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Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 05.02.2003
Aktenzeichen: 6 S 2060/02
Rechtsgebiete: BVFG/2001


Vorschriften:

BVFG/2001 § 6 Abs. 2
1. Die Befähigung, ein einfaches Gespräch auf Deutsch zu führen, beruht auf familiärer Vermittlung, wenn dem Betreffenden das Deutsche zu einem nicht unwesentlichen Anteil auch in der Familie vermittelt wurde (wie Senatsurteil vom 26.7.2002 - 6 S 1066/01 -, DÖV 2003, 38 = VBlBW 2003, 165).

2. Ob dies der Fall ist, kann in aller Regel nicht isoliert unter Bezugnahme auf nur einen Umstand, sondern allein mit Blick auf die gesamte persönliche Entwicklung des Betreffenden während des - im Einzelfall möglicherweise langen - Zeitraums bis zu seiner Aussiedlung beurteilt werden.

3. Einzelfall einer hinreichenden familiären Vermittlung des Deutschen, in dem der während der Kindheit angelegte Grundbestand deutscher Sprachkenntnisse bei klarem Bekenntnis zum deutschen Volkstum ständig aktualisiert und ausgebaut wurde.


6 S 2060/02

VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

In der Verwaltungsrechtssache

wegen

Spätaussiedlerbescheinigung

hat der 6. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schwäble, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Ecker und den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Christ auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 5. Februar 2003

am 5. Februar 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 19. Februar 2002 - 18 K 4594/01 - geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 10.8.2000 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 9.11.2000 werden aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin eine Spätaussiedlerbescheinigung gemäß § 15 Abs. 1 BVFG auszustellen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wurde am 15.1.1974 in XXXXX/Kasachstan geboren. Ihre Eltern sind der 1952 in XXXXX/XXX/Turkmenien geborene Elektrotechniker XXXXXX XXXXX und die 1953 geborene, aus Kasachstan stammende Lehrerin XXXXX geb. XXXXXXXX; sie sind seit 1987 geschieden. Der Vater hatte die Familie bereits zuvor - damals was die Klägerin 10 Jahre alt - verlassen; er lebt seit 1989 in Deutschland und ist im Besitz eines Vertriebenenausweises A. Von 1992 bis 1996 studierte die Klägerin an der Kasachischen Polytechnischen Hochschule und an der Kasachischen Nationalen Technischen Universität; im Mai 1996 wurde ihr die Qualifikation "Betriebswirtin" zuerkannt, und im Juli 1996 wurde ihr - mit Auszeichnung - das entsprechende Diplom verliehen. Seit 1997 ist sie verheiratet; ihr Ehemann, der nicht deutscher Volkszugehöriger ist, lebt noch in Kasachstan.

Unter dem 19.1.1996 beantragte die Klägerin durch ihren Vater als Bevollmächtigten ihre Aufnahme in Deutschland. Im Aufnahmeantrag findet sich unter der Rubrik "Volkszugehörigkeit" kein Eintrag; Muttersprache der Klägerin und jetzige Umgangssprache in der Familie seien das Russische. Weiter heißt es, die Klägerin könne deutsch verstehen, sprechen und schreiben; bei der Frage, ob in der Familie deutsch gesprochen werde, sind die Worte "überhaupt nicht" angekreuzt. Sodann wird ausgeführt, die Klägerin habe die deutsche Sprache gelernt; sie habe Kontakte zur deutschen Familie, interessiere sich für deutsche Kultur und Geschichte und lese, soweit möglich, deutsche Bücher, Zeitschriften und Zeitungen.

Über den Vater der Klägerin ist im Aufnahmeantrag angegeben, er sei deutscher Volkszugehöriger; seine Muttersprache sei russisch-deutsch, seine jetzige Umgangssprache in der Familie deutsch-russisch. Großeltern väterlicherseits seien der 1910 geborene, aus Georgien stammende und 1978 verstorbene XXXX XXXXXXX und die 1920 geborene, aus Aserbeidschan stammende und 1977 verstorbene XXXXX geb. XXXX gewesen. Beide hätten dem deutschen Volkstum angehört und deutsch als Muttersprache gesprochen; ferner seien beide 1941 nach Kasachstan verschleppt worden und hätten zuletzt in XXXXXX gelebt. - Über die Mutter der Klägerin heißt es im Aufnahmeantrag, sie sei russische Volkszugehörige; Mutter- und Umgangssprache sei das Russische. Die Großeltern mütterlicherseits hätten seit 1966 in XXXXXXX gelebt.

Laut Geburtsurkunde der Klägerin war der Vater deutscher, die Mutter russischer Nationalität; die Klägerin selbst wurde in ihrem 1991 ausgestellten ersten Inlandspass mit deutscher Nationalität geführt. - Am 16.7.1997 unterzog sich die Klägerin beim Generalkonsulat in Almaty einem Sprachtest. Hierbei gab sie an, sie habe das Deutsche als Kind seit dem vierten Lebensjahr, das Russische seit Geburt erlernt; das Deutsche sei ihr von den Großeltern und - in der vierten und fünften Klasse - in der Schule vermittelt worden. Zu Hause werde deutsch "nie" und russisch "nur" gesprochen. Als Ergebnis wurde festgehalten, dass die Klägerin auf Deutsch fast alles verstehe, dass ihre Deutschkenntnisse für ein einfaches Gespräch ausreichten, dass bei ihr kein Dialekt festgestellt werden könne und dass eine Verständigung ohne Sprachmittler möglich gewesen sei.

In einer am 5.11.1998 beim Bundesverwaltungsamt eingegangenen handschriftlichen Eingabe führte die Klägerin wörtlich aus (offensichtliche Fehler berichtigt):

Als Kind bei meinen Großeltern XXXXXXX gewohnt, habe ich von ihnen deutsch gehört, und sie haben mit mir deutsch gesprochen. Bis (zum Alter von) vier Jahren sprach ich nur deutsch. Später lernte ich Deutsch in der Schule. An der Hochschule studiere ich Englisch und lernte Deutsch durch Selbststudium. Zur Zeit ... gibt es (einen) Sprachkurs, und ich besuche ihn. Auch in der Stadt XXXXXX ist Sonntagsschule für deutsche Kinder ... Ich nehme an der Arbeit des deutschen Theaterzirkels für Kinder teil ...

Am 1.2.2000 erteilte das Bundesverwaltungsamt der Klägerin einen Aufnahmebescheid aus eigenem Recht. Am 30.4.2000 reiste die Klägerin nach Deutschland ein; am 8.5.2000 beantragte sie bei der Beklagten Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung gemäß § 15 Abs. 1 BVFG. Im Antragsformular gab die Klägerin noch an, sie habe zuletzt in Karatau gelebt.

In einem bei der Beklagten am 13.6.2000 eingegangenen Schreiben der Klägerin heißt es wörtlich:

Meine Mutter ist Russin und in der Familie sprachen wir russisch, aber im Großelternhaus XXXXXXX sprach ich mit Oma und Opa nur deutsch. So bin ich zweisprachig aufgewachsen. Als ich vier Jahre alt war, sind meine Großeltern XXXXX gestorben. Ab vier Jahren hörte ich die deutsche Sprache sehr selten, nur bei unseren Verwandten der älteren Generation, Familien XXXXXX, XXXX, XXXXXXX u.a., so langsam vergaß ich fast alles. Deshalb gebe ich Russisch als Muttersprache an.

In der Schule lernte ich Deutsch als Fremdsprache nur zwei Jahre. An der Universität lernte ich Englisch. Nach dem Studium lernte ich Deutsch selbstständig. Vom 24.4.1998 bis 24.7.1998 (80 Stunden) nahm ich (am deutschen) Sprachkurs teil ... Dann lernte ich Deutsch weiter selbst ...

Von 1998 bis 2000 übernahm ich ehrenamtlich eine Tätigkeit in der Sonntagsschule für deutsche Kinder ... in der Stadt XXXXX. Ich brachte den Kindern deutsche Lieder bei ... und übte mit ihnen kleine Märchenszenen ein, die dann zur Aufführung kamen.

Als ich klein war, besuchte ich oft mit meinen Eltern unsere deutschen Verwandten und Bekannten ...

Mit Bescheid vom 10.8.2000 lehnte die Beklagte den Antrag ab; zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe das Deutsche weder als Muttersprache noch als bevorzugte Umgangssprache gesprochen.

Am 24.8.2000 erhob die Klägerin Widerspruch. Im Verlauf des Widerspruchsverfahrens übersandte das Jugendgemeinschaftswerk der Arbeiterwohlfahrt - Kreisverband Stuttgart - "Anmerkungen zur Biografie" der Klägerin vom Januar 2001, auf die Bezug genommen wird.

Mit Widerspruchsbescheid vom 9.11.2001 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch der Klägerin zurück; zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, sie habe ihre Deutschkenntnisse fremdsprachlich erworben und erfülle deshalb nicht die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 BVFG in der Fassung des inzwischen in Kraft getretenen Spätaussiedlerstatusgesetzes.

Am 23.11.2001 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung hat sie auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in den Urteilen vom 19.10.2000 Bezug genommen, die "nicht durch die neueste Normierung konterkariert werden" könne, und im übrigen ihren bisherigen Vortrag wiederholt und präzisiert. Weiter hat sie ein Schreiben an ihren Prozessbevollmächtigten vom 6.2.2002 vorlegen lassen, in dem es unter anderem heißt:

Leider sind meine Großeltern gestorben, als ich vier Jahre alt war. Erst nach ihrem Tod habe ich russisch richtig sprechen lernen müssen. Die Kontakte zu den Freunden meiner Großeltern blieben jedoch aufrecht erhalten. So kam ich immer wieder ... mit Frau XXXX XXXX zusammen ..., die ich an allen deutschen Feiertagen besuchte und mit der ich weiter deutsch sprechen konnte. Das gleiche gilt auch für ihre Mutter, die so gut wie kein Wort russisch sprechen konnte ... In der Freizeit und um deutsch nicht zu vergessen, las ich selber kleine Romane und Märchen, die ich von meinen älteren deutschen Freunden bekam ...

Von 1998 bis 2000 übernahm ich ehrenamtlich eine Tätigkeit in der Sonntagsschule für deutsche Kinder, ich leitete eine Gruppe von Kleinkindern, mit denen ich deutsche Lieder einübte ..., kurze Theaterstücke inszeniert ..., Sprichwörter lernte etc. ...

Meine Mutter, die eigentlich eine Russin ist, war diejenige, die mir nach dem Tod meiner Großeltern immer wieder wiederholte, ich sei eine Deutsche, und mich in der Aufrechterhaltung meiner deutschen Kenntnisse sowie der Kontakte zu den Freunden meiner verstorbenen Großeltern bestärkte. Als mein russischer Großvater durchsetzen wollte, dass ich mit 16 Jahren meine Nationalität und mit 18 meinen deutschen Nachnamen russifizieren sollte, bestand sie darauf, dass ich weiterhin Speiser heißen und deutsch bleiben durfte. Deswegen gab es mit meinem Großvater sehr lange einen Familien-Krieg ...

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat die Klägerin beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 10.8.2000 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 14.11.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr eine Spätaussiedlerbescheinigung auszustellen. Die Beklagte ist der Klage schriftlich entgegengetreten.

Mit Urteil vom 19.2.2002 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen; zur Begründung hat es - in Übereinstimmung mit dem Regierungspräsidium - im wesentlichen ausgeführt, die Klägerin sei nicht deutsche Volkszugehörige im Sinne von § 6 Abs. 2 BVFG n.F., weil ihr die deutsche Sprache nicht "familiär" vermittelt worden sei. Das Urteil des Verwaltungsgerichts wurde der Klägerin am 1.3.2002 zugestellt.

Am 28.3.2002 hat die Klägerin die Zulassung der Berufung beantragt, wobei sie sich auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils berufen hat; mit Beschluss vom 28.8.2002, der Klägerin zugestellt am 13.9.2002, hat der Senat die Berufung zugelassen. Zur Begründung der Berufung (diese ging beim Senat am 14.10.2002 - einem Montag - ein) trägt die Klägerin weiter vor, sie habe ihr aktives und passives Sprachvermögen "überwiegend durch Vermittlung im Familienverband innerhalb der Prägungsphase in den ersten vier Lebensjahren von ihren Großeltern väterlicherseits" erlernt, ab dem vierten Lebensjahr - nach dem Tod ihrer Großeltern - daneben auch die russische Sprache. Dass sie das Deutsche dialektfrei spreche, rechtfertige nicht den Schluss, sie habe ihre Sprachkenntnisse ausschließlich außerhalb der Familie oder nachträglich erworben. Ihr Vater spreche hochdeutsch mit russischem Akzent; ihre Großeltern väterlicherseits hätten ausschließlich hochdeutsch gesprochen. Die Großmutter habe eine deutsche Schule besucht. Bis 1941 habe es in der damaligen UdSSR deutsche Schulen gegeben, in denen sämtliche Unterrichtsfächer auf Deutsch unterrichtet worden seien. Der Lehrer der Großeltern sei aus Hannover gewesen und habe seine Schüler - dialektfrei - auf Hochdeutsch unterrichtet. Sie - die Klägerin - habe selbstverständlich gehört, dass viele andere Deutschstämmige in Kasachstan "plattdeutsch" gesprochen hätten. Sie könne diesen Dialekt auch imitieren, habe sich jedoch vorgenommen, die deutsche Sprache "gut und richtig im Sinne eines literarischen Hochdeutsches zu sprechen". Dies liege auch daran, dass ihre Mutter Lehrerin sei und häufig geäußert habe, es sei gleichgültig, welche Sprache sie spreche; wichtig sei, richtig zu sprechen. Dementsprechend habe sie sich auch in Kasachstan bemüht, hochdeutsch zu sprechen, da sie davon ausgegangen sei, dass ihr dies im Falle einer Übersiedlung nach Deutschland zum Vorteil gereichen werde. Da zahlreiche Verwandte die UdSSR verlassen hätten, habe sie naturgemäß "geringere Sprachkontakte" gehabt, so dass ihr Sprachvermögen zeitweilig zurückgegangen sei. Sie habe dieses Vermögen jedoch "immer wieder reaktiviert durch intensiv gesuchte Kontakte zum deutschsprachigen Vater und der deutschen Sprache mächtigen Verwandten und Bekannten". Da die familiäre Vermittlung der deutschen Sprache nicht ausschließe, dass das Sprachvermögen ergänzend durch Dritte gefördert werde, könnten entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts neben die familiäre Vermittlung durchaus auch schulische Vermittlung oder "gepflegte Kontakte" treten. Seit 1997 sei sie - die Klägerin - aktives Mitglied der deutschen Gesellschaft in XXXXX, wo sie ihre besten Freundinnen kennen gelernt habe. Mit diesen habe sie ständig deutsch gesprochen. Ihre älteste Freundin, die sie seit der ersten Klasse kenne, sei gleichfalls deutschstämmig. Insgesamt sei ihre Befähigung, ein einfaches Gespräch in deutscher Sprache zu führen, zu einem wesentlichen Teil auf die familiäre Vermittlung im Kleinstkindalter zurückzuführen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 19. Februar 2002 - 18 K 4594/01 - zu ändern, den Bescheid der Beklagten vom 10.8.2000 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 9.11.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr eine Spätaussiedlerbescheinigung gemäß § 15 Abs. 1 BVFG auszustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Der Senat hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung gehört; wegen ihrer Angaben wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 5.2.2003 Bezug genommen.

Dem Senat liegen die zur Sache gehörenden Akten der Landeshauptstadt Stuttgart (einschließlich der einschlägigen Akten des Bundesverwaltungsamts), des Regierungspräsidiums Stuttgart und des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor.

Entscheidungsgründe:

Die vom Senat zugelassene und auch sonst zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg, denn das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klägerin hat Anspruch auf Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung; die Ablehnung ihres entsprechenden Antrags ist rechtswidrig und verletzt sie in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO). Mithin ist die Beklagte - unter gleichzeitiger Änderung des klagabweisenden Urteils und unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide - zu verpflichten, der Klägerin die begehrte Bescheinigung auszustellen.

Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist § 15 Abs. 1 Satz 1 BVFG, wonach Spätaussiedler zum Nachweis ihrer Spätaussiedlereigenschaft auf Antrag eine Bescheinigung erhalten. Die Spätaussiedlereigenschaft der Klägerin wiederum, die aus der ehemaligen UdSSR stammt, bestimmt sich nach § 4 Abs. 1 BVFG, wonach wesentliches Tatbestandsmerkmal - die übrigen Voraussetzungen der Vorschrift sind im vorliegenden Falle unproblematisch - die deutsche Volkszugehörigkeit ist. Auf die 1974 (und somit nach dem 31.12.1923) geborene Klägerin ist insoweit § 6 Abs. 2 BVFG in der am 7.9.2001 in Kraft getretenen Fassung des Spätaussiedlerstatusgesetzes - SpStatG - vom 30.3.2001 (BGBl. I, S. 2266) ungeachtet des Umstands anzuwenden, dass die Klägerin zu diesem Zeitpunkt bereits Aufnahme in Deutschland gefunden hatte (vgl. - jeweils unter Hinweis auf die Übergangsvorschrift des § 100a BVFG i.d.F. des SpStatG - BVerwG, Urteil vom 12.3.2002, BVerwGE 116, 114; Urteile des Senats vom 20.12.2001 - 6 S 747/00 - und vom 26.7.2002 - 6 S 1066/01 - [DÖV 2003, 38; VBlBW 2003, 165]). Auf dieser Grundlage ergibt sich zur Überzeugung des Senats, dass die Klägerin deutsche Volkszugehörige ist.

Zum einen setzt die deutsche Volkszugehörigkeit gemäß § 6 Abs. 2 BVFG n.F. voraus, dass der Betreffende von einem deutschen Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen abstammt. Daran kann hier kein Zweifel bestehen, nachdem der Vater der Klägerin unzweifelhaft - und unstreitig - deutscher Volkszugehöriger ist; dass die Mutter dem russischen Volkstum angehört, kann der Klägerin nicht entgegengehalten werden, nachdem § 6 Abs. 2 BVFG n.F. gerade nicht voraussetzt, der Betreffende müsse beiderseits von deutschen Volkszugehörigen abstammen. Zum zweiten ist erforderlich, dass sich der Betreffende bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung oder auf vergleichbare Weise nur zum deutschen Volkstum bekannt oder nach dem Recht des Herkunftsstaates zur deutschen Nationalität gehört hat. Auch diese Voraussetzung liegt hier vor, nachdem die Klägerin trotz gemischt-nationaler Abstammung in ihrem 1991 ausgestellten ersten Inlandspass mit deutscher Nationalität geführt wurde und zur Überzeugung des Senats glaubhaft gemacht hat, dass dieser Eintrag auf ihrer eigenen - in Widerspruch zu den Wünschen ihres russischen Großvaters stehenden - Erklärung beruhe. Zum dritten schließlich muss diese Erklärung zur deutschen Nationalität bestätigt werden durch die familiäre Vermittlung der deutschen Sprache; diese ist nur festgestellt, wenn der Betreffende im Zeitpunkt der Aussiedlung aufgrund dieser Vermittlung zumindest ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen kann (§ 6 Abs. 2 Satz 2 und 3 BVFG n.F.). Der Normtext der Vorschrift setzt mithin eine Korrelation zwischen - bezogen auf den Zeitpunkt der Aussiedlung - aktuellen deutschen Sprachkenntnissen und in der Vergangenheit, möglicherweise weit zurückliegender innerfamiliärer Vermittlung des Deutschen voraus: Der Feststellung hinreichender Sprachkenntnisse zum Zeitpunkt der Aussiedlung muss entsprechen, dass der Betreffende hinreichende innerfamiliäre Vermittlung des Deutschen beweist oder zumindest glaubhaft macht und dass feststeht oder zumindest glaubhaft gemacht ist, die aktuellen Sprachkenntnisse beruhten auf jener Vermittlung, wobei insoweit genügt, dass dem Betreffenden das Deutsche zu einem nicht unwesentlichen Anteil auch in der Familie vermittelt wurde (Urteil des Senats vom 26.7.2002, a.a.O.). Auf dieser Grundlage ist der Senat überzeugt, dass bei der Klägerin auch das Bestätigungsmerkmal der deutschen Sprache vorliegt.

Der Senat hat bei der gegebenen Sachlage keinerlei Zweifel, dass die Klägerin im Zeitpunkt ihrer Aussiedlung in der Lage war, ein einfaches Gespräch auf Deutsch zu führen (vgl. zu den Anforderungen eingehend Urteil des Senats vom 26.7.2002, a.a.O.). Ausweislich der Aufnahmeakten unterzog sich die Klägerin am 16.7.1997 - knapp drei Jahre vor ihrer Aussiedlung - beim Generalkonsulat in Almaty einem Sprachtest. Bereits damals wurde festgehalten, dass sie auf Deutsch fast alles verstehe, dass ihre Deutschkenntnisse für ein einfaches Gespräch ausreichten und dass eine Verständigung ohne Dolmetscher möglich gewesen sei. Tatsächlich durchgeführten Tests dieser Art kommt im Verfahren wegen Bescheinigungen gemäß § 15 Abs. 1 BVFG schon für sich genommen erhebliche Indizwirkung zu; auch konkret wurde das Testergebnis zu keinem Zeitpunkt substantiiert bestritten. Dann aber müssen die Sprachkenntnisse der Klägerin im Zeitpunkt ihrer Aussiedlung um so mehr den Anforderungen des § 6 Abs. 2 Satz 2 und 3 entsprochen haben, als sie nach ihrer glaubhaften Darstellung in der Zeit zwischen Sprachtest und Aussiedlung - von April bis Juli 1998 - für insgesamt 80 Stunden aus eigenem Antrieb an einem deutschen Sprachkurs teilgenommen und danach ihre deutschen Sprachkenntnisse selbstständig weiter verbessert hat. Dem entsprechen auch die Beobachtungen des Senats in der mündlichen Verhandlung; die Klägerin sprach fließend und nahezu fehlerfrei deutsch, verstand alles und war in der Lage, auch schwierigere Fragen ohne zeitliche Verzögerung zu beantworten. Im Ergebnis wurde all dies auch in den angefochtenen Bescheiden und im angegriffenen Urteil nicht in Zweifel gezogen. Vielmehr meinen die Beklagte und das Verwaltungsgericht, der Klägerin seien ihre - tatsächlich vorhandenen - deutschen Sprachkenntnisse nicht familiär vermittelt worden. Dieser Einschätzung vermag sich der Senat nicht anzuschließen.

Im Zusammenhang der von § 6 Abs. 2 Satz 2 und 3 BVFG n.F. geforderten sachlichen Voraussetzungen an die Sprachkompetenz ("im Zeitpunkt der Aussiedlung ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen kann") hat der Senat im Urteil vom 26.7.2002 (a.a.O.) vorrangig auf die hinter der Neufassung stehenden gesetzgeberischen Überlegungen zurückgegriffen, wobei wesentliche Bedeutung dem durchgängig sichtbaren Bestreben des Gesetzgebers zukomme, sicherzustellen, dass das Bestätigungsmerkmal der Sprache auch im Zeitpunkt der Aussiedlung feststellbar sein müsse. Wörtlich heißt es dort weiter:

Tatsächliches Substrat dieser Bestrebungen (sc. des Gesetzgebers) ist die Beobachtung, dass Spätaussiedler aus der ehemaligen UdSSR - vgl. hierzu und zum folgenden Kind/Niemeier, Das Spätaussiedlerstatusgesetz - eine notwendige Klarstellung, ZAR 2002, S. 188 ff. - "zunehmend in binationalen Ehen leben mit der Folge, dass familiär in der Herkunftsfamilie erworbene Deutschkenntnisse im innerfamiliären Sprachgebrauch der neugegründeten Familie offenbar häufig weitestgehend zurücktreten" (S. 189); ein wesentlicher Grund für die abnehmende Verwendung des Deutschen bei Russlanddeutschen liege "in Assimilierungsvorgängen, die sich augenfällig in den vorhin erwähnten binationalen Ehen manifestieren" (S. 190; vgl. ferner BT-Drs. 14/6310, S. 5). Die tatsächliche Entwicklung ist mithin nach - zutreffender - Einschätzung des Gesetzgebers dadurch gekennzeichnet, dass das Vorhandensein jener Merkmale, die bei verständiger Betrachtung Grundvoraussetzung der deutschen Volkszugehörigkeit sein müssen, bei Russlanddeutschen nicht mehr selbstverständlich oder auch nur die Regel ist. Unter diesem Blickwinkel geht der Gesetzgeber davon aus, dass eine wesentliche Herabstufung der Anforderungen an die Bestätigungsmerkmale ... erwarten ließe, dass die Sozialverträglichkeit und Akzeptanz der Spätaussiedlerzuwanderung erheblich belastet würde; Spätaussiedler würden kaum noch als Volksdeutsche wahrgenommen werden können, wenn sie gleichsam ohne Deutschkenntnisse als solche anerkannt würden (BT-Drs. 14/6310, S. 5). Überdies würde ihre Integration zusätzlich erschwert; insbesondere fehlende Deutschkenntnisse stellten sich bei russlanddeutschen Spätaussiedlerfamilien zunehmend als starkes Hindernis für deren Integration in Deutschland heraus, wodurch Belastungen für die Sozialhaushalte entstünden, die vor allem dort schwer zu erklären seien, wo es an Deutschkenntnissen mangele ... Dieser Lage trägt der Gesetzgeber einerseits - zu Lasten der Spätaussiedler - dadurch Rechnung, dass er nunmehr ausdrücklich auf einen Zeitpunkt - den der Aussiedlung - abstellt, zu dem sich das Vorliegen des Bestätigungsmerkmals der Sprache typischerweise noch feststellen lässt, ohne dass es zu beweisrechtlichen Schwierigkeiten kommt, und dass er inhaltliche Anforderungen an dieses Bestätigungsmerkmal aufstellt, deren Vorliegen die Möglichkeit, ihnen liege familiäre Vermittlung zugrunde, typischerweise noch im Zeitpunkt der Ausreise und auch dann noch zulässt, wenn jene Vermittlung schon Jahrzehnte zurückliegt. Andererseits trägt der Gesetzgeber - zugunsten der Spätaussiedler - der tatsächlichen Lage der Russlanddeutschen in ihren Herkunftsgebieten dadurch Rechnung, dass er die inhaltlichen Anforderungen an das Bestätigungsmerkmal der deutschen Sprache im Vergleich zur früheren Rechtsprechung und Verwaltungspraxis, wonach es sich um Mutter- oder bevorzugte Umgangssprache handeln musste, reduziert: Es bedarf lediglich noch der Feststellung, dass der Betreffende - aufgrund innerfamiliärer Vermittlung - in der Lage ist, ein einfaches Gespräch auf Deutsch zu führen ...

Der Gesetzgeber hat mithin die für die Wahrung des deutschen Volkstums ungünstigen Verhältnisse in weiten Teilen der ehemaligen UdSSR in seine Überlegungen eingestellt; in Kenntnis dieser Verhältnisse, zu denen sich noch weitere negative Faktoren gesellen (russisch-sprachige Kindergärten und Schulen, je nach den örtlichen Verhältnissen auch allgemein schwierige Lage der Angehörigen der deutschen Minderheit), verlangt er von Aussiedlern, dass sie auch dann, wenn ihre deutsche Abstammung und ihr Bekenntnis zur deutschen Nationalität unzweifelhaft feststehen, noch jene positiven Kenntnisse deutscher Sprache mitbringen, die mit der Wendung umschrieben werden, sie müssten in der Lage sein, ein einfaches Gespräch auf Deutsch zu führen. Umgekehrt bedeutet dies jedoch, dass es der Gesetzgeber den Aussiedlern gleichsam als "Leistung" zugute hält, wenn es ihnen trotz jener ungünstigen Umstände gelungen ist, eben diese Kenntnisse zu bewahren. Dieser Zusammenhang kann nicht ohne Einfluss auf das weitere - selbständige - Tatbestandsmerkmal der Ursächlichkeit zwischen aktuellen Sprachkenntnissen und deren familiärer Vermittlung (vgl. dazu Urteil des Senats vom 26.7.2002, a.a.O.) bleiben. Im Bereich der Vermittlung des Deutschen, die spätestens mit der Selbstständigkeit des Betreffenden abgeschlossen ist, jedoch auch schon vorher stattfinden kann, stellt es mithin gleichfalls eine positiv zu bewertende "Leistung" dar, wenn dem Betreffenden das Deutsche in der Familie nahegebracht werden konnte, obwohl die äußeren Umstände - insbesondere in gemischt-nationalen Familien - häufig dagegenwirkten und obwohl vielfach schon mit Eintritt in den Kindergarten, spätestens jedoch mit der Einschulung, die etwa im siebten Lebensjahr erfolgte, kaum noch die Möglichkeit bestand, außerhalb der Familie deutsch zu sprechen. Ebenso ist es angesichts all dieser Umstände als positive "Leistung" zu würdigen, wenn es dem Betreffenden gelingt, seine in der Familie angelegten Deutschkenntnisse ungeachtet der tatsächlichen Verhältnisse in den Aussiedlungsgebieten je nach Sachlage zu bewahren, zu aktualisieren oder sogar fortzuentwickeln. Im Einzelnen bedeutet dies, dass die vorab erforderliche familiäre Vermittlung des Deutschen - mithin dessen Vermittlung durch die Eltern, einen Elternteil oder andere Verwandte (vgl. dazu von Schenckendorff, B 2, § 6 BVFG n.F., S. 24) - nicht notwendig den gesamten bis zur Selbstständigkeit des Betreffenden reichenden Prägungszeitraum erfassen muss; vielmehr kann es je nach Sachlage genügen, wenn die Vermittlung schon zu einem früheren Zeitpunkt erfolgt ist, wobei insbesondere an den Eintritt in den Kindergarten oder an die Einschulung zu denken ist. Inhaltlich liegt die erforderliche Vermittlung des Deutschen dann vor, wenn sie den Betreffenden typischerweise in die Lage versetzt hat, das so Erworbene zu bewahren, zu aktualisieren oder weiterzuentwickeln; ursächlich für die aktuellen Sprachkenntnisse ist diese Vermittlung dann, wenn der Betreffende die hierdurch geschaffene Basis so genutzt hat, dass er im Zeitpunkt der Aussiedlung - mithin möglicherweise auch noch nach Jahrzehnten - in der Lage ist, ein einfaches Gespräch auf Deutsch zu führen. Besonderer Betonung bedarf, dass es zu kurz gegriffen wäre, die Tatbestandselemente des § 6 Abs. 2 Satz 2 und 3 BVFG n.F. argumentativ derart voneinander zu trennen, dass vorab, gleichsam isoliert, die familiäre Vermittlung des Deutschen und ihr Ergebnis festgestellt und sodann die ursächliche Verknüpfung mit den aktuellen Sprachkenntnissen hergestellt wird. Vielmehr handelt es sich bei der Phase der Sprachprägung einerseits und der nachfolgenden Zeitdauer, während derer sich erweist, ob das Erworbene bewahrt, aktualisiert und/oder weiter aufgebaut werden konnte, letztlich um Teile einer persönlichen Gesamtentwicklung, innerhalb derer stets eins auf das andere bezogen bleibt. Dies wirkt sich in besonderer Weise auf die Sachverhaltswürdigung aus: Regelmäßig wird sich erst im Nachhinein feststellen lassen, ob die aufgrund familiärer Vermittlung erworbenen Sprachkenntnisse hinreichende Substanz aufwiesen; wesentliches Indiz in diesem Zusammenhang wird vielfach der Abschluss der Ursachenkette - die aktuellen Sprachkenntnisse - sein. Von Bedeutung kann hierbei sein, ob und inwiefern Anhaltspunkte bestehen, der Betreffende habe das Deutsche in Wahrheit außerhalb der Familie, insbesondere anlässlich des Studiums oder aufgrund von Sprachkursen erlernt; der Senat verkennt nicht, dass derartiger Deutschunterricht fallweise durchaus ein Indiz gegen familiäre Vermittlung sein kann. Dagegen kann es nicht angehen, jedem, der sich im Aussiedlungsgebiet deutschem Sprachunterricht unterzogen hat, dies zu seinen Lasten entgegen zu halten; dies würde nicht nur verkennen, dass gerade auch der Gesetzgeber besonderen Wert auf die Integrationsfähigkeit der Aussiedler legt, sondern liefe darüber hinaus regelmäßig auch der Eigenart persönlicher Entwicklung zuwider, die es ausschließt, Entwicklungsergebnisse auf eine einzige Ursache zurückzuführen. Gerade hier gewinnt die Aussage des Senats im Urteil vom 26.7.2002 (a.a.O.), es reiche hin, wenn dem Betreffenden das Deutsche zu einem nicht unwesentlichen Anteil auch in der Familie vermittelt worden sei, ihre wesentliche Bedeutung: Ob die aktuellen Sprachkenntnisse auf familiärer Vermittlung beruhen, kann in aller Regel nicht isoliert unter Bezugnahme auf nur einen Umstand, sondern allein mit Blick auf die gesamte persönliche Entwicklung des Betreffenden während des - im Einzelfall möglicherweise langen - Zeitraum bis zu seiner Aussiedlung beurteilt werden. Wichtiges Indiz kann hierbei auch das sonstige Verhalten des Betreffenden sein; nimmt er aus eigenem Antrieb am Deutschunterricht teil oder bekennt er sich, gar noch gegen den Willen maßgeblicher Familienmitglieder, zur deutschen Nationalität, kann dies je nach Sachlage vermuten lassen, dass der dahinterstehenden Einstellung auch eine entsprechend Nachhaltigkeit der sprachlichen Prägung entspricht.

Auf dieser Grundlage ist der Senat überzeugt, dass die Sprachkenntnisse der Klägerin im Zeitpunkt ihrer Aussiedlung auf familiärer Vermittlung beruht haben. Die Klägerin, die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat einen uneingeschränkt glaubwürdigen Eindruck vermittelte, hat stets angegeben, sie habe mit ihren Großeltern väterlicherseits bis zu deren Tod nur deutsch gesprochen; in der mündlichen Verhandlung hat sie präzisiert, sie sei fast jeden Tag dort gewesen; die Großeltern hätten stets Wert darauf gelegt, dass sie deutsch spreche, und sie habe damals deutsch sprechen können. Soweit in der Niederschrift über den Sprachtest vom 16.7.1997 festgehalten ist, die Klägerin habe angegeben, sie habe seit dem vierten Lebensjahr deutsch gesprochen, kann es sich angesichts der tatsächlichen Familienverhältnisse nur um ein Missverständnis handeln. Damit steht fest, dass die Klägerin bis in ihr viertes oder fünftes Lebensjahr hinein wesentlich in der deutschen Sprache aufgewachsen ist. Zwar musste sie spätestens seither auch russisch lernen (vgl. dazu ihr Schreiben an ihren Prozessbevollmächtigten vom 6.2.2002); dies um so mehr, als ihre Mutter unstreitig Russin war. Im Hinblick darauf, dass ihr Vater dem deutschen Volkstum angehörte, hielte es der Senat jedoch für realitätsfern, anzunehmen, die Klägerin habe jeweils nach Rückkehr von ihren Großeltern ins Elternhaus gleichsam bruchlos ausschließlich noch russisch gesprochen und sei auch in den Jahren danach ohne jeden Kontakt zur deutschen Sprache gewesen. Im Gegenteil ist der Senat überzeugt, dass das Deutsche bei der Klägerin noch lange Zeit danach vorhanden war und von ihr, wenn auch mit abnehmender Tendenz, auch tatsächlich noch benutzt wurde; soweit sie früher, durchaus wirklichkeitsfern, einen abweichenden Eindruck vermittelt haben mag, dürfte dies eher auf undurchdachter Spontanität beruhen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gab die Klägerin an, man habe zu Hause nur russisch gesprochen, da ihre Mutter nicht deutsch habe sprechen können. Wenn sie jedoch mit ihrem Vater alleine gewesen sei, habe er sie auf Deutsch beispielsweise gefragt, ob sie Hausaufgaben gemacht oder etwa gegessen habe oder ob sie ihm etwas geben könne; auch 1987, nachdem sich ihre Eltern hätten scheiden lassen, habe sie mit ihrem Vater noch einfache Gespräche in deutscher Sprache führen können; auf deutsche Fragen habe sie zunächst auf Deutsch geantwortet; wenn es schwierig geworden sei, habe sie sich allerdings auf Russisch ausgedrückt, wobei sie freilich ab und zu deutsche Worte eingeflochten habe. Das alles erweist sich bei natürlicher Betrachtungsweise auch insofern als plausibel, als es durchaus lebensfremd wäre, anzunehmen, jemand habe sich trotz jahrelanger Anwesenheit deutschsprachiger Verwandter und trotz regelmäßigen Kontakts zu deutschsprachigen Bekannten gleichsam von heute auf morgen vollständig vom Deutschen ab- und dem Russischen zugewandt. Insgesamt kann auf der Grundlage der glaubhaften Angaben der Klägerin kein Zweifel bestehen, dass ihr während ihrer Kindheit ein Grundbestand an deutschen Sprachkenntnissen vermittelt wurde, den sie auch aktiv zu nutzen verstand.

Dass dieser Grundbestand für die Klägerin hingereicht hat, ihre Deutschkenntnisse derart zu bewahren, zu aktualisieren und auszubauen, dass sie noch im Zeitpunkt ihrer Aussiedlung in der Lage war, ein einfaches Gespräch auf Deutsch zu führen, erweist sich schon darin, dass ihr diese Befähigung bereits anlässlich des Sprachtests vom 16.7.1997 bescheinigt wurde. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie jedoch, wie dargelegt, weder deutsche Sprachkurse absolviert noch sonst im Selbststudium das Deutsche gelernt; vielmehr hatte sich ihr Kontakt mit dem Deutschen - außerhalb von Familie, Verwandtschaft und Bekanntschaft - bis dahin auf zwei Jahre fremdsprachlichen Deutschunterricht in der Schule beschränkt. Da derartiger Unterricht nach den Erfahrungen des Senats nur wenig zu bringen pflegte, kann es nur so gewesen sein, dass die bei jenem Sprachtest festgestellte Befähigung der Klägerin, sie verstehe auf Deutsch fast alles und sei in der Lage, ein einfaches Gespräch auf Deutsch zu führen, ausschließlich oder zumindest weit überwiegend auf jener familiären Vermittlung beruht. Dass der Klägerin bei dieser Sachlage nicht der spätere Sprachkurs und ihr späteres Selbststudium entgegen gehalten werden können, versteht sich von selbst; dies um so mehr, als sie mit diesen Bemühungen erkennbar ihre - vom Gesetzgeber für ganz wesentlich erachtete - Integrationsfähigkeit fördern wollte. Jedenfalls im vorliegenden Einzelfall kann der Klägerin auch nicht entgegengehalten werden, dass ihr Deutsch keine Dialektfärbung aufweist, nachdem sie dies plausibel erläutert hat. Lediglich beiläufig bemerkt der Senat, dass die Klägerin im Jahre 1991 gegen den Willen ihres russischen Großvaters, bei dem sie damals lebte, darauf bestanden hat, in ihrem ersten Inlandspass als Deutsche eingetragen zu werden, und dass sie sich seit 1998 ehrenamtlich bei einer Sonntagsschule für deutsche Kinder engagiert hat; jedenfalls im vorliegenden Einzelfall sind diese Tatsachen, die eine im Deutschen verwurzelte Bewusstseinslage widerspiegeln, zusätzliches Indiz auch für ein Überdauern der in der Familie erworbenen sprachlichen Prägung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Beschluss

vom 5. Februar 2003

Der Streitwert für das Berufungsverfahrens wird auf 4.000,-- EUR festgesetzt (vgl. § 134 Abs. 1 Satz 2 GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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