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Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 29.09.2009
Aktenzeichen: 6 S 131/08
Rechtsgebiete: GG, RDG


Vorschriften:

GG Art. 20 Abs. 3
RDG § 2 Abs. 1
RDG § 6 Abs. 1 Satz 1
RDG § 6 Abs. 3 Satz 1
1. Das für die Vermittlung von Einsätzen in der Notfallrettung und im Krankentransport von der Rettungsleitstelle erhobene Entgelt nach § 6 Abs. 3 Satz 1 RDG (Leitstellenentgelt) ist öffentlich-rechtlicher Natur.

2. Die mit hoheitlichen Befugnissen für die Lenkung der Einsätze im Rettungsdienstbereich beliehene Rettungsleitstelle ist nicht befugt, das Leitstellenentgelt durch einen Verwaltungsakt (Leistungsbescheid) festzusetzen, sondern muss es gegebenenfalls durch eine allgemeine Leistungsklage vor den Verwaltungsgerichten geltend machen.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

6 S 131/08

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Entgelt für Vermittlung von Krankentransporten

hat der 6. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 29. September 2009

am 29. September 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 07. Dezember 2007 - 4 K 1482/07 - geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 10.05.2007 und deren Widerspruchsbescheid vom 19.06.2007 werden aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zur Zahlung von Entgelten für die Vermittlung von Einsätzen im Krankentransport (Leitstellenentgelte).

Die Beklagte betreibt die Rettungsleitstelle in XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX, die die Einsätze im Rettungsdienstbereich (Notfallrettung und Krankentransport) lenkt. Der Kläger ist ein privates Krankentransport- und Notfallrettungsunternehmen mit Sitz in XXXXXXXXXX. Mit Bescheiden des Landratsamtes Breisgau-Hochschwarzwald vom 03.12.1999 und vom 04.12.2003 wurde ihm befristet bis zum 04.12.2003 bzw. bis zum 05.12.2007 die Genehmigung zur Durchführung von Krankentransporten mit Krankenkraftwagen für den Rettungsdienstbereich XXXXXXX erteilt. In Ziffer 5 der Nebenbestimmungen zu den Genehmigungen heißt es:

"Alle Einsätze des Rettungsdienstes im Rettungsdienstbereich XXXXXXXXXXXXXXX dürfen nur durchgeführt werden, wenn sie durch die Rettungsleitstelle gelenkt und an die Leistungserbringer vermittelt werden. Die Durchführung von Krankentransporten, die nicht von der Rettungsleitstelle vermittelt worden sind, ist ebenso unzulässig wie die Einrichtung von eigenen Rettungsleitstellen durch einzelne Leistungserbringer."

Mit Bescheid vom 10.05.2007 verpflichtete die Beklagte den Kläger, für den Zeitraum vom 01.03. bis zum 31.03.2007 als Entgelt für die Vermittlung von Einsätzen im Krankentransport XXXXXXXXXXXXX zu zahlen. Zur Begründung führte die Beklagte aus: Das geltend gemachte Entgelt beruhe auf § 6 Abs. 3 Satz 1 RDG. Der Träger der Rettungsleitstelle handele bei der Vermittlung der Einsätze in der Notfallrettung und im Krankentransport hoheitlich als Beliehener. Das Land Baden-Württemberg habe dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) durch § 6 Abs. 1 Satz 1 RDG hoheitliche Handlungs- und Entscheidungsbefugnisse im Rettungsdienst übertragen. Der Träger der Rettungsleitstelle könne auf der Grundlage des § 6 Abs. 3 Satz 1 RDG die Entgelte durch Leistungsbescheid geltend machen. Die Leitstelle habe dem Kläger im März 2007 insgesamt 275 Krankentransporte vermittelt. Das Leitstellenentgelt betrage je Einsatz XXXXXXXX. Daraus ergebe sich der Gesamtbetrag in Höhe von XXXXXXXXXXX.

Der Kläger legte am 15.05.2007 Widerspruch mit der Begründung ein, dass die Beklagte zum Erlass eines Leistungsbescheides nicht berechtigt sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19.06.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung heißt es: Der Träger der Rettungsleitstelle handele bei der Vermittlung der Einsätze in der Notfallrettung und im Krankentransport als Beliehener. Die Rettungsleitstelle habe ein Vermittlungsmonopol und hoheitliche Handlungs- und Entscheidungsbefugnisse. Der Träger der Rettungsleitstelle könne auf der Grundlage des § 6 Abs. 3 Satz 1 RDG die Entgelte durch Leistungsbescheid geltend machen.

Der Kläger hat am 20.07.2007 Klage erhoben, zu deren Begründung er unter anderem vorgetragen hat: Das Rettungsdienstgesetz beinhalte bereits keine Ermächtigungsgrundlage für den Erlass von Leistungsbescheiden, jedenfalls sei die Beklagte nicht zum Erlass von Bescheiden befugt. Bei ihr handele es sich weder um den Betreiber der Rettungsleitstelle noch sei sie im Wege einer Beleihung zur Durchführung öffentlich-rechtlicher Maßnahmen ermächtigt worden. Der Beklagten stehe die Forderung auch nicht zu, weil sie die Transporte nicht im Rechtssinn vermittelt habe. Eine Vermittlung im Sinne des § 6 Abs. 3 RDG liege dann nicht vor, wenn - wie hier - ein Altunternehmer, der unter der Geltung des früheren Rettungsdienstgesetzes eine eigene Leitstelle eingerichtet habe, Krankentransportaufträge selbst annehme und sich die Tätigkeit der Rettungsleitstelle auf die Erteilung einer Einsatznummer beschränke.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat geltend gemacht: Sie sei als Trägerin und Betreiberin der Rettungsleitstelle XXXXXXX berechtigt, die Leitstellenentgelte durch Leistungsbescheide geltend zu machen. Sie handele als Beliehene. Die Tätigkeit der Rettungsleitstelle zähle zur öffentlichen Aufgabenwahrnehmung. Ihr seien Lenkungsbefugnisse hoheitlich übertragen worden. Sie habe ein Vermittlungsmonopol und gegenüber den Krankentransportunternehmen ein Weisungsrecht. Da ihre Leistungen im Hinblick auf die Befugnisse gegenüber den Leistungserbringern als hoheitliche Tätigkeit angesehen würden, seien auch die Entgelte für die Leistungen der Rettungsleitstelle nach § 6 Abs. 3 Satz 1 RDG als öffentlich-rechtliche Entgelte anzusehen. Die Auslegung des § 6 Abs. 3 Satz 1 RDG ergebe auch die Ermächtigung, einen Verwaltungsakt zu erlassen. Dies folge schon aus dem Wortlaut, nach dem die Rettungsleitstelle die Entgelte "erhebe". Das vom Gesetzgeber geschaffene Finanzierungsmodell für die Rettungsleitstellen biete diesen allein die Möglichkeit, sich durch die Erhebung von Entgelten nach § 6 Abs. 3 Satz 1 RDG zu finanzieren. Dementsprechend müssten sich die Leitstellen auf den Entgelteingang verlassen können. Anderenfalls drohten Zahlungsausfälle und der Betrieb der Leitstelle gerate in Gefahr. Die Geltendmachung der Entgelte durch Verwaltungsakt diene auch der Verwaltungsvereinfachung und den Interessen der Schuldner, die ihre Einwendungen im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens geltend machen könnten. Schließlich lägen auch die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 Satz 1 RDG vor.

Mit Urteil vom 07. Dezember 2007, dem Kläger am 27.12.2007 zugestellt, hat das Verwaltungsgericht Freiburg die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte sei Rettungsleitstelle im Sinne von § 6 Abs. 3 Satz 1 RDG und damit auch "aktivlegitimiert". Es sei zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass sie als Rettungsleitstelle fungiere. Sie sei auf Grund der Vereinbarung zwischen dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Sozialordnung Baden-Württemberg und dem DRK, Landesverbände Baden-Württemberg mit seiner Bergwacht Württemberg und Südbaden vom 22.04.1976 gemäß § 5 Abs. 1 RettDG vom 10.06.1975 auch Rettungsleitstelle im Rechtssinne. Das Leitstellenentgelt könne durch Leistungsbescheid geltend gemacht werden. Die Tätigkeit der Beklagten als Rettungsleitstelle sei hoheitlicher Natur und die Beklagte insoweit Beliehene. Dieser öffentlich-rechtliche Charakter erstrecke sich auch auf das Leitstellenentgelt nach § 6 Abs. 3 RDG. Als Gegenleistung für die Erfüllung einer hoheitlichen Aufgabe nach § 6 Abs. 1 RDG teile das Leitstellenentgelt den hoheitlichen Charakter dieser Aufgabe und entspreche der Sache nach einer Gebühr. Anders sei die vom Gesetzgeber gewünschte Kostendeckung auch nicht zu gewährleisten; das Privatrecht biete erkennbar keine adäquate Handhabe für die einseitige Begründung von Zahlungspflichten. Für die öffentlich-rechtliche Natur der Entgelte spreche auch, dass ihre Höhe nicht im privatrechtlichen Weg vereinbart, sondern hoheitlich vom Bereichsausschuss festgelegt werde. § 6 Abs. 3 Satz 1 RDG ermächtige die Beklagte zum Erlass eines Leistungsbescheides. Der Wortlaut, nach dem der Träger der Rettungsleitstelle ermächtigt werde, Leitstellenentgelte zu "erheben", spreche für den Willen des Gesetzgebers, den Träger der Rettungsleitstelle zu ermächtigen, seine Entgeltansprüche einseitig gegenüber den Leistungserbringern geltend zu machen. Dies werde zudem durch den Willen des Gesetzgebers gestützt, den Trägern von Rettungsleitstellen mit § 6 Abs. 3 RDG ein Instrument zur effektiven und damit auch zeitnahen sowie vollständigen Deckung ihrer Kosten an die Hand zu geben. Letztlich sei von einem zum Erlass von Verwaltungsakten berechtigenden Subordinationsverhältnis zwischen Kläger und Beklagter in Bezug auf die Lenkung der Rettungseinsätze auszugehen. Der Kläger könne auch nicht einwenden, dass die Beklagte für die Krankentransporte, die ihm nicht durch die Rettungsleitstelle zugeteilt, sondern die von Patienten oder Krankenhäusern direkt an ihn herangetragen worden seien, keine Entgelte erheben dürfe, weil in diesen Fällen keine Einsätze im Sinne des § 6 Abs. 3 Satz 1 RDG "vermittelt" worden seien. Insoweit werde auf die Ausführungen der 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Freiburg im Urteil vom 15.02.2007 - 5 K 43/05 - verwiesen. Der Gesetzgeber wolle die Begriffe "lenken" und "vermitteln" in § 6 RDG erkennbar synonym verstanden wissen.

Am 14.01.2008 hat der Kläger die in diesem Urteil zugelassene Berufung beim Verwaltungsgericht Freiburg eingelegt.

Mit am 27.02.2008 beim Verwaltungsgerichtshof eingegangenem Schriftsatz beantragt der Kläger,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 07. Dezember 2007 - 4 K 1482/07 - zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 10.05.2007 und deren Widerspruchsbescheid vom 19.06.2007 aufzuheben sowie die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Zur Begründung führt er unter anderem aus: Das Leitstellenentgelt betreffe keine öffentlich-rechtliche Abgabe. Der Begriff des Entgeltes sei kein Anhalt für ein öffentlich-rechtliches Tätigwerden. Seit 10 Jahren rechneten die Leitstellen in Baden-Württemberg die Entgelte auf privatrechtlicher Basis ab. Der Umstand, dass die Rettungsleitstelle berechtigt sei, Einsätze des Klägers zu "lenken", rechtfertige noch nicht den Schluss, dass auch die Vermittlungstätigkeit und damit auch die Leitstellenentgelte hoheitlicher Natur seien. Die Leitstelle habe insbesondere auch Patientenwünsche in der Form zu berücksichtigen, dass der vom Patienten gewählte Leistungserbringer durch die Leitstelle zu beauftragen sei. Bereits dies vertrage sich nicht mit dem vom Verwaltungsgericht angenommenen Weisungsverhältnis zwischen der Beklagten und ihm. Aus der Nebenbestimmung, dass die Rettungsleitstelle "alle Einsätze des Rettungsdienstes" lenke, ergebe sich nichts anderes. Sie gelte nur für die "Lenkung". Eine gesetzliche Verpflichtung zur Aufnahme einer Nebenbestimmung hinsichtlich des "Vermittelns" fehle. Hieraus sei zu schließen, dass der Gesetzgeber hinsichtlich der "Vermittlung" gerade keine hoheitliche Tätigkeit der Leitstelle gewünscht habe. Es sei nichts dafür ersichtlich, dass die Begriffe "lenken" und "vermitteln" synonym zu verstehen seien.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie macht unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens geltend: Der Betreiber einer Rettungsleitstelle sei berechtigt, Leitstellenentgelte gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 RDG durch Leistungsbescheide geltend zu machen. Die Rettungsleitstellen im Sinne des § 6 Abs. 1 RDG seien als Beliehene anzusehen. Der hoheitliche Charakter der Aufgabenwahrnehmung erstrecke sich auch auf das Vermittlungsentgelt der Leitstelle nach § 6 Abs. 3 Satz 1 RDG. Dem stehe die bisherige Praxis der nicht hoheitlichen Abrechnung dieser Entgelte nicht entgegen. Eine bestimmte Praxis der Rechtsanwendung erlaube keine Rückschlüsse auf den Willen des Gesetzgebers. Die Rettungsleitstellen seien auch nach § 6 Abs. 3 Satz 1 RDG befugt, die Leitstellenentgelte durch Verwaltungsakt einseitig festzusetzen. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Abs. 3 Satz 1 RDG seien erfüllt. Sie, die Beklagte, nehme nicht nur in tatsächlicher Hinsicht die Aufgaben einer Rettungsleitstelle wahr, sondern sei auch in rechtlicher Hinsicht als Rettungsleitstelle im Sinne des § 6 Abs. 1 RDG anzusehen. Das Entgelt aus § 6 Abs. 3 Satz 1 RDG falle nicht nur dann an, wenn die Rettungsleitstelle dem Leistungserbringer einen Auftrag für einen Einsatz erteile, sondern auch wenn der Leistungsträger im Auftrag eines Patienten einen Einsatz durchführe und dies der Rettungsleitstelle mitteile, damit diese ihm den Einsatz förmlich erteile.

Dem Senat liegen die Akten des Verwaltungsgerichts Freiburg vor. Die Akten des Berufungsverfahrens 6 S 3314/08 (Leistungsklage der Beklagten gegen die Klägerin auf Zahlung von Leitstellenentgelten) und die dort vorgelegten Akten wurden beigezogen. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf diese Unterlagen sowie auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist auf Grund der Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthaft (§ 124 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und auch im Übrigen zulässig. Der Kläger hat die Berufung insbesondere innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Verwaltungsgericht eingelegt (§ 124a Abs. 2 Satz 1 VwGO), sie innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils begründet und einen bestimmten Antrag gestellt (§ 124a Abs. 3 Satz 1 und 4 VwGO).

Die Berufung des Klägers ist auch begründet. Zu Unrecht hat das Verwaltungsgericht die zulässige Anfechtungsklage des Klägers abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 10.05.2007 und deren Widerspruchsbescheid vom 19.06.2007 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Dabei kann dahin stehen, ob das in dem Bescheid vom 10.05.2007 geltend gemachte Leitstellenentgelt der Beklagten auf Grundlage des § 6 Abs. 3 Satz 1 RDG zusteht. Denn die Beklagte kann das Leitstellenentgelt nicht durch einen Verwaltungsakt geltend machen. Zwar handelt es sich bei der Erhebung des Leitstellenentgeltes um eine hoheitliche Maßnahme auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, doch ist die Beklagte nicht dazu befugt, das Leitstellenentgelt dem Kläger gegenüber durch Leistungsbescheid durchzusetzen.

Die Tätigkeit der Rettungsleitstelle, insbesondere die Vermittlung von Einsätzen in der Notfallrettung und im Krankentransport, ist eine hoheitliche Tätigkeit auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, die nach der Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 21.04.2004 - 6 S 17/04 -, juris; vgl. auch OLG Stuttgart, Urteil vom 18.08.2005 - 2 U 25/05 -, juris) von der Beklagten als Trägerin der Rettungsleitstelle auf Grund des § 6 Abs. 1 RDG, § 5 Abs. 1 des Gesetzes über den Rettungsdienst vom 10.06.1975 (GBl. S. 379) in Verbindung mit der Vereinbarung gemäß § 5 Abs. 1 dieses Gesetzes zwischen dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Sozialordnung Baden-Württemberg und dem Deutschen Roten Kreuz, Landesverband Baden-Württemberg mit seiner Bergwacht Württemberg sowie dem Deutschen Roten Kreuz, Landesverband Südbaden vom 22.04.1976 als Beliehene wahrgenommen wird. Auch wenn die Notfallrettung wie der Krankentransport in Baden-Württemberg nach wie vor in den Handlungsformen des Privatrechts erfolgen, gilt das nicht für die Tätigkeit der Rettungsleitstelle nach § 6 RDG. Diese lenkt nach § 6 Abs. 1 Satz 1 RDG alle Einsätze des Rettungsdienstes im Rettungsdienstbereich. Diese Lenkungsfunktion ergibt sich aus der Notwendigkeit und Steuerung der Tätigkeit der im Rettungsdienst tätigen Leistungsträger und Unternehmen und ist damit eine Konkretisierung der Steuerung des Rettungsdienstes. Für diese Steuerungsfunktion ist die Rettungsleitstelle gegenüber den im Rettungsdienst Mitwirkenden weisungsbefugt (vgl. auch § 3 Satz 3 der Vereinbarung vom 22.04.1976). Diese Weisungsbefugnis wird gegenüber denjenigen, die der Genehmigungspflicht nach § 15 RDG unterliegen, durch entsprechende zwingende Nebenbestimmungen zur Genehmigung (§ 20 Abs. 1 Nr. 3 RDG) durchgesetzt (vgl. Beschluss des Senats vom 21.04.2004, a.a.O.), deren Missachtung nach § 33 Abs. 1 Nr. 2 RDG bußgeldbewehrt ist. Bei den Leistungsträgern, die keiner Genehmigung bedürfen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 RDG), ergibt sich die Weisungsbefugnis aus dem Inhalt der öffentlich-rechtlichen Vereinbarungen nach § 2 Abs. 1 RDG. Die Lenkungstätigkeit der Rettungsleitstelle wird hierdurch gegenüber den Leistungserbringern mit öffentlich-rechtlicher Verbindlichkeit ausgestattet. Zur Lenkungstätigkeit der Rettungsleitstelle gehört - entgegen der Auffassung des Klägers - auch die Vermittlung von Einsätzen im Krankentransport. So hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg bereits mit Beschluss vom 12.06.2002 (4 S 995/02, ESVGH 52, 227) ausgeführt, dass die Hinnahme der Lenkung aller Einsätze des Rettungsdienstes im Rettungsdienstbereich durch die Rettungsleitstelle kraft des gesetzlichen Auftrags des § 6 Abs. 1 Satz 1 RDG für den privaten Betreiber von Krankentransporten die Verpflichtung zum Anschluss an die Rettungsleitstelle und die Hinnahme der Vermittlung der Beförderungsaufträge durch die Rettungsleitstelle bedeute. Damit wird die Rettungsleitstelle bei der Vermittlung von Einsätzen im Krankentransport wie auch in der Notfallrettung hoheitlich tätig (vgl. zum hoheitlichen Handeln der Rettungsleitstelle auch: BGH, Urteil vom 25.09.2007 - KZR 48/05 -, NVwZ-RR 2008, 79, der zudem darauf abstellt, dass nach § 6 Abs. 1 Satz 6 RDG in der Regel Leitstellen für den Rettungsdienst und die Feuerwehr im integrierten Betrieb in gemeinsamer Trägerschaft zu führen sind, sowie Beschluss des Senats vom 21.04.2004, a.a.O.).

Das von der Rettungsleitstelle für die Vermittlung von Einsätzen in der Notfallrettung und im Krankentransport erhobene Entgelt ist öffentlich-rechtlicher Natur. Dies folgt allerdings nicht schon daraus, dass in § 6 Abs. 3 Satz 1 RDG der Begriff des Entgelts verwendet wird. Denn dieser Begriff wird als Oberbegriff für gegenleistungsabhängige Zahlungspflichten auf privatrechtlicher wie auf öffentlich-rechtlicher Grundlage verwendet (vgl. BGH, Urteile vom 25.09.2007, a.a.O. und vom 09.01.2003 - III ZR 217/01 -, BGHZ 153, 268; Henneke/Pünder/Waldhoff, Recht der Kommunalfinanzen, § 22 RdNr. 3 m.w.N.). Das Leitstellenentgelt nach § 6 Abs. 3 Satz 1 RDG steht aber in unmittelbarem Zusammenhang mit den öffentlich-rechtlichen Handlungsbefugnissen, die der Rettungsleitstelle als für die Lenkung der Einsätze des Rettungsdienstes im Rettungsdienstbereich Beliehene übertragen sind, wird von dieser "erhoben", und dient der Finanzierung der von der Rettungsleitstelle wahrgenommenen öffentlichen Aufgaben, so dass eine Vermutung dafür spricht, dass es den öffentlich-rechtlichen Charakter der ihm zu Grunde liegenden Aufgabenwahrnehmung teilt. Da der Gesetzgeber keine anderweitige Regelung getroffen hat, umfasst damit auch die Entgelterhebung gegenüber den Leistungserbringern die öffentlich-rechtlichen Handlungsbefugnisse der Rettungsleitstelle und ist das Leitstellenentgelt nach § 6 Abs. 3 Satz 1 RDG als öffentlich-rechtliches Entgelt zu qualifizieren (so ausdrücklich für das Entgelt nach § 6 Abs. 3 Satz 1 RDG: BayVGH, Beschluss vom 04.10.2004 - Au 3 K 04.624 -; vgl. für den Zahlungsanspruch eines mit hoheitlichen Aufgaben beliehenen Vermessungsingenieurs: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 22.11.2001 - 5 S 2580/00 -, VBlBW 2002, 252; für Gebühren- und Auslagenforderungen des TÜV: BayVGH, Urteil vom 09.11.1988 - 5 B 86.03300 -, BayVBl. 1989, 596).

Die Beklagte darf sich zur Geltendmachung des Leitstellenentgelts jedoch nicht der Handlungsform eines Leistungsbescheides bedienen. Im Hinblick auf den im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG enthaltenen Grundsatz des Gesetzesvorbehalts setzt der Erlass eines Verwaltungsaktes nicht nur voraus, dass für die getroffene Regelung in materiell-rechtlicher Hinsicht eine gesetzliche Grundlage besteht, sondern auch, dass die Behörde in der Form eines Verwaltungsaktes handeln darf. Die Geltendmachung einer Forderung durch Verwaltungsakt bedarf daher allein mit Blick auf diese Handlungsform, die durch behördliche Titelverschaffung, Vollstreckungsbefugnis und die mögliche Bestandskraft gekennzeichnet ist, regelmäßig einer Rechtsgrundlage (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 07.12.2007 - 1 S 1255/06 -, juris m.w.N.). Zwar ist in der Rechtsprechung teilweise anerkannt, dass für den Erlass eines Leistungsbescheides nicht ausnahmslos eine gesetzliche Grundlage erforderlich ist, und wird es als zulässig angesehen, dass ein Forderungsrecht der öffentlichen Hand durch Verwaltungsakt geltend gemacht werden kann, wenn der Hoheitsträger dem in Anspruch zu Nehmenden im Verhältnis hoheitlicher Überordnung gegenübersteht und noch hinzukommt, dass ein solches Über-/Unterordnungsverhältnis (Subordinationsverhältnis) gerade auch in Bezug auf den Anspruch besteht, der durch den Verwaltungsakt geregelt werden soll (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29.12.1989 - 10 S 2252/89 -, NVwZ 1990, 225 m.w.N.; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 22.10.1993 - 3 L 19/93 -, NJW 1994, 1889; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 19.07.2007 - 1 L 68/06 -, juris). Für einen Beliehenen gelten diese Grundsätze indes nicht. Denn die Reichweite einer Beleihung lässt sich nur anhand ausdrücklicher oder enumerativer gesetzlicher Kompetenzzuweisungen ermitteln, wobei die bloße Übertragung von hoheitlichen Befugnissen auf den privaten Rechtsträger nicht zugleich auch die Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsaktes beinhaltet (vgl. Wolff/Bachhof/Stober, Verwaltungsrecht Band 3, 5. Aufl., § 90 RdNr. 35). Wird der Beliehene in dem Beleihungsakt für ihn zustehende öffentlich-rechtliche Zahlungsansprüche hinsichtlich der Erfüllung öffentlicher Aufgaben nicht ausdrücklich zum Handeln durch Verwaltungsakt ermächtigt, ist er nicht befugt, diese Ansprüche durch einen Leistungsbescheid festzusetzen, sondern muss sie gegebenenfalls durch eine allgemeine Leistungsklage vor den Verwaltungsgerichten gerichtlich geltend machen (vgl. BayVGH, Urteil vom 09.11.1988 - 5 B 86.03300 -, BayVBl. 1989, 596; Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., RdNr. 720; hinsichtlich der Frage, ob der Beliehene für feststellende Verwaltungsakte oder solche, die eine Handlungspflicht auferlegen, einer spezifischen Ermächtigung für die Form des Handelns durch Verwaltungsakt bedarf, offen gelassen von: BVerwG, Urteil vom 22.11.1994 - 1 C 22.92 -, BVerwGE 97, 117 (119)). Eine solche ausdrückliche Ermächtigung der mit hoheitlichen Befugnissen beliehenen Rettungsleitstelle zum Erlass eines Verwaltungsaktes zur Geltendmachung des Leitstellenentgelts enthält weder die gesetzliche Regelung in § 6 Abs. 3 Satz 1 RDG noch die Vereinbarung vom 22.04.1976.

§ 6 Abs. 3 Satz 1 RDG räumt nicht eigens die Befugnis ein, das Leitstellenentgelt durch Verwaltungsakt zu erheben. Dass die Rettungsleitstelle das Entgelt "erhebt", rechtfertigt nicht den Schluss, das Gesetz gewähre ihr damit die Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsaktes. Denn der Begriff "erheben" umfasst - ebenso wie der Begriff "einziehen" - auch das Einfordern von Zahlungsansprüchen auf andere Art und Weise als durch den Erlass eines Verwaltungsaktes (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29.07.1993 - 2 S 246/93 -, VBlBW 1994, 67); aus dem Begriff "Entgelt" lässt sich, wie bereits ausgeführt, bereits nicht eindeutig die Zuordnung zu einem öffentlich-rechtlichen Charakter der Anforderung des Leitstellenentgelts entnehmen. Zwar mag - wie die Beklagte meint - der Gesetzeszweck gegebenenfalls für eine Befugnis der beliehenen Rettungsleitstelle zum Erlass eines Verwaltungsaktes zur Geltendmachung des Entgelts nach § 6 Abs. 3 Satz 1 RDG sprechen, da möglicherweise die effektive Eigenfinanzierung der Rettungsleitstellen durch die Leitstellenentgelte nur dann hinreichend sichergestellt werden kann, wenn die Beklagte bei Nichtzahlung der Entgelte nicht auf den Klageweg angewiesen ist, sondern diese durch den Erlass von Leistungsbescheiden durchsetzen kann. Jedoch hätte eine solche Kompetenz zum Handeln durch Verwaltungsakt dem Beliehenen im Beleihungsakt ausdrücklich zugewiesen werden müssen. Dies ist jedoch im Rettungsdienstgesetz nicht der Fall.

Auch die Vereinbarung vom 22.04.1976 enthält eine solche Kompetenzzuweisung nicht. Vielmehr wird in deren § 11 Abs. 3 für die damals geltende Rechtslage geregelt, dass das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Sozialordnung darauf hinwirkt, dass die Kosten der DRK-Rettungsleitstellen gesondert ermittelt und dem DRK aus den Benutzungsentgelten erstattet werden.

Da der Beklagten mithin die Befugnis, das Leitstellenentgelt durch Verwaltungsakt zu erheben, nicht zusteht, ist der angegriffene Bescheid und der ihn bestätigende Widerspruchsbescheid rechtswidrig und verletzen diese den Kläger in seinen Rechten; die Bescheide sind daher aufzuheben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren ist gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären, da es dem Kläger angesichts der im Streit stehenden Rechtsfragen nicht zuzumuten war, das Verfahren selbst zu führen.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Beschluss vom 29. September 2009

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 63 Abs. 2, § 52 Abs. 3, § 47 Abs. 1 GKG auf XXXXXXXXXXX festgesetzt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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