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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 25.02.2003
Aktenzeichen: 7 S 79/02
Rechtsgebiete: SGB VIII


Vorschriften:

SGB VIII § 23 Abs. 1
SGB VIII § 23 Abs. 3 Satz 1
SGB VIII § 23 Abs. 3 Satz 2
SGB VIII § 91 Abs. 2
SGB VIII § 92 Abs. 1
SGB VIII § 92 Abs. 2
In den Fällen der Vermittlung der Tagespflegeperson sind für den Aufwendungsersatzanspruch der Tagespflegeperson Voraussetzung, aber auch ausreichend, dass die Eignung der Tagespflegeperson und die Geeignetheit und Erforderlichkeit der Tagespflege vorliegen.
7 S 79/02

VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

In der Verwaltungsrechtssache

wegen

Aufwendungsersatz nach § 23 III SGB VIII

hat der 7. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Gehrlein und die Richter am Verwaltungsgerichtshof Klein und Ridder ohne mündliche Verhandlung

am 25. Februar 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 30. Mai 2001 - 2 K 3699/99 - geändert. Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin Aufwendungs- und Kostenersatz für die Tagespflege der Kinder Vanessa und Arabella xxxxxx in der Zeit vom 16.4.1998 bis 23.7.1998 zu leisten.

Der Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Frau H. stellte am 9.4.1998 beim Jugendamt des Beklagten den Antrag auf Förderung ihrer beiden Kinder in einer geeigneten Tagespflegestelle. Das Jugendamt des Beklagten vermittelte Frau K., die Klägerin, als Tagespflegemutter. Diese betreute die Kinder von Frau H. in der Zeit vom 16.4. bis 23.7.1998.

Bei den Verwaltungsakten des Beklagten befindet sich ein Schreiben der für Frau H. zuständigen Sachbearbeiterin des Beklagten an dessen Außenstelle in Sinsheim vom 19.4.1998, in dem diese u.a. folgendes ausführt: " Frau K. ist eine erfahrene Tagesmutter und geeignet, die angemessene Betreuung der Kinder zu gewährleisten. Während der berufsbedingten Abwesenheit der Kindesmutter wird die Kostenübernahme der Tagespflege unsererseits befürwortet."

Am 19.4.1998 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Auszahlung des Pflegegeldes nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz. Das hierbei verwendete Antragsformular hat unter anderem folgenden Wortlaut:

"Eine Kostenzusage kann nur schriftlich erfolgen. Sollten von Seiten des Jugendamtes die Kosten nicht übernommen werden, bleiben die antragsberechtigten Eltern gegenüber der Pflegeperson kostenerstattungspflichtig.

Uns ist bekannt, dass öffentliche Mittel bis zu dem Tage der Entlassung aus der Unterbringungsfamilie und nur im Fall der Bedürftigkeit gewährt werden."

Frau H. wurde vom Beklagten mit Schreiben vom 26.5.1998 und 20.7.1998 aufgefordert, Unterlagen bezüglich ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse vorzulegen. Nachdem dies nach Ansicht des Beklagten nicht in ausreichendem Maße erfolgt war, lehnte er einen - von Frau H. ausweislich der Akten nicht gestellten - Antrag auf Übernahme der Tagespflegekosten mit Bescheid vom 1.9.1998 ab Den Widerspruch von Frau H. wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 2.9.1999 zurück, gegen den Klage nicht erhoben wurde.

Den Antrag der Klägerin vom 19.4.1998 auf Auszahlung des Pflegegeldes nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz beschied der Beklagte nicht. Er vertrat die Ansicht, dass ein eigener Rechtsanspruch der Tagesmutter auf Förderung von Kindern in Form von Tagespflege nicht bestehe. Aufgrund des fehlenden Rechtsanspruchs der Tagesmutter sei eine rechtsmittelfähige Entscheidung über den Antrag der Klägerin vom 19.4.1998 auch nicht erforderlich.

Am 28.12.1999 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Karlsruhe mit dem Antrag Klage erhoben, den Beklagten zu verpflichten, ihr gegenüber die Kosten der Tagespflege für die Kinder Vanessa und Arabella xxxxxx in der Zeit vom 16.4.1998 bis 23.7.1998 in gesetzlicher Höhe zu übernehmen. Zur Begründung hat sie vorgetragen, § 23 Abs. 3 SGB VIII räume der Tagespflegeperson einen eigenen Anspruch auf Kostenerstattung gegen den Träger der Kinder- und Jugendhilfe ein. Für den Fall, dass sich für sie aus dieser Vorschrift keine Anspruchsberechtigung herleiten lasse, könne sie ihr Begehren auf Erstattung der Kosten auf den allgemeinen Folgenbeseitigungsanspruch stützen, weil das Jugendamt des Beklagten gegen die Beratungspflicht nach § 23 Abs. 2 SGB VIII verstoßen habe und ihr deswegen ein Schaden entstanden sei.

Der Beklagte hat Klagabweisung beantragt und zur Begründung ausgeführt, die Erforderlichkeit und Geeignetheit der Tagespflege für das Wohl der Kinder von Frau H. und auch die Geeignetheit der Klägerin sei von seinem Jugendamt bestätigt worden. Nach § 23 SGB VIII stünde der Tagesmutter jedoch kein Anspruch auf Aufwendungsersatz zu. Anspruchsberechtigt sei vielmehr allein die Personenberechtigte. Da jedoch deren wirtschaftliche Verhältnisse wegen fehlender Mitwirkung nicht abschließend hätten überprüft werden können, habe ein Anspruch auf Übernahme der Kosten der Tagespflege abgelehnt werden müssen. Ein Versäumnis bei der Beratung könne ihm nicht vorgeworfen werden. Die Klägerin sei unter Wahrung des Datenschutzes über den jeweiligen Sachstand informiert worden.

Mit Urteil vom 30.5.2001 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin könne ihr Begehren im Wege der Untätigkeitsklage verfolgen, weil der Beklagte über ihren Antrag vom 19.4.1998 nicht in angemessener Frist entschieden habe. Die Klage sei jedoch nicht begründet. Gemäß § 23 Abs. 1 SGB VIII könne zur Förderung der Entwicklung des Kindes eine Person vermittelt werden, die das Kind für einen Teil des Tages oder ganztags entweder in eigenen oder im Haushalt des Personensorgeberechtigten betreue. Eine derartige Vermittlung der Klägerin als Tagespflegeperson sei vorliegend durch das Jugendamt des Beklagten erfolgt. Dadurch habe das Jugendamt des Beklagten seinen Willen manifestiert, dass es die Förderung der Kinder von Frau H. durch Tagespflege als Aufgabe der Jugendhilfe leisten wolle. Im Hinblick darauf, dass die Klägerin vom Jugendamt als Tagespflegeperson vermittelt worden sei, sei sie gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII hinsichtlich der Aufwendungen für die Tagespflege anspruchberechtigt. Soweit der Beklagte die Auffassung vertrete, dass ein Rechtsverhältnis zwischen ihm und der Klägerin als Pflegeperson nicht bestehe, vielmehr der Personensorgeberechtigte anspruchsberechtigt sei, vermenge er auf unzulässige Weise den Anspruch des Personensorgeberechtigten auf Jugendhilfe nach § 23 SGB VIIII mit dem Anspruch der Pflegeperson auf Aufwendungsersatz nach § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII. Aus den Umstand, dass die Klägerin Anspruchsberechtigte hinsichtlich der Aufwendungen für die Tagespflege sei, ergebe sich jedoch nicht, dass der Beklagte diese Kosten auch übernehmen müsse. Anders als bei der erweiterten Hilfe nach § 92 Abs. 2 und 3 SGB VIII, bei der der Träger der Jugendhilfe zunächst die Kosten tragen müsse und dann im Nachhinein in einem gesonderten Verfahren einen Kostenbeitrag von der in § 92 SGB VIII genannten Person einfordern könne, komme eine Kostentragung des Trägers der Jugendhilfe nach § 92 Abs. 1 SGB VIII nämlich nicht in Betracht, wenn die in § 91 SGB VIII genannten Personen ausreichende Mittel hätten, um die Kosten der Jugendhilfe zu tragen. Es sei zwar unbekannt, ob Frau H. die Mittel für die Jugendhilfe aus ihrem Einkommen und Vermögen habe tragen können und ihr dies auch zuzumuten gewesen sei. Dies sei jedoch ohne Belang, da der Beklagte Frau H. gegenüber bestandskräftig eine Kostentragungspflicht abgelehnt habe. Zwar sei wohl davon auszugehen, dass die Ablehnung wegen mangelnder Mitwirkung rechtswidrig gewesen sei, denn die Kindsmutter sei ausweislich der Akten nur telefonisch und nicht schriftlich auf die Folgen fehlender Mitwirkung hingewiesen worden. Dies sei jedoch rechtlich ohne Bedeutung, da der Verfahrensfehler nicht zur Nichtigkeit des Ablehnungsbescheids geführt habe. Hiernach gehe der Anspruch der Klägerin auf Aufwendungsersatz nach § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII ins Leere, da bestandskräftig feststehe, dass der Beklagte die Kosten der Tagespflege im Fall von Frau H. nicht übernehmen müsse. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Aufwendungsersatz aufgrund eines Folgenbeseitigungsanspruchs. Ein derartiger Anspruch entstehe dann, wenn nach der Aufhebung eines Verwaltungsakts noch andauernde Folgen vorhanden seien. Diese Voraussetzungen lägen offensichtlich jedoch nicht vor. Der Klägerin stehe aber auch kein Schadenersatzanspruch aus Verletzung der Beratungspflicht nach § 23 Abs. 2 SGB VIII zu. Eine Verletzung der Beratungspflicht liege nicht vor, da die Klägerin in dem von ihr unterschriebenen Antragsformular auf die Modalitäten der Kostentragung durch das Jugendamt hingewiesen worden sei. Darüber hinaus fehle es für die Geltendmachung eines Schadenersatzanspruches auch an der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts.

Zur Begründung der vom Senat mit Beschluss vom 2.1.2002 zugelassenen Berufung trägt der Prozessvertreter der Klägerin vor, aus der bestandskräftigen Ablehnung des von Frau H. gestellten Antrags auf Kostenübernahme könne für das Verhältnis der Klägerin als Tagespflegeperson zum Beklagten als Träger der Jugendhilfe nichts entnommen werden. Die Tagespflegeperson habe nach § 23 Abs. 3 SGB VIII einen Anspruch auf Aufwendungsersatz, wenn sie im Sinne dieser Vorschrift vermittelt worden sei und die Geeignetheit und Erforderlichkeit der Tagespflege festgestellt worden sei. Dieser Aufwendungsersatzanspruch richte sich gegen den Träger der Jugendhilfe. Dem Nachrangprinzip werde dadurch Geltung verschafft, dass der Träger der Jugendhilfe die Eltern des Kindes zu den Kosten heranziehen könne. Diese Möglichkeit, dem Nachrangprinzip Geltung zu verschaffen, habe allerdings keine Auswirkungen auf den Aufwendungsersatzanspruch der Tagespflegeperson. Mit der Vermittlung der Tagespflegeperson gebe der Träger der Jugendhilfe zu erkennen, dass er die Jugendhilfe als eigene Aufgabe erfüllen wolle. Damit werde der Träger der Jugendhilfe auch zum Kostenschuldner des Aufwendungsersatzanspruchs der Tagespflegeperson. Ob es dem Träger der Jugendhilfe auch gelinge, die Eltern des Kindes zu Kosten heranzuziehen, berühre das Verhältnis der Tagespflegeperson zum Träger der Jugendhilfe nicht. Selbst wenn man der vom Verwaltungsgericht vertretenen Ansicht, dass die Kosten der Tagespflegeperson nur bei Bedürftigkeit der Eltern erstattet werden könnten, folgen würde, hätte auf den Antrag der Klägerin nochmals eine Inzidentkontrolle durchgeführt werden müssen. Es hätten die wirtschaftlichen Verhältnisse der leiblichen Mutter erneut in die Prüfung mit einbezogen werden müssen. Die Abweisung des Antrages der leiblichen Mutter habe keine Rechtswirkung auf den Antrag der Klägerin auf Aufwendungsersatz.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 30.5.2001 zu ändern und den Beklagten zu verpflichten, ihr die Kosten der Tagespflege für die Kinder Vanessa und Arabella xxxxxx für die Zeit vom 16.4.1998 bis 23.7.1998 zu ersetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt zur Begründung vor, das Pflegeverhältnis zwischen den Personensorgeberechtigten und der Pflegeperson bleibe auch nach der Vermittlung durch den Jugendhilfeträger ein privatrechtliches Rechtsverhältnis, aus dem heraus allein ein privatrechtlicher Aufwendungsersatzanspruch der Pflegeperson gegenüber dem Sorgeberechtigten entstehe. Allerdings ermögliche § 23 Abs. 3 SGB VIII in Durchbrechung dieses rein privatrechtlichen Verhältnisses die unmittelbare Befriedigung der Pflegeperson durch das Jugendamt. Ein Anspruch auf Pflegegeld gemäß § 23 Abs. 3 SGB VIII könne vom Jugendamt indes nur dann erfüllt werden, wenn entweder die Leistungserbringung zur Tagespflege in erweiterter Form erbracht worden sei oder aber - bei ergänzender Hilfegewährung - der Leistungsberechtigte seine wirtschaftlichen Verhältnisse lückenlos dargelegt habe und feststehe, dass mangels Einkommen oder Vermögen die Tagespflegekosten auch wirklich durch den Jugendhilfeträger zu übernehmen seien. Die von der Klägerin vorgetragene Variante einer Vorleistungspflicht des Jugendamtes bei Kostenbeteiligung der Sorgeberechtigten erst im Rahmen eines Kostenbeitrags im Nachhinein sei vorliegend nicht einschlägig; denn er erbringe im Bereich der Tagespflege grundsätzlich Leistungen nur in Form der ergänzenden Hilfe gemäß § 92 Abs. 1 SGB VIII. Die Gewährung von Hilfe in ergänzender Form zeichne sich aber durch eine strenge Einhaltung des Nachrangsgedankens aus. Es könne nicht angehen, dass dem Jugendhilfeträger nach den §§ 91 Abs. 2, 92 Abs. 1 und 3 SGB VIII zwar die Möglichkeit der ergänzenden Hilfegewährung eingeräumt werde, er jedoch gleichwohl bei Nichtmitwirken des Leistungsberechtigten, der eventuell über erhebliches Einkommen oder Vermögen verfüge, Vorausleistungen erbringen müsse, weil über die Regelung des § 23 Abs. 3 SGB VIII ausnahmsweise Aufwendungen vom Jugendamt auch an jemand anderen als den an sich Leistungsberechtigten nach § 23 Abs. 1 SGB VIII erbracht werden müssten. Hieran ändere auch der Umstand nichts, dass das Jugendamt die Klägerin als Tagespflegeperson vermittelt habe. Die Klägerin könne sich auch nicht darauf berufen, dass sie im Hinblick auf die Vermittlung als Tagespflegeperson durch das Jugendamt mit einer Erstattung der Kosten nach § 23 Abs. 3 SGB VIII habe rechnen können. Denn sie sei in dem von ihr unterzeichneten Formular vom 19.4.1998 darüber aufgeklärt worden, dass eine Übernahme der Tagespflegekosten nur im Falle der Bedürftigkeit erfolge und dass bei Nichtzahlung des Jugendamtes der antragsberechtigte Elternteil gegenüber der Pflegeperson kostenerstattungspflichtig sei.

Dem Senat liegen die Akten des Beklagten und des Verwaltungsgerichts vor. Hierauf und auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§§ 101 Abs. 1, 125 Abs. 1 VwGO).

Die zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die als Untätigkeitsklage zulässige Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Beklagte ist gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII zum Ersatz der Aufwendungen und Kosten verpflichtet, die der Klägerin in der Zeit vom 16.4.1998 bis 23.7.1998 durch die Übernahme der Tagespflege für die Kinder V.H. und A.H. entstanden sind.

Nach § 23 Abs. 1 SGB VIII kann vom Jugendhilfeträger zur Förderung der Entwicklung eines Kindes, insbesondere in den ersten Lebensjahren, eine Person vermittelt werden, die das Kind für einen Teil des Tages oder ganztags entweder im eigenen oder im Haushalt des Personensorgeberechtigten betreut (Tagespflegeperson). Wird eine geeignete Tagespflegeperson vermittelt und ist die Förderung des Kindes in Tagespflege für sein Wohl geeignet und erforderlich, so sollen dieser Person die entstehenden Aufwendungen einschließlich der Kosten der Erziehung ersetzt werden (§ 23 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII). Entsprechendes gilt, wenn das Jugendamt die Geeignetheit und Erforderlichkeit der Tagespflege für das Wohl des Kindes und die Eignung einer von den Personenberechtigten nachgewiesenen Pflegeperson feststellt (§ 23 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII). Der Anspruch auf Aufwendungs- und Kostenersatz nach § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII, der der Pflegeperson zusteht (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.9.1996 - 5 C 37.95 -, NDV-RD 1997, 100) ist hiernach an drei Voraussetzungen geknüpft: Erstens muss die Pflegeperson geeignet sein, zweitens muss sie vom Jugendamt vermittelt worden sein und drittens muss die Tagespflege für das Wohl des Kindes geeignet und erforderlich sein. Im vorliegenden Fall sind die genannten Voraussetzungen erfüllt: Die Tagespflege war für die beiden Kinder von Frau H. erforderlich. Dies ergibt sich ohne weiteres daraus, dass die personensorgepflichtige und alleinerziehende Frau H. tagsüber wegen der Aufnahme einer Berufstätigkeit ortsabwesend war und die Kinder in dieser Zeit der Betreuung bzw. Versorgung bedurften. Gleichermaßen war die Unterbringung der Kinder in Tagespflege für deren Wohl auch grundsätzlich geeignet, zumal eine andere Betreuungsform unter den gegebenen Umständen offensichtlich nicht in Betracht kam. Unstreitig hat der Beklagte die Klägerin auch im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB VII vermittelt, denn er hat die Klägerin Frau H. gegenüber als Tagespflegeperson benannt, womit er zugleich auch klargestellt hat, dass er die Klägerin als Tagespflegeperson geeignet ansah. Denn es versteht sich von selbst, dass das Jugendamt eine für das Wohl des Kindes ungeeignete Betreuungsperson nicht vermitteln dürfte.

Hiernach steht der Klägerin entgegen der vom Verwaltungsgericht vertretenen Ansicht der geltend gemachte Anspruch auf Aufwendungs- und Kostenersatz zu. Denn bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII sollen der Pflegeperson die entstehenden Aufwendungen einschließlich der Kosten der Erziehung ersetzt werden. Dass die Soll-Vorschrift den Jugendämtern ein Ermessen einräumt, ist für den Senat nicht ersichtlich. Aber selbst wenn man dieser Auffassung sein sollte, bedeutet das "Soll" im Regelfall ein "Muss". Nur bei Vorliegen von Umständen, die den Fall als atypisch erscheinen lassen, darf die Behörde anders verfahren und im atypischen Fall nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden (vgl. BVerwG, Urt. v. 2.7.1992 - 5 C 39.90 -, DÖV 1993, 74). Solche atypischen Umstände sind im Fall der Klägerin nicht ersichtlich. Der Sachverhalt weist vielmehr keine Besonderheiten auf, derentwegen der Aufwendungs- und Kostenersatz versagt werden dürfte. Der Beklagte hat insoweit auch nichts vorgetragen.

Dem von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungsersatzanspruch dessen Höhe sich, wie zwischen den Beteiligten wohl unstreitig ist, auf 3.282,50 DM beläuft, steht nicht entgegen, dass der Beklagte gegenüber Frau H. mit bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 1.9.1998 die Übernahme der Kosten der Tagespflege abgelehnt hat. Der Anspruch des Personensorgeberechtigten auf Förderung seines Kindes in Tagespflege und der Aufwendungsersatzanspruch der Pflegeperson nach § 23 Abs. 3 SGB VIII sind nämlich nicht identisch, sondern streng voneinander zu trennen, was auch schon daran deutlich wird, dass allein die Pflegeperson Inhaber des Aufwendungsersatzanspruchs nach § 23 Abs. 3 SGB VIII ist. Mit der rechtlichen "Verselbständigung" dieser beiden Ansprüche hat der Gesetzgeber unter anderem das Ziel verfolgt, der Tagespflegeperson eine größere Sicherheit im Hinblick auf den Erhalt des Aufwendungsersatzes zu bieten (vgl. Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl., § 23 RdNr. 36; Klinkhardt, SGB VIII § 23 RdNr. 10). Diesem Gesetzeszweck würde es jedoch diametral zuwiderlaufen, wenn man - wie der Beklagte - den Aufwendungs- und Ersatzanspruch der Pflegeperson davon abhängig machte, ob vom Personensorgeberechtigten verlangt werden kann, zu den vom Jugendhilfeträger an die Pflegeperson zu zahlenden Aufwendungen beizutragen. Dass dies vom Gesetzgeber nicht gewollt war, zeigt auch Folgendes: Nach dem Regierungsentwurf des § 22 Abs. 3 KJHG - jetzt § 23 Abs. 3 SGB VIII - war tatsächlich als - weitere - Voraussetzung für den Aufwendungsersatzanspruch der Pflegeperson vorgesehen, dass den Personensorgeberechtigten die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen nicht zuzumuten ist (vgl. BT-Drucks. 11/5948 S. 12). Auf Betreiben des Bundesrates wurde von der Aufnahme dieser Kautele jedoch abgesehen. Dies erhellt, dass nach dem Willen des Gesetzgebers der Aufwendungsersatzanspruch der Pflegeperson bereits dann zur Entstehung gelangen soll, wenn die in § 23 Abs. 3 Satz 1 oder Satz 2 SGB VIII geregelten Voraussetzungen gegeben sind. Inwieweit die Personensorgeberechtigten die Kosten der Tagespflege zu tragen haben, ergibt sich dann, soweit es um ihr Verhältnis zum Jugendamt geht, aus den §§ 91 Abs. 2, 92 Abs. 1 und 2 SGB VIII. Dies bleibt jedoch ohne Auswirkungen auf den Aufwendungsersatzanspruch der Tagespflegeperson. Fehl geht daher auch der Einwand des Beklagten, dass er im Bereich der Tagespflege grundsätzlich nur Leistungen in Form der ergänzenden Hilfe erbringe. Dass dies auch das Bundesverwaltungsgericht so sieht, lässt sich seinem Urteil vom 5.12.1996 - 5 C 51.95 - (FEVS 47, 489) entnehmen. Denn hier heißt es ausdrücklich (vgl. S. 7 und 8 des amtlichen Umdrucks):

"Ziel der Tagespflege als Aufgabe und Leistung der Jugendhilfe ist die Förderung der Entwicklung des Kindes (§ 23 Abs. 1 SGB VIII). Da dieses Ziel auch noch anderen - zuvörderst den Eltern - gesetzt ist, ist die Förderung des Kindes durch Tagespflege nur dann eine jugendhilferechtliche Maßnahme, wenn das Jugendamt eine konkrete Tagespflege anbietet, vermittelt oder (bei nachgewiesener Tagespflegeperson) akzeptiert, wenn also das Jugendamt im Einzelfall die Förderung durch Tagespflege als seine (der Jugendhilfe) Aufgabe erfüllen will. Diesen Willen, die Förderung des Kindes durch Tagespflege als Aufgabe der Jugendhilfe zu erfüllen, manifestiert das Jugendamt in den Fällen der Vermittlung (vgl. dazu § 23 Abs. 1 SGB VIII) bereits durch die Vermittlung. In diesen Fällen genügt es deshalb für die Leistung von Aufwendungsersatz im Rahmen der (bereits durch die Vermittlung eröffneten) Jugendhilfe, dass die Eignung der Tagespflegeperson und die Geeignetheit und Erforderlichkeit der Tagespflege vorliegen."

Der Berufung der Klägerin war nach alledem stattzugeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Ende der Entscheidung

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