen Indizien, namentlich Merkmale im Sinne des § 6 BVFG a.F. vorliegen, die mittelbar hinreichend für eine Überlieferung der bei dem volksdeutschen Elternteil vorhandenen Bekenntnislage sprechen (mittelbar feststellbare Überlieferung). In dieser Hinsicht kommt der deutschen Sprache als Muttersprache oder jedenfalls als bevorzugter Umgangssprache eine erhebliche Bedeutung zu (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.5.1990, a.a.O.). Dies gilt vornehmlich für Rumänien, wo die deutsche Sprache in allen deutschen Siedlungsgebieten ab 1948 unbehelligt gesprochen werden konnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.5.1990, a.a.O., sowie Beschluss vom 11.8.1995 - 9 B 342.95 -, Buchholz, a.a.O., Nr. 79). Die deutsche Volkszugehörigkeit wird widerleglich vermutet, wenn Deutsch die Muttersprache geworden ist, weil dies regelmäßig zugleich deutsche Erziehung und Zugehörigkeit zum deutschen Kulturkreis indiziert (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.11.1998 - 9 C 4.97 -, Buchholz, a.a.O., Nr. 90; Urteil vom 12.11.1996 - 9 C 8.96 -, Buchholz, a.a.O., Nr. 87 und Urteil vom 29.8.1995 - 9 C 391.94 -, Buchholz, a.a.O., Nr. 81). Umgekehrt ist die fehlende oder mangelhafte Beherrschung der deutschen Sprache regelmäßig ein Umstand, der einer Überlieferung volksdeutschen Bewusstseins entgegensteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.5.1990, a.a.O.).

Zu prüfen ist damit, ob die deutsche Sprache im Aussiedlungsgebiet - bezogen auf den Zeitpunkt der Selbständigkeit - zur Muttersprache geworden oder ob sie - bei Mehrsprachigkeit - zur bevorzugten Umgangssprache geworden ist. Als "Muttersprache" i.S.d. § 6 BVFG a.F. kann - von etwa denkbaren Sonderfällen abgesehen - die deutsche Sprache regelmäßig dann angesehen werden, wenn sie in frühester Kindheit von den Eltern (oder sie ersetzenden Bezugspersonen) - zumeist - primär durch Nachahmung erworben und bis zur Selbständigkeit so vertieft worden ist, dass sie auch im Erwachsenenalter entsprechend der Herkunft und dem Bildungsstand als die dem Betreffenden eigentümliche Sprache umfassend beherrscht wird. Ist die deutsche Sprache in diesem Sinne Muttersprache geworden, braucht sie im Aussiedlungsgebiet nicht zusätzlich als bevorzugte Umgangssprache benutzt worden zu sein (so BVerwG, Urteil vom 3.11.1998, a.a.O.). Die Eigenschaft als "bevorzugte Umgangssprache" hat das Deutsche dann, wenn es bis zur Selbständigkeit wie eine Muttersprache beherrscht und ihm im persönlich-familiären Bereich gegenüber der Landessprache der Vorzug gegeben und Deutsch damit regelmäßig überwiegend gebraucht wurde (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.11.1996 - 9 C 158.95 -, Buchholz, a.a.O., Nr. 86 und Urteil vom 15.5.1990, a.a.O.). Im Bereich der umgangssprachlichen Verwendung hat das Bekenntnismerkmal "deutsche Sprache" mithin eine qualitative (muttersprachliche Kenntnisse) und eine funktionale Komponente (Gebrauch als bevorzugte Kommunikationsform; vgl. zu alldem Urteil des Senats vom 26.3.1999, a.a.O., m.w.N.).

Diese vom Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung entwickelten Grundsätze bleiben, soweit es um die Anwendung von § 6 a.F. (wortgleich mit § 6 Abs. 1 BVFG n. F.) geht, auch weiterhin unberührt. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in mehreren Urteilen vom 19.10.2000 (insbesondere 5 C 44.99 <Buchholz, a.a.O., Nr.94>) die Anforderungen an die Vermittlung des Bestätigungsmerkmals der Sprache wesentlich herabgesetzt, soweit es um den Personenkreis des § 6 Abs. 2 BVFG in der Fassung des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes vom 21.12.1992 (BGBl. I, S. 2094; im folgenden: - BVFG/1993 -) geht. Indessen hat das Bundesverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang eingehend dargelegt, dass es nicht zulässig sei, § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BVFG/1993 unter weitgehendem Rückgriff auf § 6 BVFG a.F. auszulegen und die rechtliche Bedeutung bestätigender Merkmale im Sinne von § 6 BVFG a.F. einerseits und in § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BVFG/1993 andererseits gleichzusetzen, und so unmissverständlich deutlich gemacht, dass sich die neue Rechtsprechung nicht auf § 6 Abs. 1 BVFG n.F. und auf § 6 BVFG a.F. erstrecken soll. Auf dieser Grundlage lässt sich der erforderliche Überlieferungszusammenhang im Falle der Klägerin weder konkret feststellen noch aus Indizien herleiten.

Anhaltspunkte für einen unmittelbar feststellbaren Überlieferungstatbestand wurden von der Klägerin nicht substantiiert vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Der entscheidungsrelevante Streitstoff enthält keine hinreichenden Hinweise dafür, dass sich der Vater der Klägerin durch konkretes Einwirken um die Weitergabe deutscher Volkstumsüberzeugung aktiv und nachhaltig bemüht hätte, geschweige denn, dass derartige Bemühungen Erfolg gehabt und bei der Klägerin ein bleibendes Schlüsselerlebnis ausschließlich zugunsten des deutschen Volkstums ausgelöst hätten. Das Vorlesen von deutschen Märchen, das Singen von Weihnachtsliedern und das Feiern kirchlicher Feiertage genügen zur Auslösung eines Schlüsselerlebnisses nicht; sie können für sich genommen allenfalls einen Anhalt für das Vorliegen mittelbarer Merkmale darstellen (dazu aber unten). Die Schilderungen der Klägerin vor dem Verwaltungsgericht über den Inhalt von Gesprächen mit ihrem Vater und ihren Großeltern väterlicherseits lassen inhaltlich gleichfalls nicht den Schluss zu, es sei in bewusster Pflege mit Erfolg deutsches Volkstumsbewusstsein an sie weitergegeben worden. Dem ist die Klägerin im Berufungsverfahren auch nicht entgegengetreten.

Die Klägerin hat auch keine ausreichenden Nachweise für eine auf Grund von Indizien - insbesondere von Merkmalen im Sinne des § 6 BVFG a.F. - mittelbar feststellbare deutsche Volkstumsüberlieferung erbracht. Auf die deutsche Abstammung ihres Vaters kann sich die Klägerin nicht berufen, weil diese durch die nichtdeutsche Nationalität ihrer Mutter "neutralisiert" wird; sonstige Indizien, insbesondere die Merkmale "Erziehung", "Kultur" und "Sprache" (im Sinne von Mutter- oder bevorzugter Umgangssprache) lassen sich bei der Klägerin in der Sache nicht feststellen.

Die Klägerin stammt aus einer ethnisch gemischten Ehe. Ihre Mutter ist ungarische Volkszugehörige, ihr Vater deutscher Volkszugehöriger. Als die Klägerin vier Jahre alt war, trennten sich ihre Eltern. Der Vater siedelte spätestens 1977 - so seine Angaben im Verwaltungsverfahren - in die Bundesrepublik Deutschland aus; damals war die Klägerin sechs. Die Großeltern väterlicherseits lebten bereits seit 1971 - in etwa dem Zeitpunkt der Geburt der Klägerin - im Bundesgebiet. Die Klägerin wuchs spätestens von ihrem 7. Lebensjahr an bis zu ihrer Selbstständigkeit bei ihrer ungarischen Mutter in Kristur auf, wo auch die Großeltern mütterlicherseits, ebenfalls ungarische Volkszugehörige, wohnten. Zu diesen hatte die Klägerin zwei- bis dreimal in der Woche Kontakt. Ferner besuchte sie während ihrer gesamten Schulzeit rumänische Schulen, an denen die Lehrer ungarisch sprachen. Demgegenüber beschränkten sich die Kontakte zur deutschen Kultur auf die Zeit, als der Vater noch in der Familie lebte, und auf ihre Besuche bei ihrem Vater in der Bundesrepublik und bei Verwandten in Neithausen sowie auf die Besuche ihres Vaters und ihrer Großeltern in Kristur. Allein diese Kontakte - auch wenn sich die Besuchskontakte den Angaben der Klägerin zufolge auf insgesamt etwa drei Monate im Jahr erstreckt haben sollten - und die damit verbundene Pflege und Vermittlung deutscher Werte füllen die Merkmale Kultur und Erziehung nicht aus. Zwar beurteilt sich die Frage der volkstumsmäßigen Prägung nicht allein danach, mit welchem Elternteil das Kind räumlich oder zeitlich zusammenlebt, sondern auch danach, welcher Elternteil im maßgeblichen Zeitraum für das volkstumsmäßige Bewusstsein des Kindes den prägenden Einfluss ausübte (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.1.1989, Buchholz, a.a.O., Nr. 59). In aller Regel ist dies aber der Elternteil, bei dem das Kind aufwächst. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt enthält keine hinreichenden Hinweise, dass dies im Fall der Klägerin ausnahmsweise anders gewesen sein sollte. Angesichts der geschilderten konkreten Familienverhältnisse und Lebensumstände, vor allem angesichts der frühen Trennung der Eltern und der Aussiedlung des Vaters ins Bundesgebiet, ist eine innere, identitätsbestimmende Zuordnung der Klägerin nicht zu ihrer stets anwesenden ungarischen Mutter, sondern gerade zu ihrem weit entfernt lebenden und die allermeiste Zeit abwesenden Vater nicht nur fernliegend; eine derartige Möglichkeit widerspricht im Gegenteil typischerweise jeder Lebenserfahrung. Die Klägerin hat selbst nicht spezifiziert, auf welche Art und Weise sich ihr Vater und ihre Großeltern väterlicherseits in ihrer Kindheit und Jugendzeit, vor allem nach Trennung der Eltern und Aussiedlung des Vaters ins Bundesgebiet, um einen deutschen Erziehungsstil bemüht haben oder überhaupt dazu in der Lage gewesen sein sollten. Dies gilt umso mehr, als die Schilderung der Klägerin vor dem Verwaltungsgericht zur Vermittlung deutscher Kultur durch ihren Vater und dessen Familie, der im Berufungsverfahren nicht entgegengetreten wurde, nicht auf nachhaltigen Eindruck schließen lässt. Auch der Umstand, dass in der Familie auch in Anwesenheit des evangelischen Vaters kirchliche Feste gefeiert wurden, vermag eine entsprechende Prägung nicht zu begründen, nachdem die Klägerin vor dem Verwaltungsgericht selbst angegeben hat, dass diese Feste im Hinblick auf die ebenfalls evangelische Religionszugehörigkeit ihrer ungarischen Mutter einheitlich gefeiert wurden. Zudem lassen sich allein aus der Mitgliedschaft in einer vorwiegend deutsch dominierten Religionsgemeinschaft noch keine Rückschlüsse auf deutsches Volkstum ziehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 8.11.1994 - 9 C 599.93 -, Buchholz, a.a.O., Nr. 76). Aus einer Gesamtschau all dessen ergibt sich, dass die Klägerin zwar über ihren Vater und dessen Familie mit deutschem Brauchtum durchaus in Kontakt kam. Die entscheidende volkstumsmäßige Prägung hinsichtlich Erziehung und Kultur erfolgte aber durch ihre Mutter und durch die Großeltern mütterlicherseits, bei denen sie aufwuchs und die sie erzogen haben, und darüber hinaus durch das alltägliche ungarische Umfeld während ihrer Kindheit und Jugendzeit.

Unter diesen Umständen lässt sich eine Prägung der Klägerin zum deutschen Volkstum indiziell auch nicht daraus herleiten, dass sie die deutsche Sprache gut beherrscht. Denn bei der gegebenen Sachlage ist ungeachtet dieser Kenntnisse auszuschließen, dass das Deutsche Muttersprache oder überwiegende Umgangssprache sein und so Erziehung zum deutschen Volkstum indizieren könnte. Im Gegenteil steht zur Überzeugung des Senats trotz der guten Deutschkenntnisse der Klägerin fest, dass diese in Wahrheit dem Kulturkreis ihrer Verwandtschaft mütterlicherseits und somit dem ungarischen Kulturkreis angehört.

Allerdings geht der Senat davon aus, dass die Klägerin bei ihrer Einreise in das Bundesgebiet im Oktober 1995 deutsch verstanden und gesprochen hat. Dies ergibt sich aus den Feststellungen des Landratsamts Böblingen bei der Beantragung der Spätaussiedlerbescheinigung am 31.10.1995 und des Sprachtests vom 24.5.1993 im Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in Hermannstadt. Zudem hat die Klägerin auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gut deutsch gesprochen. Allein daraus folgt aber noch nicht, dass die Klägerin die deutsche Sprache als Muttersprache spricht. Vielmehr kann bei Anwendung des § 6 BVFG a.F., wie dargelegt, die deutsche Sprache nur dann als Muttersprache angesehen werden, wenn sie in frühester Kindheit von den Eltern (oder sie ersetzenden Bezugspersonen) primär durch Nachahmung erworben und bis zur Selbstständigkeit so vertieft worden ist, dass sie auch im Erwachsenenalter entsprechend der Herkunft und dem Bildungsstand als die dem Betreffenden eigentümliche Sprache umfassend beherrscht wird. Dagegen sprechen aber sowohl die äußeren Umstände als auch die Angaben der Klägerin. Zwar mag es durchaus zutreffen, dass der Vater der Klägerin in deren ersten Lebensjahren bis zu seiner Aussiedlung in die Bundesrepublik Deutschland die deutsche Sprache näherbrachte und dass die Klägerin von 1974 bis 1977 einen deutschsprachigen Kindergarten besuchte. Eine muttersprachliche Verfestigung der deutschen Sprache ist dadurch aber nicht eingetreten. Die Klägerin stand bereits in dieser Zeit nicht nur unter dem Einfluss ihres Vaters, sondern zumindest im gleichem Umfang auch unter dem gegenläufigen Einfluss ihrer Mutter. Diese sprach ungarisch. Ihre Eltern unterhielten sich ungarisch und rumänisch. Auch war der Vater derjenige in der Beziehung der Eltern, der die Sprache des anderen hatte erlernen müssen. Weiter gab die Klägerin im Aufnahmeverfahren selbst an, schon ab dem ersten Lebensjahr im Elternhaus nicht nur deutsch, sondern auch ungarisch gesprochen zu haben. Vor dem Senat erklärte sie insoweit, in der Familie sei wegen der Mutter eine "gemischte" Sprache gebraucht worden. Bei Würdigung dieser Angaben konnte Deutsch schon während der Anwesenheit des Vaters nicht die überwiegend gebrauchte Sprache in der Familie gewesen sein. Daher muss davon ausgegangen werden, dass die Klägerin bereits in den ersten sechs Jahren der bis zur Selbstständigkeit währenden Prägungsphase nicht nur deutsche, sondern auch ungarische Sprachelemente in sich aufgenommen hatte. In den Jahren danach, jedenfalls nach der Einschulung der Klägerin, haben sich möglicherweise vorhandene muttersprachliche Ansätze nach Überzeugung des Senats nicht verfestigt, sondern gegenläufig entwickelt. Die Eltern der Klägerin lebten nach ihren Angaben vor dem Senat bereits seit 1975 - damals war die Klägerin 4 Jahre alt - getrennt. Der Vater siedelte spätestens 1977 in die Bundesrepublik Deutschland aus. Die Großeltern väterlicherseits lebten bereits seit 1971 in der Bundesrepublik Deutschland und konnten "vor Ort" schon deshalb keinen Einfluss auf die Klägerin mehr ausüben. Der Vater besuchte die Klägerin nach ihren Angaben vor dem Senat von 1981 bis zu ihrer Selbstständigkeit ein- bis zweimal im Jahr für etwa 3 Wochen. Davor waren die Großeltern bis etwa 1983/1984 ein- bis zweimal im Jahr für einen Monat oder für 6 Wochen in Kristur zu Besuch. Sie selbst war in den Winter- und Sommerferien bei den Verwandten des Vaters in Neithausen und besuchte nach ihren Angaben vor dem Senat erstmals im Alter von 15 Jahren ihren Vater im Bundesgebiet. Angesichts dieser äußeren Umstände musste der sprachliche Einfluss des Deutschen in der muttersprachlichen Prägung der Klägerin zwangsläufig deutlich zurückgehen. Innerhalb der Familie muss seit der Aussiedlung des Vaters die ungarische Mutter, bei der die Klägerin bis zur Selbstständigkeit lebte, die Klägerin auch sprachlich geprägt haben; alles andere wäre wirklichkeitsfern. Mit der Mutter sprach die Klägerin ungarisch. Weiter hatte sie zwei- bis dreimal in der Woche Kontakt zu den Großeltern mütterlicherseits, mit denen sie ebenfalls ungarisch sprach. Ferner unterhielt sie sich mit ihrer Schwester, die 1986 in die Bundesrepublik aussiedelte, zumindest in Anwesenheit ihrer Mutter ungarisch. Soweit sie in Abwesenheit der Mutter mit der Schwester deutsch gesprochen haben will, diente dies ihren eigenen Angaben zufolge dazu, deutsch zu lernen. Dies lässt aber eher den Schluss zu, dass die Klägerin und ihre Schwester im täglichen Umgang miteinander überwiegend die Sprache benutzt haben, die beide ohne Probleme konnten. Dies wird auch dadurch bestätigt, dass die Klägerin vor dem Senat selbst eingeräumt hat, es habe im Gespräch mit ihrer Schwester "bestimmt auch Ungarisches" gegeben. Auch außerhalb der Familie stand die Klägerin unter ständigem Einfluss der ungarischen und rumänischen Sprache. Sie besuchte nach ihren eigenen Angaben rumänische Schulen, an denen die Unterrichtssprache angesichts der Nationalität der Lehrer ungarisch war. In Kristur lebten - so auch ihre Angaben im Verwaltungsverfahren - überwiegend ungarische Volkszugehörige. Angesichts all dieser Umstände konnte sich Deutsch bei der Klägerin im Verlauf der sprachlichen Prägungszeit nicht zur Muttersprache, d.h. zur "primären" (erstrangigen) Sprache verfestigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.11.1998, a.a.O.). Um dem gerecht zu werden, hätte die Klägerin nachhaltiger und länger muttersprachlich deutsch geprägt werden müssen. Allein die Besuchskontakte zu ihrem Vater und zu den deutschsprachigen Verwandten reichen hierfür schon zeitlich gesehen nicht aus. Selbst wenn diese sich auf rund drei Monate im Jahr erstreckten, benutzte die Klägerin in der weit überwiegenden Zeit des Jahres sowohl in der Familie als auch außerhalb fast durchweg die ungarische Sprache. Zudem kann auch in den Zeiten, in denen der Vater oder die Großeltern väterlicherseits in der Familie zu Besuch waren, angesichts der Sprachkenntnisse der Mutter und des ungarischen Umfeldes nicht ausschließlich die deutsche Sprache benutzt worden sein; auch hier wäre alles andere lebensfremd.

Soweit die Klägerin etwa ab 1985 Deutschunterricht hatte, widerspricht dies nicht dieser Einschätzung, sondern bestätigt diese im Gegenteil. Denn bei der gegebenen Sachlage kann dies nur bedeuten, dass bis dahin keine muttersprachliche Prägung des Deutschen zur primären Sprache stattgefunden hat. Anderenfalls wäre im Alter von etwa 14 Jahren kein, insbesondere kein privater Deutschunterricht mehr notwendig gewesen. Vielmehr spricht dies jedenfalls im vorliegenden Fall dafür, dass die durch den Vater und dessen Familie vermittelten Deutschkenntnisse der Klägerin im Alter von 14 Jahren noch so mäßig waren, dass man es für geboten hielt, diese Kenntnisse durch Unterricht zu verbessern. Damit lag aber zu diesem Zeitpunkt keine muttersprachliche Prägung zum Deutschen vor. Dies bleibt auch dann so, wenn im Laufe der Zeit die deutsche Sprache wie im Fall der Klägerin auf Grund von Unterricht fließend gesprochen wird (vgl. hierzu auch Urteile des Senats vom 9.7.1990 - 6 S 1001/88 - und vom 10.10.1990 - 6 S 3006/88 -). Denn eine auf diese Weise erlernte Sprache ist keine als Kind von den Eltern durch Nachahmung erworbene Sprache. Die Klägerin hat zwar vor dem Senat angegeben, sie habe im Alter von 13 Jahren deutsch und ungarisch gleich gut gesprochen. Angesichts der oben geschilderten Sachlage kann aber diese Selbsteinschätzung der Klägerin nicht zutreffen. Zudem hat sie diese vor dem Senat selbst relativiert, wenn sie auf Frage zu ihren Deutschkenntnissen im Alter von 7 Jahren und während ihrer Ferienaufenthalte bei den Verwandten väterlicherseits in Neithausen angab, sie habe sich verständigen können bzw. sie habe verstanden, was man von ihr gewollt habe. Wer sich (nur) auf Deutsch verständigen kann und das Deutsche versteht, spricht das Deutsche noch lange nicht als Muttersprache, und umgekehrt wird jemand, der ernstlich überzeugt ist, das Deutsche als Muttersprache zu sprechen, dieser Einschätzung überzeugender Ausdruck verleihen. All dem entspricht, dass auch die Klägerin selbst nicht immer Deutsch als ihre Muttersprache angab; so bezeichnete sie ihre Muttersprache anlässlich der Volkszählung 1992 ausweislich der Akten als Ungarisch. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat konnte sie nicht nachvollziehbar erklären, weshalb angesichts der gesamten dargelegten Umstände nicht die ungarische Sprache die ihr eigentümliche Sprache geworden sein soll.

Ebensowenig ist erkennbar, dass die deutsche Sprache die bevorzugte und überwiegend gebrauchte Umgangssprache in der Familie der Klägerin gewesen wäre. Insoweit fehlt es bereits an der erforderlichen funktionalen Komponente. Die deutsche Sprache war im persönlich-familiären Bereich der Klägerin zu keiner Zeit die regelmäßig überwiegend gebrauchte Sprache; eine derartige Möglichkeit ist auf Grund der bereits dargelegten objektiven Verhältnisse in der Kindheit und Jugendzeit der Klägerin auszuschließen. Insbesondere der Umstand, dass die Klägerin etwa ab ihrem 14. Lebensjahr in der Schule und vor allem privat Deutschunterricht hatte, bestätigt, dass die deutsche Sprache nicht das dominierende Verständigungsmittel in ihrer Familie war. Im Übrigen bezeichnete die Klägerin selbst sowohl im Aufnahmeverfahren als auch im Verfahren auf Ausstellung der Spätaussiedlerbescheinigung ihre Umgangssprache innerhalb der Familie als "Deutsch-Ungarisch", wobei auch dies allenfalls in den Zeiten zugetroffen haben kann, in denen der Vater noch in der Familie lebte oder in denen es Besuchskontakte zu diesem oder seiner Familie gab. Nach alledem war die deutsche Sprache nicht die im persönlich-familiären Bereich der Klägerin überwiegend gebrauchte Sprache.

Schließlich kommt auch der Angabe der Volkszugehörigkeit mit "Deutsch" durch die Klägerin bei der Volkszählung 1992 keine ausreichende Indizwirkung zu (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24.1.1997, - 9 B 605.96 - und Beschluss vom 8.5.1987 - 9 B 82/87 -, Buchholz, a.a.O., Nr. 50). Wie stark die Indizwirkung einer solchen Angabe ist, richtet sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles. Die Angabe der Klägerin 1992 stand aber ersichtlich in engem zeitlichem Zusammenhang mit ihren Ausreisebemühungen und wird zudem dadurch relativiert, dass sie bei der nämlichen Volkszählung ihre Muttersprache als "Ungarisch" bezeichnet hat. Auch die Zugehörigkeit der Klägerin zum Demokratischen Forum der Deutschen in Rumänien seit 5.1.1992 ist angesichts der zu diesem Zeitpunkt schon angestrebten Übersiedlung in das Bundesgebiet nicht aussagekräftig. Zudem war auch ihr ungarischer Ehemann Mitglied in dieser Vereinigung. Nichts anderes gilt für das vorgelegte Matrikelblatt des Theoretischen Gymnasiums XXXXXXXXXX vom 8.12.1995, in welchem sie mit deutscher Nationalität eingetragen ist, und für die Bescheinigung dieses Gymnasiums vom 13.11.1995, wonach sie in den Unterlagen dieses Gymnasiums mit deutscher Volkszugehörigkeit vermerkt war. Zum einen ist der Beweiswert solcher Nationalitätsangaben als sehr gering einzustufen, weil einiges dafür spricht, dass ebenso wie bei den rumänischen Militärausweisen diese Eintragung in der Regel auf keiner eigenständigen Erhebung und Ermittlung durch die ausstellende Behörde, sondern entweder auf den eigenen Angaben des Schülers bzw. der Eltern oder auch anderen, mehr oder weniger zufälligen Umständen beruht und überdies in hohem Maße manipulationsfähig ist, wenn an der Eintragung der einen oder anderen Nationalität gerade ein bestimmtes Interesse besteht (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24.10.1997 - 16 S 878/96 - und Urteil vom 24.2.1995 - 16 S 3086/93 -, VGH BW-Ls 1995, Beilage 5, B 9 zum rumänischen Militärpass). Im Übrigen ist der Aussagewert derartiger Unterlagen jedenfalls dann sehr gering, wenn die übrigen Umstände - wie hier - eine dort ausgewiesene Volkszugehörigkeit nicht stützen.

Nach alledem ist die Klägerin nicht deutsche Volkszugehörige im Sinne des § 6 BVFG a.F. Zwar dürfte sie sich auf Grund ihres deutschen Namens und ihrer väterlichen Linie einer teildeutschen Abstammung bewusst sein. Jedoch war in ihrer gesamten Entwicklung bis zu ihrer Volljährigkeit der ungarische Einfluss prägend, so dass zur Überzeugung des Senats nicht davon ausgegangen werden kann, dass ihr das Bewusstsein und der Wille vermittelt wurde, Deutsche zu sein und keinem anderen Volk anzugehören.

2. Die Spätaussiedlereigenschaft der Klägerin ergibt sich, wie das Verwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt hat, auch nicht aus § 4 BVFG in der seit 1.1.1993 gültigen Fassung des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes vom 21.12.1992 (BGBl. I, S. 2094), auf den sich die Klägerin auf Grund des ihr nach § 100 Abs. 4 BVFG zustehenden Wahlrechts alternativ berufen kann.

Da die Berufung unbeschränkt zugelassen wurde, sind vorliegend auch die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 BVFG zu prüfen. Nach der für - wie hier - aus Rumänien stammenden Personen einschlägigen Vorschrift des § 4 Abs. 2 BVFG ist Spätaussiedler nur ein deutscher Volkszugehöriger (vgl. § 6 Abs. 2 BVFG in der seit 7.9.2001 gültigen Fassung; dazu unten), der die übrigen Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 BVFG erfüllt und glaubhaft macht, dass er am 31.12.1992 oder danach Benachteiligungen oder Nachwirkungen früherer Benachteiligungen auf Grund deutscher Volkszugehörigkeit unterlag.

Der Senat lässt offen, ob die Klägerin nach § 6 BVFG i.d.F. des am 7.9.2001 in Kraft getretenen Spätaussiedlerstatusgesetzes vom 30.8.2001 (BGBl. I, S. 2266; - BVFG n.F. -), der nach § 100a BVFG n.F. nunmehr Anwendung finden dürfte, deutsche Volkszugehörige sein kann. Insoweit wäre einerseits durchaus denkbar, dass sie, die im Zeitpunkt der Aussiedlung ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen konnte, die entsprechenden Kenntnisse durch ihren Vater und dessen Familie vermittelt bekommen hat (vgl. den nunmehr maßgeblichen Gesetzestext). Anderseits wäre nach wie vor zweifelhaft, ob bei ihr ein Bekenntnissachverhalt vorliegt. Die Klägerin ist jedenfalls deshalb nicht Spätaussiedlerin i.S.v. § 4 Abs.2 BVFG, weil sie zum maßgeblichen Zeitpunkt am 31.12.1992 und danach Benachteiligungen oder Nachwirkungen früherer Benachteiligungen auf Grund deutscher Volkszugehörigkeit nicht glaubhaft gemacht hat.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 3.3.1998 - 9 C 3.97 -, BVerwGE 106, S. 191 f. = Buchholz 412.3 § 4 BVFG Nr. 3), der sich der Senat angeschlossen hat (vgl. Beschlüsse vom 29.1.1999 - 6 S 146/97 -, vom 2.3.1999 - 6 S 1966/97 - und vom 22.3.1999 - 6 S 2723/96 -; vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 8.11.1996 - 2 A 1309/96 -), sind Benachteiligungen im Sinne des § 4 Abs. 2 BVFG konkrete Nachteile von nicht nur geringem Gewicht, die der Volksdeutsche in eigener Person erlitten hat und die ihm in Anknüpfung an seine deutsche Volkszugehörigkeit durch den Staat oder - bei fehlendem staatlichen Schutz - von Dritten zugefügt worden sind. Nachwirkungen von Benachteiligungen sind die - belastenden - Folgen von Nachteilen, die dem Betroffenen selbst zugefügt worden sind und die in seiner Person fortwirken. Das Bundesverwaltungsgericht hat im Urteil vom 3.3.1998, a.a.O., wörtlich ausgeführt:

Bereits aus dem Begriff "Benachteiligungen" ergibt sich, dass der Volksdeutsche sie in eigener Person erlitten haben muss. Jemanden "benachteiligen" bedeutet nach dem Wortsinn, ihm einen Nachteil zuzufügen. Das setzt ein auf die betreffende Person gerichtetes Handeln voraus, das bei ihr persönlich zu dem beabsichtigten konkreten Erfolg, nämlich der Benachteiligung, geführt hat. Dementsprechend ist auch der Begriff "Nachwirkungen von Benachteiligungen" zu interpretieren. Es muss sich um früher persönlich erlittene konkrete Nachteile handeln, die in der Person dessen, der sie erlitten hat, bis zum 31.12.1992 fortgewirkt haben oder nach diesem Zeitpunkt fortwirken. Lebensumstände eines Volksdeutschen, die darauf zurückzuführen sind, dass in den in § 4 Abs. 2 BVFG genannten Aussiedlungsgebieten allgemeine Vertreibungsmaßnahmen stattgefunden haben und später weitere Volksdeutsche ausgesiedelt sind, mit einer nachhaltigen Verminderung der deutschen Bevölkerung als Folge, können daher keine Benachteiligungen im Sinne des § 4 Abs. 2 BVFG sein. Wie die Entstehungsgeschichte zeigt, hat der Gesetzgeber diese Umstände gesehen, ihnen jedoch keine Bedeutung mehr beigemessen. Mit einem Rückgriff auf die frühere gesetzliche Wertung, dass den Volksdeutschen ein Verbleiben auch in den in § 4 Abs. 2 BVFG genannten Gebieten wegen der "Vereinsamung der Zurückgebliebenen in einer von deutschen Volkszugehörigen weitgehend entblößten Umgebung" grundsätzlich nicht zugemutet werden könne, lassen sich somit Benachteiligungen im Sinne des § 4 Abs. 2 BVFG nicht begründen.

Benachteiligungen brauchen nicht "erheblich" zu sein. Sie müssen nicht den Grad einer Gefahr für Leib, Leben oder die persönliche Freiheit oder den Grad schwerwiegender beruflicher Nachteile erreichen. Andererseits darf der Nachteil auch nicht nur in geringfügigen Schwierigkeiten, bloßen Unannehmlichkeiten und Belästigungen bestehen (so: BVerwG, Urteil vom 3.3.1998, a.a.O.).

Hiervon ausgehend hat die Klägerin, wie schon das Regierungspräsidium Stuttgart im Widerspruchsbescheid zutreffend ausgeführt hat, keine rechtserheblichen Nachteile im Sinne von § 4 Abs. 2 BVFG glaubhaft gemacht. Im Aufnahmeverfahren machte die Klägerin keine konkreten Benachteiligungen geltend. Vielmehr schilderte sie die allgemeine Situation der in Rumänien gebliebenen deutschen Volkszugehörigen und die auf die Aussiedlung von deutschen Volkszugehörigen zurückzuführende Vereinsamung der zurückgebliebenen deutschen Volkszugehörigen. Dies stellt keine "Benachteiligung" oder "Nachwirkungen von Benachteiligungen im Sinne von § 4 Abs. 2 BVFG" dar. Auch die im Verfahren auf Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung angeführten Umstände, dass ihr die Wohnung und der Arbeitsplatz gekündigt worden seien, beruhen nicht auf ihrer - angeblichen - deutschen Volkszugehörigkeit. Nach den eigenen Angaben der Klägerin war nämlich Kündigungsgrund die den rumänischen Behörden bekannte und von der eigentlichen Volkszugehörigkeit zu trennende Ausreiseabsicht der Klägerin. Dass die Klägerin dies selbst auch nicht als eine Benachteiligung auf Grund ihrer - angeblichen - deutschen Volkszugehörigkeit empfunden hat, wird dadurch bestätigt, dass sie in diesem Verfahren zuvor ausdrücklich die Frage nach Benachteiligungen verneint hatte. Gegenteiliges hat die Klägerin in diesem Zusammenhang in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat trotz ausdrücklichen Hinweises nicht geltend gemacht.

Nach alldem ist die Klägerin bereits mangels glaubhaft gemachter "Benachteiligungen" bzw. "Nachwirkungen früherer Benachteiligungen" auch nicht Spätaussiedlerin im Sinne von § 4 BVFG.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss vom 21. November 2001

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG auf DM 8.000,-- festgesetzt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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