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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 31.10.2002
Aktenzeichen: 8 S 1560/02
Rechtsgebiete: LBO


Vorschriften:

LBO § 71
LBO § 72
Eine zur Herbeiführung der Genehmigungsfähigkeit eines Bauvorhabens übernommene Flächenbaulast ist nicht deshalb unwirksam, weil trotz der Einbeziehung der mit ihr belasteten Fläche die maßgebliche Grundstücksfläche nicht erreicht ist, die bei rechnerischer Betrachtung für die Einhaltung der Geschossflächenzahl durch das Vorhaben erforderlich wäre.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

8 S 1560/02

Verkündet am 31.10.2002

In der Verwaltungsrechtssache

wegen

Löschung einer Baulast

hat der 8. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Prof. Dr. Schmidt sowie die Richter am Verwaltungsgerichtshof Schenk und Rieger auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 31. Oktober 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 24. April 2002 - 16 K 225/02 - geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin und der Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Löschung einer Baulast.

Die Klägerin ist Miteigentümerin des mit einem Wohnhaus sowie einer Tankstelle bebauten Grundstücks Flst.Nr. 55/1 (Filderhauptstr. 57/59) sowie des unbebauten Grundstücks Flst.Nr. 55/3. Zwischen beiden - ursprünglich zu einem Grundstück gehörenden - Grundstücken verläuft ein im Eigentum der Beklagten stehender, Mitte der 70-er Jahre angelegter öffentlicher Weg (Flst.Nr. 55/2). Der Beigeladene ist Eigentümer des nach Osten an das Grundstück Flst.Nr. 55/3 bzw. den genannten öffentlichen Weg angrenzenden Grundstücks Flst.Nr. 51 (Filderhauptstr. 55/55 A), das in seinem nördlichen, an die Filderhauptstraße grenzenden Teil mit einem aus dem 16./17. Jahrhundert stammenden Fachwerkhaus (Filderhauptstr. 55) sowie in seinem rückwärtigen Teil mit einem Anfang der 70-er Jahre errichteten Wohn- und Geschäftshaus (Filderhauptstr. 55 A) bebaut ist. Das Fachwerkhaus wurde 1980 in die Denkmalschutzliste eingetragen.

Anlässlich eines von dem Beigeladenen am 17.5.1971 gestellten Bauantrags, den nachträglichen Einbau einer Dachgeschosswohnung in dem Gebäude Filderhauptstr. 55 A zu genehmigen, übernahm der damalige Eigentümer des erst später im Zusammenhang mit der Anlegung des öffentlichen Wegs geteilten Grundstücks Filderhauptstr. 57 am 3.9.1971 eine Baulast folgenden Inhalts:

"Der Eigentümer des Grundstücks Filderhauptstr. 57 in Stuttgart-Plieningen verpflichtet sich, für sich und seine Rechtsnachfolger die im Lageplan des Ingenieurbüros Wagner & Schneider Stuttgart/Nellingen vom 5.7.1971/ 24.8.1971 grün eingezeichneten Flächen von 34 qm und 144 qm zur Erfüllung der Festsetzungen des Bebauungsplans und zwar der GRZ 0,4 und der GFZ 0,9 für das Gebäude Filderhauptstr. 55 A in Stuttgart-Plieningen als Grund- und Geschossfläche bzw. lediglich als Geschossfläche anrechnen und entsprechend frei und unüberbaut zu lassen."

Der Übernahme der Baulast vorausgegangen war der Abschluss eines zivilrechtlichen Vertrags zwischen dem Rechtsvorgänger der Klägerin und dem Beigeladenen, in dem sie u.a. Folgendes vereinbarten:

§ 2 ...

1. Die Baulast ist nicht übertragbar. Vor einer eventuellen Veräußerung verpflichten sich die Ehegatten Sinner, die bauliche Nutzung so zu reduzieren (Teilabbruch des Altbaus), dass die Baulast auf dem Grundstück Leypoldt gelöscht werden kann.

2. Die Baulast erstreckt sich auf eine Dauer von zehn Jahren. Wird nach Ablauf dieser Frist keine neue Vereinbarung getroffen, sind die Ehegatten Sinner verpflichtet, die bauliche Nutzung auf ihrem Grundstück so zu reduzieren, dass die Baulast gelöscht werden kann.

Die Vertragsparteien gingen dabei davon aus, dass der Beigeladene das Fachwerkhaus auf seinem Grundstück im Laufe der nächsten Zeit abbrechen werde und die Baulast danach gelöscht werden könne.

Die Baugenehmigung für das Vorhaben des Beigeladenen wurde am 13.9.1972 antragsgemäß erteilt. Die Baugenehmigung wurde verbunden mit einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans bezüglich der Grund- und Geschossflächenzahl.

Nachdem sich zunächst der Beigeladene erfolglos bemüht hatte, die Beklagte zu einem Verzicht auf die Baulast zu bewegen, beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 5.9.2000 die Löschung der Baulast, weil diese einen unzulässigen Inhalt habe. Der Antrag wurde von der Beklagten ebenfalls abgelehnt.

Die Klägerin hat am 21.1.2002 beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben mit dem Antrag, die Beklagte zu verpflichten, die auf ihren Grundstücken lastenden Baulasten zu löschen, und zur Begründung geltend gemacht: Die Baulast habe einen unzulässigen Inhalt und müsse daher gelöscht werden. Zwar sei es zulässig, dass ein Grundstückseigentümer zugunsten eines Nachbargrundstücks die Verpflichtung übernehme, bei der Ermittlung des Maßes der baulichen Nutzung für sein Grundstück einen bestimmten Anteil des Grundstücks nicht in Anrechnung zu bringen, so dass das Nachbargrundstück gewissermaßen um die entsprechende Fläche vergrößert werde. Dazu sei es jedoch erforderlich, dass das belastete Grundstück an das begünstigte Grundstück grenze. Da nur das kleine Grundstück Flst.Nr. 55/3, nicht aber auch das Grundstück Flst.Nr. 55/1 an das dem Beigeladenen gehörende Grundstück grenze, sei diese Voraussetzung im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und erwidert: Nach der Rechtsprechung des BVerwG gebe es keine heilende Flächenbaulast der Gestalt, dass der bundesrechtliche Grundstücksbegriff verändert werde. Vielmehr ruhe die Flächenbaulast nunmehr als rechnerische Größe auf dem belasteten Grundstück und schaffe lediglich die Voraussetzung eine Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB. Es sei daher auch nicht erforderlich, dass das Baulastgrundstück an das Baugrundstück grenze. Eine räumliche Zuordnung genüge. Das Vorhandensein eines schmalen Streifens oder eines Fußwegs als "Zwischengrundstück" sei folglich unschädlich.

Der Beigeladene ist dem Antrag der Klägerin beigetreten.

Mit Urteil vom 24.4.2002 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte verurteilt, die auf den Grundstücken Flst.Nrn. 55/1 und 55/3 lastenden Baulasten in dem von ihr geführten Baulastenverzeichnis zu löschen, und zur Begründung ausgeführt: Die Klägerin könne die Löschung der auf ihren Grundstücken lastenden Baulasten verlangen, da diese unwirksam seien. Zu den öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen mit bauaufsichtlichem Charakter gehörten auch diejenigen Verpflichtungen des Bauherrn, die sich aus planungsrechtlichen Vorschriften ergäben. Baulasten mit planungsrechtlichem Inhalt seien indessen für sich nicht geeignet, rechtliche Hindernisse auf dem Gebiet des Planungsrechts auszuräumen oder Begriffen des Planungsrechts, etwa den Begriff der maßgeblichen Grundstücksfläche, eine andere Bedeutung zu geben. Sie könnten vielmehr nur die tatsächlichen Voraussetzungen für die Genehmigung eines Vorhabens im Wege der Befreiung schaffen. So könne etwa mit Hilfe einer sogenannten Flächenbaulast ein Ausgleich für eine übermäßige bauliche Nutzung des Baugrundstücks auf einem anderen Grundstück hergestellt werden, wobei es nicht darauf ankomme, ob beide Grundstücke aneinander stießen. Die Einheitlichkeit des Baugrundstücks werde auch dann noch gewahrt, wenn - wie im vorliegenden Fall - zwischen dem Bau- und dem Nachbargrundstück ein schmaler öffentlicher Weg verlaufe. Indessen seien auch bei der - auf Grund der Flächenbaulast zugelassenen - Annahme eines einheitlichen Baugrundstücks - die Festsetzungen über das Nutzungsmaß nicht eingehalten, da trotz der hinzu tretenden Flächenbaulast 16 qm an der maßgeblichen Grundstücksfläche fehlten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts müsse deshalb nicht geprüft werden, ob mittels der Baulast die Voraussetzungen für eine Befreiung geschaffen werden könnten. Gleichwohl sei zu bemerken, dass auch unter Berücksichtigung der Flächenbaulast die für die Erteilung einer Befreiung erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Denn die trotz der Baulast noch verbliebene Abweichung sei - jedenfalls im Jahre 1971 - einer Befreiung nicht zugänglich gewesen, da es dafür an dem von § 31 Abs. 2 BauGB vorausgesetzten Einzelfallerfordernis gefehlt habe. Hinzu komme, dass die umstrittene Baulasterklärung auch die öffentlich-rechtliche Verpflichtung enthalte, die anzurechnende Fläche frei und unüberbaut zu lassen. Ein derartiges Gebot schieße über das Ziel der Regelung hinaus, da nach § 19 Abs. 4 S. 1 BauNVO 1962 die Grundfläche von Nebenanlagen auf die zulässige Grundfläche nicht angerechnet werde. Dasselbe gelte nach § 19 Abs. 4 S. 2 BauNVO 1962 für Balkone, Loggien, Terrassen sowie für bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht im Bauwich oder in den Abstandsflächen zulässig seien oder zugelassen werden könnten.

Gegen das Urteil richtet sich die vom Senat mit Beschluss vom 10.7.2002 zugelassene Berufung der Beklagten mit dem Antrag, das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 24. April 2002 - 16 K 225/02 - zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte macht geltend: Das Baugenehmigungsverfahren sei mit der Baugenehmigung vom 13.9.1972 bestandskräftig abgeschlossen. Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens seien nicht ersichtlich. Es komme daher nicht darauf an, ob die Befreiung rechtmäßig oder rechtswidrig gewesen sei. Entscheidend sei vielmehr allein die wirksame Bestellung der Baulast. An der Baulast bestehe auch nach wie vor ein öffentliches Interesse. Ein Verzicht auf die Baulast gemäß § 71 Abs. 3 LBO scheide daher aus. Es bestehe lediglich die Möglichkeit, die Baulast der neueren Rechtsprechung anzupassen, indem sie in der Weise geändert werde, dass die Verortung entfalle und das Grundstück der Klägerin nur noch rechnerisch belastet werde. Der Zweck der Baulast, eine übermäßige Verdichtung an Bebauung auf den benachbarten Grundstücken zu vermeiden, könne damit ebenso erreicht werden.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurück zu weisen.

Sie erwidert: Die umstrittene Baulast sei wegen eines rechtlich unzulässigen Inhalts unwirksam. Zwar sei es zulässig, dass ein Grundstückseigentümer zugunsten eines Nachbargrundstücks die Verpflichtung übernehme, bei der Ermittlung des Maßes der baulichen Nutzung für sein Grundstück einen bestimmten Flächenanteil seines Grundstücks nicht in Anrechnung zu bringen. Dafür sei jedoch erforderlich, dass das die Baulast übernehmende Grundstück an dem zur Bebauung heranstehenden, begünstigten Grundstück angrenze. Denn mit Hilfe einer Flächenbaulast könne der bundesrechtliche Grundstückbegriff nicht verändert werden. Eine solche unzulässige Veränderung des Grundstücksbegriffs läge aber darin, wenn räumlich nicht zusammenhängende Flächen für die Frage der Erteilung einer Befreiung als einheitliches Grundstück betrachtet werden könnten. Diese Ansicht habe auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in seinem Beschl. vom 21.9.1982 - 8 S 1197/82 - geäußert. Im vorliegenden Fall grenze aber das Grundstück Flst.Nr. 55/1 nirgends an das Grundstück des Beigeladenen, da zwischen beiden Grundstücken der von der Beklagten angelegte und in ihrem Eigentum stehende öffentliche Weg verlaufe. Das andere, ihr gehörende Grundstück Flst.Nr. 55/3 grenze zwar an das begünstigte Grundstück. Die betreffende, nur 34 m2 große Fläche mache jedoch zur Erreichung des mit der Baulast verfolgten Zwecks keinen Sinn. Das rechtliche Schicksal der als Einheit bestellten Baulast müsse zudem ebenfalls einheitlich beurteilt werden. Die Baulast sei auch deshalb unwirksam, weil der mit ihrer Bestellung verfolgte Zweck nicht erreicht worden sei. Unstreitig sei auf dem Grundstück des Beigeladenen selbst nach Anrechnung der durch die Baulast übernommenen Fläche das nach dem Bebauungsplan zulässige Maß der baulichen Nutzung immer noch um 16 m2 überschritten worden. Zudem sei die Beklagte mit dem Verlangen nach der Bestellung dieser Baulast über das von ihr verfolgte Ziel hinaus geschossen, da dem Rechtsvorgänger der Klägerin zugemutet worden sei, auch keine Nebenanlagen auf der belasteten Fläche zu errichten, die bauplanungsrechtlich zulässig gewesen wären. Der Hinweis der Beklagten, dass die Baulasterklärung nun einmal abgegeben worden sei, sei treuwidrig, da sowohl die Veranlassung zur Abgabe dieser Erklärung als auch der Inhalt der Baulast in ihrem Einflussbereich und ihrer Verantwortung lägen. Die der Beklagten unterlaufenen Fehler könnten ihr, der Klägerin, nicht in der Weise zum Nachteil gereichen, dass sie an der Baulast festgehalten werde, obwohl diese ihren Zweck gar nicht habe erreichen können. Zu dem gleichen Ergebnis führe der sich aus § 812 Abs. 1 S. 2 2. Alternative BGB ergebende Gedanke der ungerechtfertigten Bereicherung wegen Zweckverfehlung. Die Rechtsfolge der Rechtswidrigkeit der Baulastübernahmeerklärung werde schließlich auch von dem Rechtsgedanken des Wegfalls der Geschäftsgrundlage getragen. Der übereinstimmende Geschäftswille für die Abgabe der Baulastübernahmeerklärung sei die objektive Ermöglichung der Erteilung einer Baugenehmigung auf dem Grundstück des Beigeladenen gewesen. Dieser Zweck sei aber bei objektiver Betrachtung mit der Erklärung verfehlt worden, weil diese gar nicht geeignet gewesen sei, die Voraussetzungen für eine Befreiung zu schaffen und damit objektiv bauplanungsrechtlich rechtmäßige Zustände auf dem Baugrundstück herzustellen. Öffentliche Baulasten, die keinen zulässigen Inhalt hätten, seien unwirksam. Der von einer solchen Baulast betroffene Grundstückseigentümer habe einen Anspruch, dass die eingetragene Baulast gelöscht werde.

Der Beigeladene beantragt ebenfalls, die Berufung zurück zu weisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wurde auf die vorliegenden Behördenakten sowie auf die Akte des Verwaltungsgerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist begründet. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts ist die zu Lasten der Grundstücke der Klägerin in das Baulastenverzeichnis der Beklagten eingetragene Baulast nicht unwirksam. Ein Anspruch auf ihre Löschung ist daher nicht gegeben. Die Klägerin kann auch nicht beanspruchen, dass die Beklagte auf die Baulast verzichtet, da das öffentliche Interesse an ihrem Fortbestand nicht entfallen ist.

1. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts hat die Klägerin einen Anspruch auf Löschung der zu Lasten ihrer Grundstücke im Baulastenverzeichnis der Beklagten eingetragenen Baulast, da diese unwirksam sei und das Baulastenverzeichnis deshalb einen unrichtigen Inhalt habe. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.

Das Verwaltungsgericht geht im Anschluss an das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.2.1991 - 4 C 51.87 - (BVerwGE 88, 24) zutreffend davon aus, dass Baulasten mit planungsrechtlichem Inhalt für sich allein nicht geeignet sind, rechtliche Hindernisse auf dem Gebiet des Planungsrechts auszuräumen oder Begriffen dieses Rechtsgebietes einen anderen Inhalt zu verleihen, sondern nur im Einzelfall die tatsächlichen Voraussetzungen für die Genehmigung eines Vorhabens im Wege der Befreiung schaffen können. Es nimmt ferner zu Recht an, dass die im vorliegenden Fall in Rede stehende Flächenbaulast allein keine Handhabe gegeben hat, für das damalige Vorhaben des Beigeladenen eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans über das Maß der bauliche Nutzung zu erteilen, da trotz der Baulast immer noch 16 m2 an der maßgeblichen Grundstücksfläche fehlten, welche für die Einhaltung der Geschossflächenzahl durch das damalige Vorhaben des Beigeladenen erforderlich war. Daraus kann jedoch entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht auf die Unwirksamkeit der Baulast geschlossen werden.

Für den Senat ist nicht ersichtlich, warum die Tatsache, dass auch bei Hinzurechnung der von der Baulast belasteten Grundstücksfläche ein (geringer) Teil an der für das mit Bescheid vom 13.9.1971 genehmigte Vorhaben des Beigeladenen erforderlichen Grundstücksfläche gefehlt hat, um die im Bebauungsplan festgesetzte Grund- und Geschossflächenzahl rechnerisch einzuhalten, zur Unwirksamkeit der Baulast führen soll. Auch dem Urteil des Verwaltungsgerichts kann dazu nichts entnommen werden. Selbst wenn sich die Beklagte seinerzeit unter Hinweis auf den vom Verwaltungsgericht angeführten Umstand geweigert hätte, trotz der Übernahme der Baulast durch den Rechtsvorgänger der Klägerin eine Genehmigung für das Vorhaben des Beigeladenen zu erteilen, hätte noch nicht einmal dies zur Unwirksamkeit der Baulast geführt, sondern nur dazu, dass die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, auf die Baulast gemäß § 71 Abs. 3 S. 2 LBO mangels öffentlichen Interesses an ihrem Fortbestand zu verzichten. Um so weniger ist einzusehen, wieso die Baulast unwirksam sein soll, wenn die beantragte Genehmigung von der Behörde tatsächlich erteilt worden ist, mag dies auch zu Unrecht geschehen sein.

Da die Baugenehmigung für das Vorhaben des Beigeladenen erteilt wurde, kann insbesondere nicht davon gesprochen werden, dass der mit der Bestellung der Baulast verfolgte Zweck nicht erreicht worden sei, wie dies die Klägerin meint. Ihr Hinweis auf den Rechtsgedanken des § 812 Abs. 1 S. 2 2. Alt. BGB sowie die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage gehen schon aus diesem Grund fehl. Auch der Vorwurf der Klägerin, die Beklagte handele treuwidrig, wenn sie darauf beharre, dass die Baulasterklärung nun einmal abgegeben worden sei, obwohl die Baulast bei strenger Beachtung des geltenden Rechts wegen der verbleibenden Differenz von 16 m2 nicht ausgereicht habe, um das Vorhaben des Beigeladenen zu genehmigen, geht ins Leere. Der Vorwurf eines treuwidrigen Verhaltens könnte sich eher gegen den Versuch der Klägerin richten, sich von den von ihrem Rechtsvorgänger für sich und seine Rechtsnachfolger eingegangenen Verpflichtungen zu befreien, indem sie sich darauf beruft, dass die Beklagte sich seinerzeit mit der Bestellung einer flächenmäßig geringeren Baulast begnügt hat, als eigentlich zur Genehmigung des Vorhabens des Beigeladenen erforderlich gewesen wäre.

Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts ist die zu Lasten des damaligen Grundstücks Flst.Nr. 55 eingetragene Baulast auch nicht deshalb unwirksam, weil sie die Verpflichtung enthält, die zu Gunsten des Grundstücks des Beigeladenen anzurechnende Fläche frei und unüberbaut zu lassen. Das Verwaltungsgericht meint, dass die Baulast damit über das mit ihr verfolgte Ziel hinausschieße, da nach § 19 Abs. 4 BauNVO in der seinerzeit geltenden Fassung vom 26.6.1962 bestimmte bauliche Anlagen nicht auf die zulässige Grundfläche angerechnet worden seien, worin es offenbar - ebenso wie die Klägerin - einen weiteren Grund für die Unwirksamkeit der Baulast sieht. Auch diese Folgerung trifft nicht zu. Denn sollte die Baulast tatsächlich einen überschießenden Inhalt haben, wäre dies ebenfalls kein Grund für die Unwirksamkeit der Baulast, sondern könnte ebenfalls nur die Verpflichtung der Beklagten begründen, auf die Baulast zu verzichten, soweit diese über das mit ihr verfolgte Ziel hinausgeht. Ein in der vom Verwaltungsgericht genannten Weise überschießender Inhalt der Baulast lässt sich davon abgesehen nicht feststellen. Denn durch das in den zweiten Teil der von dem Rechtsvorgänger der Klägerin übernommenen Verpflichtung enthaltene Wort "entsprechend" wird eine eindeutige Beziehung zu dem ersten Teil der Baulast hergestellt. Mit der umstrittenen Baulast hat sich deshalb der Rechtsvorgänger der Klägerin nicht dazu verpflichtet, die in dem beiliegenden Lageplan vom 5.7.1971/ 24.8.1971 grün eingezeichneten Flächen vollständig frei und unüberbaut zu lassen, sondern nur insoweit, als dies zur (rechnerischen) Einhaltung der im Bebauungsplan festgesetzten Grund- und Geschossflächenzahl auf dem Grundstück des Beigeladenen erforderlich ist. Die nach dem ersten Teil der Baulast zu Gunsten des Grundstücks des Beigeladenen anzurechnende Fläche muss daher nicht von jeglichen Anlagen und Gebäudeteilen freigehalten werden, sondern nur von solchen, die nach der seinerzeit geltenden gesetzlichen Regelung (§§ 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 BauNVO 1962) bei der Ermittlung der Grund- bzw. der Geschossfläche zu berücksichtigen waren.

2. Das Urteil des Verwaltungsgerichts stellt sich auch nicht aus einem anderen Grund als im Ergebnis richtig dar. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Baulast insbesondere nicht dadurch unwirksam geworden, dass das belastete Grundstück nach Eintragung der Baulast geteilt worden ist und das begünstigte Grundstück deshalb nunmehr nur noch an eines der belasteten Grundstücke grenzt.

Mit der Bestellung einer Flächenbaulast soll ein städtebaulicher Ausgleich dafür geschaffen werden, dass ein Grundstück in einer das nach dem einschlägigen Bebauungsplan zulässige Maß der baulichen Nutzung überschreitenden Weise bebaut werden soll. Dies geschieht, indem sich der Eigentümer eines anderen Grundstücks verpflichtet, bei der Ermittlung des Maßes der baulichen Nutzung für sein eigenes Grundstück einen bestimmten Teil nicht zur Anrechnung zu bringen, so dass das begünstigte Grundstück gewissermaßen um diese Fläche vergrößert wird. Keine Rolle spielt dabei, ob die Flächenbaulast auf eine bestimmte, örtlich konkret bezeichnete Grundstücksfläche bezogen wird oder auf einen nur rechnerisch abgegrenzten Anteil am Grundstück (vgl. Sauter, LBO, 3. Aufl., § 71 Rn. 24). Da der bauplanungsrechtliche Grundstücksbegriff durch landesrechtliche Baulasten nicht verändert werden kann, wird durch die Übernahme einer solchen Baulast zwar nicht der Verstoß gegen die Festsetzungen des Bebauungsplans ausgeräumt. Durch die Baulast und den mit ihr bewirkten rechnerischen Ausgleich für die verdichtete Bebauung des begünstigten Grundstücks können jedoch die Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung von diesen Festsetzungen geschaffen werden (BVerwG, Urt. v. 14.2.1991, a.a.O.). Ob es zutrifft, dass eine Flächenbaulast den beschriebenen Zweck nur dann erfüllen kann, wenn das begünstigte und das belastete Grundstück örtlich zusammenhängen, wie dies von der Klägerin vertreten wird, kann dahin stehen. Denn selbst wenn ein solcher Zusammenhang erforderlich sein sollte, bedeutet dies nicht, dass beide Grundstücke notwendigerweise aneinander grenzen müssten. Der notwendige örtliche Zusammenhang kann vielmehr auch dann noch gewahrt sein, wenn zwischen dem begünstigten und dem belasteten Grundstück ein weiteres schmales Grundstück liegt. An der aus dem von der Klägerin zitierten Beschluss vom 21.9.1982 - 8 S 1197/82 - zum Ausdruck kommenden gegenteiligen Auffassung hält der Senat deshalb nicht fest.

An der Wirksamkeit der umstrittenen Baulast ist danach auch unter dem von der Klägerin hervor gehobenen Umstand nicht zu zweifeln, da das aus Teilen des früheren Grundstücks Flst.Nr. 55 und dem Grundstück des Beigeladenen neu gebildete Wegegrundstück nur eine Breite von 2,5 m hat und deshalb nicht in der Lage ist, den örtlichen Zusammenhang zwischen dem westlich des Wegs gelegenen neuen Grundstück Flst.Nr. 55/1 und dem Grundstück des Beigeladenen zu unterbrechen. Dafür spricht auch die Überlegung, dass der örtliche Zusammenhang zwischen dem begünstigtem Grundstück und den von der Baulast erfassten Flächen des seinerzeit noch nicht geteilten Grundstücks Flst.Nr. 55 bei Eintragung der umstrittenen Baulast fraglos gegeben war. Dies wird auch von der Klägerin nicht bestritten. Warum der ursprünglich vorhandene Zusammenhang nach der später erfolgten Veränderung der Grundstücksgrenzen und der Anlage des öffentlichen Wegs nicht mehr gegeben sein soll, obwohl das Grundstück des Beigeladenen dadurch in seinem Zuschnitt nur unwesentlich verändert worden und die Lage der von der Baulast erfassten Flächen dieselbe geblieben ist, ist nicht einzusehen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sich die Klägerin ferner darauf berufen, dass unabhängig von der eben behandelten Frage jedenfalls die auf dem neuen Grundstück Flst.Nr. 55/3 lastende Baulast unwirksam sei, da dieses Grundstück wegen seiner geringen Größe nicht bebaubar sei und die Baulast daher den ihr zugedachten Zweck nicht erfüllen könne. Auch das trifft nicht zu. Unrichtig ist bereits die Prämisse der Klägerin, dass das Grundstück nicht bebaubar sei, da dieses genügend Platz bietet, um dort etwa eine Garage oder ein anderes Nebengebäude unterbringen zu können. Soweit es um die Frage geht, ob die Baulast geeignet ist, ihre städtebauliche Zielsetzung zu erfüllen, kann es im Übrigen nur darauf ankommen, ob es sich bei dem belasteten Grundstück um Bauland im Sinn des § 19 Abs. 3 BauGB handelt. Das trifft auf das in Rede stehende Grundstück zweifellos zu.

3. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte auf die Baulast verzichtet. Nach § 71 Abs. 2 S. 2 LBO wäre Voraussetzung für eine entsprechende Verpflichtung der Beklagten, dass ein öffentliches Interesse an der Baulast nicht mehr besteht. Für einen solchen Wegfall des öffentliches Interesses am Fortbestand der Baulast ist nichts zu erkennen. Dem steht nicht entgegen, dass trotz der Übernahme der Baulast durch den Rechtsvorgänger der Klägerin immer noch 16 m2 an der maßgeblichen Grundstücksfläche fehlen, die für die Einhaltung der Geschossflächenzahl durch das damalige Vorhaben des Beigeladenen erforderlich war. Denn unabhängig davon, ob infolge der Baulast die Voraussetzungen für eine Erteilung von den Festsetzungen des einschlägigen Bebauungsplans über das Maß der baulichen Nutzung erfüllt waren oder nicht, hat die mit der Baulast von dem Rechtsvorgänger der Klägerin eingegangene Verpflichtung dafür gesorgt, das Gewicht des Verstoßes gegen die betreffenden Festsetzungen des Bebauungsplans deutlich zu mildern. Das öffentliche Interesse am Fortbestand der Baulast wäre deshalb nur dann entfallen, wenn das im Hinblick auf ihre Übernahme genehmigte Vorhaben des Beigeladenen nachträglich infolge einer Änderung der Sach- oder Rechtslage auch ohne die Baulast rechtmäßig geworden oder wenn das inzwischen erstellte Gebäude wieder beseitigt worden wäre. Beides ist unstreitig nicht der Fall.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3 VwGO.

Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Beschluss

Der Streitwert wird unter Änderung des Streitwertbeschlusses des Verwaltungsgerichts gemäß § 13 Abs. 1 S. 1 GKG für beide Rechtszüge auf je 70.000 EUR festgesetzt. Die sich für die Klägerin ergebenden Bedeutung der Sache bestimmt sich nach der Wertsteigerung, die ihre Grundstücke ohne die eine Fläche von insgesamt 178 m2 beider Grundstücke erfassende Baulast erführe. Unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen Grundstückspreises von 400 EUR/m2 schätzt der Senat diese auf etwa 70.000 EUR.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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