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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 09.01.2008
Aktenzeichen: 6 S 1089/07
Rechtsgebiete: SchfG, KÜO


Vorschriften:

SchfG § 1 Abs. 1
SchfG § 1 Abs. 2
SchfG § 1 Abs. 3
KÜO § 1 Abs. 1 Satz 2
KÜO § 1 Abs. 8
Bei der Begründung der Reinigungs- und Überprüfungspflicht für Feuerstätten zur Verbrennung fester Brennstoffe und der Festsetzung der Kehrhäufigkeit nach § 1 Abs. 2 SchfG steht dem (Landes-)Verordnungsgeber ein breiter Gestaltungsspielraum zu.

Ein nur gelegentlich benutzter Kaminofen zur Verbrennung fester Brennstoffe ist nach § 1 Abs. 2 KÜO auch dann in jährlichem Abstand kehrpflichtig, wenn die Gefahr der Verrußung und Verstopfung der Anlage nach den konkreten Umständen nahezu auszuschließen ist.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

6 S 1089/07

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Kehr- und Überprüfungsordnung

hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

hat der 6. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg

am 09. Januar 2008

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 26. April 2007 - 4 K 2842/07 - wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird unter Abänderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts von Amts wegen für beide Rechtszüge auf jeweils 2.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe:

Die nach § 146 Abs. 4 VwGO statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde der Antragsteller hat keinen Erfolg. Die von ihnen innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat grundsätzlich beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), geben ihm keinen Anlass, vom Beschluss des Verwaltungsgerichts abzuweichen, mit dem der Antrag der Antragsteller auf vorläufigen Rechtsschutz gegen die Entscheidungen des Antragsgegners abgelehnt worden war.

In der Entscheidung des Antragsgegners vom 21.03.2007, bzw. vom 18.04.2007, werden die Antragsteller unter Anordnung des Sofortvollzugs verpflichtet, die seit November 2006 fällige Reinigung des Schornsteins, an den eine offene Feuerstelle (Kaminofen) angeschlossen ist, zu dulden, bis zum 09.05.2007 durch den zuständigen Bezirksschornsteinfegermeister die entsprechenden Arbeiten durchführen zu lassen und diesem insoweit den Zutritt zum Grundstück und zu den Räumen, die zu der kehrpflichtigen Anlage führen, zu gestatten; für den Fall der Fristversäumnis wird ein Zwangsgeld in Höhe von 500,-- EUR angedroht. Im Rahmen der ihm bei seiner Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO obliegenden Interessenabwägung hat das Verwaltungsgericht das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug der den Antragstellern auferlegten Verpflichtungen zu Recht höher gewertet als deren privates Interesse, von den Vollzugsfolgen einstweilen verschont zu bleiben. Auch der Senat geht davon aus, dass der insoweit eingelegte Widerspruch der Antragsteller voraussichtlich erfolglos bleiben wird.

Gesetzliche Grundlage für die den Antragstellern auferlegte Kehrpflicht ist § 1 des Schornsteinfegergesetzes (i.d.F. der Bekanntmachung vom 10.08.1998, BGBl. I S. 2071; - SchfG -). Hiernach sind die Eigentümer von Grundstücken und Räumen verpflichtet, kehrpflichtige Anlagen durch den Bezirksschornsteinfegermeister fristgerecht reinigen und überprüfen zu lassen (Abs. 1). Diese sind auch verpflichtet, dem Schornsteinfegermeister zu diesem Zweck Zutritt zu den Räumen zu gestatten (Abs. 3 Satz 1). Die entsprechende Regelung beinhaltet nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09.05.1995 - 14 S 2403/94 -; Urteil vom 22.12.1992, GewArch 1993, 205) nicht nur eine Aufgabenzuweisung, sondern ermächtigt die zuständige Verwaltungsbehörde zugleich auch, diese Verpflichtungen zu konkretisieren, d.h. durch Verwaltungsakt eine Kehrung anzuordnen, den Eigentümer oder Besitzer des Grundstücks zu deren Duldung zu verpflichten und die Verpflichtung zwangsweise durchzusetzen Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) ist insoweit gesetzlich eingeschränkt (§ 1 Abs. 3 Satz 3 SchfG).

Von der in § 1 Abs. 2 SchfG eingeräumten Ermächtigung an den Landesverordnungsgeber zum Erlass näherer Regelungen, welche Schornsteine, Feuerstätten, Rauchableitungen, Lüftungsanlagen oder ähnliche Einrichtungen in welchen Zweiträumen gereinigt oder überprüft werden müssen, hat dieser durch Erlass der Kehr- und Überprüfungsordnung vom 30.04.1999 (GBl. S. 439, - KÜO -) in der Form Gebrauch gemacht, dass nach § 1 Abs. 1 Satz 2 KÜO gelegentlich benutzte Feuerstätten zur Verbrennung fester Brennstoffe - wie hier - einmal im Jahr, regelmäßig in der üblichen Heizperiode benutzte Feuerstätten dreimal im Jahr und ganzjährig regelmäßig benutzte Feuerstätten viermal im Jahr zu kehren sind. Eine zwischen einer gelegentlichen Nutzung - Kehrpflicht einmal im Jahr - und einer regelmäßigen Nutzung innerhalb der üblichen Heizperiode - Kehrpflicht dreimal im Jahr - noch weitergehende Differenzierung hinsichtlich der Benutzungshäufigkeit der Feuerstätte ist in der Verordnung nicht vorgenommen worden und nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs auch entbehrlich (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09.05.1995 - 14 S 2403/94 -). Im vorliegenden Fall gehen die Beteiligten im übrigen einvernehmlich davon aus, dass nach dieser Regelung (nur) eine einmalige Kehrpflicht pro Jahr vorgeschrieben ist, da die von den Antragstellern glaubhaft angegebene Häufigkeit der Benutzung des Kaminofens (seit dem Jahr 2000 zwei- bis dreimal jährlich) als nur "gelegentliche Benutzung" im Sinn des § 1 Abs. 1 Satz 2, 1. Spiegelstrich KÜO einzustufen ist. Die hier streitige Verpflichtung zu einer erneuten Kehrpflicht des Kamins durch den Antragsgegner ist danach indessen begründet, da die letzte Kehrung (unstreitig) schon weit mehr als ein Jahr zurückliegt. Ein Ermessen der Behörde, den in der Kehr- und Überprüfungsordnung vorgeschriebenen Jahreszeitraum auf zwei Jahre zu verlängern, wie es die Antragsteller vergleichsweise angeboten hatten, besteht insoweit nicht (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.12.1988 - 10 S 3465/88 -, GewArch 1989, 384). Dies folgt schon daraus, dass der zuständigen Verwaltungsbehörde nicht die Kompetenz zusteht, die insoweit eindeutige Regelung der Rechtsverordnung nicht zu beachten.

Entgegen der Ansicht der Antragsteller ergibt sich eine Berechtigung der Verwaltungsbehörde zur Verlängerung des Kehrzeitraums auch nicht aus § 1 Abs. 8 der Kehr- und Überprüfungsordnung, wonach die untere Verwaltungsbehörde im Einzelfall auf Antrag des Eigentümers des Grundstücks und nach Anhörung des zuständigen Bezirksschornsteinfegermeisters für kehr- und überprüfungspflichtige Anlagen und Einrichtungen, die Bestandteil einer immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlage nach § 4 des Bundesimmissionsschutzgesetzes sind, abweichende Regelungen treffen kann, wenn die Feuersicherheit durch besondere brandschutztechnische Einrichtungen oder andere Maßnahmen sichergestellt ist. Nach Wortlaut und Sinngehalt der Vorschrift betrifft sie nur die Fallgestaltungen, in denen die kehr- und überprüfungspflichtigen Anlagen und Einrichtungen, bezüglich derer eine abweichende Regelung getroffen werden soll, Bestandteil einer genehmigungspflichtigen Anlage nach § 4 des Bundesimmissionsschutzgesetzes sind. Denn der Verordnungsgeber geht insoweit ersichtlich von der Annahme aus, dass die ordnungsgemäße Überwachung und die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der Anlage in diesem Fall durch die speziellen Vorschriften für genehmigungsbedürftige Anlagen gewährleistet ist. Eine Auslegung des § 1 Abs. 8 KÜO in der Form, dass, wie die Antragsteller behaupten, die Ermächtigung zum Erlass von den Vorschriften der Kehr - und Überprüfungsordnung abweichender Regelungen nur im Fall der kehr - und überprüfungspflichtigen "Einrichtungen" davon abhängig sei, dass die Einrichtungen der Genehmigungspflicht nach § 4 BImSchG unterfallen, im Fall der kehr - und überprüfungspflichtigen "Anlagen" ein solcher Zusammenhang jedoch nicht bestehe und die Behörde hier nach ihrem Ermessen von den Regelungen der Kehr- und Überprüfungsordnung abweichen dürfe, führt zu einer sachlich ungerechtfertigen Differenzierung gleicher Sachverhalte und widerspricht der erkennbaren Absicht des Verordnungsgebers, die Kehrhäufigkeit der unterschiedlichen Anlagen in differenzierter Form normativ zu regeln und bei der Entscheidung hierüber im Interesse der Feuersicherheit (vgl. § 1 Abs. 2 SchfG) das Ermessen der Behörde insoweit weitestgehend einzuschränken.

Der Senat lässt dahinstehen, ob angesichts des eindeutigen Wortlauts der Rechtsverordnung, nach der im Fall der Antragsteller eine einmal jährliche Kehrung der Feuerstätte zwingend vorgeschrieben ist, überhaupt eine Abweichung im Wege einer verfassungskonformen Auslegung der Rechtsverordnung in Betracht käme (ablehnend insoweit OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15.11.2005 - 6 A 10105/05 - , BauR 2006, 417). Denn zu der von den Antragstellern für nötig erachteten Abweichung im Wege einer verfassungskonformen Auslegung der Vorschrift besteht schon deshalb kein Anlass, weil sie - auch nach ihrem Wortlaut - weder gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch sonst gegen höherrangiges Recht, etwa Art. 2 und 13 des Grundgesetzes, verstößt, wie die Antragsteller fälschlich annehmen. Der Bundesgesetzgeber hat in § 1 Abs. 2 SchfG dem Verordnungsgeber einen breiten Gestaltungsspielraum bei der Regelung eingeräumt, welche Anlage oder Einrichtung als kehr- und überprüfungspflichtig einzustufen sind und in welchen Zeiträumen diese Anlagen und Einrichtungen gereinigt oder überprüft werden müssen (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15.11.2005 - 6 A 10105/05 -, Randziffer 28). Der Verordnungsgeber ist deshalb keineswegs verpflichtet, die von ihm getroffene Regelung auf das Maß zu beschränken, das zur Wahrung der Brand- und Betriebssicherheit als äußerstes Minimum unabdingbar ist, sondern darf die Regelung auch daran ausrichten, dass die Brand- und Betriebssicherheit optimal gewährleistet werden (so auch OVG Bremen, Urteil vom 05.11.1991 - 1 N 1/91 -, GewArch 1993, 77; Musielak/Schira/Manke, SchfG, 5. Aufl., § 1 Randnr. 9). Die in der Kehr- und Überprüfungsordnung im Fall der Antragsteller bei nur gelegentlicher Nutzung der Anlage angeordnete einmal jährliche Reinigung trägt diesem Ziel Rechnung und ist keineswegs generell willkürlich, da eine Verrusung der Anlage oder eine sonstige Störung des Betriebs und eine von der Anlage ausgehende Brandgefahr nach Ablauf dieses Zeitraums keineswegs grundsätzlich auszuschließen sind. Angesichts des dem Verordnungsgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums zuzubilligenden Rechts auf Generalisierung und Typisierung (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09.05.1995 - 14 S 2403/94 -, UA S. 10) ist danach auch unerheblich, ob im Fall der Antragsteller besondere Umstände vorliegen, die die Brandgefahr weiter mindern oder nahezu ausschließen. Die Gültigkeit der Rechtsverordnung hängt insoweit nicht von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Der Gerichtshof (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22.12.1992 - 14 S 2326/91 -, GewArch 1993, 205, 206) hat demgemäß die Verpflichtung zur einmal jährlichen Kehrung entsprechend den Vorgaben der Kehr- und Überprüfungsordnung selbst in einem Fall als gerechtfertigt angesehen, in dem ein Kachelofen - nach glaubwürdigen Angaben der Grundstückseigentümer- bereits seit vielen Jahren nicht mehr betrieben wurde, da die für den Wegfall der Kehrpflicht bestehende Voraussetzung eines Verschlusses der Anlage am Kamin mit nicht brennbaren Stoffen nicht erfüllt war (vgl. § 3 Nr. 2 KÜO a.F.; jetzt § 1 Abs. 6 Ziff. 1 KÜO). Auch im Fall der Antragsteller ist deshalb von einer Gültigkeit der normativen Regelung auszugehen, zumal in diesem Zusammenhang auch nicht außer Betracht bleiben kann, dass deren Belastung - auch gebührenrechtlich - durch die in der Rechtsverordnung vorgesehene einmal jährliche Kehrung verhältnismäßig gering ist (vgl. VGH Bad.-Würt., Urt. vom 09.05.1995 - 14 S 2403/94 - ).

Auf die sonstigen Einwendungen der Antragsteller gegen Bestimmungen der Kehr- und Überprüfungsordnung, etwa hinsichtlich der kurzen Frist für die Ankündigung der beabsichtigten Kehrarbeiten (§ 3 KÜO), oder hinsichtlich der Vereinbarkeit der im Schornsteinfegergesetz vorgesehenen ausschließlichen Zuständigkeit des Bezirksschornsteinfegermeisters für Kehr- und Überprüfungsarbeiten (vgl. § 2 SchfG) mit der Dienstleistungsrichtlinie bedarf es vorliegend nicht. Soweit es auf diese Einwendungen vorliegend überhaupt ankommen sollte, sind die Zweifel an der Gültigkeit der einschlägigen Normen jedenfalls nicht substantiiert dargelegt. Der Senat hat im Übrigen auch keine Zweifel daran, dass auch unter diesen Gesichtspunkten die Gültigkeit der einschlägigen Vorschriften nicht in Frage gestellt ist.

Die auf dieser normativen Grundlage erlassenen Anordnungen des Antragsgegners sind voraussichtlich auch nicht ermessenswidrig. Die Antragsteller haben in der Vergangenheit dem Bezirksschornsteinfegermeister wiederholt die Kehrung des mit dem Kaminofen verbundenen Schornsteins untersagt, obwohl sie aufgrund des Zeitablaufs zur Duldung der nach Jahresfrist anstehenden Kehrung verpflichtet waren. War - wie im Fall der Antragsteller - die Verpflichtung zur Duldung einer Kehrung begründet, ist die Verwaltungsbehörde danach auch berechtigt, zur Durchsetzung dieser Verpflichtung eine Duldungsverfügung zu erlassen, die die Grundlage für Maßnahmen des Verwaltungszwangs bilden kann (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22.12.1992, a.a.O., S. 207). Die in Art. 13 GG garantierte Unverletzlichkeit der Wohnung tritt insoweit hinter das öffentliche Interesse an der Feuersicherheit und der Sicherstellung des Brandschutzes zurück. Der gegen die angefochtenen Anordnungen eingelegte Widerspruch der Antragsteller wird deshalb voraussichtlich auch unter diesem Gesichtspunkt ohne Erfolg bleiben.

Eines näheren Eingehens auf die Rechtmäßigkeit des Sofortvollzugs der kraft Gesetzes sofort vollziehbaren (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 12 LVwVG) Zwangsgeldandrohung bedarf es nicht, da die Antragsteller insoweit keine Einwendungen erhoben haben (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO). Die Höhe des angedrohten Zwangsgelds hält sich im Übrigen im gesetzlichen Rahmen und ist auch verhältnismäßig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 63 Abs. 2, 47 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte legt der Senat insoweit den Auffangwert zugrunde, der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren zu halbieren ist. Die Festsetzung des Streitwerts im angefochtenen Beschluss war demgemäß von Amts wegen entsprechend zu ändern.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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