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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 06.09.2004
Aktenzeichen: 7 S 2316/03
Rechtsgebiete: FlurbG, BEVVG


Vorschriften:

FlurbG § 88 Nr. 3
FlurbG § 36
BEVVG § 3 Abs. 1 Nr. 5
Das Eisenbahn-Bundesamt ist die für die DB Netz AG als Unternehmensträgerin zuständige Behörde im Sinne von § 88 Nr. 3 FlurbG zur Stellung eines Antrags auf Erlass einer vorläufigen Anordnung nach § 36 FlurbG.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Flurbereinigungsgericht Im Namen des Volkes Urteil

7 S 2316/03

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Antrag auf vorläufige Besitzeinweisung nach § 36 FlurbG

hat der 7. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Gehrlein, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Klein und die ehrenamtlichen Richter Ltd.Verm.Dir. a.D. Heller, Landwirt Ackermann und Landwirt Bitzel auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 6. September 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Unter Aufhebung des Bescheides des Eisenbahn-Bundesamts vom 6. Juni 2003 und dessen Widerspruchsbescheids vom 25. Juni 2003 wird festgestellt, dass das Eisenbahn-Bundesamt die für die Klägerin als Unternehmensträgerin zuständige Behörde im Sinne von § 88 Nr. 3 FlurbG ist.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Verfahren ist gebührenpflichtig.

Für diese Entscheidung wird zu Lasten der Beklagten ein Auslagenpauschsatz von 100,-- EUR erhoben.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, wer als "für das Unternehmen zuständige Behörde" im Sinne des § 88 Nr. 3 Satz 1 FlurbG anzusehen ist.

Durch bestandskräftig gewordenen Beschluss des Landesamts für Flurneuordnung und Landentwicklung Baden-Württemberg vom 25.10.1995 wurde auf Antrag des Regierungspräsidiums Karlsruhe als zuständiger Enteignungsbehörde gemäß §§ 4 und 87 FlurbG die Flurbereinigung Sinzheim (DB) angeordnet. Zweck des Verfahrens ist es, den Landverlust, der den vom Aus- bzw. Neubau der Strecke Karlsruhe-Basel der Deutschen Bahn AG betroffenen Grundstückseigentümern entsteht, durch Neuverteilung auf einen größeren Kreis von Eigentümern unter Verwendung bahneigener Flächen zu vermeiden.

Mit Schreiben vom 16.05.2003 bat die DB Projekt Bau GmbH - Niederlassung Südwest - das Eisenbahn-Bundesamt Außenstelle Karlsruhe/Stuttgart, beim Amt für Flurneuordnung und Landentwicklung Karlsruhe den Antrag auf Erlass einer vorläufigen Anordnung gemäß § 36 FlurbG zu stellen. Das Eisenbahn-Bundesamt sei für den Vorhabenträger Deutsche Bahn AG zuständige Behörde nach § 88 Nr. 3 Satz 1 FlurbG.

Mit Bescheid vom 06.06.2003 lehnte das Eisenbahn-Bundesamt den Antrag ab: In § 88 Nr. 3 FlurbG sei die für das Unternehmen zuständige Behörde nicht ausdrücklich genannt. Bei der Suche nach der zuständigen Behörde stoße man unwillkürlich auf die Enteignungsbehörde. Sie sei die Behörde, die gemäß § 87 Abs. 1 FlurbG beantrage, ein Unternehmensverfahren anzuordnen. Deswegen liege es nahe, dass die Enteignungsbehörde kraft Sachzusammenhangs auch vorläufige Anordnungen beantragen könne. Ein inhaltlicher Grund, weshalb das Eisenbahn-Bundesamt, ob als Planfeststellungsbehörde oder als Aufsichtsbehörde, zuständig sein solle, sei nicht erkennbar.

Zur Begründung des hiergegen erhobenen Widerspruchs trug die DB Projekt Bau GmbH im Wesentlichen vor: Bei der Entscheidung sei die Bestimmung des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 des Bundeseisenbahnverkehrsverwaltungsgesetzes (im folgenden: BEVVG) unberücksichtigt geblieben, wonach dem Eisenbahn-Bundesamt (u.a.)

"die Ausübung hoheitlicher Befugnisse sowie von Aufsichts- und Mitwirkungsrechten nach Maßgabe anderer Gesetze und Verordnungen"

obliege. Nach dieser Bestimmung könne im Falle des § 88 Nr. 3 FlurbG eigentlich nur das Eisenbahn-Bundesamt zuständig sein.

Mit Bescheid vom 15.07.2003 wies das Eisenbahn-Bundesamt unter Bezugnahme auf die Gründe des Bescheides vom 06.06.2003 den Widerspruch zurück. Auch die in der Widerspruchsbegründung angesprochene Vorschrift des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BEVVG helfe nicht weiter, da in dieser die Aufgaben "auch nicht genau festgelegt" seien und die Norm der Auslegung bedürfe.

Am 12.08.2003 hat die DB Projekt Bau GmbH entsprechend der im Widerspruchsbescheid erteilten Rechtsmittelbelehrung Klage zum Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben. Durch Beschluss vom 06.10.2003 hat das Verwaltungsgericht den Rechtsstreit an das Flurbereinigungsgericht verwiesen. Dieses entscheide gemäß § 140 Satz 1 FlurbG u.a.

"über alle Streitigkeiten, die durch ein Flurbereinigungsverfahren hervorgerufen werden und vor Eintritt der Unanfechtbarkeit der Schlussfeststellung anhängig geworden sind, soweit hierfür der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist".

Die Voraussetzungen dieser Bestimmung seien erfüllt. Das Unternehmensverfahren Flurbereinigung Sinzheim (DB) sei noch nicht durch unanfechtbare Schlussfeststellung (§ 149 FlurbG) beendet. Die von der Klägerin begehrte, von der Beklagten jedoch wegen angeblicher Unzuständigkeit abgelehnte Maßnahme stehe im Zusammenhang mit diesem Flurbereinigungsverfahren. Denn die Klägerin habe als das Unternehmen, welches die Baumaßnahmen beim Ausbau der Neubaustrecke der Deutschen Bahn Karlsruhe-Basel durchführe, beim Eisenbahn-Bundesamt darum nachgesucht, dass dieses für sie als nach § 88 Abs. 3 FlurbG zuständige Behörde bei der Flurbereinigungsbehörde eine vorläufige Anordnung gemäß § 36 FlurbG für Grundstücke beantrage, die nach der dem Flurbereinigungsbeschluss beigefügten Gebietsübersichtskarte in dem Verfahrensgebiet lägen.

Die Klage ist zunächst von der DB Projekt Bau GmbH erhoben worden. Auf Rüge der Beklagten im Schriftsatz vom 12.01.2004 (VGH Bl. 107), Trägerin des Unternehmens sei nicht die DB Projekt Bau GmbH, sondern allein die DB Netz AG, ist die Klage mit Schriftsatz vom 09.07.2004 (VGH Bl. 125) entsprechend geändert worden. Anstelle der DB Projekt Bau GmbH wird das Verfahren nunmehr von der DB Netz AG - vertreten durch die DB Projekt Bau GmbH - als Klägerin weitergeführt. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 19.07.2004 (VGH Bl. 147) in die Klagänderung eingewilligt und Bedenken gegen die Aktivlegitimation der DB Netz AG nicht geltend gemacht.

Zur Begründung der Klage trägt die Klägerin ergänzend vor: Aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift des § 88 Nr. 3 FlurbG ergebe sich, dass die Antragstellung durch eine Behörde zu erfolgen habe. Hintergrund dieser Regelung sei, dass bei einer vorläufigen Anordnung nach § 36 FlurbG Belange der betreffenden Eigentümer mit Belangen des Unternehmensträgers kollidierten. Die sachgemäße Antragstellung setze eine Abwägung dieser Belange voraus. Sie solle durch eine Behörde erfolgen, von welcher eine neutrale Beurteilung zu erwarten sei. Entgegen der Auffassung der Beklagten gebe es keinen Zusammenhang zwischen der Baulast und der Zuständigkeit für die Antragstellung. Die anerkannte Praxis in anderen Fällen zeige, dass unabhängig von der Baulast immer eine Behörde den Antrag nach § 88 Nr. 3 FlurbG stelle. Neben dem Straßenbau seien als Beispiele die Bereiche Flughafen (Luftfahrt-Bundesamt), Straßenbahn (Regierungspräsidium) und Bergbau (Landesbergbehörde) zu nennen.

Nach Auffassung der Klägerin sei "die für das Unternehmen zuständige Behörde" im Sinne des § 88 Nr. 3 FlurbG nicht die Enteignungsbehörde. Deren Zuständigkeiten seien im FlurbG abschließend aufgezählt. Die Enteignungsbehörde werde im FlurbG regelmäßig ausdrücklich als "Enteignungsbehörde" bezeichnet, z.B. in § 87 Abs. 1, § 87 Abs. 4 und § 89 Abs. 1 FlurbG. § 88 Nr. 3 FlurbG spreche dagegen von der für das Unternehmen zuständigen Behörde. Daraus sei eindeutig zu schließen, dass dort nicht die Enteignungsbehörde gemeint sei.

Zuständige Behörde für die Klägerin sei vielmehr das Eisenbahn-Bundesamt. Dies folge aus § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BEVVG. Hiernach obliege dieser Behörde u.a. die Ausübung von Mitwirkungsrechten nach Maßgabe anderer Gesetze und Verordnungen. Eine Antragstellung nach § 88 Nr. 3 FlurbG sei die Ausübung eines Mitwirkungsrechtes. Eine Zuständigkeit nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BEVVG komme nicht nur in Betracht, wenn dies in anderen Gesetzen ausdrücklich bestimmt sei, denn § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BEVVG sei als Auffangnorm gedacht, um bei neu hinzukommenden Aufgaben nicht regelmäßig den Aufgabenkatalog durch Gesetzesänderung anpassen zu müssen. Es bestehe auch ein sachlicher Bezug zu den Tätigkeiten des Eisenbahn-Bundesamts. Dieses sei Planfeststellungsbehörde für das Unternehmen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BEVVG). Auch beaufsichtige das Amt den Unternehmensträger. Als Urheber der planerischen Grundlagen sei das Eisenbahn-Bundesamt vertraut mit den konkreten Problemen des Unternehmens. Deren Kenntnis sei für die sachgerechte Antragstellung nach § 88 Nr. 3 FlurbG wichtig. Fehlende Detailkenntnisse könne sich das Eisenbahn-Bundesamt leicht vom Unternehmensträger beschaffen.

Es liege auch keine dem § 21 AEG vergleichbare Fallkonstellation vor. Auch das OVG Magdeburg gehe in dem Beschluss vom 08.11.2000 (RdL 2001 S. 99) von einer Zuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamts aus. Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass in einem genau gleichgelagerten Fall (Flurneuordnung Haueneberstein/Sandweier, Aus- und Neubaustrecke Karlsruhe-Basel) das Eisenbahn-Bundesamt unter dem 18.11.2002 einen Antrag nach § 88 Nr. 3 FlurbG bei der Flurneuordnungsbehörde gestellt und dabei auf § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BEVVG Bezug genommen habe (VGH Bl. 33).

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide festzustellen, dass das Eisenbahn-Bundesamt die für die Klägerin als Unternehmensträgerin zuständige Behörde im Sinne von § 88 Nr. 3 FlurbG ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie nimmt auf die Gründe der angefochtenen Bescheide Bezug. Aufgrund des Sachzusammenhangs halte die Beklagte nach wie vor die Enteignungsbehörde für die zuständige Behörde bezüglich einer Antragstellung nach § 88 Nr. 3 FlurbG. Das Eisenbahn-Bundesamt sei lediglich zuständig für die Eisenbahnaufsicht und weitere in Gesetzen und Verordnungen ihm ausdrücklich zugewiesene Fälle. Für den Vollzug der übrigen Gesetze und Verordnungen verbleibe es bei der grundsätzlichen Zuständigkeit der Länder. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BEVVG sei entgegen der Auffassung der Klägerin kein allgemeiner Auffangtatbestand, sondern komme nur dann in Betracht, wenn die Zuständigkeitszuweisung in anderen Gesetzen und Verordnungen ausdrücklich geregelt sei. Es sei auch nicht ersichtlich, weshalb hier die Zuständigkeit der Planfeststellungsbehörde begründet werden solle, wenn bereits für die Stellung eines Antrags auf Anordnung einer Unternehmensflurbereinigung die Enteignungsbehörde zuständig sei (§ 87 Abs. 1 FlurbG). Aus Gründen des Sachzusammenhangs sei vielmehr davon auszugehen, dass die für das Unternehmen zuständige Enteignungsbehörde auch zuständige Behörde für einen Antrag nach § 88 Nr. 3 FlurbG sein solle.

Dem Senat liegen 3 Hefte Verwaltungsakten vor (vgl. VGH Bl. 79). Zur Sache Stellung genommen hat das Landesamt für Flurneuordnung und Landentwicklung Baden-Württemberg (vom 10.12.2003, VGH Bl. 97). Hierauf und auf die im gerichtlichen Verfahren gewechselten Schriftsätze wird Bezug genommen. Die bezeichneten Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Das zulässige Feststellungsbegehren (1.) ist begründet; auch nach Auffassung des Senats ist das Eisenbahn-Bundesamt zuständige Behörde im Sinne des § 88 Nr. 3 Satz 1 FlurbG (2.):

1. a) Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat - wie im Tatbestand im Einzelnen dargestellt - durch Verweisungsbeschluss vom 6.10.2003 den Rechtsstreit an das Flurbereinigungsgericht verwiesen. Hieran ist der Senat gebunden (vgl. § 83 VwGO i.V.m. § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG). Im Übrigen ist die dem verweisenden Beschluss zugrundeliegende Auffassung, es sei in Fällen der vorliegenden Art eine Zuständigkeit des Flurbereinigungsgerichts nach § 140 Satz 1 dritte Alternative FlurbG gegeben, auch vertretbar.

b) Die Klägerin hat das erforderliche berechtigte Interesse an der begehrten Feststellung (vgl. § 43 Abs. 1 VwGO), nachdem das Eisenbahn-Bundesamt unter Bezugnahme auf die nach seiner Auffassung fehlende Zuständigkeit sich weigert, bei der Flurbereinigungsbehörde einen Antrag nach § 88 Nr. 3 FlurbG auf Erlass einer vorläufigen Anordnung gemäß § 36 FlurbG zu stellen. Versuche, die streitige Frage behördenintern zu regeln, sind erfolglos geblieben (vgl. etwa das Schreiben des Eisenbahn-Bundesamts vom 28.4.2004, VGH Bl. 131). Im Übrigen haben sowohl die Klägerin als auch das Eisenbahn-Bundesamt im gerichtlichen Verfahren darauf hingewiesen, dass eine Entscheidung in dieser streitigen Frage eilbedürftig sei (vgl. etwa das Schreiben der Klägerin vom 9.7.2004 - VGH Bl. 125 -, sowie das Schreiben des Eisenbahn-Bundesamts vom 28.4.2004 - VGH Bl. 113 -).

c) Dem Feststellungsbegehren steht auch nicht die Subsidiarität der Feststellungsklage (vgl. § 43 Abs. 2 VwGO) entgegen (vgl. hierzu BVerwGE 36, 179; 40, 323, 51, 69, sowie Bader u.a., VwGO, 2. Aufl., § 43 RdNr. 30 ff.). Dies bedarf hier keiner weiteren Vertiefung, nachdem auch seitens der Beklagten insoweit Bedenken nicht erhoben worden sind.

2. Nach § 88 Nr. 3 Satz 1 FlurbG kann bei einem Unternehmensverfahren - wie hier - die Flurbereinigungsbehörde eine vorläufige Anordnung gemäß § 36 FlurbG erlassen "auf Antrag der für das Unternehmen zuständigen Behörde". Dies aber ist - wie eingangs festgestellt - in Fällen der vorliegenden Art das Eisenbahn-Bundesamt:

a) Aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift des § 88 Nr. 3 Satz 1 FlurbG folgt, dass die Antragstellung durch eine Behörde zu erfolgen hat. Es kann deshalb nicht der im Bescheid des Eisenbahn-Bundesamts vom 6.6.2003 (VGH Bl. 15) mitgeteilten Auffassung der Zentrale dieses Amtes gefolgt werden, es sei "nicht zwingend", dass gemäß § 88 Nr. 3 FlurbG eine Behörde den Antrag stellen müsse. Gleiches gilt für die seitens der Klägerin aufgeworfene Frage, ob diese selbst nicht als "zuständige Behörde im materiell rechtlichen Sinne" angesehen werden könne, obwohl sie ohne Zweifel keine Behörde i.S.d. § 1 Abs. 4 VwVfG sei (vgl. S. 8/9 des Schriftsatzes vom 25.8.2004 - VGH Bl. 173 -). Gegen diese Erwägung der Klägerin "unter dem Gesichtspunkt einer vereinfachten Verwaltungspraxis" (vgl. S. 9 a.a.O.) spricht bereits, dass dann in § 88 Nr. 3 FlurbG nicht von der für das Unternehmen zuständigen Behörde die Rede wäre, sondern von dem Träger des Unternehmens, wie dies etwa in § 88 Nrn. 2, 5, 6, 8 und 9 FlurbG der Fall ist. So wird denn auch in der Literatur betont, dass die für das Unternehmen zuständige Behörde nicht ohne weiteres identisch ist mit dem Träger des Unternehmens (vgl. Quadflieg, Recht der Flurbereinigung, Kommentar, Erl. 23 zu § 88 FlurbG). Hintergrund dieser Regelung ist, dass bei einer vorläufigen Anordnung nach § 36 FlurbG Belange der betroffenen Eigentümer mit Belangen des Unternehmensträgers kollidieren. Auf diesen Interessenkonflikt wird bereits bei Steuer, FlurbG, erste Auflage 1956, Erl. 3 zu § 88, hingewiesen. Eine sachgemäße Antragstellung aber setzt eine Abwägung dieser Belange voraus. Sie soll durch eine Stelle erfolgen, von der - wie das Landesamt für Flurneuordnung und Landentwicklung Baden-Württemberg in seiner Stellungnahme vom 10.12.2003 (VGH Bl. 97) zutreffend ausgeführt hat - eine sachkundige, aber neutrale Beurteilung zu erwarten ist. Dies aber kann schwerlich der Unternehmensträger selbst sein, dessen Interesse letztlich dahin geht, rechtzeitig Besitz und Nutzung der zur Durchführung der Arbeiten nötigen Grundstücke zu erlangen (vgl. Steuer, a.a.O., Erl. 3 zu § 88).

b) Die Beklagte meint, bei der Suche nach der zuständigen Behörde stoße man "unwillkürlich" auf die Enteignungsbehörde. Sie sei die Behörde, welche gemäß § 87 FlurbG beantrage, ein Unternehmensverfahren anzuordnen. Deswegen liege es nahe, dass die Enteignungsbehörde kraft Sachzusammenhangs auch vorläufige Anordnungen beantragen könne. Doch spricht gegen diese Auffassung, dass im Flurbereinigungsgesetz regelmäßig die Enteignungsbehörde als solche angesprochen wird, wenn deren Zuständigkeiten in Rede stehen (vgl. etwa § 87 Abs. 1, § 87 Abs. 4 und § 89 Abs. 1 FlurbG). Dass es sich bei der in § 88 Nr. 3 Satz 1 FlurbG getroffenen Regelung, in welcher nicht von der Enteignungsbehörde, sondern von der für das Unternehmen zuständigen Behörde die Rede ist, etwa um ein Redaktionsversehen handeln würde, weil in Wahrheit die Enteignungsbehörde gemeint sei, ist dem Senat nicht ersichtlich. Auch findet eine solche Auffassung in der bisherigen Rechtsprechung und Literatur keine Stütze. (zum Verhältnis von Unternehmensflurbereinigungsverfahren und Enteignung vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 6.1.1987 - 5 B 30.85 -, RzF 87 I S. 107).

Es ist zwar zutreffend, worauf seitens der Beklagten hingewiesen wird, dass die Enteignungsbehörde die Behörde ist, die gemäß § 87 Abs. 1 FlurbG die Einleitung eines Unternehmensverfahrens beantragt. Doch muss dies nicht zwangsläufig zur Folge haben, dass die Enteignungsbehörde auch diejenige Behörde ist, welche einen Antrag nach § 88 Nr. 3 Satz 1 i.V.m. § 36 FlurbG stellt. Denn bei § 87 Abs. 1 FlurbG geht es um die grundsätzliche Vorentscheidung für oder gegen ein Unternehmensverfahren, bei der sich die Enteignungsbehörde die Verantwortung mit der Flurbereinigungsbehörde teilen soll. Beim Antrag auf Erlass einer vorläufigen Anordnung nach § 88 Nr. 3 i.V.m. § 36 FlurbG geht es dagegen um konkrete praktische Fragen (Zeitpunkt des Baus, Teilung in Bauabschnitte, Zwischenregelungen usw.). Dafür ist eine größere Sachnähe erforderlich. Diese aber ist beim Unternehmensträger und der mit ihm in Kontakt stehenden, für das Unternehmen zuständigen Behörde vorhanden (vgl. hierzu die mit der erwähnten Stellungnahme des Landesamts vom 10.12.2003 vorgelegte weitere Stellungnahme vom 8.7.2003 gegenüber der DB Projekt Bau GmbH).

c) Scheiden nach alledem der Unternehmensträger und die Enteignungsbehörde als zuständige Behörde i.S.d. § 88 Nr. 3 FlurbG aus, kommt als solche nur das Eisenbahn-Bundesamt in Betracht. Diesem obliegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 des Bundeseisenbahnverkehrsverwaltungsgesetzes - BEVVG - vom 27.12.1993 (BGBl. I 2378, 2394 - Art. 3 -) in der Fassung des Gesetzes vom 21.6.2002 (BGBl. I 2191, 2195) u.a. die Ausübung von Aufsichts- und Mitwirkungsrechten nach Maßgabe anderer Gesetze und Verordnungen. Diese Vorschrift ist - wie sich aus den Gesetzesmaterialien zu der gleichlautenden Bestimmung des § 3 Abs. 2 Nr. 4 in der ursprünglichen Fassung des Gesetzes vom 27.12.1993 (BGBl. I 2378, 2394) - als "Auffangregelung für Aufgaben geschaffen (worden), die das Eisenbahn-Bundesamt nach Maßgabe anderer Gesetze und Verordnungen erfüllen soll", "um bei neu hinzukommenden Aufgaben nicht regelmäßig den Aufgabenkatalog durch Gesetzesänderungen anpassen zu müssen (Entwurf eines Eisenbahnneuordnungsgesetzes, BT-Drucks. 12/4609 <neu>, S. 91 - zu § 3 Abs. 2 -; vgl. zum Ganzen auch Blümel/Kühlwetter, Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts, 1996, Speyerer Forschungsberichte 160, S. 304/305 m.w.N.). Die Stellung eines Antrags nach § 88 Nr. 3 Satz 1 FlurbG kann als Ausübung eines Mitwirkungsrechts i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BEVVG angesehen werden. Auch besteht - wie das Landesamt für Flurneuordnung und Landentwicklung Baden-Württemberg in der erwähnten Stellungnahme vom 10.12.2003 zutreffend dargelegt hat - insoweit ein sachlicher Bezug zu den Tätigkeiten des Eisenbahn-Bundesamts. Dieses ist Planfeststellungsbehörde für das Unternehmen (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BEVVG) und beaufsichtigt auch die Bahngesellschaften (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BEVVG). Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang anscheinend eine mit dem Enumerationsprinzip des § 3 BEVVG unvereinbare Ausdehnung der Zuständigkeiten des Eisenbahn-Bundesamtes befürchtet, ist darauf hinzuweisen, dass eine solche Gefahr nicht besteht. Denn es geht insoweit - wie in der erwähnten Stellungnahme des Landesamts für Flurneuordnung und Landentwicklung Baden-Württemberg vom 10.12.2003 zutreffend ausgeführt - um eine spezielle Funktion des Eisenbahn-Bundesamts, die aus seiner Aufsicht über die Bahngesellschaften folgt und sachlich in engem Zusammenhang mit der ausdrücklich angesprochenen Zuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamts für Planfeststellungen steht. Im Übrigen entspricht die hier vertretene Auffassung dem mit der Schaffung des Eisenbahn-Bundesamtes verfolgten Zweck, die Wahrnehmung der hoheitlichen Aufgaben, die vor der Neuordnung des Eisenbahnwesens durch das o.a. Gesetz vom 27.12.1993 der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Reichsbahn als Behörden oblagen, auf die Eisenbahnverkehrsverwaltung des Bundes zu übertragen und durch das Eisenbahn-Bundesamt erfüllen zu lassen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 13.10.1994, NVwZ 1995, 379, 380 sowie Blümel/Kühlwetter, a.a.O., S. 305, m.w.N.).

Es ist nach alledem davon auszugehen, dass in Fällen der vorliegenden Art das Eisenbahn-Bundesamt zuständige Behörde i.S.d. § 88 Nr. 3 FlurbG ist. Dieser Auffassung ist anscheinend auch das OVG Magdeburg in dem Beschluss vom 8.11.2000 (RdL 2001, 99, 100). Sie wird auch vom Arbeitskreis Recht der ARGE Landentwicklung der Flurneuordnungsbehörden der Länder geteilt (vgl. S. 6 der Ergebnisniederschrift vom 22.10.2003, Anlage zur o.a. Stellungnahme des Landesamts für Flurneuordnung und Landentwicklung Baden-Württemberg vom 10.12.2003).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 147 FlurbG.

Die Revision an das Bundesverwaltungsgericht ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Beschluss vom 6. September 2004

Der Streitwert für das Urteilsverfahren wird auf 4.000,-- EUR festgesetzt (§ 13 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F.).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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