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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 19.11.2004
Aktenzeichen: 6 S 2544/04
Rechtsgebiete: GKG 2004, GastG, VwGO


Vorschriften:

GKG 2004 § 52 Abs. 1
GKG 2004 § 53 Abs. 3
GastG § 15 Abs. 2
GastG § 15 Abs. 3
VwGO § 80 Abs. 5
Im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes gegen den für sofort vollziehbar erklärten Widerruf einer Gaststättenerlaubnis beträgt der Streitwert regelmäßig 1/2 des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Wertes (Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung; vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 25.10.1999 - 14 S 2510/99 -, GewArch 2000, 84).
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

6 S 2544/04

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Widerruf der Gaststättenerlaubnis

hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

hat der 6. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schwäble und die Richter am Verwaltungsgerichtshof Noé und Pfaundler

am 19. November 2004

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 6. Oktober 2004 - 10 K 3170/04 - geändert.

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 26.07.2004 wird wiederhergestellt bzw. angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Unter Berücksichtigung des Vorbringens der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren (§ 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO) geht der Senat - anders als das Verwaltungsgericht - davon aus, dass zum derzeitigen, wegen des noch ausstehenden Widerspruchsbescheids für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt die rechtlichen Voraussetzungen für einen Sofortvollzug des angefochtenen Bescheids der Antragsgegnerin nicht vorliegen, in dem die der Antragstellerin erteilte Gaststättenerlaubnis widerrufen, eine Frist zur Schließung der Gaststätte gesetzt und für den Fall der Fristversäumnis die zwangsweise Schließung der Gaststätte angedroht worden war. Denn die Frage nach der Rechtmäßigkeit der im Bescheid getroffenen Maßnahmen, insbesondere des Widerrufs der Gaststättenerlaubnis, lässt sich aufgrund der zur Verfügung stehenden, insgesamt nur lückenhaften Erkenntnisse derzeit nicht abschließend beurteilen. Eine hinreichend sichere Prognose über die Erfolgsaussichten des hiergegen eingelegten Rechtsmittels kann deshalb nicht getroffen werden. Bei Abwägung der gegenseitigen Interessen ist ein besonderes öffentliche Interesse an der alsbaldigen Schließung der Gaststätte danach gegenwärtig zu verneinen, zumal angesichts der Zweifel am Vorliegen des der Antragstellerin vorgeworfenen Fehlverhaltens auch wenig wahrscheinlich ist, dass diese bis zum Abschluss des Rechtsmittelverfahrens erneut in der ihr zur Last gelegten Form gegen gaststättenrechtliche Bestimmungen verstoßen würde.

Der Widerruf der Gaststättenerlaubnis ist im angefochtenen Bescheid zum einen mit einer der Antragstellerin zur Last fallenden unbefugten Änderung der ihr (allein) genehmigten Betriebsart "Schank- und Speisewirtschaft" und zum anderen mit der in dieser Verhaltensweise zum Ausdruck gebrachten gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit begründet. Dass die Antragstellerin in der Beschwerdebegründung lediglich auf den erstgenannten Gesichtspunkt näher eingegangen ist und die Problematik der Unzuverlässigkeit nur am Rande (S. 7) erwähnt hat, steht einer umfassenden rechtlichen Überprüfung des angefochtenen Bescheids nicht entgegen, nachdem auch das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung nur auf die unbefugte Veränderung der Betriebsart abgestellt hatte.

Rechtsgrundlage für den Widerruf der Gaststättenerlaubnis ist, soweit dieser mit der unerlaubten Änderung der Betriebsart begründet ist, § 15 Abs. 3 Nr. 1 des Gaststättengesetzes - GastG -, wonach die Behörde eine erteilte Gaststättenerlaubnis widerrufen "kann", wenn der Gewerbetreibende die Betriebsart, für welche die Erlaubnis erteilt worden ist, unbefugt ändert. Die Beteiligten gehen in diesem Zusammenhang zu Recht davon aus, dass die der Antragstellerin am 28.05.2004 erteilte (endgültige) Gaststättenerlaubnis allein die Betriebsart "Schank - und Speisewirtschaft" betrifft und eine besondere Betriebseigentümlichkeit nicht zugelassen ist, wenngleich - worauf die Antragstellerin abhebt - der Gaststättenerlaubnis unter Bezugnahme auf § 5 GastG und polizeirechtliche Bestimmungen unter Ziff. 9 die Auflage beigefügt ist, dass Fenster und Türen der Gaststätte geschlossen zu halten sind, wenn musiziert wird, die Musikanlage in Betrieb ist oder laute Unterhaltung stattfindet. In einem der Gaststättenerlaubnis beigefügten "Beiblatt" hatte die Antragsgegnerin auch ausdrücklich einen von der Antragstellerin am 20.04.2004 gestellten Antrag auf Ausdehnung der Betriebsart der Gaststätte in ein "Erlebnisbistro mit ständigen Musikdarbietungen zweimal wöchentlich" abgelehnt und dabei zur Begründung auf die bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit des Vorhabens verwiesen. Inwieweit diese bauplanungsrechtliche Beurteilung für das im Innenbereich gelegene, von der Antragsgegnerin als Mischgebiet eingestufte Betriebsgrundstück in entsprechender Anwendung (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 15.12.1994, GewArch 1995, 259) der in § 6 Abs. 2 Nr. 8, Abs. 3 der Baunutzungsverordnung (in der Neufassung vom 23.11.1990) für ausgewiesene Mischgebiete getroffenen Regelung (vgl. hierzu Fickert/Fieseler, BauNVO, 10. Aufl., 2002, § 6 Randnr. 16.5; König/Roeser/Stock, BauNVO, 1999, § 6 Randnr. 21) zutraf, kann insoweit dahinstehen, als die Antragstellerin gegen die Ablehnung der beantragten Erweiterung der Gaststättenerlaubnis kein Rechtsmittel eingelegt hat. Aufgrund der im Ablehnungsbescheid der Antragsgegnerin erwähnten Stellungnahme des Bauplanungsamts vom 18.05.2004 kann vorliegend im Übrigen auch davon ausgegangen werden, dass auch die baurechtliche Genehmigung der Gaststätte sich lediglich auf eine "Schank- und Speisewirtschaft" ohne besondere Betriebseigentümlichkeit bezieht (zum Vorrang der Baugenehmigung in gaststättenrechtlichen Verfahren vgl. BVerwG, Urteil vom 04.10.1988, GewArch 1989, 100; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.06.2002 - 14 S 2736/01 -; Ebner, Gaststättenumwandlung, Gewerbearchiv 1990, 234).

Ob die Antragstellerin die ihr hiernach allein erlaubte Betriebsart "Schank- und Speisewirtschaft" geändert und statt dessen das ihr zuvor abgelehnte "Erlebnisbistro" mit Musikdarbietungen oder Tanzveranstaltungen betrieben hat, wie ihr vorgeworfen wird, ist streitig, lässt sich jedoch derzeit nicht abschließend beurteilen. Für eine derartige Änderung des Charakters der Gaststätte spricht zwar, worauf auch der Beschluss des Verwaltungsgerichts abhebt, die von der Antragstellerin vorgenommene aggressive Plakatwerbung. So ist etwa auf einem im Juli 2004 im Schaufenster einer anderen Gaststätte aufgehängten Plakat von einer Poolparty in der Gaststätte der Antragstellerin und der Aufforderung "Runter vom Sofa, rein in den Pool, billig saufen von 20 Uhr bis 23 Uhr" die Rede. Ein im September 2004 - schon während des laufenden Gerichtsverfahrens - an der Gaststätte der Antragstellerin ausgehängtes Plakat kündigt brasilianische Wochen mit Samba, Salsa, Merengue und ein Liveerlebnis mit "Meninas do Brasil" an. Den Vorwurf, mit diesen Darbietungen den Gaststättencharakter verändert zu haben, hat die Antragstellerin jedoch, zumindest für die Zeit seit dem 16.07.2004, d.h. nach Androhung eines Widerrufs der Gaststättenerlaubnis, entschieden bestritten und hierzu vorgetragen, dass es sich bei der vorgenannten Plakatwerbung im wesentlichen um einen Werbegag gehandelt habe, dem keine realen Vorgänge in der Gaststätte zugrunde lägen. So habe es etwa, was durch Zeugenaussagen zu belegen sei, in ihrer Gaststätte niemals einen Liveauftritt von Künstlern gegeben. Eine brasilianische Musikgruppe mit dem auf dem Plakat genannten Namen gebe es überhaupt nicht. Vielmehr habe sie lediglich beabsichtigt, einen Stammtisch von in der näheren Umgebung ansässigen brasilianischen Staatsangehörigen zu begründen und diese zu bestimmten Zeiten mit brasilianischer Schallplattenmusik, teils auch unter Beteiligung eines Diskjockeys zu unterhalten.

Eine Änderung der Betriebsart der als Schank- und Speisewirtschaft erlaubten Gaststätte tritt erst dann ein, wenn es sich bei einem hierüber hinausgehenden Unterhaltungsangebot nicht mehr um eine Nebenleistung, sondern um eine die Gaststätte "prägende", spezielle Besucherkreise ansprechende Hauptleistung handelt (vgl. hierzu Michel/Kienzle, GastG, 13. Aufl., 1999, § 3 Randnr. 2 und 15, Stichwort "regelmäßige Musikdarbietungen"; BVerwG, Beschluss vom 22.07.1988, GewArch 1988, 387; Hess. VGH, Urteil vom 21.02.1985, GewArch 1985, 274). Inwieweit diese Anforderungen im Fall der Antragstellerin gegeben und damit die Voraussetzungen für den Widerruf der Gaststätte nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 GastG und eine hierauf gestützte Ermessensentscheidung erfüllt waren, ist indessen ungeklärt und zweifelhaft.

Soweit es die Aufstellung eines mit Wasser gefüllten Pools in der Gaststätte im Juli 2004 betrifft, der einen Durchmesser von 2 Metern aufgewiesen haben soll (vgl. Polizeibericht vom 13.08.2004), ist eine solche Einrichtung für eine Gaststätte ohne Betriebseigentümlichkeit zwar völlig untypisch. Nach den Feststellungen der Polizeibehörde ist auch davon auszugehen, dass dieser Vorgang teilweise zu einer Lärmbelästigung der Nachbarschaft geführt hat (vgl. Ordnungswidrigkeitenanzeige vom 08.07.2004). Ob jedoch schon im Hinblick hierauf von einer - nicht nur zeitweisen - Änderung des Betriebscharakters gesprochen werden kann, ist deshalb zweifelhaft, weil - von der Plakatwerbung abgesehen - so gut wie keine tatsächlichen Erkenntnisse über den Betriebsablauf in der Gaststätte der Antragstellerin, also etwa über die Dauer und Häufigkeit der Aufstellung und Verwendung des Pools, über die Zahl der hierdurch unterhaltenen Gäste u.ä., vorliegen.

Die polizeilichen Überwachungsmaßnahmen sind vielfach durch Nachbarbeschwerden veranlasst, und die hierüber gefertigten Protokolle betreffen insgesamt, auch soweit die Überwachung von Amts wegen erfolgt ist, fast ausschließlich das Ausmaß der Lärmbelästigung der Nachbarschaft und als deren Ursache die Verletzung der der Antragstellerin nach Ziff. 9 der Auflage zur Gaststättenerlaubnis und polizeilichen Bestimmungen obliegenden Pflicht, zum Schutze der Anwohner vor der Lärmbelästigung Türen und Fenster ständig geschlossen zu halten. Im einzigen, die Vorgänge in der Gaststätte selbst beleuchtenden Polizeibericht vom 13.08.2004 wird zwar das Vorhandensein eines Pools in der Gaststätte der Antragstellerin im Juli 2004 bestätigt, ansonsten aber das Vorhandensein von Einrichtungen und Unterhaltungsangeboten - etwa das von einem Beschwerdeführer beanstandete Tabledance -, die im Ergebnis eine Einordnung des Betriebs als Erlebnisgaststätte rechtfertigten, ausdrücklich verneint. Hiervon abgesehen ist nach den vorliegenden Unterlagen auch nicht widerlegt, dass die Antragstellerin, wie sie behauptet, das Poolbecken bereits ab dem 16.07.2004 entfernt und ihre Gaststätte danach nicht mehr diese spezielle Attraktion aufgewiesen habe. Von einer nachhaltigen Veränderung des Charakters der Gaststätte allein wegen des Aufstellens des Pools im Gaststättenraum kann danach derzeit, schon wegen des Fehlens weiterer Feststellungen zu diesem Vorgang und zu seinem prägenden Einfluss auf den Gaststättenbetrieb, kaum ausgegangen werden.

Erst recht ungeklärt wegen des Fehlens tatsächlicher Feststellungen ist, inwieweit die erlaubte Betriebsart der Gaststätte durch Musik- und Tanzdarbietungen in Richtung einer - als eigenständige Betriebsart anzusehenden (vgl. OVG Münster, Urteil vom 09.12.1992, GewArch 1993, 204; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22.04.1988 - 14 S 473/87 -, GewArch 1988, 385; Hess. VGH, Urteil vom 21.02.1985, a.a.O.) - Gaststätte mit Tanz oder regelmäßigen Musikdarbietungen (ohne Tanz) verändert wurde. Auch insoweit gilt, dass nur gelegentliche Darbietungen dieser Art den Charakter einer Speise- und Schankwirtschaft noch nicht verändern (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.07.1988, a.a.O.; Hess. VGH, Urteil vom 21.02.1985, a.a.O.; Michel/Kienzle, a.a.O.). Ob im Falle der Antragstellerin eine Prägung der Gaststätte im Sinne einer der vorgenannten Betriebseigentümlichkeiten eingetreten ist, hängt von einer Vielzahl von Kriterien und Faktoren ab, über deren Vorliegen die Unterlagen ebenfalls keinen hinreichenden Aufschluss geben. Im Falle von Musikdarbietungen ist insoweit etwa von Bedeutung, ob die Gaststätte durch Musikaufführungen mit Livecharakter eine besondere Attraktion entwickelt hat oder lediglich Schallplatten Verwendung fanden und ob die Gaststätte im letzteren Fall aufgrund der Umstände, etwa durch die Lautstärke der Musikwiedergabe, ein prägendes, den Besuch förderndes Angebot unterbreitet hat. Für den Charakter einer Gaststätte als Tanzlokal ist etwa entscheidend, ob eine abgegrenzte Tanzfläche vorhanden ist, in welchem Größenverhältnis diese zum sonst vorhandenen Gaststättenraum steht, wie oft und wie lange getanzt wird und in welchem Maße Tanz und Tanzmusik den Gaststättenbetrieb beherrscht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.07.1988, a.a.O.). Auch insoweit fehlen aber bisher hinreichend verlässliche Feststellungen, die eine abschließende Beurteilung zuließen. Dass, worauf allerdings die Plakatwerbung hindeutet, in den Gasträumen der Antragstellerin jemals Livemusik geboten wurde, ist insoweit zweifelhaft, als die Antragstellerin dies unter Beweisangebot entschieden bestritten und die gegenteilige Plakatierung lediglich als Werbegag eingestuft hat; verlässliche Feststellungen, etwa durch Augenscheinseinnahme der Polizeibehörde, fehlen auch insoweit vollständig. Die vorliegenden Akten geben auch keinen verlässlichen Aufschluss darüber, ob und in welcher Größe die Antragstellerin in ihren Gasträumen über eine abgegrenzte Tanzfläche verfügt und in welchem Verhältnis deren Größe zur sonstigen Gastraumfläche steht.

Fest steht insoweit lediglich, dass die aus dem Gastraum nach außen dringende Musik vielfach zu Beschwerden der Anlieger bei Polizeibehörden Anlass gab. Von Bedeutung in diesem Zusammenhang sind allerdings nur die aus diesem Anlass - teils auch von Amts wegen - getroffenen Feststellungen der Polizeibehörden und nicht schon der Umstand, dass überhaupt Beschwerden der Nachbarn erhoben wurden. Denn nachbarliche Beschwerden allein ergeben auch im Fall der Antragstellerin kein verlässliches Bild über deren Berechtigung und über das tatsächliche Ausmaß der Lärmbeeinträchtigung (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 07.12.1993 - 14 S 2514/93 -), zumal sich die Beschwerden nach Überprüfung durch die Polizeibehörden auch mehrfach als unberechtigt erwiesen hatten (Polizeibericht vom 25.07. und 02.09.2004) und die Antragstellerin ihrerseits eine Liste von - teilweise unmittelbar am Betriebsgrundstück wohnhaften - Anliegern vorgelegt hat, die sich durch den Betrieb der Antragstellerin nicht belästigt fühlten. Aufgrund der vorliegenden polizeilichen Berichte (Protokoll vom 13.8.2004, Ordnungswidrigkeitsanzeigen vom 8.7., 9.8. und 13.9.2004) steht lediglich fest, dass der Gaststättenbetrieb, jeweils bedingt durch das (unerlaubte) Offenhalten von Türen und Fenstern, mehrfach Grund zur Beanstandung wegen zu lauter Musikwiedergabe - teils auch wegen der Lautstärke der Gespräche im Gastraum (Polizeibericht vom 17.10.2004) - gab. Dies begründet zunächst jedoch lediglich eine Ordnungswidrigkeit und einen Verstoß gegen Ziff. 9 der Auflage zur Gaststättenerlaubnis, gibt aber keinen hinreichenden Aufschluss darüber, inwieweit der Gaststättenbetrieb durch die Musikdarbietung geprägt wurde und dieser wegen der damit verbundenen Immissionsbelastung (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 3 GastG und hierzu Michel/Kienzle, a.a.O., § 3 Randnr. 3; BVerwG, Beschluss vom 22.07.1988, GewArch 1988, 387) als eigenständige Betriebsart eingestuft werden muss. Hierzu bedürfte es insbesondere der Vornahme von Messungen auf der Grundlage der TA-Lärm und sonstiger einschlägiger Richtlinien (vgl. Hess. VGH U.v.4.7.1985 - III OE 92/82 -), die aber ebenfalls nicht vorliegen. Soweit die Verwaltungsbehörde und ihr folgend das Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss eine Änderung der Betriebsart der Schank- und Speisewirtschaft bereits aus der Zahl der Musikdarbietungen und deren Regelmäßigkeit (Dienstag bis Samstag) hergeleitet hat, bestehen hiergegen insoweit Bedenken, als bei der Annahme einer speziellen, durch die Erlaubnis für eine Schank- und Speisewirtschaft nicht gedeckten Betriebsart auf den Gesamtcharakter der Gaststätte und deren vornehmliche Prägung abzustellen ist. Insoweit ist aber die Gaststätte der Antragstellerin mit den Fallgestaltungen, die der in diesem Zusammenhang ergangenen Rechtsprechung zugrunde lagen, nicht vergleichbar. Nach dem Polizeibericht vom 13.08.2004 wurden bei der Überwachung der Gaststätte im Juli 2004 in der Zeit von 23.00 Uhr bis 1.00 Uhr zwischen 2 und 30 Gäste angetroffen. Das Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 22.04.1988 - 14 S 473/87 -, aus dem die Verwaltungsbehörde die Begrenzung der Musikdarbietungen auf 12 Veranstaltungen im Jahr entnimmt, betraf jedoch eine Gaststätte mit Kegelbahn und eigenständigem Tanzsaal mit bis zu 130 Tanzveranstaltungen pro Jahr. Das im Beschluss des Verwaltungsgerichts in Bezug genommene Urteil des OVG Münster vom 09.12.1992 (GewArch 1993, 254) sieht die besondere Betriebsart "Schank- und Speisewirtschaft mit regelmäßigen Musikdarbietungen" in einem Fall als gegeben an, in dem die Gaststätte eine Kapazität für ca. 450 Personen und einen überörtlichen Einzugsbereich aufwies. Diese Voraussetzungen sind im Fall der Antragstellerin aber ersichtlich nicht erfüllt. Die vorgenannten Entscheidungen sind deshalb auf den Fall der Antragstellerin nicht ohne weiteres übertragbar.

Da mithin im Ergebnis nicht abschließend zu beurteilen ist, inwieweit der Widerruf der Gaststättenerlaubnis zu Recht auf § 15 Abs. 3 Nr. 1 GastG gestützt werden durfte, gilt dies in gleicher Weise auch für die Frage, ob die Antragstellerin wegen ihres Verhaltens und der bisherigen Führung des Gaststättenbetriebs als gewerberechtlich unzuverlässig (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG) einzustufen ist mit der Folge, dass die Gaststättenerlaubnis nach § 15 Abs. 2 GastG zu widerrufen wäre. Auch insoweit lässt das Fehlen hinreichend verlässlicher Feststellungen keine abschließende Beurteilung zu. Zwar steht fest, dass die Antragstellerin öfters gegen ihre Verpflichtung verstoßen hat, während des Gaststättenbetriebs Türen und Fester geschlossen zu halten. Ob dies zur Einstufung als gewerberechtlich unzuverlässig ausreicht, ist indessen zweifelhaft. Ob ihr darüber hinaus eine bewusste Veränderung des Betriebscharakters zur Last fällt, begegnet schon deshalb Zweifeln, weil im Polizeibericht vom 13.08.2004, wie dargelegt, eine Änderung des Betriebscharakters in ein - nicht erlaubtes - Erlebnislokal ausdrücklich verneint wurde.

Ist somit die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels gegen den Widerruf der Gaststättenerlaubnis als zumindest offen einzustufen, gilt dies auch für die mit der Widerrufsentscheidung verbundene Androhung des Zwangsmittels. Auch insoweit war danach die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen.

Im Hinblick auf die vorliegende Entscheidung hat sich der gleichzeitig gestellte Antrag der Antragstellerin, die Vollziehung des angefochtenen Bescheids bis zur Entscheidung über die Beschwerde vorläufig auszusetzen (vgl. hierzu OVG Lüneburg, B.v.11.8.1998, NVwZ 1999, 209; OVG Berlin, B.v.23.3.2001, NVwZ 2001, 1424; VGH Bad.-Württ. B.v.17.12.1999, NVwZ 2000, 691; Hess. VGH, B.v.4.4.2000, NVwZ 2000, 1318), erübrigt. Dieser war ohnehin erkennbar nur hilfsweise für den Fall gestellt, dass über die Beschwerde nicht rechtzeitig entschieden werden könnte (vgl. Bay.VGH, B.v.23.1.2002, BayVBl 2002, 306). Wegen der Kostenpflicht der Antragsgegnerin bedarf es auch keiner Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2, 63 Abs. 2, 72 Nr 1 GKG (i.d.F.d. KostRMoG v.5. 5. 2004, BGBl S. 718).

In Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht war der im Streitwertkatalog 2004 für "Gaststättenkonzessionen" vorgesehene Betrag von 15.000,- EUR (Ziff. 54.1) im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes um die Hälfte zu ermäßigen (vgl. Ziff.1.5 des Streitwertkatalogs). An der zur Altfassung des GKG ergangenen Rechtsprechung (vgl. VGH Bad.-Württ. B. v. 25.10.1999 - 14 S 2510/99 -, GewArch 2000, 84; B. d. S. v. 26.10.2004 - 6 S 1477/04 - ), wonach in Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes gegen den sofort vollziehbaren Widerruf der Gaststättenerlaubnis der Streitwert in der für das Hauptsacheverfahren maßgeblichen Höhe zu bemessen sei, hält der Senat nicht fest. Grundlage für die Streitwertbemessung ist die Antragstellung und die sich hieraus für den Antragsteller ergebende Bedeutung des Rechtsstreits. Der Rechtsschutzantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zielt indessen auch in Verfahren wegen Widerrufs der Gaststättenerlaubnis - nicht anders als im Fall einer Gewerbeuntersagung - lediglich auf eine vorläufige, im Zeitpunkt der Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung ihre Wirksamkeit verlierende Regelung ab. Dass im Falle einer den Antrag ablehnenden gerichtlichen Entscheidung und der damit verbundenen (einstweiligen) Schließung der Gaststätte der Verlust des Kundenstammes droht - worauf der Gerichtshof im Beschluss vom 25.10.1999 (a.a.O.) maßgeblich abgestellt hat - ändert nichts daran, dass die vom Antragsteller allein angestrebte stattgebende Entscheidung nur eine begrenzte Geltungsdauer und damit - aus seiner Sicht - eine geringere Bedeutung als die den Bestand der Gaststätte auf Dauer sichernde Hauptsacheentscheidung hat. Insoweit ist deshalb auch im gaststättenrechtlichen Eilverfahren eine Abweichung vom Hauptsachestreitwert sachgerecht.

Dieseer Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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