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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 06.12.2007
Aktenzeichen: 6 S 2293/07
Rechtsgebiete: BörsG, BörsenO, GG


Vorschriften:

BörsG § 31 Abs. 5 (F. 2002)
BörsG § 38 Abs. 4 Satz 2 (F. 2002)
BörsenO § 101 Abs. 1 (F. 2007)
GG Art. 14
GG Art. 19 Abs. 4
Der in § 38 Abs. 4 Satz 2 BörsG (Fassung vom 21.06.2002) und § 101 Abs. 1 der Börsenordnung der Baden-Württembergischen Wertpapierbörse (Fassung vom 01.01.2007) formulierte Anlegerschutz spricht dafür, dass jedenfalls eine Klagebefugnis des vom Widerruf einer Börsenzulassung betroffenen Mehrheitsaktionärs besteht, der seine Interessen rechtzeitig in das Verfahren eingebracht hat. Die Klage ist angesichts zahlreicher ungeklärter Rechtsfragen nicht zuletzt vor dem Hintergrund von Art. 14 GG auch im Hinblick auf die Regelung des § 31 Abs. 5 BörsG (Fassung vom 21.06.2002) nicht offensichtlich unzulässig.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

6 S 2293/07

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Widerrufs der Zulassung und Einstellung der Börsennotierung

hier: Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz

hat der 6. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg

am 06. Dezember 2007

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 03. September 2007 - 4 K 4011/07 - geändert.

Es wird festgestellt, dass die Klage der Antragstellerin gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 30.03.2007 und deren Widerspruchsbescheid vom 21.06.2007 aufschiebende Wirkung hat.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zu 3/4, die Antragstellerin zu 1/4. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen selbst.

Der Streitwert wird in Abänderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts für das dortige Verfahren von Amts wegen sowie für das Beschwerdeverfahren jeweils auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Vollziehung des Widerrufs einer Börsenzulassung.

Die Antragstellerin, die ein Börsenjournal herausgibt und selbst als Kapitalanlegerin tätig ist, ist nach eigenen Angaben mit einem Stimmrechtsanteil von 50,11 % an der Beigeladenen beteiligt. Bei der Beigeladenen handelt es sich um eine "Altbank", deren Grundkapital in auf Reichsmark lautende Inhaberaktien eingeteilt ist. 1997 wurde die Löschung der Gesellschaft im Handelsregister beim Amtsgericht XXXXXXXXXX beantragt; eine Löschung ist bislang nicht erfolgt.

Unter dem 30.01.2007 wurde im Auftrag des Vorstands der Beigeladenen ein Antrag auf Widerruf der Zulassung ihrer Aktien zum amtlichen Markt an der Baden-Württembergischen Wertpapierbörse in Stuttgart gestellt. Aufgrund der geringen Umsatztätigkeit und aus Kostengründen plane die Gesellschaft, die wenigen Umsätze auf die Frankfurter Wertpapierbörse zu beschränken. Ein gleichlautender Antrag wurde an die Wertpapierbörsen zu Berlin-Bremen, Hamburg, Hannover, Düsseldorf und München gerichtet.

Mit mehreren Schreiben wandte sich die Antragstellerin in der Folgezeit an die Antragsgegnerin und wies darauf hin, dass für das beantragte Delisting ein Hauptversammlungsbeschluss notwendig sei, der nicht eingeholt worden sei. Der Antrag sei daher unwirksam und dürfe nicht beachtet werden. Die Antragsgegnerin teilte daraufhin mit, dass dem Antrag auf Einstellung der Börsennotierung stattgeben werde. Die Beigeladene habe versichert, dass die Notierung an der Frankfurter Börse aufrecht erhalten bleibe. Ein überwiegendes Anlegerschutzinteresse an der Aufrechterhaltung der Mehrfachnotierung könne nicht festgestellt werden. Ein reguläres Delisting - Rückzug aus dem organisierten Markt an allen Börsen -, das nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einen Hauptversammlungsbeschluss erfordere, liege nicht vor.

Am 06.03.2007 reichte die Antragstellerin zivilrechtliche Klage beim Landgericht Hamburg gegen die Beigeladene auf Feststellung der Unwirksamkeit des Antrags auf Einstellung der Börsennotierung und Rücknahme des Antrags ein. Mit Urteil vom 11.10.2007 - 325 O 74/07 - wurde die Klage abgewiesen: Das beantragte Teil-Delisting bedürfe nicht der Zustimmung der Hauptversammlung. Die Einstellung des Aktienhandels nur an einzelnen Börsen sei kein Eingriff in das Eigentum der Aktionäre. Eine spürbare Einschränkung der Handelbarkeit sei nicht gegeben. Dieses Urteil ist nicht rechtskräftig.

Unter dem 30. März 2007 teilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen (ohne Rechtsmittelbelehrung) mit, dass die Zulassung zum amtlichen Markt der auf den Inhaber lautenden Aktien der Beigeladenen mit Ablauf des 29.06.2007 widerrufen werde. Die Preisfeststellung der Aktien im geregelten Markt werde zum genannten Zeitpunkt eingestellt. Zeitgleich erfolgte eine entsprechende Bekanntmachung aller vorgenannten Börsen. Die Bekanntmachung wurde am 31.03.2007 im amtlichen Kursblatt veröffentlicht.

Mit Schreiben vom 02.05.2007 legte die Antragstellerin Widerspruch gegen den Widerruf der Zulassung und die Einstellung der Börsennotierung ein. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass sie als Hauptaktionärin in ihren Rechten verletzt sei. Die Widerrufsvoraussetzungen lägen nicht vor, da es an dem für das Delistingverfahren erforderlichen Beschluss der Hauptversammlung fehle; die einschlägige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 25.11.2002, BGHZ 153, 47 <"Macrotron">) gelte insoweit auch für das partielle Delisting. Im Übrigen sei die angefochtene Entscheidung ermessensfehlerhaft, da die Interessen der Anleger nicht berücksichtigt worden seien. Der Eingriff in das Aktionärseigentum sei nicht unwesentlich. Für die von der Eigentumsgarantie geschützte Verkehrsfähigkeit des Aktienanteils sei es von ganz erheblicher Bedeutung, ob die Börsennotierung an sieben oder nur an einem Handelsplatz stattfinde.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21.06.2007 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch als unzulässig zurück: Die Antragstellerin sei als Aktionärin nicht widerspruchsbefugt, da sie weder Adressat des Widerrufs der Zulassung sei, noch die Verletzung drittschützender Normen geltend machen könne. Die im Börsengesetz getroffenen Regelungen zum Schutz der Anleger stellten auf den Schutz einer zahlenmäßig unbestimmten Personengesamtheit ab. Der Schutz des Anlegerpublikums in diesem Sinne diene zugleich der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes und somit ausschließlich dem öffentlichen Interesse an effizienten Kapitalmärkten und nicht dem Individualschutz der Anleger. Ein überwiegendes Anlegerschutzinteresse an der Aufrechterhaltung der Mehrfachnotierung könne nicht festgestellt werden.

Am 13.07.2007 hat die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Stuttgart einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt und zeitgleich Anfechtungsklage erhoben, über die noch nicht entschieden worden ist. Zur Begründung wird vorgetragen, dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und der Klage festzustellen sei, da sonst faktischer Vollzug drohe. Beantragt wurde außerdem, der Antragsgegnerin die weitere Vollziehung der Verfügung vom 30.03.2007 zu untersagen. Die Antragsgegnerin ist dem entgegengetreten.

Mit Beschluss vom 03.09.2007 hat das Verwaltungsgericht den Antrag zurückgewiesen: Voraussetzung für den Eintritt der aufschiebenden Wirkung sei, dass die nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis bestehe, was nicht der Fall sei, wenn eine Verletzung eigener Rechte offenkundig ausscheide. Das sei hier jedoch der Fall. Offenbleiben könne, ob § 43 Abs. 4 Satz 2 BörsG in der früher geltenden Fassung (jetzt § 38 Abs. 4 Satz 2 BörsG) eine drittschützende Wirkung zugunsten jedes Anlegers habe entfalten können, denn durch die Einfügung des § 31 Abs. 5 BörsG habe der Gesetzgeber einer solchen Deutung die Grundlage entzogen. Im Falle des hier vorliegenden sog. partiellen Delistings könne eine das Eigentum tangierende Beeinträchtigung der Verkehrsfähigkeit ersichtlich nicht eintreten, so dass auch aus Art. 14 GG keine Klagebefugnis hergeleitet werden könne.

Mit der Beschwerde wiederholt und vertieft die Antragstellerin im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen. Eine Verletzung eigener Rechte scheide nicht offenkundig aus. Die Klagebefugnis ergebe sich aus § 38 Abs. 4 Satz 2 BörsG und aus Art. 14 GG, denn bereits das partielle Delisting greife in die grundrechtlich gewährte Eigentumsposition ein. Diese Vorschrift sei bei Einfügung des § 31 Abs. 5 BörsG unverändert geblieben und überdies spezieller. Das Rechtsschutzbedürfnis ergebe sich daraus, dass nur bei Feststellung der aufschiebenden Wirkung Folgeanträge gestellt und die Einstellung der Börsennotierung rückgängig gemacht werden könne. An ihrem Antrag, die weitere Vollziehung der Verfügung zu untersagen, hält die Antragstellerin nicht mehr fest.

Die Antragsgegnerin ist der Beschwerde entgegengetreten: § 31 Abs. 5 BörsG schließe nach dem Willen des Gesetzgebers einen Individualrechtsschutz aus. Die mit der Aktionärsstellung verbundenen Rechte blieben nach einem teilweisen Börsenrückzug vollständig erhalten. Weder die Fungibilität noch die Ertrags- oder Gewinnaussichten der betreffenden Aktien seien durch Art. 14 GG geschützt. Die Verkehrsfähigkeit der Aktien werde nicht entscheidend beeinträchtigt, vielmehr werde die Liquidität an einem Börsenplatz gebündelt, was eher zu steigender Preisqualität führe. Ein Hauptversammlungsbeschluss sei für die bloße Börsenplatzreduktion nicht notwendig gewesen.

Die Beigeladene hat sich dieser Argumentation angeschlossen, aber keinen Antrag gestellt. Sie führt aus, der Antragstellerin gehe es offenkundig darum, die Löschung der Gesellschaft aus dem Handelsregister unter Instrumentalisierung der Gerichte zu verzögern.

Dem Senat liegen die in der Sache angefallenen Verwaltungs- und Gerichtsakten vor. Auf diese und die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist statthaft und auch sonst zulässig (§ 146 Abs. 1 und 4 VwGO). Die von der Antragstellerin dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gem. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO grundsätzlich beschränkt ist, geben auch Anlass, die verwaltungsgerichtliche Entscheidung zu ändern und der Antragstellerin vorläufigen Rechtsschutz im Hinblick auf den Feststellungsantrag, der allein Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist, zu gewähren.

Der entsprechend § 80 Abs. 5 i.V.m. § 80a VwGO gestellte Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Anfechtungsklage hat Erfolg, weil Widerspruch und Klage der Antragstellerin nicht bereits mangels möglicher Verletzung eigener Rechte (§ 42 Abs. 2 VwGO) offensichtlich unzulässig sind und daher gem. § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung entfalten (vgl. zu diesem Prüfungsmaßstab: BVerwG, Urteil vom 30.10.1992 - 7 C 24.92 -, DVBl 1993, 256; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 01.02.1996 - 8 S 1961/95 -, NVwZ 1997, 594; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 08.02.1993 - 11 B 12228/92 -, DÖV 1993, 625; Kopp/Schenke, Komm. zur VwGO 15. Aufl. 2007, § 80 Rn. 50).

Nach § 38 Abs. 4 Satz 2 BörsG in der hier zum Zeitpunkt des Ergehens des Widerspruchsbescheids maßgeblichen und bis zum 31.10.2007 gültigen Fassung vom 21.06.2002 (BGBl. I S. 2010) darf der auf Antrag des Emittenten erfolgende und im Ermessen der Zulassungsstelle stehende Widerruf der Zulassung zum amtlichen Markt nicht dem Schutz der Anleger widersprechen. Nähere Bestimmungen sind gem. § 38 Abs. 4 Satz 4 BörsG in der Börsenordnung zu treffen. § 101 Abs. 1 Satz 2 der Börsenordnung der Baden-Württembergischen Wertpapierbörse (in der hier maßgeblichen Fassung mit Stand vom 01.01.2007) nennt drei Sachverhaltskonstellationen, in denen der Schutz der Anleger einem Widerruf der Zulassung von Wertpapieren zum Börsenhandel im amtlichen Markt auf Antrag des Emittenten in der Regel nicht entgegensteht. Das zeigt, dass im Einzelfall Belange der Anleger dem Widerruf entgegenstehen können. Entsprechendes regeln nunmehr § 39 Abs. 2 BörsG in der zum 01.11.2007 in Kraft getretenen Fassung vom 16. Juli 2007 (BGBl. I S. 1330) und § 97 Abs. 1 BörsO vom 01.11.2007.

Im Hinblick auf die wortgleiche Vorgängerbestimmung des hier einschlägigen § 38 Abs. 4 BörsG (§ 43 Abs. 4 BörsG in der Fassung vom 09.09.1998) ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass diese Bestimmung den Aktieneigentümern als einem klar abgrenzbaren Personenkreis bei einem Delisting die Klagebefugnis gem. § 42 Abs. 2 VwGO vermittelt. Dies gilt jedenfalls im Falle eines vollständigen Delistings. Bei der zu treffenden Ermessensentscheidung sind neben den Belangen des allgemeinen Aktienhandels und den Interessen des Emittenten vor allem die Anlegerinteressen zu berücksichtigen. Deren Interessen an einer Fortsetzung der amtlichen Notierung zugelassener Wertpapiere sind gesetzlich ausdrücklich anerkannt. § 43 Abs. 4 Satz 1 BörsG a.F. stellt einen Ausgleich zwischen den Interessen des Emittenten dar, sich durch den Gang an die Börse Kapital von ihm persönlich unbekannten Anlegern zu beschaffen, und den Interessen dieser Anleger, sich das so in Wertpapieren angelegte Kapital auf einem im Kern unveränderten und rechtlich geschützten Markt zu in gewisser Weise amtlich überwachten Bedingungen durch einen Verkauf der Wertpapiere wiederzubeschaffen (so auch VG Frankfurt, Urteil vom 17.06.2002 - 9 E 2285/01 (V) -, WM 2002, 1658; s.a. Beschluss vom 02.11.2001 - 9 G 3103/01 (V) -, NJW-RR 2002, 480; die drittschützende Wirkung des § 38 Abs. 4 BörsG bejahen beispielsweise auch Geyrhalter/Zirngibl, DStR 2004, 1048 <1053>; Groß, Kapitalmarktrecht 3. Aufl. 2006, § 38 Rn. 41 f.; a.A. m.w.N. Beck/Hedtmann, BKR 2003, 190).

Für diese Einschätzung spricht der Wortlaut der genannten Bestimmungen, die ausdrücklich die Interessen Dritter - den Schutz der Anleger - in den Blick nehmen. Bei der zu treffenden sachgerechten Ermessensentscheidung dürften auch vor dem Hintergrund von Art. 14 GG (vgl. zur Verkehrsfähigkeit als Eigenschaft des Aktieneigentums etwa BVerfG, Beschluss vom 27.04.1999 - 1 BvR 1613/94 -, BVerfGE 100, 289) insbesondere die Interessen der betroffenen (abgrenzbaren) Anleger neben der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes angemessen zu berücksichtigen sein. Das spricht dafür, dass es sich bei § 38 Abs. 4 Satz 2 BörsG i.V.m. § 101 Abs. 1 BörsO um drittschützende Bestimmungen handelt, die (nur) dem abgrenzbaren Kreis der betroffenen Anleger ein Klagerecht aus möglicher eigener Rechtsverletzung gewähren. Jedenfalls aber kann der Antragstellerin als Mehrheitsaktionärin der Beigeladenen in der hier vorliegenden Konstellation eine Klagebefugnis nicht mit der im Eilverfahren gebotenen Eindeutigkeit abgesprochen werden. Die Antragstellerin hat vergeblich versucht, ihre Interessen im Rahmen eines Hauptversammlungsbeschlusses in das Verfahren einzubringen und ist von der erheblichen Börsenplatzreduktion - es verbleibt nur noch ein Börsenplatz - und der damit möglicherweise verbundenen Beschränkung der Verkehrsfähigkeit ihrer Aktien in besonderer Weise betroffen. Nachdem sie Bedenken gegen das Fehlen eines Hauptversammlungsbeschlusses bereits vor Ergehen der Widerrufsentscheidung vorgebracht hat und keine rechtskräftige Entscheidung im aktienrechtlichen Verfahren vorliegt, gebietet es der Grundsatz effektiven Rechtsschutzes, dass sie ihre Interessen im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren wahren kann (vgl. zur fundamentalen Bedeutung der nach § 80 Abs. 1 VwGO für den Regelfall vorgeschriebenen aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage als Ausprägung der verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgarantie etwa BVerfG, Beschluss vom 10.04.2001 - 1 BvR 1577/00 -, NJW-RR 2001, 1268; Beschluss vom 29.03.2007 - 2 BvR 1977/06 -, NVwZ 2007, 948, jeweils m.w.N.). Die Gefahr einer uferlosen Ausweitung der Klagerechte auf eine Vielzahl einzelner (Klein-)Aktionäre besteht insoweit nicht. Darauf, ob und unter welchen Voraussetzungen tatsächlich eine Verletzung eigener Rechte vorliegt - zumal in Fällen des nur partiellen (hier aber fast vollständigen) Delistings, bei dem der amtliche Handel nicht an allen Börsen beendet wird -, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.

Soweit nach § 31 Abs. 5 BörsG in der bis zum 31.10.2007 gültigen Fassung vom 21.06.2002 die Zulassungsstelle die ihr nach diesem Gesetz zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse nur im öffentlichen Interesse wahrnimmt (jetzt § 15 Abs. 6 BörsG in der Fassung vom 16. Juli 2007), führt dies nach Überzeugung des Senats aus den genannten Gründen nicht zu einer Ablehnung des vorläufigen Rechtsschutzes mangels Widerspruchs- bzw. Klagebefugnis des vom Widerruf betroffenen Mehrheitsaktionärs. Der Gesetzgeber will zwar mit dieser 2002 erstmals in das Börsengesetz aufgenommenen Regelung nach eigenem Bekunden dem Umstand Rechnung tragen, dass Zielsetzung der börsenrechtlichen Vorschriften die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Börse ist. Die Tätigkeit der Zulassungsstelle dient danach den Belangen der Anleger in ihrer Gesamtheit und nicht dem Schutz einzelner Anleger (BT-Drs. 14/8017, S. 79). In Rechtsprechung und Literatur ist bislang jedoch ungeklärt, ob der Gesetzgeber mit dieser allgemein gehaltenen Bestimmung (auch) Widerspruchs- und Klagebefugnis der konkret betroffenen Anleger (hier des Mehrheitsaktionärs) im Widerrufsverfahren nach § 38 Abs. 4 BörsG wirksam ausgeschlossen hat, ob die spezielle Widerrufsbestimmung des § 38 Abs. 4 Satz 2 BörsG insoweit "überformt" wurde, und ob ein solcher Ausschluss mit Art. 14 GG vereinbar wäre. Nicht zuletzt stellt sich die Frage, ob § 31 Abs. 5 BörsG seiner Intention nach die öffentlich-rechtliche Widerspruchs- und Klagebefugnis betroffener Anleger im Falle des Widerrufs einer Zulassung von Wertpapieren zum Börsenhandel im amtlichen Markt überhaupt ausschließen will, oder ob sich der Regelungsgehalt der Bestimmung nicht vielmehr darauf beschränkt, klarzustellen, dass gegenüber dem einzelnen Anleger grundsätzlich keine Haftung (etwa nach § 823 Abs. 2 BGB) eintritt (vgl. zur entsprechenden Diskussion um Haftungsfragen im Rahmen eines vorangegangenen Gesetzgebungsverfahrens BT-Drs. 10/6168, S. 23 f.). Ungeklärt ist auch, welche Auswirkungen die aktienrechtliche Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum Anlegerschutz überhaupt auf das kapitalmarktrechtliche Widerrufsverfahren hat (vgl. hierzu auch Geyrhalter/Zirngibl, DStR 2004, 1048).

Vor diesem Hintergrund lässt sich nicht feststellen, dass Widerspruch und Klage der Antragstellerin offensichtlich unzulässig wären und vorläufiger Rechtsschutz abzulehnen wäre (vgl. hierzu auch den im Parallelverfahren zum Widerruf der Börse Düsseldorf ergangenen Beschluss des VG Düsseldorf vom 29.08.2007 - 20 L 1172/07). Das Gebot effektiven Rechtsschutzes gem. Art. 19 Abs. 4 GG erfordert es vielmehr in Fällen wie dem vorliegenden, in dem sich in der Hauptsache schwierige Rechtsfragen stellen, die bislang obergerichtlich nicht geklärt sind, vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren. Sollten besondere öffentliche Interessen an einer sofortigen Vollziehung der angefochtenen Entscheidung vorliegen, besteht für die Zulassungsstelle die Möglichkeit, die sofortige Vollziehbarkeit gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 VwGO anzuordnen. Damit ist im Einzelfall ein angemessener Interessenausgleich gewährleistet.

Unter welchen Voraussetzungen das sog. partielle Delisting rechtmäßig ist und inwieweit die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Aktionärsschutz Anwendung findet, ob insbesondere ein Hauptversammlungsbeschluss erforderlich ist, und in welchem Verhältnis die gesellschaftsrechtlichen Anforderungen zum börsenrechtlichen Verfahren stehen und ob die getroffene Entscheidung in der Sache ermessensfehlerfrei war, ist hier nicht zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 3, 155 Abs. 1 Satz 1 und 162 Abs. 3 VwGO. Die mit der Beschwerde nicht angegriffene Ablehnung des Antrags auf Untersagung weiterer Vollzugsmaßnahmen gewichtet der Senat mit 1/4 (vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 29.08.2007 a.a.O.). Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladene ihre Kosten selbst trägt, denn sie hat keinen Antrag gestellt und ist damit auch kein Kostenrisiko eingegangen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 GKG. Der Regelstreitwert ist im Hinblick auf den vorläufigen Charakter der Verfahrens auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz zu halbieren (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ 2004, 1327).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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