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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 25.01.2000
Aktenzeichen: 6 S 2641/99
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO


Vorschriften:

VwGO § 67 Abs. 1 Satz 1
VwGO § 67 Abs. 1 Satz 2
VwGO § 166
ZPO §§ 114 f.
ZPO § 569 Abs. 2 Satz 2 2. Alternative
1. Im Verfahren wegen Bewilligung von Prozeßkostenhilfe unterliegen der Antrag auf Zulassung der Beschwerde und das etwa nachfolgende Beschwerdeverfahren nicht dem Vertretungszwang gemäß § 67 Abs. 1 Sätze 1 und 2 VwGO.

2. Im Verfahren wegen Bewilligung von Prozeßkostenhilfe kommt deshalb für den Antrag auf Zulassung der Beschwerde und für das etwa nachfolgende Beschwerdeverfahren Bewilligung von Prozeßkostenhilfe nicht in Betracht.


6 S 2641/99

VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluß

In der Verwaltungsrechtssache

wegen

Spätaussiedlerbescheinigung hier: Prozeßkostenhilfe

hat der 6. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schwäble und die Richterinnen am Verwaltungsgerichtshof Fricke und Ecker

am 25. Januar 2000

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Klägerinnen wird der Prozeßkostenhilfebeschluß des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 21. Mai 1999 - 17 K 3676/97 - geändert.

Den Klägerinnen wird für das Verfahren erster Instanz Prozeßkostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. Traumann, Schorndorf, bewilligt.

Der Antrag der Klägerinnen auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

1. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Anders als das Verwaltungsgericht hält es der Senat für geboten, den Klägerinnen für das Verfahren erster Instanz Prozeßkostenhilfe zu bewilligen und ihnen einen Rechtsanwalt beizuordnen.

Nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozeßkostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Die Klägerinnen haben durch Vorlage von Erklärungen über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und von entsprechenden Nachweisen ihre Bedürftigkeit dargetan. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtes bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerinnen auch hinreichende Aussicht auf Erfolg. Wie der Senat bereits im Zulassungsbeschluß vom 10.11.1999 - 6 S 1825/99 - dargelegt hat, muß hierfür der Erfolg nicht gewiß sein, sondern nach den vorhandenen Gegebenheiten eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich haben. Dies ist schon dann der Fall, wenn ein Obsiegen ebenso wahrscheinlich erscheint wie ein Unterliegen. Auf dieser Grundlage bestehen vorliegend hinreichende Erfolgsaussichten. Insoweit wird zur Begründung zunächst auf die Ausführungen des Senats im Beschluß vom 10.11.1999 - 6 S 2157/99 - verwiesen, in dem die Berufung der Klägerinnen gegen die zwischenzeitliche Klageabweisung des Verwaltungsgerichtes wegen ernstlicher Zweifel zugelassen worden ist. Angesichts der im Laufe des Verfahrens vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen spricht im gegenwärtigen Verfahrensstadium weiterhin mehr für als gegen das Vorliegen eines noch andauernden deportationsbedingten Gesundheitsschadens bei der Klägerin Ziff. 1 und damit für ein Obsiegen der Klägerinnen im Berufungsverfahren.

Mit der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe war den Klägerinnen zugleich auf ihren Antrag gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 121 Abs. 2 Satz 1 ZPO ihr Rechtsanwalt beizuordnen.

Da das Verfahren gebührenfrei ist und eine Kostenerstattung nicht stattfindet (vgl. § 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO), war eine Kostenentscheidung nicht erforderlich.

2. Der mit Schriftsatz vom 02.12.1999 gestellte Antrag der Klägerinnen auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ist abzulehnen, da für dieses Verfahren keine Prozeßkostenhilfe gewährt werden kann.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Beschl. v. 30.05.1984 - 8 ZR 258/83 - NJW 1984, 2106), der sich der Senat anschließt, kann für das Prozeßkostenhilfeverfahren Prozeßkostenhilfe grundsätzlich nicht gewährt werden, weil unter "Prozeßführung" im Sinne des § 114 ZPO nur das eigentliche Streitverfahren und nicht auch das Prozeßkostenhilfeprüfungsverfahren zu verstehen ist. Insoweit bedarf es auch keiner ausdehnenden Auslegung der Prozeßkostenhilfevorschriften, da der Antragsteller im Bedarfsfall wegen der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung oder -verteidigung Hilfe nach dem Beratungshilfegesetz in Anspruch nehmen und sodann den Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe - ohne Anwaltszwang (vgl. §§ 117 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz, 78 Abs. 3 ZPO) - vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklären kann, ohne daß ihm in diesem Zusammenhang bei Nichtbewilligung von Prozeßkostenhilfe Kostennachteile entstehen.

Dies gilt gemäß § 166 VwGO auch für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.08.1990 - 5 ER 640.90 - Rpfleger 1991, 63). Dort besteht für das Prozeßkostenhilfeverfahren ebenfalls kein Anwaltszwang (vgl. § 166 VwGO i.V.m. §§ 117 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz, 118 Abs. 1 Satz 2, 78 Abs. 3 ZPO). Wird - gegebenenfalls nach Inanspruchnahme von Beratungshilfe - zu Protokoll der Geschäftsstelle ein Prozeßkostenhilfeantrag gestellt, so sind die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung oder -verteidigung von Amts wegen zu prüfen. Auch auf diese Weise wird sichergestellt, daß die Partei, die für das Prozeßkostenhilfebewilligungsverfahren Prozeßkostenhilfe nicht erhält, keine Nachteile erleidet.

In verwaltungsgerichtlichen Verfahren kann Prozeßkostenhilfe auch nicht für das Beschwerdeverfahren wegen Prozeßkostenhilfe bewilligt werden. Seit Inkrafttreten des 6. VwGO-Änderungsgesetzes vom 01.11.1996 (BGBl. I, 1626) am 01.01.1997 sind Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes, mit denen ein Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwaltes für ein erstinstanzliches Verfahren abgelehnt wurden, nur dann mit der Beschwerde anfechtbar, wenn das Oberverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtshof) diese entsprechend § 124 Abs. 2 VwGO zugelassen hat (vgl. § 146 Abs. 4 VwGO). Dieser Zulassungsantrag unterliegt ebenso wie die weitere Antragstellung in dem sich nach Zulassung anschließenden Beschwerdeverfahren nicht dem Vertretungszwang des § 67 Abs. 1 Sätze 1 und 2 VwGO (vgl. u. a. VGH Bad.-Württ., Beschlüsse v. 23.07.1997 - 3 S 1544/97 - VBlBW 1997, 425, v. 30.03.1998 - 7 S 376/98 -, NVwZ 1998, 647 und v. 20.10.1998 - 9 S 2359/98 - NVwZ-RR 1999, 149 m.w.N.; anderer Auffassung u.a. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 25.03.1997 - 1 S 599/97 - NVwZ 1997, 693, OVG Saarlouis, Beschl. v. 06.08.1997 - 8 Y 10/97 - NVwZ 1998, 413), da § 166 VwGO i.V.m. § 569 Abs. 2 Satz 2 2. Alternative ZPO insoweit für das Verfahren der Prozeßkostenhilfe eine Spezialregelung gegenüber § 67 Abs. 1 Sätze 1 und 2 VwGO trifft. Nach § 166 VwGO gelten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkostenhilfe entsprechend. Dieser Verweis auf die Vorschriften der Zivilprozeßordnung erfaßt nicht nur die allgemeinen Vorschriften über die Prozeßkostenhilfe (§§ 114 bis 127 a ZPO) mit der Folge, daß etwa der Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtshof) nicht dem Anwaltszwang unterliegt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.08.1990 - a.a.O. -), sondern auch die das Prozeßkostenhilfeverfahren betreffende Rechtsmittelvorschrift des § 569 Abs. 2 Satz 2 2. Alternative ZPO. Danach kann die Beschwerde (entsprechendes gilt für den Antrag auf Zulassung der Beschwerde), wenn sie Prozeßkostenhilfe betrifft, durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle - und damit ohne anwaltliche Vertretung (vgl. § 78 Abs. 3 ZPO) - eingereicht werden. Dies bedeutet für das verwaltungsgerichtliche Verfahren, daß nach Ablehnung eines Antrages auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe durch das Verwaltungsgericht sowohl der Antrag auf Zulassung der Beschwerde als auch ein sich anschließendes Beschwerdeverfahren nicht dem Vertretungszwang unterliegen.

Dem steht nicht entgegen, daß - wie dargelegt - die Beschwerde gegen prozeßkostenhilfeversagende Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes gemäß § 146 Abs. 4 VwGO der vorherigen Zulassung durch das Oberverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtshof) bedarf und daher die für eine Zulassung erforderlichen Gründe sachgerecht nur durch einen rechtskundigen Vertreter dargelegt werden könnten. Denn den sich hieraus im Hinblick auf den sozialen Rechtsstaat, das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG und das Prinzip effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG ergebenden verfassungsrechtlichen Bedenken kann bei Anträgen auf Zulassung der Beschwerde gegen ablehnende Prozeßkostenhilfeentscheidungen dadurch begegnet werden, daß die Anforderungen an die Darlegungslast bei einer anwaltlich vertretenen Partei in Anknüpfung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes zur Beantragung von Prozeßkostenhilfe für die Revisionsnichtzulassungsbeschwerde (vgl. BVerwG, Beschl. v. 01.09.1994 - 11 PKH 4/94 - Buchholz 436.36 § 17 BAföG Nr. 16) herabgesetzt (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 30.03.1998 - a.a.O. -) und bei einer anwaltlich nicht vertretenen Partei gegebenenfalls noch weiter gesenkt werden (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 20.10.1998 - a.a.O. -).

Der Nichtgewährung von Prozeßkostenhilfe für das Prozeßkostenhilfebeschwerdeverfahren einschließlich des Zulassungsverfahrens kann auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, daß bei Erfolglosigkeit des Antrages nach Nr. 2502 des Kostenverzeichnisses - Anlage 1 - zum GKG eine vom Streitwert unabhängige Gerichtsgebühr von 50,-- DM zu entrichten ist (zur entsprechenden Anwendung dieser Bestimmung bei einem Antrag auf Zulassung der Beschwerde vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 24.09.1997 - 11 S 2162/97 -). Denn der Gesetzgeber hat nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zwar im Hinblick auf das Prinzip des sozialen Rechtsstaats in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG und die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG dafür Sorge zu tragen, daß auch die unbemittelte Partei in die Lage versetzt wird, ihre Belange in einer dem Gleichheitssatz gemäßen Weise im Rechtsstreit geltend zu machen. Die Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten im Bereich des Rechtsschutzes kann und braucht dabei aber keine vollständige zu sein. Es ist von Verfassungs wegen jedoch geboten, daß der mittellosen Partei die Prozeßführung nicht unmöglich gemacht wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.04.1988 - 1 BvL 84/86 - BVerfGE 78, 104 [117 f.]). Zudem verlangt die Rechtsschutzgarantie unter Berücksichtigung des Art. 3 Abs. 1 GG und des Art. 20 Abs. 1 GG (Sozialstaatsprinzip), daß die Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes weitgehend angeglichen werden muß (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.02.1997 - 1 BvR 1440/96 - NJW 1997, 2103 [2104]). Die Festsetzung einer vom Streitwert unabhängigen Gerichtsgebühr in Höhe von (lediglich) 50,-- DM im Falle der Erfolglosigkeit eines Prozeßkostenhilfebeschwerdeverfahrens bzw. eines vorgängigen Zulassungsverfahrens hält sich innerhalb dieser dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen auferlegten Grenzen. Denn die Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten im Bereich des Rechtsschutzes muß - wie oben dargelegt - keine vollständige sein; die Gebühr führt angesichts ihrer Höhe auch nicht dazu, daß der bedürftigen Partei die Prozeßführung wegen der finanziellen Folgen eines erfolglosen PKH-Beschwerde- bzw. Zulassungsverfahrens unmöglich gemacht bzw. daß ihr der Zugang zu Gericht unzumutbar erschwert wird.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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