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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 17.04.2002
Aktenzeichen: 8 S 1799/01
Rechtsgebiete: VwGO, BauGB


Vorschriften:

VwGO § 47 Abs. 2 S. 1
BauGB § 1 Abs. 6
Die Antragsbefugnis eines Grundstückseigentümers, der einen Bebauungsplan wegen der Nichteinbeziehung seines Grundstücks in das Plangebiet mit einem Normenkontrollantrag angreift, ist zu bejahen, soweit er Tatsachen vorträgt, die eine nicht hinreichende Berücksichtigung seines Interesses an der Überplanung des Grundstücks als möglich erscheinen lassen.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

8 S 1799/01

Verkündet am 17.4.2002

In der Normenkontrollsache

wegen

Gültigkeit des Bebauungsplans "Herrengestell I" und Gültigkeit der Änderung des Bebauungsplans "Herrengestell I"

hat der 8. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Prof. Dr. Schmidt, die Richter am Verwaltungsgerichtshof Schenk, Rieger und Schieber sowie den Richter am Verwaltungsgerichtshof im Nebenamt Prof. Dr. Puhl auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 16. April 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Der Bebauungsplan "Herrengestell I" der Stadt Donzdorf vom 8. Mai 2000 in der Fassung der Satzung vom 22. Juli 2001 wird bis zur Behebung des in den Entscheidungsgründen bezeichneten Mangels für nicht wirksam erklärt.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Antragstellerin wendet sich gegen den Bebauungsplan "Herrengestell I" der Antragsgegnerin.

Die Antragstellerin ist Eigentümerin des am östlichen Ortsrand von Donzdorf gelegenen Grundstücks Dr.-Frey-Str. 22 (Flst.Nr. 391) in Donzdorf, das in seinem westlichen, (an die Dr.-Frey-Straße grenzenden) Teil mit einem Wohnhaus bebaut ist. Das Gebäude der Antragstellerin ist Teil einer einzeiligen Bebauung, die sich östlich der Dr.-Frey-Straße von der Messelbergstraße (K 1401) im Norden bis zum Roter Weg im Süden erstreckt. An diese Bebauung schließt sich weiter nach Osten ein Wiesengelände mit einzelnen Bäumen an, das von der Messelbergstraße im Norden und Osten und dem Roter Weg im Süden umschlossen wird. Das gesamte, an einem nach Nordwesten bzw. in seinem unteren Teil nach Westen abfallenden Hang gelegene Gelände ist in dem geltenden Flächennutzungsplan des Gemeindeverwaltungsverbands Mittlere Fils-Lautertal als Wohnbaufläche dargestellt. Ein neuer Flächennutzungsplan, der eine Verkleinerung dieser Fläche vorsieht, befindet sich in Aufstellung.

Der angefochtene Bebauungsplan umfasst einen ca. 2,3 ha großen, im Norden an der Grenze zu dem Grundstück der Antragstellerin endenden Teil des beschriebenen Geländes und weist dort ein allgemeines Wohngebiet aus. Davon ausgenommen ist ein etwa 50 m breiter, im Nordosten des Gebiets gelegener Streifen, für den der Plan eine Fläche für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Natur und Landschaft festsetzt (geplant ist die Anpflanzung einer Hecke, s. Ziff. 10 der Planbegründung). Die Erschließung des 35 Bauplätze umfassenden Wohngebiets erfolgt über eine ringförmige Straße im Inneren des Gebiets, die an den Roter Weg angeschlossen werden soll. Geplant sind außerdem zwei Fußwege, von denen einer ("Weg C") zur Dr.-Frey-Straße führt.

Dem angefochtenen Bebauungsplan liegt folgendes Verfahren zugrunde: In seiner Sitzung vom 28.6.1999 beschloss der Gemeinderat der Antragsgegnerin, für das beschriebene Gebiet einen Bebauungsplan aufzustellen. Gegen einen ersten Entwurf des Plans wandte die Antragstellerin mit Schreiben vom 5.12.1999 u. a. ein, dass die 8 m betragende maximale Firsthöhe der geplanten Wohnhäuser zu hoch sei, da sie für die Nutzung der nördlich angrenzenden Grundstücke Nachteile bringe. Sie bestehe ferner darauf, dass kein Oberflächenwasser auf ihr Grundstück gelange. Auch durch die reguläre Entwässerung dürfe keine Beeinträchtigung der vorhandenen Gebäude erfolgen. Sie beantragte außerdem, den östlichen Teil ihres Grundstücks in den Bebauungsplan einzubeziehen, um dort ein zweites Wohnhaus errichten zu können. Das Schreiben der Antragstellerin wurde vom Gemeinderat der Antragsgegnerin am 28.2.2000 behandelt und wie folgt kommentiert: Die geplante Firsthöhe, die in Verbindung mit der auf 4 m begrenzten Wandhöhe gesehen werden müsse, entspreche normalen Vorgaben. Darauf, dass das Oberflächenwasser abgeleitet werde, werde selbstverständlich geachtet. Der beantragten Ausweisung eines weiteren Baufensters auf dem Grundstück Flst.Nr. 391 stehe der in Aufstellung befindliche Flächennutzungsplan entgegen, der in dem betreffenden Bereich entsprechend dem Landschaftsplan keine weitere Baumöglichkeit vorsehe. Nach Auslegung eines überarbeiteten Entwurfs in der Zeit vom 13.3. bis 13.4.2000 wurde der Bebauungsplan am 8.5.2000 als Satzung beschlossen. Der Beschluss wurde am 12.5.2000 öffentlich bekannt gemacht.

Nachdem bei der Bearbeitung der ersten Baugesuche festgestellt wurde, dass die im Plan vorgeschriebenen Erdgeschossfußbodenhöhen in der Regel um 0,5 m zu tief festgesetzt worden waren, fasste der Gemeinderat der Antragsgegnerin in seiner Sitzung am 22.7.2001 den Beschluss, den Bebauungsplan insoweit zu ändern. Vorgenommen wurden ferner einige Korrekturen an den Baugrenzen. Geändert wurde außerdem die Bestimmung, wonach Garagen nur innerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche errichtet werden dürfen. Der Beschluss wurde am 6.7.2001 öffentlich bekannt gemacht.

Die Antragstellerin hat am 15.8.2001 ein Normenkontrollverfahren eingeleitet mit dem Antrag,

den Bebauungsplan "Herrengestell I" der Stadt Donzdorf vom 8. Mai 2000 in der Fassung der Satzung vom 22. Juli 2001 für nichtig zu erklären.

Sie macht geltend: Ihre Antragsbefugnis ergebe sich aus einer Verletzung des Art. 14 GG. Zwar liege ihr Grundstück nicht innerhalb des Plangebiets, doch habe der Bebauungsplan und die sich daraus ergebende Bebauung Auswirkungen auf das Grundstück. Der Bebauungsplan verstoße in mehrfacher Hinsicht gegen die Grundsätze des § 1 BauGB. Aufgrund der Topographie des Geländes werde die Oberflächenentwässerung zu einem großen Teil über ihr Grundstück vorgenommen. Dies bedeute, dass sowohl aus dem beplanten Bereich als auch aus anderen Bereichen in erheblichem Umfang Wasser über ihr Grundstück fließe. Diese Problematik werde in dem Bebauungsplan nicht geregelt oder gelöst. Auch die Entwässerung innerhalb des Gebiets sei mangelhaft. Nach dem Entwässerungsplan solle die komplette Entwässerung des geplanten Baugebiets über die Dr.-Frey-Straße vorgenommen werden. Die dortigen Kanäle seien jedoch bereits jetzt derart belastet, dass sie durch jede weitere Einleitung überfordert würden. Durch den Bebauungsplan würden außerdem Baulücken geschaffen. Bereits das Landratsamt Göppingen habe darauf hingewiesen, dass die Ortsrandlage städtebaulich gestalterisch unbefriedigend gelöst worden sei. Mit dieser Problematik habe sich die Antragsgegnerin nicht auseinandergesetzt. Insbesondere die Lage des östlichen Baufensters sei nicht nachvollziehbar. Ebenso verhalte es sich mit den Baufenstern in dem an ihr Grundstück angrenzenden Bereich. Der Antragsgegnerin sei bekannt gewesen, dass sie, die Antragstellerin, die Absicht habe, im hinteren Teil ihres Grundstücks ein weiteres Gebäude zu erstellen. Dennoch sei dieser Wunsch in der Abwägung nicht berücksichtigt worden. Dadurch entstehe nunmehr im nördlichen Bereich bezüglich der Grundstücke Flst.Nrn. 391, 392 und 440 eine Baulücke.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Sie erwidert: Der Antrag sei unzulässig, da es der Antragstellerin vorrangig darum gehe, dass ihr Grundstück in dem Bebauungsplan einbezogen werde. Dieses Ziel sei mit einem Normenkontrollantrag, der auf die Aufhebung des Bebauungsplans gerichtet sei, nicht zu erreichen. Unabhängig davon sei der Antrag auch unbegründet. Die unbebaute Fläche des Grundstücks der Antragstellerin sei ebenso wie die Grundstücke Flst.Nrn. 392 und 390 im Landschaftsplan zum Flächennutzungsplan von der Bebauung ausdrücklich ausgenommen. Vor diesem Hintergrund sei das Bebauungsplangebiet abgegrenzt worden. Die vorgenommene Abgrenzung und damit die Nichthereinnahme des unbebauten Teils des Grundstücks der Antragstellerin lasse keinen Rechtsfehler erkennen. Das Problem der Oberflächenentwässerung sei im Bebauungsplanverfahren gesehen und in die Abwägung eingestellt worden. Im Bereich der Grundstücke Flst.Nrn. 383 und 384 sei ein Entwässerungsgraben geplant, der das von dort in Richtung auf das Grundstück der Antragstellerin ablaufende Oberflächenwasser ableite. Schon hieraus ergebe sich, dass durch die Festsetzung des Bebauungsplans und dessen Realisierung dem Grundstück der Antragstellerin deutlich weniger Oberflächenwasser zufließen könne, als dies bisher der Fall gewesen sei. Denn das ursprüngliche Einzugsgebiet habe ca. 0,31 ha umfasst, während das neue Einzugsgebiet nur noch eine Größe von 0,176 ha habe. Auch die Behauptung der Antragstellerin, die Gebietsentwässerung sei nicht ordnungsgemäß geplant, sei unbegründet. Der bestehende Mischwasserkanal in der Dr.-Frey-Straße sei inzwischen entsprechend den Unterlagen der Genehmigungsplanung erweitert worden. Ferner sei in der Dr.-Frey-Straße ein neuer Regenwasserkanal verlegt worden. Das Gebiet sei somit auch in dieser Hinsicht ordnungsgemäß erschlossen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorliegenden Bebauungsplanakten sowie die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Antrag ist zulässig und begründet.

I. Der Antrag ist gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO statthaft und auch sonst zulässig. Die Antragstellerin besitzt die gemäß § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO erforderliche Antragsbefugnis, da sie geltend machen kann, durch den angegriffene Bebauungsplan in ihren Rechten verletzt zu sein. Das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag ist ebenfalls zu bejahen. 1. Das Grundstück der Antragstellerin liegt nicht im Geltungsbereich des angegriffenen Bebauungsplans. Inhalt und Schranken ihres Eigentums werden daher durch den Plan nicht bestimmt. Die Antragstellerin wird durch den Bebauungsplan auch nicht schwer und unerträglich in ihrem Eigentum getroffen. Die ihr durch den Plan entstehenden Nachteile - die Nichteinbeziehung ihres Grundstücks in das Plangebiet ausgeklammert - sind vielmehr allenfalls marginaler Natur. Eine Verletzung des Art. 14 Abs. 1 GG scheidet damit offensichtlich aus. Wegen der Geringfügigkeit der der Antragstellerin durch den Bebauungsplan erwachsenden Nachteile kann diese ihre Antragsbefugnis insoweit auch nicht aus § 1 Abs. 6 BauGB herleiten, der hinsichtlich der für die Abwägung beachtlichen privaten Belange drittschützende Wirkung hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.9.1998 - 4 CN 2.98 - BVerwGE 107, 215 = PBauE § 47 Abs. 2 VwGO Nr. 55a; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.5.1997 - 8 S 2814/96 - VBlBW 1997, 426 = PBauE § 47 Abs. 2 VwGO Nr. 39).

Die Antragstellerin kann jedoch geltend machen, wegen der Nichteinbeziehung ihres Grundstücks in dem sich aus dieser Vorschrift ergebenden subjektiven Recht auf eine gerechte Abwägung ihrer Belange verletzt zu sein. Zwar liegt es grundsätzlich in der freien Entscheidung der Gemeinde, ob sie für eine bestimmte Fläche in ihrem Gemeindegebiet einen Bebauungsplan aufstellt oder nicht. Nach § 2 Abs. 1 S. 1 BauGB hat die Gemeinde die Bauleitpläne in eigener Verantwortung aufzustellen; auf die Aufstellung eines Bauleitplans gibt es keinen Anspruch (§ 2 Abs. 3 BauGB). Daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, dass die privaten Interessen eines Grundstückseigentümers an der Einbeziehung seines Grundstücks in einen Bebauungsplan keine im Sinne von § 1 Abs. 6 BauGB abwägungserheblichen Belange seien und mit der Nichtüberplanung eines Grundstücks lediglich in nicht schützenswerte Erwartungen eingegriffen werde (so OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 16.12.1997 - 3 K 17/97 - LKV 1999, 68; SächsOVG, Urt. v. 28.9.1995 - 1 S 517/94 - NVwZ 1996, 1028; OVG Berlin, Urt. vom 10.7.1980 - 2 A 3.79 - BauR 1980, 536). Denn die Tatsache, dass der Einzelne keinen Anspruch auf die Aufstellung eines Bebauungsplans hat, hat nichts mit der Frage zu tun, welche Ansprüche ihm im Rahmen eines von der Gemeinde einmal eingeleiteten Aufstellungsverfahrens zustehen. Bei der Beantwortung dieser Frage ist davon auszugehen, dass die Gemeinde auch hinsichtlich der Festlegung des räumlichen Geltungsbereichs eines Bebauungsplans grundsätzlich frei ist. Das ihr zustehende Planungsermessen wird aber auch bei der Festsetzung der Grenzen eines Plangebiets durch § 1 BauGB eingeschränkt. Wenn auch der Bebauungsplan mit seinem räumlichen Geltungsbereich nicht weiter reichen darf, als dies nach der planerischen Konzeption der Gemeinde erforderlich ist (§ 1 Abs. 3 BauGB), so kann es dennoch geboten sein, den Geltungsbereich des Bebauungsplans auf Flächen auszudehnen, an deren Überplanung die Gemeinde gegenwärtig an sich nicht interessiert ist. Die Notwendigkeit dazu kann zunächst aus der Aufgabe der Bauleitplanung folgen, eine geordnete städtebauliche Entwicklung der Gemeinde zu gewährleisten (§ 1 Abs. 5 Satz 1 BauGB). Sie kann sich aber auch aus dem Abwägungsgebot des § 1 Abs. 6 BauGB ergeben, da das in diesem enthaltene Gebot der Problem- und Konfliktbewältigung die planerische Freiheit der Gemeinde auch bei der Festlegung des Plangebiets beschränkt. Die Beachtung dieses Gebots verlangt nicht nur, dass die Auswirkungen bedacht werden, die die Planung auf ein Nachbargrundstück hat, sondern auch, dass das Interesse eines Grundstückseigentümers, in das Plangebiet mit einbezogen zu werden, Berücksichtigung findet (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.11.1995 - 4 NB 23.94 - NVwZ 1996, 888).

Der Umstand, dass der einzelne Grundstückseigentümer nach § 2 Abs. 3 BauGB keinen Anspruch auf die Einbeziehung seines Grundstücks in einen Bebauungsplan hat, steht dem nicht entgegen, da die als Abwägungsmaterial beachtlichen privaten Belange nicht auf die sich aus anderen Vorschriften ergebenden subjektiven Rechte beschränkt sind. Einzustellen sind vielmehr alle mehr als nur geringfügigen schutzwürdigen Interessen, die von der Planung betroffen sind. Dazu gehört beispielsweise das Interesse des Nachbarn an der Beibehaltung des bisherigen, ihn tatsächlich begünstigenden Zustands, etwa die Erhaltung einer besonderen Aussichts- und Ortsrandlage, auch wenn er hierauf keinen Rechtsanspruch hat (vgl. u. a. BVerwG, Beschl. v. 9.2.1995 - 4 NB 17.94 - ZfBR 1995, 216 u. Beschl. v. 20.8.1992 - 4 NB 3.92 - NVwZ 1993, 468). Dem Abwägungsgebot kommt dementsprechend drittschützender Charakter hinsichtlich aller abwägungserheblichen privaten Belange zu, ohne dass diese selbst rechtlich geschützt sein müssen (BVerwG, Urt. v. 24.9.1998, a.a.O.).

Die Antragsbefugnis eines Grundstückseigentümers, der sich gegen die Nichteinbeziehung seines Grundstücks in den angegriffenen Bebauungsplan wendet, ist hiervon ausgehend zu bejahen, soweit er Tatsachen vorträgt, die eine nicht hinreichende Berücksichtigung seines Interesses an der Überplanung des Grundstücks als möglich erscheinen lassen. Der Vortrag der Antragstellerin genügt diesen Anforderungen.

2. Der Antragstellerin kann ferner nicht das Rechtsschutzbedürfnis für den von ihr gestellten Antrag abgesprochen werden. Zwar wird durch die begehrte Nichtigerklärung des Bebauungsplans ihre Rechtsstellung unmittelbar nicht verbessert, da sich dadurch nichts an der fehlenden Bebaubarkeit des östlichen Teils ihres Grundstücks ändert. Der erstrebte Ausspruch führt vielmehr nur zur Unbebaubarkeit auch der im Plangebiet liegenden Grundstücke. Das Rechtsschutzbedürfnis ist jedoch nur dann zu verneinen, wenn sich ausschließen lässt, dass die gerichtliche Entscheidung für den Rechtsschutzsuchenden von irgendeinem Nutzen ist. Zur Bejahung eines solchen Nutzens genügt die Erwartung, die Gemeinde werde bei einem Erfolg des Normenkontrollantrags unabhängig davon, ob sie hierzu rechtlich verpflichtet ist oder nicht, einen neuen Bebauungsplan aufstellen, der für den Antragsteller möglicherweise günstigere Festsetzungen enthält (vgl. BVerwG, Beschl. vom 25.5.1993 - 4 NB 50.92 - NVwZ 1994, 269 = PBauE § 47 Abs. 2 VwGO Nr. 20; Beschl. v. 23.9.1997 - 4 BN 17.97 - NVwZ 1998, 613; Beschl. vom 17.12.1992 - 4 N 2.91 - DVBl 1993, 444 = PBauE § 9 Abs. 1 (Nr. 8) BauGB Nr. 1). Das ist hier der Fall. Schon aufgrund des Umstands, dass das Plangebiet bereits zur Hälfte bebaut ist, ist damit zu rechnen, dass es die Antragsgegnerin im Falle der Nichtig- oder Unwirksamerklärung des Bebauungsplans nicht bei diesem Zustand belassen wird.

II. Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg. Zwar wirft die Antragstellerin der Antragsgegnerin zu Unrecht vor, die sich hinsichtlich der Entwässerung des Plangebiets stellenden Probleme nur unzureichend gelöst zu haben. Der angefochtene Bebauungsplan leidet jedoch insoweit an einem Abwägungsfehler, als die Antragsgegnerin es abgelehnt hat, den östlichen Teil des Grundstücks der Antragstellerin in den Geltungsbereich des Bebauungsplans einzubeziehen. Dieser Fehler kann durch ein ergänzendes Verfahren behoben werden und führt deshalb nicht zur Nichtigkeit des Bebauungsplans. Der Plan ist jedoch bis zur Behebung des Fehlers für nicht wirksam zu erklären.

1. Das Plangebiet liegt an einem nach Westen bzw. in seinem unteren Teil nach Nordwesten geneigten Hang. Es ist deshalb denkbar, dass es wegen der mit der geplanten Bebauung verbundenen Versiegelung größerer Flächen zu einem verstärkten Abfluss von Oberflächenwasser aus dem Plangebiet in Richtung auf die tiefer gelegenen Grundstücke an der Dr.-Frey-Straße kommt. Die Antragsgegnerin hat jedoch diese Gefahr bei ihrer Planung keineswegs außer Betracht gelassen. Der Bebauungsplan trägt dem Problem vielmehr dadurch Rechnung, dass am Rande der geplanten Bebauung der Bau von drei Entwässerungsgräben vorgesehen ist, von denen nach der von der Antragsgegnerin vorgelegten Entwässerungsplanung zwei Anschluss an einen Regenwasserkanal haben, von dem aus das Oberflächenwasser über eine neu zu erstellende Leitung entlang der Dr.-Frey-Straße zu einem vorhandenen Regenwasserkanal in der Messelbergsteige geführt werden soll. Die Trasse der geplanten Anschlussleitung ist im Bebauungsplan als mit einem Leitungsrecht zu Gunsten der Antragsgegnerin zu belastende Fläche ausgewiesen. Die für die Einleitung des Niederschlagswassers in den Kanal erforderliche wasserrechtliche Genehmigung wurde vom Landratsamt Göppingen am 8.8.2001 erteilt. Das Einzugsgebiet, von dem Wasser in Richtung auf das Grundstück der Antragstellerin fließen kann, wird durch diese Maßnahmen erheblich verkleinert. Nach den Berechnungen der Antragsgegnerin erstreckt sich die Fläche dieses Gebiets bisher auf ca. 1,03 ha und wird in Zukunft nur noch 0,17 ha betragen. Der Abfluss von Oberflächenwasser auf das Grundstück der Antragstellerin wird demnach nicht zu-, sondern deutlich abnehmen.

Die Behauptung der Antragstellerin, die Gebietsentwässerung sei auch in anderer Hinsicht mangelhaft, ist ebenfalls unhaltbar. Nach ihrer Darstellung ist der vorhandene Kanal in der Dr.-Frey-Straße bereits jetzt derart belastet, dass er durch jede weitere Einleitung überfordert würde. Das mag, was die Vergangenheit angeht, zutreffen. Der in der Dr.-Frey-Straße verlaufende Mischwasserkanal ist jedoch inzwischen entsprechend der Entwässerungsplanung der Antragsgegnerin erweitert worden. Nach dieser Planung soll in den erweiterten Kanal lediglich das häusliche Abwasser eingeleitet werden, während das Oberflächenwasser getrennt über die bereits erwähnte neue Leitung zu einem eigenen Regenwasserkanal geführt werden soll. Auch dieser Kanal ist bereits fertig gestellt. Die Antragsgegnerin hat die Entwässerungsprobleme somit hinlänglich bewältigt.

2. Der angefochtene Bebauungsplan leidet jedoch insoweit an einem Abwägungsfehler, als die Antragsgegnerin die von der Antragstellerin beantragte Erweiterung des Plangebiets mit einer nicht tragfähigen Begründung und deshalb abwägungsfehlerhaft abgelehnt hat.

Entgegen der Darstellung der Antragstellerin ist der von ihr während des Aufstellungsverfahrens geäußerte Wunsch, im hinteren Teil ihres Grundstücks ein weiteres Gebäude zu erstellen, von der Antragsgegnerin nicht übergangen worden. Ausweislich der Akten hat der Gemeinderat der Antragsgegnerin das diesen Wunsch äußernde Schreiben der Antragstellerin in seiner Sitzung am 28.2.2000 behandelt. Von dem Ergebnis wurde die Antragstellerin mit Schreiben vom 3.3.2000 unterrichtet. Die Antragsgegnerin hat sich allerdings nicht in der Lage gesehen, dem Wunsch der Antragstellerin zu entsprechen, was sie damit begründet hat, dass der beantragten Ausweisung eines weiteren Baufensters auf dem Grundstück der Antragstellerin der in Aufstellung befindliche Flächennutzungsplan des Gemeindeverwaltungsverbands Mittlere Fils-Lautertal entgegen stehe, der in dem betreffenden Bereich entsprechend dem Landschaftsplan keine weitere Baumöglichkeit vorsehe. Das reicht als Begründung nicht aus.

Dabei ist davon auszugehen, dass der derzeit noch geltende Flächennutzungsplan den gesamten, das Grundstück der Antragstellerin einschließenden Bereich bis zur Messelbergsteige als Wohnbaufläche darstellt. § 8 BauGB steht daher entgegen dem durch die Antragserwiderung der Antragsgegnerin hervor gerufenen Eindruck einer Einbeziehung des gesamten Bereichs in den Bebauungsplan nicht entgegen. Die Antragsgegnerin ist allerdings zu einer solchen Einbeziehung nicht verpflichtet, da es grundsätzlich ihrer Entscheidung unterfällt, ob sie die Darstellungen eines Flächennutzungsplans, bei dem es sich um einen nur vorbereitenden Bauleitplan handelt, in einen Bebauungsplan umsetzt. Die Entscheidung hat jedoch die sich aus § 1 BauGB ergebenden Regeln zu beachten und muss namentlich auf einer ordnungsgemäßen Abwägung beruhen. Der im vorliegenden Fall erfolgte Hinweis auf den Landschaftsplan des Gemeindeverwaltungsverbands Mittlere Fils-Lautertal, aus dem sich unmittelbar keine rechtliche Bindungen der Antragsgegnerin bei der Aufstellung von Bebauungsplänen ergeben, vermag diese Abwägung nicht zu ersetzen. Es wäre vielmehr Aufgabe der Antragsgegnerin gewesen, die Gründe zu ermitteln, die zu der von ihr angeführten Aussage des Landschaftsplans geführt haben, und sie dem von der Antragstellerin geäußerten Wunsch, das Plangebiet nach Norden zu erweitern, gegenüber zu stellen. Das ist nicht geschehen.

Diese Gründe verstehen sich auch nicht von selbst. Auch unter Hinzuziehung des Textteils dieses Plans bleibt vielmehr offen, unter welchem Aspekt eine zusätzliche Bebauung des Grundstücks der Antragstellerin aus landschaftsplanerischer Sicht Bedenken begegnen soll. In dem Plan werden die negativen Folgen des Baugebiets "Herrengestell" in den Grenzen des noch geltenden Flächennutzungsplans auf die verschiedenen Landschaftsfunktionen schlagwortartig wie folgt beschrieben:

"Konflikt mit Naturschutzfunktion durch Verlust von Streuobst- und Feuchtwiesenbiotop, erhöhter Siedlungsdruck auf die angrenzenden Flächen, Konflikt mit Erholungsfunktion durch Verlust von erholungsgeeigneten Flächen und Sichtbeeinträchtigungen, Konflikt mit Wasserdargebotsfunktion durch Lage im Einzugsbereich der Trinkwasserfassung Donzdorf/Schlossgarten, Konflikt mit Landwirtschaft durch Verlust landbauwürdiger Flächen, Konflikt mit räumlicher Planung durch Bebauung vor geschlossenem Ortsrand."

Als mögliche Maßnahmen zur Milderung dieser Beeinträchtigungen werden außer dem Erhalt des vorhandenen Wassergrabens, der Vornahme von Ersatzpflanzungen für die von der Planung betroffenen Gehölzflächen, einer besonderen Gestaltung des Übergangs zur Landschaft sowie einer Angleichung der Gebäudehöhe an die Höhe der angrenzenden Bebauung und eine Reduzierung der Planung um Teilflächen vorgeschlagen, von deren Bebauung besondere Beeinträchtigungen ausgingen. Dafür, dass eine Bebauung des nördlichen Bereichs des geplanten Baugebiets besondere Beeinträchtigungen für die genannten Landschaftsfunktionen mit sich brächte, kann dem Landschaftsplan selbst nichts entnommen werden. In der Karte 1 des von der Antragsgegnerin in Auftrag gegebenen Grünordnungsplans ist allerdings in dem betreffenden Bereich eine größere Zahl von Bäumen eingetragen, was möglicherweise erklärt, weshalb der Landschaftsplan eine Reduzierung gerade im Norden des Plangebiets vorschlägt. Ob das zutrifft, kann jedoch dahinstehen, da das Grundstück der Antragstellerin selbst in der gleichen Karte als eine normale Wiese dargestellt ist, so dass nicht ersichtlich ist, dass diesem Grundstück eine - verglichen mit dem übrigen Gebiet - besondere Schutzwürdigkeit zukommt. Warum dieses Grundstück aus landschaftsplanerischen Gründen von einer Bebauung ausgenommen werden soll, ist daher nicht ersichtlich.

Die schlichte Bezugnahme auf den Landschaftsplan ohne nähere Auseinandersetzung mit den für dessen Inhalt maßgebenden Gründen vermag die Entscheidung der Antragsgegnerin auch deshalb nicht zu tragen, weil diese mit ihrer Planung in anderer Hinsicht keinerlei Rücksicht auf Belange des Landschaftsschutzes nimmt. Nach dem Grünordnungsplan verläuft mitten durch das Bebauungsplangebiet ein Graben, dem in der Biotopbewertung (Karte 2) in Teilbereichen "hohe" bzw. sogar "sehr hohe" Bedeutung beigemessen wird. Der Landschaftsplan bezeichnet dementsprechend den Erhalt dieses Grabens zu Recht als "wünschenswert". Obwohl auf diese Aussage in der Begründung des Grünordnungsplans (S. 3) ausdrücklich hingewiesen wird, sind im Bebauungsplan die Baufenster sowie die geplante Erschließungsstraße so angeordnet, dass der Graben bis auf einen kleinen Rest im Osten vollständig verschwindet. Der von der Antragsgegnerin als Satzung beschlossene Bebauungsplan stellt daher insoweit eine deutliche Verschlechterung gegenüber dem ersten Entwurf vom 28.6.1999 dar, in dem der genannte Graben noch von einer Bebauung ausgespart war. Dies hat auch das Landratsamt Göppingen in seiner zweiten - allerdings erst nach Fassung des Satzungsbeschlusses erfolgten - Stellungnahme vom 15.5.2000 zu Recht bemängelt. Die Antragsgegnerin muss sich angesichts dessen den Vorwurf gefallen lassen, sich widersprüchlich zu verhalten, wenn sie in Bezug auf die von der Antragstellerin gewünschte Erstellung eines zweiten Gebäudes auf ihrem Grundstück die Meinung vertritt, hieran durch den Landschaftsplan des Gemeindeverwaltungsverbands Mittlere Fils-Lautertal gehindert zu sein. Dies gilt um so mehr, als die Schaffung einer zweiten Baumöglichkeit auf dem Grundstück der Antragstellerin die im Landschaftsplan von einer Bebauung ausgesparte Fläche nur am Rand berührt, während im Fall des genannten Grabens Bebauungsplan und Landschaftsplan auch nicht entfernt miteinander übereinstimmen.

Der in der Behandlung des Wunsches der Antragstellerin nach einer Einbeziehung ihres Grundstücks in den Bebauungsplan liegende Fehler im Abwägungsvorgang ist gemäß § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB erheblich, da er offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen ist. Unter den gegebenen Umständen besteht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich die Antragsgegnerin bei Vermeidung des Fehlers zu einem anderen Zuschnitt des Plangebiets entschieden hätte. Davon ist insbesondere auch deshalb auszugehen, weil die Schaffung weiterer Baumöglichkeiten im Bereich des Grundstücks der Antragstellerin die Chance eröffnet, auf einen Teil der unter landschaftsplanerischer Hinsicht besonders problematischen Bebauung im Osten des Plangebiets zu verzichten.

3. Der festgestellte Fehler kann durch ein ergänzendes Verfahren behoben werden, da er nicht von solcher Art und Schwere ist, dass er die Planung als Ganzes von vornherein in Frage stellt oder die Grundzüge der Planung berührt (vgl. zu diesen Bedingungen BVerwG, Urt. v. 8.10.1998 - 4 CN 7.97 - NVwZ 1999, 414; Urt. v. 16.12.1999 - 4 CN 7.98 - PBauE § 47 Abs. 1 VwGO Nr. 7). Er führt daher gemäß § 215 a Abs. 1 BauGB nicht zur Nichtigkeit des Bebauungsplans. Der Plan ist aber gemäß § 47 Abs. 5 S. 4 VwGO bis zur Behebung des genannten Mangels für nicht wirksam zu erklären.

Die Kostentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6.3.2002 - 4 BN 7.02).

Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Beschluss

Der Streitwert für das Verfahren wird gemäß § 13 Abs. 1 S. 1 GKG auf 15.000 EUR festgesetzt

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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