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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 22.10.2002
Aktenzeichen: 7 S 2198/02
Rechtsgebiete: VwGO, PKHVV


Vorschriften:

VwGO § 166
PKHVV § 2
Das Verwaltungsgericht darf den Prozesskostenhilfeantrag nicht wegen der Nichtvorlage des aktuellen Sozialhilfebescheids ablehnen, wenn sich der Bezug von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt aus den beigezogenen Sozialhilfeakten ergibt.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

7 S 2198/02

In der Verwaltungsrechtssache

wegen

Sozialhilfe

hier: Prozesskostenhilfe

hat der 7. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Gehrlein und die Richter am Verwaltungsgerichtshof Klein und Bader

am 22. Oktober 2002

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 27. August 2002 - 7 K 659/01 - geändert. Der Klägerin wird für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin xxxxx xxxxxxx, xxxx xxx x, xxxxx xxx xxxxx, beigeordnet.

Die Klägerin hat keine Raten oder sonstige Beträge zu zahlen.

Gründe

I.

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage gegen einen Erstattungsbescheid des Beklagten. Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 29.10.2001 hat sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung ihrer Rechtsanwältin beantragt und mit weiterem Schriftsatz vom 15.11.2001 die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nachgereicht, bei der allerdings die Angaben zu E bis J fehlen. Mit Schriftsatz vom 16.11.2001 hat der Beklagte auf die Klage erwidert und die zur Sache gehörenden Akten vorgelegt. Die Behördenakten enthalten insbesondere auch den damals aktuellen Bescheid des Beklagten vom 26.10.2001 hinsichtlich der Bewilligung von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt für den Monat November 2001. Das Verwaltungsgericht hat den Prozesskostenhilfeantrag mit Beschluss vom 27.08.2002 mit der Begründung abgelehnt, dass der Antrag unvollständig gewesen sei und dass es eines entsprechenden vorherigen Hinweises des Gerichts nicht bedurft habe. Die Klägerin hat am 17.09.2002 Beschwerde eingelegt und den aktuellen Bescheid über die Bewilligung von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt vom 21.06.2002 beigefügt. Das Verwaltungsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Klägerin zu Unrecht abgelehnt. Denn diese hat einen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung ihrer Rechtsanwältin. Die Klägerin hat einen ordnungsgemäßen Prozesskostenhilfeantrag gestellt (unten 1), ebenfalls besteht für die beabsichtigte Rechtsverfolgung eine hinreichende Erfolgsaussicht (unten 2).

1. Zu Recht geht dass Verwaltungsgericht allerdings davon aus, dass ein Prozesskostenhilfeantrag ordnungsgemäß und vollständig eingereicht werden muss. Hierbei muss sich der Antragsteller des amtlichen Vordrucks bedienen und die erforderlichen Belege beifügen. Dies gilt grundsätzlich auch für Empfänger laufender Hilfe zum Lebensunterhalt, die allerdings einen aktuellen Bewilligungsbescheid des Sozialamts beifügen und sich auf diesen beziehen können. Für diesen Fall sieht der amtliche Vordruck ausdrücklich vor, dass die Angaben zu E bis J entbehrlich sind.

a) Im vorliegenden Fall bedurfte es keiner Vorlage des Sozialhilfebescheids durch die Klägerin, weil dem Verwaltungsgericht zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag der Sozialhilfebezug der Klägerin aus den beigezogenen Akten bekannt war.

aa) Die Vorlage des Sozialhilfebescheids durch den Antragsteller ist kein Selbstzweck, sondern soll dem Verwaltungsgericht die alsbaldige Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag ermöglichen. Denn der Antragsteller, der zum maßgeblichen Zeitpunkt laufende Hilfe zum Lebensunterhalt bezieht, ist auch mittellos im Sinne der Vorschriften über die Prozesskostenhilfe; eine weitere Überprüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse erübrigt sich in diesen Fällen in aller Regel. Geht der Streit vor dem Verwaltungsgericht gerade um Sozialhilfeansprüche oder handelt es sich - wie im vorliegenden Fall - um sonstige Klagen aus dem Leistungsverhältnis, ist diesem Erfordernis auch dann genügt ist, wenn das Verwaltungsgericht die Sozialhilfeakten beigezogen hat und sich hieraus der aktuelle Bezug von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt ergibt. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 29.10.2001 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung ihrer Rechtsanwältin beantragt und mit weiterem Schriftsatz vom 15.11.2001 die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nachgereicht. Mit Schriftsatz vom 16.11.2001 hat der Beklagte auf die Klage erwidert und die zur Sache gehörenden Akten vorgelegt. Die Behördenakten enthalten - obenauf vorgeheftet (vgl. AS 305) - auch den seinerzeit aktuellen Bescheid des Beklagten vom 26.10.2001 hinsichtlich der Bewilligung von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt für den Monat November 2001. Damit stand für das Verwaltungsgericht zum maßgeblichen Zeitpunkt fest, dass der Klägerin kein einsatzbereites Einkommen oder Vermögen zur Prozessführung zur Verfügung stand. Von einer solchen Einschätzung durch das Verwaltungsgericht konnte die Klägerin auch ohne weiteres ausgehen. Denn ihr war aufgrund der Aktenübersendung vom 22.11.2001 bekannt, dass der Beklagte die Behördenakten dem Verwaltungsgericht vorgelegt hatte und dass der aktuelle Bewilligungsbescheid Teil der vorgelegten Akten war.

bb) Jedenfalls nachdem die Klägerin mit der Beschwerdeschrift vom 16.09.2002 den Bewilligungsbescheid des Beklagten vom 21.06.2002 vorgelegt hat, wonach sie und ihre Kinder auch aktuell laufende Hilfe zum Lebensunterhalt beziehen, hätte Anlass bestanden, der Beschwerde abzuhelfen.

cc) Soweit das Verwaltungsgericht in dem angegriffenen Beschluss ausführt, dass die Vorlage des vollständig ausgefüllten Vordrucks mitsamt Belegen erforderlich gewesen sei, weil gerade die Höhe der Anspruchsberechtigung und die tatsächlichen Einkommensverhältnisse Gegenstand des vorliegenden Verfahrens seien, findet dies im Gesetz keine Stütze. Maßgeblicher Zeitpunkt hinsichtlich der Bedürftigkeit des Antragstellers ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Prozessgerichts. Zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin aber unzweifelhaft mittellos, weil sie laufende Hilfe zum Lebensunterhalt bezog. Ob die Klägerin zu einem früheren Zeitpunkt einsatzbereite Mittel zur Verfügung hatte und daher die streitgegenständliche Rückforderung rechtens war oder nicht, ist im vorliegenden Zusammenhang ohne Belang und ausschließlich im Klageverfahren zu klären. Unabhängig hiervon ist auch nicht ersichtlich, inwieweit die im Klageverfahren umstrittene Zahlung früherer Unterhaltsrückstände, die die Klägerin vom Kreissozialamt überwiesen bekommen hat, der Bewilligung von Prozesskostenhilfe entgegenstehen könnte. Denn diese Zahlungen flossen ausschließlich der Tochter der Klägerin zu.

b) Das Verwaltungsgericht hätte der Klägerin vor der erfolgten Ablehnung des Prozesskostenhilfeantrags auch rechtliches Gehör gewähren müssen. Wie oben bereits dargestellt, ist beim Bezug laufender Hilfe zum Lebensunterhalt grundsätzlich von der Mittellosigkeit des Antragstellers auszugehen. Hat das Verwaltungsgericht gleichwohl Zweifel an der Mittellosigkeit des Antragstellers, kann es etwaigen Anhaltspunkten nachgehen und den Sachverhalt aufklären. Hätte das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall solche Zweifel gehabt, hätte es die Klägerin konkret zur weiteren Mitwirkung (Abgabe von Erklärungen, Vorlage von Belegen) auffordern müssen. Dies ist nicht erfolgt. Nach Aktenlage spricht im Übrigen auch nichts dafür, dass das Verwaltungsgericht zu einer solchen Einschätzung hätte gelangen können.

2. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung weist auch die erforderliche Erfolgsaussicht auf. Eine hinreichende Erfolgsaussicht verlangt nicht, dass der Prozesserfolg gewiss oder überwiegend wahrscheinlich ist; eine offene Prozesssituation genügt. Dem genügt es, wenn der Vortrag des Antragstellers schlüssig ist und die rechtliche Schlussfolgerung trägt oder eine weitere Sachverhaltsermittlung erfordert. Hierbei dürfen die Anforderungen nicht überspannt werden, weil ansonsten die Rechtsverfolgung unverhältnismäßig erschwert würde. Ob im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des § 45 SGB X zu bejahen sind, kann nicht ohne weiteres bejaht werden. Von daher wird das Verwaltungsgericht aufzuklären und zu würdigen haben, ob die Klägerin ihren Mitwirkungspflichten ausreichend nachgekommen ist. Denn diese hat die erfolgten Zahlungseingänge nicht verschwiegen; diese waren vielmehr aus den dem Beklagten vorgelegten Kontoauszügen ersichtlich.

Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§§ 188 Satz 2, 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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