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Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 24.09.2001
Aktenzeichen: 7 S 2595/99
Rechtsgebiete: BAföG
Vorschriften:
BAföG § 5 Abs. 1 Satz 1 | |
BAföG § 5 Abs. 1 Satz 2 |
7 S 2595/99
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil
In der Verwaltungsrechtssache
wegen
Ausbildungsförderung
hat der 7. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg auf die mündliche Verhandlung vom 24. September 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Gehrlein und die Richter am Verwaltungsgerichtshof Bader und Ridder
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 22. März 1999 - 7 K 717/98 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die am 5.12.1964 geborene Klägerin begehrt die Bewilligung von Ausbildungsförderung für eine Ausbildung im Ausland.
Sie besuchte bis Juni 1980 in Garbsen, Landkreis Hannover, die Realschule. Nach einer Ausbildung zur Druckvorlagenherstellerin war sie in der Zeit von Juni 1983 bis Juli 1993 in Hannover und Braunschweig als Druckvorlagenherstellerin und Sachbearbeiterin tätig. Im Juni 1994 erwarb sie nach einjährigem Besuch eines Berufskollegs an der Gertrud-Luckner-Schule in Freiburg die Fachhochschulreife. Ab dem Wintersemester 1994/95 studierte sie an der Universität Gesamthochschule Siegen Wirtschaftswissenschaften. Zum Wintersemester 1997/98 wechselte sie an die Universität Basel, wo sie ihr Studium der Wirtschaftswissenschaften fortsetzte.
Am 19.9.1997 beantragte die Klägerin, die vom 1.8.1993 bis 15.10.1994 und vom 1.1.1997 bis 23.9.1997 in Freiburg mit zweitem Wohnsitz, in der Folgezeit dort mit Hauptwohnsitz gemeldet war, die Bewilligung von Ausbildungsförderung für das Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität in Basel. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 15.12.1997 mit der Begründung ab, die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 BAföG seien nicht erfüllt, da die Klägerin ihren Wohnsitz in Freiburg lediglich zum Zweck der Ausbildung begründet habe und es sich hierbei mithin nicht um einen ständigen Wohnsitz im Sinne des Bundesausbildungsförderungsgesetzes handele.
Den Widerspruch der Klägerin wies das Landesamt für Ausbildungsförderung mit Bescheid vom 25.3.1998 zurück.
Am 7.4.1998 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Freiburg mit dem Antrag Klage erhoben, den Bescheid der Beklagten in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landesamts für Ausbildungsförderung vom 25.3.1998 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über ihren Antrag vom 19.9.1997 auf Gewährung von Ausbildungsförderung erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden. Zur Begründung hat sie vorgetragen, sie habe im August 1993 ihren ständigen Wohnsitz nach Freiburg verlegt. Von diesem Zeitpunkt an sei Freiburg ihr Lebensmittelpunkt gewesen. Während des Erwerbs der Fachhochschulreife an der Gertrud-Luckner-Schule habe sie private Kontakte geknüpft, die noch bis heute fortbestünden. Sie habe enge Bekannte kennen gelernt und sich auch ein Vertrauensverhältnis zu Ärzten aufgebaut, die sie auch während des Studiums in Siegen zu den üblichen Routineuntersuchungen aufgesucht habe. Auch die Semesterferien habe sie immer in Freiburg verbracht. In Freiburg und Umgebung habe sie auch mehrfach gearbeitet, um sich dort berufliche Verbindungen zu schaffen und eine spätere Berufstätigkeit nach Abschluss des Studiums vorbereiten zu können. Seit 1993 habe sie in Freiburg auch ihr einziges Bankkonto, von dort aus führe sie auch ihre Bankgeschäfte. Im Sommer 1996 sei sie eine enge Beziehung zu ihrem jetzigen Lebensgefährten W. eingegangen. Ende 1996 habe sie mit ihm eine Wohnung angemietet und eingerichtet. Von diesem Zeitpunkt an sei sie nur noch zu den nötigsten universitären Veranstaltungen nach Siegen gefahren. Die übrige Zeit habe sie in Freiburg gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten verbracht. Bereits die Zeitspanne vom 1.12.1996 bis zur Aufnahme des Studiums in Basel im Oktober 1997 habe, unbeschadet der Zeit ab August 1993, ausgereicht, einen nicht nur vorübergehenden Lebensmittelpunkt im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz BAföG in Freiburg zu begründen. Sie habe den Wohnsitz auch nicht lediglich zum Zwecke der Ausbildung i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 2 zweiter Halbsatz BAföG nach Freiburg verlegt. Hierfür sei vielmehr der Wunsch maßgeblich gewesen, mit ihrem jetzigen Lebensgefährten zusammenzuziehen.
Der Beklagte hat Klagabweisung beantragt und zur Begründung ausgeführt, die von der Klägerin vorgetragenen Umstände reichten nicht aus, um die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 BAföG zu erfüllen. Die im August 1993 erfolgte Wohnsitznahme sei eindeutig ausbildungsbezogen gewesen. Auch die in Bezug auf die neuerliche Wohnsitznahme in Freiburg vorgetragenen Umstände reichten für die Annahme nicht aus, die Klägerin sei nicht zum Zwecke der Fortführung des Studiums an der Universität Basel nach Freiburg zugezogen. Abgesehen davon, dass die Ausbildung der Klägerin von der Gewerbeschule an bis zur Universität als einheitliche Ausbildung anzusehen sei und die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 BAföG zum Beginn der Ausbildung hätten vorgelegen haben müssen, seien als den Lebensmittelpunkt begründende Umstände nur das Zusammenleben mit Familienangehörigen oder eine mehrjährige Berufstätigkeit vor Ort anzusehen. Die Klägerin trage jedoch lediglich vor, dass Freundschaften und sonstige Bindungen an Freiburg bestünden, wie sie jeder Auszubildende am Ort der Ausbildung früher oder später begründe.
Mit Urteil vom 22.3.1999 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe den Förderungsantrag der Klägerin zu Unrecht unter Berufung auf § 5 Abs. 1 BAföG abgelehnt. Die Klägerin habe im Sinne des § 5 Abs. 1 BAföG ihren ständigen Wohnsitz in Freiburg, da Freiburg nicht nur vorübergehend Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen sei. Die Klägerin sei bereits vor dem wegen des Studiums an der Universität Gesamthochschule Siegen erfolgten Umzug nach Kreuztal in der Zeit vom 1.8.1993 bis 15.10.1994 in Freiburg wohnhaft gewesen. Auch während ihres Studiums in Siegen habe sie immer wieder in Freiburg und Umgebung gearbeitet und dort ihre Arztbesuche erledigt. Seit 1993 habe sie ihr einziges Bankkonto in Freiburg. Von dort aus habe sie auch ihre Bankgeschäfte erledigt. Ferner bestünden seit damals auch enge persönliche Bekanntschaften. Es könne hiernach nicht bezweifelt werden, dass Freiburg seit 1993 Mittelpunkt der Lebensbeziehungen der Klägerin sei. Auch die Widerspruchsbehörde habe nicht schlüssig aufzuzeigen vermocht, wo sonst der Lebensmittelpunkt der Klägerin liegen sollte. Freiburg habe die Mittelpunktfunktion auch nicht nur vorübergehend im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 BAföG. Es lasse sich nicht feststellen, dass die Klägerin die Absicht habe, Freiburg nur vorübergehend zum Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen zu machen. Die bloße Möglichkeit, dass junge Menschen nach ihrer Ausbildung oftmals aus beruflichen Gründen die Stadt oder die Region, in der sie ihre Ausbildung absolviert hätten, verlassen müssten, reiche für die Annahme einer derartigen Absicht nicht aus. Die Bestimmung des § 5 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BAföG stehe dem nicht entgegen; denn die Klägerin halte sich nicht lediglich zum Zwecke der Ausbildung in Freiburg auf, sondern auch deshalb, weil sie dort ihre persönlichen, beruflichen und ärztlichen Kontakte, eben ihren Mittelpunkt der Lebensbeziehungen, habe. Die Beklagte habe erneut über den Förderungsantrag der Klägerin zu entscheiden. Hierbei habe sie davon auszugehen, dass § 5 Abs. 1 BAföG der Bewilligung von Ausbildungsförderung nicht entgegenstehe.
Zur Begründung der vom Senat mit Beschluss vom 29.9.1999 zugelassenen Berufung trägt die Beklagte vor, das Verwaltungsgericht verkenne Anwendungsbereich und Bedeutung des § 5 Abs. 1 Satz 2 BAföG. Mit dieser Regelung solle erreicht werden, dass insbesondere Schülern, die von ihrem ständigen Wohnsitz aus eine ausländische Ausbildungsstätte wesentlich leichter erreichen könnten als eine inländische, Ausbildungsförderung geleistet werden könne. Daraus ergebe sich, dass eigentlich nur die Grenzbevölkerung sich auf § 5 Abs. 1 BAföG berufen könne. Personen, die erst mit Beginn der Ausbildung im Ausland in den Grenzbereich zuzögen, fielen deshalb nicht unter den Begriff der Grenzbevölkerung. Abgestellt werde in § 5 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz BAföG auf den ständigen Wohnsitz des Auszubildenden im Sinne von § 7 BGB. Bei einer bloßen Anknüpfung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes an den zivilrechtlichen Wohnsitzbegriff wäre aber nicht auszuschließen gewesen, dass Auszubildende den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen allein deswegen verlagerten, um förderungsrechtlich erhebliche Tatbestände zu schaffen. Durch § 5 Abs. 1 Satz 2 zweiter Halbsatz BAföG werde ausgeschlossen, dass der ständige Wohnsitz im Grenzbereich begründet werde, wenn der Auszubildende sich lediglich zum Zwecke der Ausbildung dort aufhalte. Die Vorschrift lasse es jedoch zu, dass ein anderer Grund unwiderlegbar angegeben werde, der den Schluss darauf zulasse, dass auch förderungsrechtlich der ständige Wohnsitz im Grenzbereich liege. Ein ständiger Wohnsitz im Sinne des § 7 BGB könne hiernach vorliegen, ohne jedoch gleichzeitig als förderungsrechtlicher Wohnsitz im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz BAföG anerkannt werden zu müssen. Es komme dabei auch nicht darauf an, dass der Auszubildende keinen weiteren Lebensmittelpunkt habe. Unerheblich sei auch, ob eine weitere Wohnung im Bundesgebiet bestehe und derartige Auszubildende ihre Bankverbindung und ihren Arzt am derzeitigen Wohnsitz hätten. Die Klägerin stamme aus Niedersachsen. Die Daten ihrer Anmeldung in Freiburg stimmten jeweils genau mit den Ausbildungen in Freiburg bzw. Basel überein. Das bedeute, dass jeweils nur im Zusammenhang mit einer beabsichtigten Ausbildung der Wohnsitz nach Freiburg verlegt worden sei. Nachvollziehbare Gründe, weshalb die Klägerin jetzt nicht mehr allein ausbildungsbedingt in Freiburg wohnen würde, seien nicht vorgetragen worden. Dass die Klägerin einen Studenten kennengelernt und sich deshalb öfters in Freiburg aufgehalten habe, sei kein Grund dafür, einen ständigen Wohnsitz im Sinne des Förderungsrechts in Freiburg anzunehmen. Entscheidend sei dabei, dass die vollzeitige Anmeldung in Freiburg erst wieder im Zusammenhang mit dem Studium an der Universität in Basel erfolgt sei. Die von der Klägerin aufgeführten Zeiten der Erwerbstätigkeit in Freiburg erstreckten sich auf die Zeit ihrer Ausbildung an der Gertrud-Luckner-Schule bzw. in den Sommer 1997 hinein; zu letzterem Zeitpunkt habe sie jedoch bereits beabsichtigt, das in Siegen begonnene Studium an der Universität Basel zum Abschluss zu bringen. Aus der Vorakte des Landkreises Hannover sei zu entnehmen, dass die Klägerin in ihrem Antrag für den Besuch der Gertrud-Luckner-Schule angegeben habe, dass Freiburg lediglich die Anschrift während der Ausbildung sei. Auch in den Folgeanträgen für das Studium in Siegen sei in keinem Antrag Freiburg als ständiger Wohnsitz aufgeführt worden. Aus der Akte des Studentenwerks Heidelberg gehe überdies hervor, dass die Klägerin mit Schreiben vom 12.1.1998 deshalb einen Antrag nach § 5 Abs. 2 BAföG beim Landkreis Hannover gestellt habe, weil sie die von § 5 BAföG geforderte enge familiäre Bindung an ihren Geburtsort Hannover habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 22.3.1999 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung trägt sie vor, die Beklagte vermenge unzulässigerweise die Wohnsitzvorschriften des § 5 Abs. 1 BAföG mit den melderechtlichen und den zivilrechtlichen Wohnsitzvorschriften. Für die Frage, ob sie im Sinne von § 5 Abs. 1 BAföG ihren ständigen Wohnsitz in Freiburg gehabt habe, komme es nicht darauf an, ob sie dort ununterbrochen polizeilich gemeldet gewesen sei. Es sei auch keineswegs entscheidend, zu welchem Zeitpunkt eine vollzeitliche Anmeldung in Freiburg erfolgt sei. Abgesehen davon sei für sie auch nicht nachvollziehbar, was eine vollzeitliche Anmeldung sei und was dieser Begriff mit dem förderungsrechtlichen Begriff des ständigen Wohnsitzes zu tun habe. Völlig abwegig sei der Hinweis der Beklagten, dass sie aus Niedersachsen stamme und dort ihre Schul- und Berufsausbildung absolviert habe. Diese Ausführungen gäben nichts zu der Frage her, ob sie 1997 im Sinne des § 5 Abs. 1 BAföG ihren ständigen Wohnsitz in Freiburg gehabt habe. Die objektiven Umstände, die sie während des erstinstanzlichen Verfahrens dargestellt habe und die das Verwaltungsgericht in seinem Urteil zutreffend gewürdigt habe, müssten zu der Annahme führen, dass Freiburg spätestens seit Sommer 1996 nicht nur vorübergehend der Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen gewesen sei. Die Beklagte habe Freiburg jedoch nicht als ihren ständigen Wohnsitz akzeptiert. Daher habe sie zwangsläufig davon ausgehen müssen, dass ein anderer Ort als Freiburg ihr ständiger Wohnsitz im Sinne des § 5 Abs. 1 BAföG gewesen sein solle. Allein im Hinblick hierauf habe sie den Förderungsantrag vom 12.1.1998 gestellt. Die Annahme der Beklagten, sie hätte sich deren rechtliche Auffassung über ihren ständigen Wohnsitz im Sinne des Förderungsrechts zu eigen gemacht, sei daher nicht gerechtfertigt.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Klägerin erklärt: Sie habe im Jahr 1993 ihr Arbeitsverhältnis in Braunschweig gekündigt, sämtliche Beziehungen zu Braunschweig abgebrochen und sei zum 1.8.1993 mit der festen Absicht nach Freiburg gezogen, dort wohnen zu bleiben. Sie habe nur in Freiburg das Berufskolleg besuchen wollen und nirgendswo anders. Sie habe auch nicht vorgehabt, wieder nach Braunschweig zurückzukehren. Damals habe sie einen Freund gehabt, der in Lörrach gewohnt habe und den sie im Urlaub kennen gelernt habe. Hierbei habe es sich nicht um ihren jetzigen Freund, Herrn W., gehandelt. Während der Zeit des Besuchs des Berufskollegs habe sie den Entschluss gefasst, Wirtschaftswissenschaften zu studieren. Im Grunde habe sie damals schon in Basel studieren wollen. Einzig und allein in Siegen habe sie jedoch mit der am Berufskolleg erworbenen Fachhochschulreife an einer Universität studieren können. In ihrer Siegener Zeit sei sie häufig in Freiburg gewesen. Da habe sie dann bei einer Freundin gewohnt. Nachdem sie ihren jetzigen Freund kennen gelernt habe, habe sie sich zeitlich halb in Siegen, halb in Freiburg aufgehalten. Nach Ablegen des Vordiploms habe sie sich wieder in Freiburg angemeldet. An der Universität Freiburg könne man nur Volkswirtschaft studieren; den Abschluss in der Fachrichtung Betriebswirtschaft könne man dort nicht machen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung von Herrn W. als Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 24.9.2001 verwiesen.
Dem Senat liegen außer den Akten des Verwaltungsgerichts die einschlägigen Akten der Beklagten und des Regierungspräsidiums Stuttgart vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf diese Akten und die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Die genannten Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat der zulässigen Klage zu Recht stattgegeben. Die Beklagte ist - im Hinblick darauf, dass die Klägerin lediglich einen Bescheidungsantrag gestellt hat - verpflichtet, über den Antrag der Klägerin vom 19.9.1997 auf Bewilligung von Ausbildungsförderung für ihr Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Basel erneut zu entscheiden. Die ablehnenden Bescheide vom 15.12.1997 und 25.3.1998 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der Klägerin können Förderungsleistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz nicht mit der Begründung versagt werden, sie habe sich lediglich zum Zwecke der Ausbildung in Freiburg aufgehalten, dort mithin keinen ständigen Wohnsitz im Sinne des Bundesausbildungsförderungsgesetzes begründet, so dass die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 BAföG nicht erfüllt seien:
Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 BAföG wird - unter anderem - Auszubildenden deutscher Staatsangehörigkeit Ausbildungsförderung geleistet, wenn sie täglich von ihrem ständigen Wohnsitz im Inland aus eine im Ausland gelegene Ausbildungsstätte besuchen. Mit dieser Regelung soll erreicht werden, dass insbesondere Schülern, die von ihrem ständigen Wohnsitz im Inland aus eine ausländische Ausbildungsstätte wesentlich leichter erreichen können als eine inländische, Ausbildungsförderung geleistet werden kann (vgl. BT-Drs. 7/2098, S. 17). Der Begriff des ständigen Wohnsitzes des Auszubildenden ist in § 5 Abs. 1 S. 2 Halbs. 1 BAföG definiert: Nach dieser Bestimmung ist der ständige Wohnsitz an dem Ort begründet, der nicht nur vorübergehend Mittelpunkt der Lebensbeziehungen ist, ohne dass es auf den Willen zur ständigen Niederlassung ankommt. Diese Legaldefinition knüpft an den zivilrechtlichen Wohnsitzbegriff der §§ 7 ff. BGB an und stellt gegenüber § 30 Abs. 3 SGB 1 eine Spezialregelung dar. Abweichend vom zivilrechtlichen Wohnsitzbegriff ist in § 5 Abs. 1 S. 2 Halbs. 2 BAföG jedoch bestimmt, dass der Aufenthalt an einem Ort lediglich zum Zwecke der Ausbildung nicht zur Begründung des ständigen Wohnsitzes führt. Ziel dieser Regelung ist es, zu verhindern, dass Auszubildende den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen allein deswegen verlagern, um förderungsrechtlich erhebliche Tatbestände zu schaffen (vgl. Rothe/Blanke, BAföG, 5. Aufl., § 5 RdNr. 4).
Unstreitig ist zwischen den Beteiligten letztlich, dass die Klägerin zumindest seit September 1997 ihren ständigen Wohnsitz in Freiburg hat. Streit besteht zwischen ihnen jedoch über die Frage, ob die Klägerin sich seit diesem Zeitpunkt im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BAföG lediglich zum Zwecke der Ausbildung in Freiburg aufgehalten hat. Das Verwaltungsgericht hat diese Frage im Ergebnis zu Recht verneint.
Rechtlich unzutreffend ist zwar die vom Verwaltungsgericht offenbar vertretene Ansicht, die Klägerin habe bereits seit 1993 ununterbrochen ihren ständigen Wohnsitz im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 BAföG in Freiburg gehabt. Bis zum Beginn des Wintersemesters 1994/1995 ist Freiburg zwar ständiger Wohnsitz der Klägerin im Sinne dieser Vorschrift gewesen. Dies änderte sich jedoch mit der Aufnahme des Studiums der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Gesamthochschule in Siegen, denn von diesem Zeitpunkt an war Siegen räumlicher Mittelpunkt der Lebensbeziehungen der Klägerin. Dies war nämlich der Ort, der im fraglichen Zeitraum vor allen anderen Ausgangs- und Anknüpfungspunkt für die Entfaltung ihres Lebens darstellte. Hier ging sie ihrem Studium nach, hier war sie auch längere Zeit während der Studiensemester und auch in der vorlesungsfreien Zeit als studentische Hilfskraft beschäftigt (vgl. AS 70 bis 72, 86 der Verwaltungsakten der Beklagten). Dass die Klägerin ihr Bankkonto in Freiburg beibehalten, in Freiburg private Kontakte geknüpft, diese aufrecht erhalten hat, und dass sie sich - falls notwendig - in Freiburg auch ärztlich behandeln ließ, vermag an dieser rechtlichen Beurteilung nichts zu ändern. Dafür, dass die Klägerin selbst auch Siegen als ständigen Wohnsitz in diesem Zeitraum angesehen hat, spricht auch die Tatsache, dass sie sich im Oktober 1994 polizeilich in Freiburg abgemeldet hat.
Der Senat ist jedoch nach Anhörung der Klägerin und der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme zu der Ansicht gelangt, dass Freiburg jedenfalls seit September 1997 ständiger Wohnsitz der Klägerin im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 BAföG ist und dass sich die Klägerin seitdem auch nicht - mehr - lediglich zum Zwecke der Ausbildung dort aufhält. Zuzugeben ist der Beklagten, dass nicht bereits jedes Motiv, das einen Auszubildenden zur Wahl eines bestimmten Studien- bzw. Ausbildungsorts und der entsprechenden Wohnsitznahme veranlasst, ausreichen kann, um die Annahme auszuschließen, dass der Auszubildende sich dort nicht gleichwohl im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BAföG lediglich zu Ausbildungszwecken aufhält. Ansonsten könnte der Zweck dieser Vorschrift, der dahin geht, zu verhindern, dass Auszubildende den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen allein deswegen verlagern, um förderungsrechtlich erhebliche Tatbestände zu schaffen (vgl. BT-Drs. 7/2098, S. 39) zu leicht unterlaufen werden und wäre für die Anwendung dieser Vorschrift kaum noch Raum. Ausgehend vom Sinn und Zweck des § 5 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BAföG ist vielmehr der Schluss gerechtfertigt, dass die ständige Wohnsitznahme eines Auszubildenden am Studien- bzw. Ausbildungsort allenfalls dann als nicht nur lediglich zu Ausbildungszwecken erfolgt angesehen werden kann, wenn das Motiv, das mitursächlich für die Wahl eines bestimmten Studien- bzw. Ausbildungsortes ist, von einigem Gewicht ist, d.h. neben dem Zweck, dort einer Ausbildung nachzugehen, bei einer Gesamtwürdigung aller insoweit bedeutsamen Umstände des Einzelfalles - unter anderem dem Alter und dem Personenstand - nicht als nebensächlich in den Hintergrund tritt.
Der Senat kann im konkreten Fall offen lassen, wann im Einzelnen vom Vorliegen dieser Voraussetzung ausgegangen werden kann. Denn jedenfalls dann, wenn enge persönliche Bindungen - etwa eine Ehe, eine eingetragene Lebenspartnerschaft oder auch nur eine eheähnliche Partnerschaft - einen Auszubildenden zur Verlagerung des Mittelpunkts seiner Lebensbeziehungen an einen bestimmten Studien- bzw. Ausbildungsort veranlassen, kann regelmäßig angenommen werden, dass die Begründung eines ständigen Wohnsitzes am Ausbildungsort nicht lediglich zu Ausbildungszwecken im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BAföG erfolgt (vgl. Rothe/Blanke, aaO, § 5 RdNr. 4; Bay.VGH, Urt. v. 2.2.1989 - 12 B 86.01985 -). Bei Bestehen derartiger enger persönlicher Bindungen hält sich der Auszubildende nicht mehr allein ausbildungsbedingt am Studien- bzw. Ausbildungsort auf, sondern eben auch deshalb, weil er seinen Lebensmittelpunkt tatsächlich und gewollt am Wohnort seines Lebenspartners begründen wollte.
Bei Anwendung dieser Grundsätze geht der Senat davon aus, dass die Klägerin jedenfalls seit September 1997 ihren ständigen Wohnsitz nicht lediglich zu Ausbildungszwecken in Freiburg hat. Die Beziehungen der Klägerin zu dem ihr bereits seit Sommer 1994 bekannten Zeugen W. hatten sich nämlich, wie die vom Senat durchgeführte Beweisaufnahme ergeben hat, bereits im September 1997 zu einer engen persönlichen Bindung im Sinne einer eheähnlichen Partnerschaft verdichtet und waren auch mit ausschlaggebend für die Klägerin, ihren ständigen Wohnsitz in Freiburg zu begründen. Der Zeuge W. hat bei seiner Vernehmung bekundet, dass es im Sommer 1996 zwischen ihm und der Klägerin "gefunkt" habe und dass in der Folgezeit beiderseits der Wunsch vorhanden gewesen sei, zusammenzu-leben. Der Senat hat keinen Anlass, insoweit an der Glaubhaftigkeit des Zeugen W. zu zweifeln, zumal seine Angaben letztlich, wie das gemeinsame Anmieten der Wohnung in der Adolf-Schmitthenner-Straße zeigt, durch den tatsächlichen Gang der Geschehnisse bestätigt werden.
Der Senat sieht auch keinen Anlass zu der Annahme, dass die Beziehung zwischen der Klägerin und dem Zeugen W. im September 1997 über den Charakter einer vorübergehenden Liebesbeziehung nicht hinausgegangen sei. Die Klägerin war damals 32, der Zeuge W. 29 Jahre alt. Beide waren mithin in einem Alter, in dem der Entschluss, mit jemandem zusammenleben zu wollen, in der Regel nicht mehr von einer momentanen Gemütsregung, sondern vom Ergebnis der Prüfung abhängig gemacht wird, ob man etwas für sich empfindet und ob die persönliche Beziehung Aussicht auf Bestand hat. Bereits das Alter, das die Klägerin und der Zeuge W. zum Zeitpunkt des Entschlusses, zusammenziehen zu wollen, hatten, spricht mithin dafür, dass zwischen ihnen im September 1997 bereits besondere innere Bindungen bestanden haben, wie sie eine eheähnliche Partnerschaft auszeichnet. Die Richtigkeit dieser Annahme wird im Übrigen dadurch bestätigt, dass die Klägerin und der Zeuge W. immer noch zusammenleben, bereits einmal gemeinsam umgezogen sind und dass, wie der Zeuge W. glaubhaft bei seiner Vernehmung angegeben hat, gemeinsam aus "einem Topf" gewirtschaftet worden sei.
Der Senat ist nach alledem zu der Auffassung gelangt, dass die Klägerin sich seit September 1997 nicht mehr allein ausbildungsbedingt in Freiburg aufgehalten hat, sondern eben auch deshalb, weil sie ihren Lebensmittelpunkt tatsächlich und gewollt am Wohnort ihres Lebenspartners W. begründen wollte.
Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin sich erst im Zusammenhang mit dem an der Universität Basel beabsichtigten Studium mit erstem Wohnsitz in Freiburg gemeldet hat. Denn damit hat die Klägerin allein den melderechtlichen Vorschriften Rechnung getragen, da sie sich bis dahin überwiegend an ihrem Studienort Siegen aufgehalten hatte (vgl. § 17 Abs. 2 Satz 1 Meldegesetz für Baden-Württemberg).
Ebensowenig ist von Belang, dass die Klägerin in ihrem mit Schreiben vom 12.1.1998 beim Landkreis Hannover gestellten Antrag nach § 5 Abs. 2 BAföG angegeben hat, sie habe die von § 5 BAföG geforderten engen familiären Bindungen zu ihrem Geburtsort Hannover. Diesen Antrag mit den entsprechenden Angaben hat die Klägerin nämlich nur notgedrungen deshalb gestellt, weil die Beklagte Freiburg nicht als ihren ständigen Wohnsitz im förderungsrechtlichen Sinne angesehen hatte und sie, die Klägerin, offenbar glaubte, möglicherweise auf diese Weise zu der gewünschten Ausbildungsförderung zu kommen.
Unbeachtlich ist auch, dass die Klägerin - wie sich aus ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung ergeben hat - offenbar bereits während der Zeit des Absolvierens des Berufskollegs an der Gertrud-Luckner-Schule die Absicht hatte, in Basel Wirtschaftswissenschaften zu studieren. Hierauf kann es schon deshalb nicht ankommen, weil die Klägerin zwischenzeitlich keinen ständigen Wohnsitz mehr in Freiburg hatte (vgl. die Ausführungen weiter oben), sondern diesen vielmehr erst im Zusammenhang mit ihrem Antrag auf Leistung von Ausbildungsförderung für das Studium der Wirtschaftswissenschaften in Basel wieder neu begründet hat.
Der Klägerin können Förderungsleistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz hiernach nicht mit der Begründung versagt werden, sie habe sich lediglich zum Zwecke der Ausbildung in Freiburg aufgehalten und dort mithin keinen ständigen Wohnsitz im Sinne der Vorschriften des Bundesausbildungsförderungsgesetzes begründet. Nach alledem musste die Berufung mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO erfolglos bleiben. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 188 Satz 2 VwGO).
Die Berufung ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung zuzulassen. Es ist bislang höchstrichterlich nicht geklärt, unter welchen Voraussetzungen sich ein Auszubildender im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BAföG nicht nur lediglich zum Zwecke der Ausbildung an einem Ort aufhält und einen ständigen Wohnsitz im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 BAföG am Ausbildungsort begründen kann.
Ende der Entscheidung
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