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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 16.12.2002
Aktenzeichen: 8 S 1289/02
Rechtsgebiete: WG


Vorschriften:

WG § 73
WG § 70 Abs. 2
§ 73 WG ermächtigt die Gemeinden nicht dazu, die Eigentümer und Besitzer von Grundstücken, die durch einen Hochwasserschutzdamm Vorteile haben, zu Beiträgen für dessen erstmalige Errichtung heranzuziehen.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

8 S 1289/02

Verkündet am 16.12.2002

In der Verwaltungsrechtssache

wegen

Ausbaubeitrags für Hochwasserschutzdamm

hat der 8. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Prof. Dr. Schmidt sowie die Richter am Verwaltungsgerichtshof Schenk und Rieger auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 13. Dezember 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 8. März 2002 - 18 K 4461/00 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Berechtigung der Klägerin, Beiträge für die erstmalige Errichtung eines Hochwasserschutzdamms von den dadurch begünstigten Grundstückseigentümern oder -besitzern zu erheben.

Die Klägerin errichtete ab Juni 1997 einen Damm zum Schutz der im Geltungsbereich ihres Bebauungsplans "Krautlose" - einem seit dem Jahre 1986 festgesetzten Überschwemmungsgebiet - gelegenen Grundstücke vor Hochwasser. Zur teilweisen Deckung der Kosten für diese Maßnahme hatte sie am 14.4.1997 eine Satzung über die Erhebung von Beiträgen für den Bau dieses Damms erlassen. Auf dieser Rechtsgrundlage forderte sie mit Bescheid vom 8.7.1997 von der Beigeladenen eine Vorausleistung in Höhe von 34.738,62 DM auf den künftig entstehenden Ausbaubeitrag. Mit ihrem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Beigeladene u.a. geltend, die Beitragserhebung sei nicht durch § 73 WG gedeckt, da dieser nur von "Unterhaltung und Ausbau" von Hochwasserschutzdämmen spreche.

Nachdem das Verwaltungsgericht Stuttgart in einem von einem anderen Grundstückseigentümer im Gebiet "Krautlose" angestrengten Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung von dessen Widerspruch angeordnet und dies damit begründet hatte, dass § 73 WG nur eine Ermächtigung zur Erhebung von Beiträgen für solche Maßnahmen vorsehe, die von der Unterhaltungs- bzw. Ausbauverpflichtung umfasst seien, machte sich das Landratsamt Ludwigsburg diese Rechtsansicht zu eigen und hob mit Widerspruchsbescheid vom 17.8.2000 den Vorausleistungsbescheid der Klägerin vom 8.7.1997 auf.

Die Klägerin hat am 18.9.2000 beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben und die Aufhebung dieses Widerspruchsbescheids beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, dass der Wortlaut des § 73 WG der Beitragserhebung nicht entgegenstehe. Diese Vorschrift müsse sinnvoll dahingehend ausgelegt werden, dass selbstverständlich auch die Kosten für die Errichtung des Damms abgewälzt werden könnten.

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 8.3.2002 die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, nach der abschließenden und in ihrem Wortlaut eindeutigen Regelung in § 73 WG könnten Beiträge nur für die Unterhaltung und den Ausbau eines Hochwasserschutzdammes erhoben werden. Etwas Anderes könne auch nicht aus anderen wasserrechtlichen Bestimmungen abgeleitet werden. So erkläre das Gesetz für Leitdämme, deren Aufgabe es sei, das Hochwasser im Interesse eines ordnungsgemäßen Wasserabflusses zu leiten, die Regelung über Unterhaltung und Ausbau oberirdischer Gewässer für anwendbar. Hierfür sei - anders als bei Schutzdämmen - eine eigenständige Regelung im Gesetz getroffen worden. Eine entsprechende Auslegung des § 73 WG lasse sich auch nicht damit rechtfertigen, dass die Gemeinden andernfalls versucht sein könnten, zweistufig vorzugehen, nämlich zunächst auf eigene Kosten nur einen Minimaldamm zu errichten, um danach erst unter Ausnutzung der Beitragsfähigkeit von Ertüchtigungsmaßnahmen einen aufwendigen Ausbau vorzunehmen. Dem stehe § 70 Abs. 3 S. 1 WG entgegen, wonach der Damm sogleich im erforderlichen Ausmaß zu errichten sei. Auch der Hinweis darauf, dass sowohl die Errichtung des Schutzdammes als auch dessen Ausbau und Unterhaltung Maßnahmen der Gefahrenabwehr seien, könne kein anderes Ergebnis rechtfertigen. Die Beitragserhebung lasse sich auch nicht mit dem Hinweis auf das typische Wesen von Beiträgen, die gerade im Falle einer erstmaligen Vermittlung von Sondervorteilen erhoben werden könnten, rechtfertigen. Schließlich könne auch § 10 Abs. 1 KAG nicht für die von der Klägerin vertretene Auffassung herangezogen werden.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 27.3.2002 zugestellte Urteil am 24.4.2002 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Sie beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 8. März 2002 - 18 K 4461/00 - zu ändern und den Widerspruchsbescheid des Landratsamts Ludwigsburg vom 17. August 2000 aufzuheben.

Sie trägt vor: Die Auffassung des Verwaltungsgerichts führe zu einer sinnwidrigen Auslegung des § 73 WG, der darauf abstelle, dass die Eigentümer und Besitzer einen Vorteil hätten, für den die Gemeinde Beiträge erheben dürfe. Der Vorteil durch die erstmalige Herstellung eines Damms sei bedeutsamer als der durch den Ausbau oder die Unterhaltung eines bestehenden Damms, weil dadurch die Nutzbarkeit der begünstigten Grundstücke wesentlich verbessert werde, während sie durch Ausbau und Unterhaltung lediglich gesichert würde. Wenn daher das Gesetz bereits für den geringeren Vorteil eine Beitragserhebung gestatte, müsse dies erst recht für die Errichtung gelten. Im Übrigen entspreche es dem Wesen eines Beitrags, generell einen Ausgleich für die erstmalige Vermittlung eines Sondervorteils zu ermöglichen. Schließlich habe sich das Verwaltungsgericht auch nicht mit ihrem Hinweis auseinandergesetzt, dass die von ihm vorgenommene wörtliche Auslegung des § 73 WG zu einer Umgehung einlade. Danach sei es nämlich möglich, zunächst einen Damm in beschränktem Ausmaß zu errichten, um danach eine aufwendige Erhöhung als Ausbau unter Kostenbeteiligung der Grundstückseigentümer vorzunehmen. Dieses sinnwidrige Ergebnis mache deutlich, dass § 73 WG die Beitragserhebung auch für eine erstmalige Herstellung eines Schutzdamms ermögliche.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es hält das angefochtene Urteil für zutreffend und weist ergänzend darauf hin, dass die Gemeinde den Damm in Ausübung ihrer Planungshoheit errichtet habe, um aus einem Überschwemmungsgebiet Bauland zu machen. Dieser Erschließungsaufwand sei aber nicht nach Wasserrecht beitragsfähig.

Die Beigeladene beantragt gleichfalls,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie meint, dass für die von der Klägerin vorgenommene ergänzende Auslegung des § 73 WG weder Anlass noch Raum bestehe. Die erstmalige Errichtung eines Schutzdamms stehe im Ermessen des Trägers der Gewässerunterhaltungslast, dessen allgemeiner Leistungs- und Fürsorgepflicht es obliege, über die Errichtung eines Schutzdamms zu entscheiden. Hierfür sehe das Gesetz keine Möglichkeit der Beitragserhebung vor. Im Übrigen solle nicht mit der Ermöglichung von Umgehungstatbeständen argumentiert werden. Schließlich führe auch ein Vergleich der Regelungen des Wassergesetzes mit der von Erschließungsbeiträgen und dem typischen Wesen eines Beitrags nicht weiter.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die dem Senat vorliegenden Akten des Verwaltungsgerichts und des Landratsamt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die aufgrund ihrer Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Verwaltungsgericht ihre Klage abgewiesen, weil der angefochtene Widerspruchsbescheid rechtmäßig ist und sie nicht in ihren Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).

Der Vorausleistungsbescheid vom 8.7.1997 war rechtswidrig und auf den Widerspruch der Beigeladenen hin aufzuheben. Denn die Satzung der Klägerin "über die Erhebung von Beiträgen für den Bau des Hochwasserschutzdammes im Gewerbegebiet "Krautlose" vom 14.4.1997, auf die er sich stützt, ist nichtig. Sie wird durch die Ermächtigungsgrundlage des § 73 WG nicht gedeckt. Danach können die Gemeinden durch Satzung bestimmen, dass die Eigentümer und Besitzer von Grundstücken, die von der Unterhaltung und dem Ausbau eines Damms Vorteile haben, nach dem Verhältnis des Vorteils Beiträge zu dem der Gemeinde entstehenden Aufwand zu leisten haben. Nach der amtlichen Überschrift sind damit nur Schutzdämme i.S.d. § 69 Abs. 2 WG gemeint. Deren Unterhaltung umfasst nach § 70 Abs. 2 S. 1 WG die Erhaltung des Zustands, in den der Damm zur Erreichung seines Zwecks versetzt worden ist, insbesondere die zum Schutz gegen Angriffe des Wassers notwendigen Maßnahmen und die Beseitigung von Schäden. Eine Ausdehnung dieser Definition der Unterhaltung eines Damms auf von ihr nicht erfasste Fälle sieht das Gesetz nicht vor, vielmehr kann nach § 70 Abs. 2 S. 2 WG nur der Umfang der Unterhaltung durch die Wasserbehörde eingeschränkt werden. Unter dem Ausbau eines Schutzdamms ist nach der Legaldefinition des § 70 Abs. 3 S. 1 WG dessen Erneuerung, Erhöhung, Verstärkung oder Umgestaltung zu verstehen. Nach seinem eindeutigen Wortlaut ermächtigt § 73 WG damit in keiner seiner beiden Alternativen zum Erlass von Beitragssatzungen für die vorliegend allein in Frage stehende Neuerrichtung eines Schutzdamms.

Die von der Klägerin gewünschte ausdehnende Auslegung in dem Sinne, dass auch die erstmalige Schaffung eines solchen Damms beitragspflichtig sei, weil sie den durch ihn geschützten Grundstücken größere Vorteile biete als seine (bloße) Unterhaltung oder sein Ausbau, scheitert damit bereits am Wortlaut der speziell für Schutzdämme geltenden Bestimmungen des Wasserrechts, findet jedoch auch in den Gesetzesmaterialien keine Rechtfertigung, so dass davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber die durch die Errichtung des Dammes Begünstigten nicht mit den dadurch entstehenden beträchtlichen Kosten belasten wollte. Im Übrigen sind die von der Klägerin zur Begründung ihres Verständnisses der Regelung angeführten Argumente auch in sich nicht stimmig. Denn es entspricht keineswegs dem Wesen eines Beitrags, generell einen Ausgleich für die erstmalige Vermittlung eines Sondervorteils zu ermöglichen. Das zeigt sich etwa an § 128 Abs. 3 BauGB, der Kosten für Brücken, Tunnels und Unterführungen mit den dazugehörigen Rampen vom Erschließungsaufwand ausnimmt, obwohl diese Anlagen zweifellos den erschlossenen und zum Erschließungsbeitrag heranzuziehenden Grundstücken Vorteile bieten.

Der weitere Vorwurf der Klägerin, das Verwaltungsgericht habe sich nicht mit ihrem Einwand auseinandergesetzt, dass eine wörtliche Auslegung des § 73 WG zu einer Umgehung einlade, ist schon deshalb nicht berechtigt, weil das Verwaltungsgericht sich mit dieser Frage in dem angefochtenen Urteil ausführlich befasst hat. Davon abgesehen kann die von der Klägerin gesehene Gefahr, dass Gemeinden nach dieser Auslegung versucht sein könnten, die auf eigene Kosten neu zu erstellenden Schutzdämme mit minimalem Aufwand in kleinstmöglichem Umfang zu errichten, um erst nachträglich im Zuge eines - nunmehr beitragspflichtigen - Ausbaus den eigentlichen Erfordernissen des Hochwasserschutzes gerecht zu werden, nicht geteilt werden. Denn solche Dämme dürften durchgängig nach § 31 WHG planfeststellungsbedürftig sein und es erscheint ausgeschlossen, dass eine derartige Genehmigung erteilt würde, wenn absehbar wäre, dass der planfestgestellte Damm nur vordergründig geeignet ist, die betroffenen Flächen gegen Überschwemmung zu schützen und deshalb eine - dann beitragspflichtige - Ausbaumaßnahme sehenden Auges in Kauf genommen wird. Im Übrigen kann einer den besonderen Bindungen des öffentlichen Rechts unterworfenen Gemeinde keinesfalls ein solches Taktieren mit Blick auf Beitragseinnahmen unterstellt werden.

Nach allem ist die Berufung der Klägerin mit der Kostenfolge aus den §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO zurückzuweisen.

Gründe für eine Zulassung der Revision (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO) sind nicht gegeben.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 13 Abs. 2 GKG auf EUR 17.761,57 festgesetzt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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