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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 08.06.2004
Aktenzeichen: 6 S 22/04
Rechtsgebiete: HeimG, SGB XI, VwGO


Vorschriften:

HeimG § 2 Abs. 1 Nr. 1
HeimG § 2 Abs. 1 Nr. 5
HeimG § 11 Abs. 1 Nr. 7
HeimG § 17 Abs. 1 Satz 1
HeimG § 19 Abs. 1
SGB XI § 75 Abs. 1
SGB XI § 80 Abs. 1
VwGO § 80 Abs. 2 Nr. 4
1. Die sofortige Vollziehung einer Anordnung gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 HeimG gegenüber dem Heimträger, entsprechend § 11 Abs. 1 Nr. 7 HeimG Pflegeplanungen aufzustellen und deren Umsetzung zu dokumentieren, liegt jedenfalls dann im öffentlichen Interesse, wenn die festgestellten Mängel nicht nur unwesentlich sind.

2. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Aufnahmestopps unter der auflösenden Bedingung, dass die Erfüllung der Pflichten aus § 11 Abs. 1 Nr. 7 HeimG nachgewiesen wird, ist jedenfalls dann verhältnismäßig, wenn bei von Dokumentationsmängeln betroffenen Bewohnern während ihres Heimaufenthalts gesundheitliche Beeinträchtigungen aufgetreten sind.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG

Beschluss

6 S 22/04

In der Verwaltungsrechtssache

wegen heimrechtlicher Anordnung

hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

hat der 6. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schwäble, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Noé und die Richterin am Verwaltungsgericht Leven am 08. Juni 2004 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 16. September 2003 - 10 K 1446/03 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe:

Die statthafte und auch sonst zulässige (§ 146 Abs. 1 und 4 VwGO) Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem der Sofortvollzug der Verpflichtung des Antragstellers zur Erstellung von Pflegeplanungen und zur Aufzeichnung ihrer Umsetzung sowie des Aufnahmestopps für das vom Antragsteller betriebene Pflegeheim als rechtmäßig bestätigt worden ist, hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass das mit dem Sofortvollzug verfolgte öffentliche Interesse an der Sicherstellung einer qualifizierten gesundheitlichen Betreuung der jetzigen und künftigen Heimbewohner das private Interesse des Antragstellers überwiegt, vom Vollzug der Nrn. 1 und 2 der angefochtenen Verfügung vorerst verschont zu bleiben. Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), geben keinen Anlass, von der Einschätzung des Verwaltungsgerichts abzuweichen.

Der Antragsteller rügt ohne Erfolg, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht von Mängeln der Pflegedokumentation ausgegangen. Nach § 11 Abs. 1 Nr. 7 HeimG müssen Heimträger und Heimleitung sicherstellen, dass für pflegebedürftige Bewohnerinnen und Bewohner Pflegeplanungen aufgestellt und deren Umsetzung aufgezeichnet werden. Hierdurch soll nicht nur die Kontrolle einer ordnungsgemäßen Pflege erleichtert, sondern vorrangig die gesundheitliche Betreuung der Bewohner gesichert und der erforderliche Nachweis ermöglicht werden; Ziel der Regelung ist die Qualitätssicherung in der Pflege (vgl. die Begründung des Entwurfs des Dritten Gesetzes zur Änderung des Heimgesetzes zu § 11 Abs. 1 Nr. 7, BT-Drs. 14/5399, S. 16, 27). Dies rechtfertigt es, als Maßstab für die erforderliche Pflegeplanung und ihre Dokumentation die nach § 80 Abs. 1 SGB XI zwischen den Spitzenverbänden der Pflegekassen, der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe, der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände und den Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene unter Beteiligung des medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen sowie unabhängiger Sachverständiger vereinbarten Grundsätze und Maßstäbe zur Qualität und Qualitätssicherung in vollstationären Pflegeeinrichtungen (i.d.F. vom 07.03.1996, abgedruckt bei Udsching, SGB XI, 2. Aufl., 2000, Anhang 6) heranzuziehen (vgl. dazu Krahmer/Richter, LPK-HeimG, 2004, § 11, RN 20), die nach § 80 Abs. 1 Satz 2 SGB XI für die zugelassenen Pflegeeinrichtungen unmittelbar verbindlich sind. Danach ist in vollstationären Pflegeeinrichtungen für jeden Bewohner eine individuelle Pflegeplanung unter Einbezug der Informationen des Bewohners, der Angehörigen oder anderer an der Pflege Beteiligten durchzuführen, die der Entwicklung des Pflegeprozesses entsprechend kontinuierlich aktualisiert werden muss. Dazu gehört auch eine geeignete Pflegedokumentation, die sachgerecht und kontinuierlich zu führen ist und aus der heraus das Leistungsgeschehen und der Pflegeprozess abzuleiten sind (Nr. 3.2.2.3 und 3.2.3 der Gemeinsamen Grundsätze, aaO). Der gemäß § 75 Abs. 1 Satz 4 SGB XI für die zugelassenen Pflegeeinrichtungen unmittelbar verbindliche, zwischen den Landesverbänden der Pflegekassen, den Vereinigungen der Träger der stationären Pflegeeinrichtungen im Land, den überörtlichen Sozialhilfeträgern und den Arbeitsgemeinschaften der örtlichen Sozialhilfeträger geschlossene Rahmenvertrag für vollstationäre Pflege für das Land Baden-Württemberg i.d.F.v. 09.07.2002 bestimmt darüber hinaus, dass die Pflegedokumentation die Pflegeanamnese, die Pflegeplanung, den Pflegebericht, Angaben über den Einsatz von Pflegehilfsmitteln und Angaben über durchgeführte Pflegeleistungen (Leistungsnachweise) enthält.

Diesen Anforderungen dürfte der Antragsteller entgegen seiner Darstellung nicht genügt haben. Eine ausreichende Pflegeplanung und - dokumentation dürfte in den Fällen der pflegebedürftigen Bewohner W.N. und E.H. gefehlt haben.

Beim Bewohner W.N. war nach Aktenlage im Zeitpunkt der Heimnachschau am 16.01.2003, bei der ein Dekubitus zweiten Grades an der linken Ferse im Ausmaß von ca. 5 mal 5 cm festgestellt wurde, eine individuelle, kontinuierlich aktualisierte Pflegeplanung nicht vorhanden. Der einmalige Eintrag im Berichteblatt zwei Tage nach der Aufnahme des Bewohners: "Dekubitus Ferse, 5 cm breit, 2,5 cm lang mit Variesive versorgt, Arzt", stellt entgegen der Ansicht des Antragstellers keine Pflegeplanung dar. Dem Eintrag lässt sich nur entnehmen, dass am 20.12.2002 der Dekubitus mit Variesive versorgt worden ist, nicht aber, wie der Antragsteller behauptet, dass eine weitere Behandlung mit Variesive durch den Arzt angeordnet worden wäre. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Versorgung des Dekubitus geplant worden wäre, fehlte es in jedem Fall an der Dokumentation der Umsetzung der Planung. Die Aufzeichnungen zum Dekubitus beschränkten sich nach dem 20.12.2002 auf die Einträge am 09.01.: "Dekubitus leicht geblutet" und am 14.01.: "Dekubitus fast zugeheilt". Allenfalls kann noch der Eintrag vom 10.01.: "Wundsituation beider Beine weitere Besserung" - der nach den vorgelegten Stellungnahmen des behandelnden Arztes eher den Unterschenkelgeschwüren (Ulcera cruris) des W.N. gegolten haben dürfte -, auch auf den Dekubitus bezogen werden. Dagegen lassen sich Angaben über den Einsatz von Pflegehilfsmitteln und Angaben über durchgeführte Pflegeleistungen den aufgeführten Einträgen auch nicht ansatzweise entnehmen. Die Auffassung des Antragstellers, es habe sich um eine Standardbehandlung gehandelt, deren Dokumentation überflüssig sei, weil dies nur ein "Abschreiben von Ausbildungsliteratur der Pflegefachkräfte" bedeute, lässt eine grundlegende Verkennung der aus § 11 Abs. 1 Nr. 7 HeimG folgenden Verpflichtung erkennen. Im Übrigen scheint der Antragsteller auch seine damit korrespondierende gesetzliche Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflicht aus § 13 HeimG zu übersehen: Aus den nach den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Buch- und Aktenführung zu fertigenden, aufzubewahrenden und zur behördlichen Prüfung vorzuhaltenden (vgl. dazu § 15 Abs. 1 Satz 6 HeimG) Aufzeichnungen müssen auch die Pflegeplanungen und die Pflegeverläufe für pflegebedürftige Bewohner ersichtlich werden (§ 13 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 6 HeimG).

Die eidesstattliche Versicherung des Hausarztes vom 13.10.2003 stellt die Feststellung der Mängel bei der Pflegedokumentation für W.N. nicht in Frage. Sie bezieht sich nur auf Ulcera an den Beinen - deren Anamnese mit Pflegeplanung und entsprechenden Leistungsnachweisen im Übrigen ebenfalls in der Pflegedokumentation fehlen dürfte -, sagt aber über den Fersendekubitus nichts aus. Dass der Hausarzt das, was bei der Heimnachschau und im Übrigen auch in der Pflegedokumentation als Dekubitus bezeichnet wird, als Ulcera cruris ansieht, ist nach seiner Stellungnahme vom 24.03.2003, in der auch der Fersendekubitus erwähnt wird, ausgeschlossen. Von einem medizinischen Streit, der, wie der Antragsteller meint, auf seinem Rücken ausgetragen wird, kann hier voraussichtlich nicht die Rede sein.

Bei der Bewohnerin E.H., bei der anlässlich einer Heimnachschau ein Dekubitus ersten Grades festgestellt wurde, dürfte die Pflegeplanung insofern unzureichend gewesen sein, als das nach der Beurteilung nach der Norton-Skala am 02.12.2002 erkannte Dekubitusrisiko keinen Niederschlag darin gefunden hat. Auch wenn die Auffassung des Antragstellers, allein aus dem Nichterkennen eines Dekubitus im Januar 2003 könne nicht auf Dokumentationsmängel geschlossen werden, zutreffen mag, so bleibt aber der in der angefochtenen Verfügung erhobene Vorwurf, dass das erkannte Risiko nicht in die Pflegeplanung eingeflossen ist. Soweit der Antragsteller nunmehr vorbringt, E.H. sei regelmäßig von ihrer Hausärztin "visitiert und diagnostiziert" worden, die entsprechende Behandlungsanweisungen gegeben habe, sind solche Anweisungen der Pflegedokumentation nach Aktenlage gleichfalls nicht zu entnehmen. Eine Pflegeplanung ist auch nicht in den vorhandenen Lagerungsprotokollen enthalten, die zudem bereits am 17.12.2002 enden.

Zu Recht dürfte der Antragsgegner einen Verstoß gegen die Dokumentationspflicht auch darin gesehen haben, dass bei E.H. die Allergien auf Antibiotika und orale Antidiabetika nicht in die Pflegedokumentation aufgenommen wurden. Der Einwand des Antragstellers, diese Allergien hätten sich bereits aus den in der Bewohnerakte liegenden ärztlichen Unterlagen ergeben und ein Abschreiben dieser Unterlagen sei in der ganzen Bundesrepublik nicht üblich, kann hier schon deshalb nicht verfangen, weil das Medikamentenblatt für die Bewohnerin ausdrücklich die Rubrik "Unverträglichkeiten" vorsah, in der fälschlich nichts - auch kein Hinweis auf die ärztlichen Unterlagen - eingetragen war. Es liegt nahe, dass dieses Versäumnis ursächlich für die bei der Heimnachschau festgestellte Unkenntnis der Pflegedienstleitung von den Allergien war. Der Hinweis des Antragstellers im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, der Pflegedienstleiter sei kein Analphabet, steht der Annahme seiner Unkenntnis zum Zeitpunkt der Heimnachschau nicht entgegen. Im Übrigen hat der Antragsgegner die angefochtene Verfügung auf weitere, bei der Heimnachschau am 16.01.2003 festgestellte Mängel im Bereich der Pflegeplanung und -dokumentation gestützt, die in dem dem Antragsteller bekannten Aktenvermerk vom 14.02.2003 festgehalten sind. Den dort getroffenen Feststellungen, bei der Bewohnerin H.K. sei die Pflegeplanung seit Juli 2002 nicht mehr aktualisiert worden, beim Bewohner V.T. ergäben sich der körperliche Zustand (zahlreiche Hämatome) und die Ursachen dafür nicht aus der Dokumentation und bei beiden Bewohnern seien die Leistungsnachweise lückenhaft, hat der Antragsteller nichts entgegengesetzt.

Auch die Einwände des Antragstellers gegen den unter die auflösende Bedingung gestellten Aufnahmestopp, dass die Erfüllung der Pflichten aus § 11 Abs. 1 Nr. 7 HeimG nachgewiesen wird, greifen nicht durch. Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist der Aufnahmestopp - der seine Rechtsgrundlage in § 17 Abs. 1 Satz 1 HeimG findet und, da der Heimbetrieb als solcher nicht von der Zahl der Bewohner abhängt (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 HeimG), nicht etwa als Teilbetriebsuntersagung zu werten ist (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 16.03.2001 - 8 S 301/01 -, Juris; VG Stuttgart, Urt. v. 12.7.2002 - 10 K 74/01 -, Juris; a.A. BayVGH, Beschl. v. 12.04.2000, GewArch 2000, 283) - nicht rechtsstaatswidrig mit Rückwirkung versehen worden. Der Antragsgegner hatte den Aufnahmestopp, der nach der angefochtenen Verfügung vom 20.03.2003 bereits ab dem 04.02.2003 gelten sollte, nach Aktenlage bereits telefonisch am 03.02.2003 und nochmals mündlich am 04.02.2003 ausgesprochen. Ob die anschließend mit der Verfügung vom 20.03.2003 angeordnete sofortige Vollziehung schon begriffsnotwendig nur in die Zukunft, nicht aber zurückwirken kann, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass - eine Rückwirkung zum 04.02.2003 unterstellt - ihr ein schutzwürdiges Vertrauen des Antragstellers entgegenstünde. Es ist noch nicht einmal erkennbar, dass sich eine solche - unterstellte - Rückwirkung hier im konkreten Fall tatsächlich ausgewirkt hätte oder noch auswirken könnte.

Soweit der Antragsteller rügt, es sei nicht ersichtlich, wie die Beanstandungen an der Pflegedokumentation durch einen Aufnahmestopp beseitigt werden könnten, der Aufnahmestopp sei hier also ein ungeeignetes Mittel, übersieht er, dass das Gesetz nach seinem ausdrücklichen Wortlaut die Erfüllung der Pflichten nach § 11 Abs. 1 Nr. 7 HeimG als unabdingbare Voraussetzung des Heimbetriebs ansieht. Nach § 19 Abs. 1 HeimG muss der Betrieb eines Heimes untersagt werden, wenn die Anforderungen des § 11 nicht erfüllt sind und Anordnungen nicht ausreichen. Die Pflichten zur Aufstellung von Pflegeplanungen und zur Dokumentation ihrer Umsetzung sollen - entsprechend dem in § 2 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 5 HeimG niedergelegten Zweck des Gesetzes, die Interessen und Bedürfnisse der Heimbewohner vor Beeinträchtigungen zu schützen und eine dem allgemein anerkannten Stand der fachlichen Erkenntnis entsprechende Qualität der Betreuung zu sichern - vorrangig die gesundheitliche Betreuung der Bewohner sichern (Begründung des Entwurfs des Dritten Gesetzes zur Änderung des Heimgesetzes, aaO). Dem Gesetz liegt dabei offensichtlich die auch in anderen Bereichen gültige Annahme zu Grunde, dass eine Pflicht zur Dokumentation dazu führt, dass sich der Handelnde in besonderem Maße der Richtigkeit seines Handelns vergewissert (vgl. BVerfGE 103, 142, 160); die Sicherung einer qualifizierten gesundheitlichen Betreuung aller Bewohner eines Heims ist ohne Pflicht zur Planung und Aufzeichnung auch kaum denkbar. Daher schützt ein Aufnahmestopp zukünftige Bewohner vor dem Risiko unzureichender gesundheitlicher Betreuung und ermöglicht es zugleich dem Personal, auf bereits anwesende Bewohner mehr Zeit zu verwenden (vgl. BayVGH, Beschl. v. 12.04.2000, GewArch 2000, 283). Der vom Antragsteller angenommene Wertungswiderspruch zwischen dem vom Verwaltungsgericht bestätigten, sofort vollziehbaren Aufnahmestopp einerseits und der Aufhebung des Sofortvollzugs für die verfügte Rückführung der Bewohnerzahl von 21 auf 20 besteht angesichts der grundlegend abweichenden Interessenlagen ganz offensichtlich nicht. Denn bei der Frage der Reduzierung der aktuellen Bewohnerzahl fällt, anders als beim Aufnahmestopp, das Interesse des 21. Bewohners ins Gewicht, nicht in ein anderes, ihm fremdes Heim verlegt zu werden (vgl. BayVGH, aaO).

Soweit das Vorbringen des Antragstellers weiter dahin zu verstehen ist, dass er meint, auf Dokumentationsmängeln beruhende Pflegeversäumnisse seien nicht nachgewiesen und daher die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht gerechtfertigt, kann diese Rüge angesichts der Bedeutung der Pflichten des Heimträgers und der Heimleitung aus § 11 Abs. 1 Nr. 7 HeimG für eine qualifizierte Betreuung und damit für den Schutz des gesundheitlichen Wohlergehens der Heimbewohner nicht durchgreifen. Es ist hier nicht etwa der Nachweis erforderlich, dass die aufgetretenen Dekubiti auf Pflegefehlern beruhen, die ihrerseits Resultat einer unzureichenden Pflegeplanung und -dokumentation sind. Vielmehr genügen bereits nicht nur unwesentliche Pflegeplanungs- und Dokumentationsmängel, um mit dem Antragsgegner eine Gefährdung des Wohls der Bewohner i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 1 HeimG und damit zugleich das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) der mit Zwangsgeldandrohung versehenen Verpflichtung zur Pflegeplanung und -dokumentation anzunehmen. Müsste die Heimaufsicht mit einem Einschreiten bis zum Nachweis einer Kausalkette zwischen Pflegedokumentationsmängeln und aufgetretenen Gesundheitsbeeinträchtigungen zuwarten, liefe der vom Gesetz mit der Dokumentationspflicht vorgesehene, vorbeugende Gesundheitsschutz für die Heimbewohner weitgehend leer.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des bis zur Erfüllung der Pflichten aus § 11 Abs. 1 Nr. 7 HeimG geltenden Aufnahmestopps ist jedenfalls vor dem Hintergrund verhältnismäßig, dass bei von Dokumentationsmängeln betroffenen Bewohnern während ihres Heimaufenthalts gesundheitliche Beeinträchtigungen aufgetreten sind (nach Aktenlage bei W.N. zumindest eine Verschlechterung des Zustands seines Fersendekubitus und bei E.H. ein Dekubitus 1. Grades). Damit hat sich das Risiko, dessen Vermeidung die Dokumentationspflicht dienen soll, bereits realisiert. Einer entsprechenden Gefährdung künftiger Bewohner kann, bevor nicht der Antragsteller in seinem Heim ein funktionierendes Pflegeplanungs- und Dokumentationssystem eingerichtet hat, nur durch einen Aufnahmestopp begegnet werden; ein milderes Mittel ist nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Als Streitwert hat der Senat im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Hälfte des Streitwerts einer entsprechenden Hauptsache (§ 13 Abs. 1 Satz 2 GKG i.V.m. § 5 ZPO) zu Grunde gelegt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.



Ende der Entscheidung

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