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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 11.06.2003
Aktenzeichen: 7 S 82/01
Rechtsgebiete: BAföG


Vorschriften:

BAföG § 10 Abs. 3 Satz 1
BAföG § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3
BAföG § 10 Abs. 3 Satz 3
Zur Frage der Unverzüglichkeit der Studienaufnahme durch einen Spätaussiedler (hier verneint).
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

7 S 82/01

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Ausbildungsförderung

hat der 7. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg auf die mündliche Verhandlung vom 11. Juni 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Gehrlein und die Richter am Verwaltungsgerichtshof Klein und Bader

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 7. Juli 2000 - 1 K 329/98 - geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden Instanzen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Ausbildungsförderung für ein in Deutschland nach Überschreitung der Altersgrenze betriebenes Medizinstudium.

Der am 22.1.1963 geborene Kläger, ein Russe, kam als Ehegatte einer deutschen Spätaussiedlerin am 14.10.1995 aus Russland in die Bundesrepublik Deutschland. Er ist "Arzt der Sowjetunion" und wurde dort zum Arzt-Hygieniker und Epidemiologen ausgebildet (Diplom vom 26.6.1986). Des Weiteren absolvierte er in der ehemaligen Sowjetunion eine Ausbildung als Therapie- und Heilmasseur und wurde unter dem 13.7.1991 zur Ausübung des Masseurberufs zugelassen. Nach der Übersiedlung absolvierte der Kläger vom 6.11.1995 bis zum 3.5.1996 einen Intensivsprachkurs in Deutsch und war danach vom 1.8.1996 bis zum 28.2.1997 als Praktikant in der Krankenpflege am Kreiskrankenhaus O. tätig.

Das Landesprüfungsamt für Medizin und Pharmakologie Nordrhein-Westfalen rechnete unter dem 16.4.1996 das in Russland absolvierte Studium mit drei Jahren (sechs Semester) - davon vier vorklinische und zwei klinische Semester - auf ein Medizinstudium im Geltungsbereich der Approbationsordnung für Ärzte an. Die durchgeführten Prüfungen wurden als Ärztliche Vorprüfung und Erster Abschnitt der Ärztlichen Prüfung anerkannt.

Zum Sommersemester 1997 immatrikulierte sich der Kläger an der Universität Heidelberg im Studiengang Medizin und wurde in das siebte Fachsemester eingestuft. Am 28.4.1997 beantragte er beim Beklagten Ausbildungsförderung. Dieser lehnte den Antrag mit Bescheid vom 25.9.1997 ab, weil der Kläger die Altersgrenze von 30 Jahren überschritten und sein Studium nicht unverzüglich nach Wegfall des Grundes aufgenommen habe, der ihn an einer früheren Studienaufnahme gehindert habe. Die objektiv nächstmögliche Aufnahme des Medizinstudiums in einem höheren Semester hätte bereits zum Wintersemester 1996/97 erfolgen können. Tatsächlich habe sich der Kläger auch zu diesem Semester für eine Zulassung beworben - nachweislich jedoch nur an einer Universität (Universität Freiburg) -, und zwar ohne Erfolg. Der ergebnislose Zulassungsantrag nur in Freiburg stehe der Annahme einer unverzüglichen Studienaufnahme jedoch deswegen entgegen, weil der Kläger sich zum Wintersemester 1996/97 nicht auch direkt an anderen Hochschulen als "Quereinsteiger" beworben habe. Nach den von Seiten des Beklagten angestellten Ermittlungen hätte der Kläger z.B. an der Universität des Saarlandes zum Wintersemester 1996/97 für das siebte Semester einen Studienplatz erhalten können und gegebenenfalls wäre für ihn zu diesem Semester auch an der Universität Heidelberg ein Studienplatz zu bekommen gewesen, da freie Plätze vorhanden gewesen seien, die an die Bewerber entsprechend einem Losentscheid verteilt worden seien.

Der Kläger hatte hierzu unter dem 9.4.1997 gegenüber dem Beklagten ausgeführt: Er habe sich zum Wintersemester 1996/97 an mehreren Hochschulen um einen Studienplatz in einem höheren Semester beworben, jedoch von allen Hochschulen eine Ablehnung erhalten mit dem Hinweis, er müsse sich bei der ZVS bewerben. Dies habe er denn auch zum nächstmöglichen Termin, dem Sommersemester 1997, getan. Unter dem 9.1.1997 habe er von der ZVS jedoch die Mitteilung erhalten, dass diese Studienplätze im Studiengang Medizin nur für das erste Fachsemester verteile, er möge deshalb seine Bewerbung um einen Studienplatz unmittelbar an eine Hochschule richten. Nur durch eine Intervention der Otto-Benecke-Stiftung sei es ihm gelungen, für das Sommersemester 1997 einen Studienplatz an der Universität Heidelberg zu erhalten.

Auf die Bitte des Beklagten, Ablehnungsbescheide der angegangenen Hochschulen vorzulegen, hatte der Kläger unter dem 14.7.1997 erklärt, dass er andere Ablehnungsbescheide als den der Universität Freiburg vom 10.10.1996 für das Wintersemester 1996/97 nicht vorlegen könne. Von anderen Hochschulen habe er immer nur mündliche Absagen erhalten, verbunden mit dem Hinweis, dass er sich an die ZVS zu wenden habe. - In gleicher Weise hatte er sich auch unter dem 2.9.1997 gegenüber dem Beklagten geäußert.

Zur Begründung des gegen den Ablehnungsbescheid vom 25.9.1997 erhobenen Widerspruchs trug der Kläger ergänzend vor: Ihm hätten seinerzeit bereits die finanziellen Möglichkeiten gefehlt, sich für das Wintersemester 1996/97 an allen in Betracht kommenden deutschen Hochschulen um einen Studienplatz in Medizin zu bewerben. Für die Zusammenstellung der Bewerbungsunterlagen für 36 Hochschulen wären ihm Kosten von über 1.000,-- DM entstanden, welche er als Sozialhilfeempfänger nicht hätte tragen können. Auch sonst sei er den Schwierigkeiten, die bei der Studienplatzbewerbung bestünden, noch nicht gewachsen gewesen. Er habe noch Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache gehabt und sich mit den bürokratischen Gepflogenheiten nicht ausgekannt.

Nach weiteren Anfragen - u.a. bei den Universitäten Greifswald und Rostock - wies das Regierungspräsidium Stuttgart - Landesamt für Ausbildungsförderung Baden-Württemberg - mit Bescheid vom 7.1.1998 den Widerspruch zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Der Kläger habe sein Medizinstudium verspätet begonnen. Nach Absolvierung des Sprachkurses im Mai 1996 und der Anerkennung der in der ehemaligen Sowjetunion erbrachten Studienleistungen hätten einer Studienaufnahme bereits zum Wintersemester 1996/97 keine Hinderungsgründe mehr entgegen gestanden. Die amtlichen Ermittlungen hätten ergeben, dass zu diesem Semester an der Universität Heidelberg für den Kläger eine Zulassungschance über das Losverfahren bestanden hätte und an der Universität Saarbrücken eine Bewerbung erfolgreich gewesen wäre. Der Kläger habe jedoch nicht sämtliche ihm zumutbaren Bewerbungsmöglichkeiten genutzt. Die von diesem vorgetragenen telefonischen Absagen durch verschiedene Hochschulen seien nicht nachvollziehbar. Offensichtlich habe der Kläger erst am 4.12.1996 Kontakt mit der ZVS aufgenommen; dies aber sei zu einem Zeitpunkt gewesen, als die Frist für Zulassungsanträge zum Wintersemester 1996/97 bereits (am 15.7.1996) abgelaufen gewesen sei. Es sei dem Kläger durchaus zumutbar gewesen, in einer für dessen berufliches Fortkommen so entscheidenden Frage größere Anstrengungen in Form weiterer schriftlicher Bewerbungen, zumindest an wohnortnahen Hochschulen, zu tätigen. Das Vorbringen, der diesbezügliche Aufwand sei zu groß gewesen, könne nicht berücksichtigt werden. Ausweislich des vom Kläger vorgelegten Schreibens des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie vom 13.5.1996 (AS 76) seien die Zulassungsmodalitäten bei der ZVS für Aussiedler, die ihre im Herkunftsland erworbene Berufsausbildung ergänzen wollten, bei der Otto-Benecke-Stiftung durchaus bekannt.

Am 3.2.1998 hat der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben und sein Begehren weiterverfolgt: Er habe seine Ausbildung nicht verzögert. Nach Beendigung des Sprachkurses im Mai 1996 sei er noch nicht in der Lage gewesen, sich umfangreich über die Möglichkeiten der Eingliederung zu informieren, zumal er mit seiner Frau und den beiden damals 11- und 7-jährigen Kindern in dem kleinen Ort O. gelebt habe. Er habe, wenn er Informationen gebraucht habe, immer Bekannte bitten müssen, für ihn bei Behörden anzurufen. Die Familie habe damals von der Sozialhilfe gelebt. Es sei zunächst ein Schock für ihn gewesen, dass seine ärztliche Ausbildung in Deutschland nicht anerkannt worden sei. Er habe auch die Notwendigkeit gesehen, seine Sprachkenntnisse zu erweitern und habe sich deshalb an die Otto-Benecke-Stiftung gewandt. Von dieser habe er aber keine Hilfe erhalten können, da die Sprachkenntnisse, die er in dem von ihm besuchten Sprachkurs erworben habe, für einen von der Stiftung geförderten Aufbaukurs nicht ausreichten. Er sei deshalb gezwungen gewesen, seine Deutschkenntnisse in eigener Initiative zu verbessern. Hierdurch habe sich die schwierige Studienplatzsuche verzögert. Im Übrigen hätte angesichts seines Sprachstandes ein Studium bereits ab Mai 1996 auch noch keinen Sinn gehabt. Um einen Studienplatz an einem anderen Ort als Freiburg habe er sich nicht gekümmert, weil er der Meinung gewesen sei, dass ihm dies angesichts seiner familiären Situation nicht möglich sei und er gedacht habe, in Freiburg einen Studienplatz zu erhalten. Wenn die Behörde ihm vorwerfe, die Studienaufnahme schuldhaft verzögert zu haben, so stelle sie bei ihm als einem Spätaussiedler, der noch die deutsche Sprache habe erlernen und sich im schwierigen Bildungssystem der Bundesrepublik habe zurecht finden müssen, zu hohe Anforderungen. Er habe das ihm Mögliche getan; angesichts seines Alters habe es in seinem eigenen Interesse gelegen, die Ausbildung so bald wie möglich aufzunehmen.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zu verpflichten, ihm für den Bewilligungszeitraum April 1997 bis März 1998 Ausbildungsförderung für sein Medizinstudium in Heidelberg in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat auf die Gründe des Widerspruchsbescheides Bezug genommen.

Durch Urteil vom 7.7.2000, dem Beklagten zugestellt am 20.7.2000, hat das Verwaltungsgericht nach dem Klagantrag erkannt und hierzu im Wesentlichen ausgeführt: Dem Kläger könne nicht die Bestimmung des § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG entgegengehalten werden. Diese Regelung gelte nämlich nach Satz 2 Nr. 3 dieser Vorschrift nicht, wenn der Auszubildende aus persönlichen oder familiären Gründen gehindert gewesen sei, den Ausbildungsabschnitt rechtzeitig zu beginnen. Er müsse allerdings nach Satz 3 der Vorschrift die Ausbildung unverzüglich nach dem Wegfall der Hinderungsgründe aufgenommen haben.

Der Kläger sei unstreitig vor Vollendung seines 30. Lebensjahres gehindert gewesen, ein Medizinstudium in Deutschland zu absolvieren. Es dürfe nach Abwägung aller Umstände davon ausgegangen werden, dass der Kläger erst zum Sommersemester 1997 in der Lage gewesen sei, hier ein Medizinstudium im siebten Fachsemester zu beginnen und erfolgreich zu betreiben. Der Kläger sei gebürtiger Russe und habe vermutlich erst im Herbst 1995 vor der Notwendigkeit gestanden, die deutsche Sprache in Wort und Schrift so zu erlernen, dass er ein Hochschulstudium in Deutschland absolvieren könne. Es sei völlig nachvollziehbar, dass er als damals 32 Jahre alter Mann nicht nur einen halbjährigen Intensivkurs benötigt habe, um sprachlich einem Medizinstudium in den klinischen Semestern an einer deutschen Universität gewachsen zu sein. Es könne dahingestellt bleiben, ob auch das dem Kläger unbekannte deutsche Bildungssystem mit seiner schwierigen Studienplatzvergabe in sogenannten Numerus-clausus-Fächern es dem Kläger unmöglich gemacht habe, sein Studium schon zum Wintersemester 1996/97 zu beginnen. In jedem Falle sei es vernünftig und förderlich für ein erfolgversprechendes Studium gewesen, dass der Kläger sich als Praktikant von August 1996 bis März 1997 am Kreiskrankenhaus O. verdingt habe. Nur dadurch habe er die Möglichkeit gehabt, in den deutschen "Medizinbetrieb" Einblick zu erhalten und die Sprachkenntnisse zu erwerben, die in den klinischen Semestern eines Medizinstudiums in Deutschland in den Lehrveranstaltungen und auch in den Fachgesprächen vorausgesetzt würden. Ein allgemeiner Sprachkurs sei zur zureichenden Vermittlung der hier üblichen Fachsprache nicht ausreichend. Es könne somit nicht von schuldhaftem Zögern gesprochen werden, wenn der Kläger erst im Sommersemester 1997 sein Studium an der Universität Heidelberg begonnen habe.

Zur Begründung der durch Beschluss des Senats vom 8.1.12001 zugelassenen Berufung trägt der Beklagte ergänzend vor: Nach den objektiven Umständen habe der Kläger die Möglichkeit gehabt, zum Wintersemester 1996/97 sein Studium aufzunehmen. Auf Anfrage des Beklagten hätten die Universitäten Greifswald und Rostock sowie insbesondere die Universität des Saarlandes in Saarbrücken mitgeteilt, dass der Kläger zum Wintersemester 1996/97 eine Zulassung für das siebte Semester im Fach Medizin hätte erhalten können. Der Kläger habe die sprachliche Grundlage für die Aufnahme eines Studiums durch einen - abgeschlossenen - Intensiv-Deutschkurs gelegt und sich - aus Kapazitätsgründen vergeblich - bei der Universität Freiburg zum Wintersemester 1996/97 um einen Studienplatz beworben.

Durch teils ungenaue, teils unvollständige Auswertung der objektiven Umstände, gepaart mit reinen Vermutungen, gelange das Gericht zu einer nach Auffassung des Beklagten fehlerhaften Bewertung der subjektiven Umstände. So vermute das Gericht zugunsten des Klägers, dass dieser erst im Herbst 1995 vor der Notwendigkeit gestanden habe, die deutsche Sprache in Wort und Schrift so zu erlernen, dass er ein Hochschulstudium absolvieren könne. Auch wenn sich erst nach seiner Ausreise herausgestellt haben sollte, dass er noch einige klinische Semester studieren müsse, könne die Notwendigkeit, die deutsche Sprache zu beherrschen, für den vom Kläger gewünschten Fall, in Deutschland direkt seinen Arztberuf aufüben zu können, keineswegs geringer eingeschätzt werden. Auf diese Notwendigkeit hätte sich der Kläger bereits geraume Zeit vor seiner Übersiedlung nach Deutschland einstellen können. Es sei auch keineswegs sicher, dass der Kläger vor Vollendung des 30. Lebensjahres gehindert gewesen sei, in Deutschland ein Medizinstudium zu absolvieren.

Wenn aber tatsächlich, wie bisher unbesehen angenommen, Hinderungsgründe bestanden haben sollten, das Studium vor dem 30. Lebensjahr zu beginnen, wären diese objektiv spätestens zum Wintersemester 1996/97 entfallen gewesen. Mit dem vom Verwaltungsgericht völlig außer Acht gelassenen Umstand, dass der Kläger sich tatsächlich für das Wintersemester 1996/97 in Freiburg beworben habe, habe dieser selbst dokumentiert, dass er in verbesserungsbedürftigen Sprachkenntnissen keinen Hinderungsgrund für die Studienaufnahme gesehen habe. Außerdem hätte er nach seinem im Mai 1996 beendeten Sprachkurs die Möglichkeit gehabt, bis zum Vorlesungsbeginn Mitte Oktober 1996 seine Sprachkenntnisse noch zu erweitern. Dem Kläger hätte dann in Deutschland bis zum Studienbeginn jedenfalls ein volles Jahr zum Erlernen der deutschen Sprache zur Verfügung gestanden.

Es sei dem Kläger vorzuwerfen, dass er nicht alle Anstrengungen unternommen habe, sobald wie möglich mit dem Studium zu beginnen, sondern stattdessen eine Stelle als Praktikant am Kreiskrankenhaus O. angenommen habe, was nicht dem gezielten Erwerb von Sprachkenntnissen gedient habe, sondern der Anerkennung als Krankenpfleger, womit er seiner Massageausbildung noch eine weitere Berufsqualifikation auf diesem Niveau hinzugefügt habe.

Mit seinen Ausführungen, nur durch das Praktikum habe der Kläger die Möglichkeit gehabt, Einblick in den deutschen "Medizinbetrieb" zu erhalten und die Sprachkenntnisse zu erwerben, die in den klinischen Semestern in den Lehrveranstaltungen und Fachgesprächen vorausgesetzt würden, übersehe das Verwaltungsgericht, dass ein hier aufgewachsener deutscher Student vor seinem Studium auch keinen Einblick in den deutschen "Medizinbetrieb" zu haben pflege und sich die Fachterminologie gleichfalls erst im Studium erarbeiten müsse. Demgegenüber habe der Kläger bereits rund 10 Jahre lang als Arzt in der ehemaligen Sowjetunion Einblick in den "Medizinbetrieb" gehabt, der in der klassischen Medizin weltweit keine gravierenden Unterschiede aufweisen dürfte.

Es entlaste den Kläger nicht, wenn er meine, wegen seiner Familie habe er sich nur in Freiburg beworben. Ebensowenig könne den Kläger seine Begründung entlasten, es sei eine zu hohe Anforderung an ihn als Spätaussiedler, der noch die deutsche Sprache habe lernen müssen, sich im schwierigen deutschen Bildungssystem zurechtfinden zu müssen. Er habe frühzeitig Beratung, Betreuung und finanzielle Förderung durch die Otto-Benecke-Stiftung gehabt und habe spätestens durch das Schreiben des Landesversorgungsamts Nordrhein-Westfalen vom 16.4.1996 gewusst, dass er sich mit seinem Anrechnungsbescheid bei den Hochschulen unmittelbar habe bewerben können. Im Übrigen gehe es zu Lasten eines Auszubildenden, wenn er sich über Hilfs- und Fördermöglichkeiten nicht rechtzeitig und gründlich unterrichte.

Der Kläger habe nach Auskunft des Landesprüfungsamtes den 2. Abschnitt der ärztlichen Prüfung im Herbst 1999 und auch in der Wiederholung im Frühjahr 2000 nicht bestanden und sich zu dieser Prüfung bislang nicht wieder angemeldet. Er habe für sein Studium von April 1997 bis Juni 2000, also bis zur Förderungshöchstdauer, durch die Otto-Benecke-Stiftung volle Förderung aus dem sog. Akademikerprogramm erhalten, welches aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung finanziert werde.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens in der Berufungsinstanz wird auf die Schriftsätze vom 22.2.2001 und vom 4.6.2003 Bezug genommen.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der nicht nach § 67 Abs. 1 VwGO vertretene Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Er trägt zum Vorbringen des Beklagten in der Berufungsinstanz vor:

Der Beklagte gehe anscheinend davon aus, der Kläger und seine Familie hätten vier bis fünf Jahre auf die Erteilung des Aufnahmebescheides gewartet. Dies sei jedoch nicht zutreffend. Der Antrag sei am 25.6.1993 beim Bundesverwaltungsamt eingegangen, der Aufnahmebescheid datiere vom 4.4.1995. Der Kläger und seine Familie seien am 14.10.1995, also etwa zwei einviertel Jahre nach der Antragstellung, nach Deutschland eingereist.

Nachdem der Kläger und seine Frau den Entschluss gefasst hätten, nach Deutschland auszusiedeln, hätten sie sich bemüht, in Sprachkursen ihre Deutschkenntnisse zu verbessern. Es habe in Omsk aber keine Sprachkurse des Goethe-Instituts gegeben. Auch andere, von der Bundesregierung finanzierte Sprachkurse seien jedenfalls damals nicht angeboten worden. Sie hätten deshalb bei einer Privatlehrerin Unterricht genommen, was aber leider überhaupt nicht effektiv gewesen sei.

Unmittelbar nachdem sie am 14.10.1995 nach Deutschland gekommen seien, habe das Arbeitsamt einen Sprachkurs angeboten. Dieser habe vom 6.11.1995 bis 3.5.1996 gedauert. Dabei habe es sich um einen Kurs gehandelt, der nicht ausdrücklich für Akademiker durchgeführt werde. Die Qualität dieser Kurse sei sehr gering und für einen beruflichen Einstieg nicht ausreichend. Wie gering der Spracherwerbswert des Kurses gewesen sei, sei dem Kläger erst richtig klar geworden, als er sich bei der Otto-Benecke-Stiftung um einen weiteren Kurs bemüht habe, was ihm allerdings wegen eines zu geringen Kenntnisstandes in der Grammatik abgelehnt worden sei. Er sei nach alledem im Mai 1996 noch nicht in der Lage gewesen, sich umfassend um seine berufliche Eingliederung zu kümmern.

Weiter sei Folgendes zu berücksichtigen: In Russland habe er eine Ausbildung zum Hygienearzt absolviert. Diese Ausbildung habe früher in Deutschland nach Ableistung einer eineinhalbjährigen sogenannten Anpassungszeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs berechtigt. Erst im Februar 1994 sei die Anerkennungspraxis geändert worden, so dass von diesem Zeitpunkt an die Notwendigkeit bestanden habe, nochmals ein Studium durchzuführen, um in Deutschland als Arzt tätig sein zu können. Erst nach seiner Einreise nach Deutschland habe er erfahren, dass er nochmals studieren müsse. Das BAföG mit seiner Altersgrenze sei ihm gleichfalls nicht bekannt gewesen.

Nach der Anrechnungsbescheinigung des Landesversorgungsamts Nordrhein-Westfalen seien ihm sechs Semester anerkannt worden. Was dies bedeute, scheine dem Beklagten nicht klar zu sein. Wenn dieser behaupte, es sei für den Kläger nicht erforderlich gewesen, einen Einblick in den deutschen Medizinbetrieb zu erhalten und die deutsche Fachterminologie zu erwerben, so möge er doch einmal einen deutschen Studenten des siebten Semesters nennen, welcher noch nie ein deutsches Krankenhaus von innen gesehen habe, die dort verwendeten Geräte nicht kenne und über keinen Fachwortschatz verfüge. Es wäre, so müsse der Kläger im Nachhinein feststellen, grob leichtsinnig gewesen, ohne solche Kenntnisse schon im Wintersemester 1996/97 mit dem Studium zu beginnen.

Dass der Kläger bei seiner ZVS-Bewerbung zum Sommersemester 1997 Heidelberg als ersten Ort gewählt habe, habe daran gelegen, dass für dieses Semester eine Bewerbung an der Universität Freiburg nicht möglich gewesen sei. Heidelberg sei dann die nächst gelegene Hochschule gewesen. Dem Kläger als Vater von zwei kleinen Kindern, die durch den Umzug nach Deutschland in ein für sie ganz anderes Kulturgebiet mit erheblichen Umstellungsschwierigkeiten konfrontiert worden seien, sei es nicht zuzumuten gewesen, einen Studienplatz an einem weit entfernten Ort anzunehmen, von wo aus er wegen der Kosten höchstens alle vier Wochen oder von Rostock aus gar höchstens einmal im Semester hätte zu seiner Familie fahren können. Ein Umzug seiner Familie sei wegen des Schulbesuchs seiner Kinder und wegen des Wohnortzuweisungsgesetzes, das einen Umzug verbiete, nicht in Betracht gekommen.

Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben des Klägers vom 27.4.2001 Bezug genommen.

Dem Senat liegen vor die Akten des Beklagten, des Regierungspräsidiums Stuttgart und des Verwaltungsgerichts Karlsruhe. Hierauf und auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze wird Bezug genommen. Die bezeichneten Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Der Senat ist nicht gehindert, über die Berufung zu entscheiden, obwohl der Kläger zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen und auch nicht gemäß § 67 VwGO vertreten war. Denn dieser ist in dem angefochtenen Urteil über das Vertretungserfordernis nach § 67 VwGO belehrt und bei der Ladung darauf hingewiesen worden, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann (§ 125 Abs. 1 i.V.m. § 102 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage abweisen müssen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 VwGO). Denn der Kläger hatte die Altersgrenze des § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG bei Aufnahme seines Medizinstudiums an der Universität Heidelberg bereits überschritten (1.) und nach dem Wegfall des Hindernisses (§ 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BAföG) die Ausbildung nicht unverzüglich (§ 10 Abs. 3 Satz 3 BAföG) aufgenommen (2.):

1.) Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG, wird Ausbildungsförderung nicht geleistet, wenn der Auszubildende bei Beginn des Ausbildungsabschnitts, für den er Ausbildungsförderung beantragt, das 30. Lebensjahr vollendet hat. Letzteres ist hier insofern der Fall, als der am 22.1.1963 geborene Kläger erst im Sommersemester 1997, also nach Vollendung seines 30. Lebensjahres, an der Universität Heidelberg in dem Studiengang Medizin immatrikuliert wurde. Allerdings hat der Kläger in der früheren Sowjetunion eine Ausbildung zum Arzt absolviert und wurde durch Diplom vom 26.6.1986 als Arzt anerkannt. Diese Ausbildung war vor Vollendung des 30. Lebensjahres begonnen und auch beendet worden. Doch wird diese Ausbildung in der Bundesrepublik nicht (voll) anerkannt; der Kläger kann mit dem Diplom als "Arzt der Sowjetunion" sich hier nicht als Arzt niederlassen. Deshalb war er gehalten, sich in der Bundesrepublik um einen Studienplatz in Medizin zu bewerben. Es wurden ihm allerdings - wie im Tatbestand im Einzelnen dargestellt - von dem früheren Studium sechs Semester (davon vier vorklinische und zwei klinische Semester) anerkannt (vgl. AS 9). Auf der Grundlage dieser Anrechnungsentscheidung wurde der Kläger von der Universität Heidelberg im Sommersemester 1997 (seinem ersten Hochschulsemester in der Bundesrepublik) in das siebte Fachsemester eingestuft (vgl. die Immatrikulationsbescheinigung bei AS 5 - Rückseite -).

Man könnte im Hinblick auf diese Anrechnung erwägen, der "Beginn des Ausbildungsabschnitts" (§ 10 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 5 Satz 2 und § 15 b Abs. 1 BAföG) sei rechtlich um die Zeit der angerechneten früheren Ausbildungszeiten vorzuverlegen (vgl. hierzu etwa OVG Berlin, Beschl. v. 20.4.1978, FamRZ 1978, 739, sowie Rothe/Blanke, BAföG, 3. Aufl. - Stand Sept. 1980 -, Erl. 11.2 zu § 10 - jeweils zu § 10 Abs. 3 BAföG a.F. -). Doch würde auch dies dem Kläger nichts nutzen. Denn bei einem Beginn des Studiums an der Universität Heidelberg ab dem Sommersemester 1997 und einer Anrechnung von sechs Semestern könnte allenfalls von einem (fiktiven) früheren Beginn des Ausbildungsabschnitts (vgl. Rothe/Blanke, BAföG, 5. Aufl. - Stand Dez.2000 -, Erl. 8.2 zu § 10) ab dem Sommersemester 1994 ausgegangen werden. Dieser Zeitpunkt würde aber noch immer nach der Vollendung des 30. Lebensjahres des Klägers (22.1.1993) liegen. Im Übrigen ist in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass die Bedeutung der Anrechnung früherer Studienzeiten sich regelmäßig darin erschöpft, dass der Student, wenn er sich am Ende seines nunmehr gewählten Studiums um die Zulassung zur Prüfung bemüht, von dem Erfordernis der Mindeststudienzeiten befreit und unter Anrechnung der Vorstudienzeiten entsprechend früher zur Prüfung zugelassen wird, sofern er die weiteren Zulassungsvoraussetzung erfüllt (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 22.1.1983, FamRZ 1984, 1163, 1164, sowie Rothe/Blanke, a.a.O., Erl. 8.2 zu § 10). Es hat nach alledem dabei zu verbleiben, dass der Kläger i.S.d. § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG bei Beginn des Ausbildungsabschnitts das 30. Lebensjahr bereits vollendet hatte.

2.) Im Falle des Klägers als einem Spätaussiedler ist grundsätzlich vom Vorliegen einer Ausnahme nach § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BAföG auszugehen (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 28.4.1998, FamRZ 1998, 1398, sowie Rothe/Blanke, a.a.O., Erl. 17 zu § 10; vgl. auch Tz. 10.3.4 a BAföG-VwV). Allerdings findet diese Bestimmung gemäß § 10 Abs. 3 Satz 3 BAföG nur dann Anwendung, wenn der Auszubildende die Ausbildung unverzüglich nach dem Wegfall der Hinderungsgründe (vgl. hierzu Rothe/Blanke, a.a.O., Erl. 13 zu § 10) aufnimmt. Hiervon kann im vorliegenden Falle indessen nicht ausgegangen werden:

Nachdem der Kläger bereits bei seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik das 30. Lebensjahr (§ 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG) überschritten hatte, konnte von ihm verlangt werden (§ 10 Abs. 3 Satz 3 BAföG), um eine zügige Aufnahme der angestrebten Ausbildung in besonderem Maße bemüht zu sein. Die in § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG festgelegte Altersgrenze ist Ausdruck der jugendpolitischen Zielsetzung des BAföG (vgl. hierzu BT-Drucks. 8/2467, S. 15, sowie Rothe/Blanke, a.a.O., Erl. 1.2 und 4 zu § 10). Von daher dürfen einem kurz vor Erreichen der Altersgrenze stehenden Förderungsbewerber im hier maßgeblichen Zusammenhang höhere Anstrengungen abverlangt werden, als es bei einem deutlich jüngeren Bewerber der Fall ist (vgl. den Beschluss des Senats vom 16.8.1993 - 7 S 1051/93 -). Gleiches gilt, wenn - wie hier - die Altersgrenze beim Wegfall der Hinderungsgründe bereits überschritten ist. Diesen Anforderungen hat der Kläger indessen nicht genügt:

Er hätte - wie der Beklagte unter Bezugnahme auf die von ihm angestellten Erhebungen im Schriftsatz vom 22.2.2001 im Einzelnen darlegt (VGH Bl. 35) - bereits im Wintersemester 1996/97 und nicht erst im Sommersemester 1997 an den Universitäten in Saarbrücken, Greifswald und Rostock einen Studienplatz in Medizin erhalten können, wenn er sich hierfür beworben hätte. Beworben hat der Kläger sich für dieses Semester aber - vergeblich - nur an der Universität Freiburg. Nach seinen Ausführungen im Schriftsatz vom 27.4.2001 (VGH Bl. 51) geschah dies deshalb, weil Freiburg der seinem Wohnort Oberkirch nächstgelegene Hochschulort war. Sofern aber - wie hier hinsichtlich der Zulassung zu einem Medizinstudienplatz in einem höheren Semester - ein zentrales Vergabeverfahren nicht stattfindet, ist grundsätzlich die Bewerbung bei allen Ausbildungsstätten erforderlich, an denen die gewünschte Ausbildung absolviert werden kann (vgl. OVG Münster, Urt. v. 20.11.1990, FamRZ 1991, 745). Schon dem aber ist der Kläger nicht nachgekommen.

Soweit der Kläger in seiner Widerspruchsbegründung in diesem Zusammenhang ausgeführt hat, er habe als damaliger Sozialhilfeempfänger nicht genügend Geldmittel gehabt, um sich an allen in Betracht kommenden Hochschulen zu bewerben, ist darauf hinzuweisen, dass er in diesem Falle beim Sozialamt sog. "Hilfe in besonderen Lebenslagen" (vgl. etwa § 27 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BSHG) hätte beantragen können. Im Übrigen waren im Widerspruchsbescheid vom 7.1.1998 (S. 5) insoweit lediglich "weitere schriftliche Bewerbungen, zumindest an wohnortnahen Hochschulen" verlangt worden.

Auch das Vorbringen in der Berufungserwiderung vom 27.4.2001 (VGH Bl. 51), das Wohnortzuweisungsgesetz hätte einen Umzug an einen anderen Ort verboten, ist nicht durchschlagend: Zwar konnte nach § 2 Abs. 1 des Gesetzes über die Festlegung eines vorläufigen Wohnortes für Spätaussiedler i.d.F. der Bekanntmachung vom 26.2.1996 (BGBl. I S. 225) dem Kläger und seiner Familie (vgl. hierzu § 1 Abs. 2 des Gesetzes) ein vorläufiger Wohnort - hier O. - zugewiesen werden. Doch wäre diese Zuweisung nach § 2 Abs. 4 des erwähnten Gesetzes "gegenstandslos" geworden, wenn der Kläger nachgewiesen hätte, dass ihm ein Studienplatz an einem anderen Ort zugeteilt worden sei.

Wie im Tatbestand im Einzelnen dargestellt, hat der Kläger in der Zeit von August 1996 bis März 1997, also während der Zeit des Wintersemesters 1996/97, in der er bei entsprechender Bewerbung bereits hätte studieren können, am Kreiskrankenhaus O. ein Praktikum absolviert. Nach der von der Pflegedienstleitung dieses Krankenhauses eingeholten Auskunft vom 26.5.1997 (AS 44) hat es sich dabei um das "Kennenlernen von Tätigkeiten aus der Krankenpflege" gehandelt. Nach einem ergänzenden Vermerk vom 30.5.1997 (AS 44) habe es sich dabei um "kein Praktikum für eine bestimmte Ausbildung" gehandelt; es sei eigentlich eine Tätigkeit gewesen, "um in den Pflegeberuf hineinzuschnuppern". Das Verwaltungsgericht führt in diesem Zusammenhang aus, es sei in jedem Falle vernünftig und erforderlich für ein erfolgversprechendes Studium gewesen, dass der Kläger sich als Praktikant am Kreiskrankenhaus O. verdingt habe. Nur dadurch habe er die Möglichkeit gehabt, in den deutschen "Medizinbetrieb" Einblick zu erhalten und die Sprachkenntnisse zu erwerben, die in den klinischen Semestern eines Medizinstudiums in Deutschland in den Lehrveranstaltungen und auch in den Fachgesprächen vorausgesetzt würden.

Hiergegen wendet sich der Beklagte zu Recht: Grundsätzlich ist es zwar zutreffend, dass einem Aussiedler ein angemessener Zeitraum zu gewähren ist, um die Sprache zu erlernen (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.4.1998, FamRZ 1998, 1398, 1399). Es kann im vorliegenden Falle aber nicht unbeachtet bleiben, dass - worauf das Verwaltungsgericht allerdings nicht weiter eingegangen ist - der Kläger sich tatsächlich bereits für das Wintersemester 1996/97 um einen Studienplatz (an der Universität Freiburg) beworben und damit - wie der Beklagte S. 4 des Schriftsatzes vom 22.2.2001 (VGH Bl. 39) zu Recht ausführt - selbst dokumentiert hatte, dass er in verbesserungsbedürftigen Sprachkenntnissen keinen Hinderungsgrund für eine Studienaufnahme sah. Gleiches gilt für den vom Verwaltungsgericht angesprochenen Einblick in den "Medizinbetrieb" im Bundesgebiet. Hat der Kläger sich aber bereits zu diesem Zeitpunkt selbst als "studierfähig" angesehen, erfolgte die Studienaufnahme erst zum nachfolgenden Sommersemester 1997 nicht unverzüglich. Der Umstand, dass der Kläger Freiburg als für ihn und seine Familie günstigsten Hochschulort angesehen und sich deshalb für das Wintersemester 1996/97 allein für diese Universität beworben hat, ist kein anerkennenswerter persönlicher Grund, der den Studienbeginn zu einem späteren Zeitpunkt rechtfertigte (vgl. Rothe/Blanke, a.a.O., Erl. 17.1 zu § 10).

3.) Hat der Kläger nach alledem die Ausbildung nicht unverzüglich aufgenommen, steht die Überschreitung der Altersgrenze des § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG einer Förderung des Studiums nach Ausbildungsförderungsrecht entgegen. Den Kläger trifft dies nicht unverhältnismäßig (vgl. hierzu BVerfG, Beschl. v. 3.7.1985, BVerfGE 70, 230, 241 - zu § 7 Abs. 3 BAföG -). Denn - wie sich aus den vom Beklagten vorgelegten Akten ergibt - dem Kläger ist für sein Studium von April 1997 bis Juni 2000, also bis zur Förderungshöchstdauer, durch die Otto-Benecke-Stiftung volle Förderung aus dem sogenannten Akademikerprogramm gewährt worden, welches aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung finanziert wird (vgl. hierzu auch den Bericht der Bundesregierung über die Erfahrungen mit der Altersgrenze in der Ausbildungsförderung, BT-Drucks. 11/2823, Ziff. 3.2.4, S. 4/5, sowie OVG Koblenz, Urt. v. 11.6.1992, FamRZ 1993, 615, 616). Der vorliegende Fall zeigt allerdings wiederum die bereits in dem Bericht der Bundesregierung, a.a.O., angesprochenen Probleme von Aussiedlern, die die beabsichtigte Ausbildung erst nach Vollendung des 30.Lebensjahres beginnen (können).

4.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 188 Satz 2 VwGO)

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist.

Ende der Entscheidung

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